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Es war einmal ein Bauernsohn, den schickte sein Vater eines Tages zum Kornmahlen. „Aber gib acht“, sagte er, „dort gibt es zwei Mühlen. Geh zu jener, wo du redlich bedient wirst, und mach einen großen Bogen um den Müller Khosse, denn der betrügt dich, nimmt das Korn und behält das Mehl.“ — „Ich werde es mir merken“, versprach der Sohn und machte sich auf den Weg. Vor den beiden Mühlen angelangt, hielt er den Esel an, der die Kornsäcke trug, und hielt Ausschau. Nun hatte der Müller Khosse sonst die Angewohnheit, vor seiner Mühle zu stehen und die Kunden heranzulocken. Aber diesmal machte er es umgekehrt. Als er den Bauernsohn von weitem kommen sah, flitzte er in seine Mühle hinein und zur Hintertür wieder hinaus, lief dann zum Nachbarn hinüber und durch dessen Hintertür unbemerkt durch die Mühle bis vors Eingangstor. Dort stellte er sich hin. Der Bauernsohn erkannte ihn und lenkte den Esel an ihm vorbei zur danebenstehenden Mühle. Dort rief er nach dem Müller. Als keiner antwortete, hob er die Säcke vom Esel und schüttete das Korn aus. Kaum war das geschehen, da kam Khosse zum Vorschein und sagte: „Ei, herzlich willkommen!“ Und weil das Korn schon ausgeschüttet war, mußte der Bauernsohn wohl oder übel bei ihm bleiben. Aber die Worte seines Vaters gingen ihm nicht aus dem Kopf, und er überlegte, wie er sich vor Khosses Betrügereien schützen könnte. „Mein Vater läßt dir bestellen, daß du unser Korn .gründlich durchmahlen, einen großen Pogatscha backen und mir deine Lieblingstochter zur Frau geben sollst!“ sagte er. „Meinetwegen“, antwortete der Müller. „Setz dich her und warte, bis das Korn fertig ist, dann werde ich euch die Pogatscha backen.“ Er stellte einen Topf mit Wasser aufs Feuer, und als es kochte, nahm er ein paar Hände voll Mehl und warf es hinein, angeblich um den Teig zu bereiten. Da der Topf aber zuviel Wasser enthielt, entstand nur eine dünne Mehlsuppe. „Was nun?“ fragte er. „Euer Mehl reicht nicht aus.“ — „Was hat unser Mehl damit zu tun?“ widersprach der Bauernsohn. „Mein Vater sagte, daß du uns die Pogatscha extra backen sollst.“
Sie stritten sich eine Weile, und dann sagte Khosse: „Machen wir es so: Wer von uns beiden den anderen mit Lügenerzählen übertrumpft, der erhält Mehl und Pogatscha. Und falls du der Sieger wirst, kriegst du meine Tochter als Draufgabe.“ — „Einverstanden“, sagte der Bauernsohn. Khosse war der ältere von beiden, deshalb machte er mit den Lügengeschichten den Anfang. „Siehst du den Graben dort?“ fragte er. „Darin wuchsen früher Gurken, die wurden so lang und so dick, daß eine, die zufällig quer über den Graben gewachsen war, von Mensch und Vieh als Brücke benutzt werden konnte. Sie trug sogar Kamele.“ — „Stimmt genau!“ lachte der Bauernsohn. „Wie mein Vater mir erzählte, sind eines Tages Kamele, mit Gold und Edelsteinen beladen, über jene Gurkenbrücke gezogen. Doch sie kam ins Wanken, die Kamele rutschten ab, fielen in den Graben und ertranken. Zufällig hatte mein Vater just in einer nebenliegenden Gurke sein Mittagsschläfchen gehalten. Von dem Lärm geweckt, steckte er den Kopf aus der Gurke, merkte sich. wo das Gold und die Edelsteine hinfielen, fischte sie in der folgenden Nacht heimlich aus dem Wasser und wurde auf diese Weise ein reicher Mann. Von einem Teil des Goldes kaufte er dreihundert Bienenstöcke. Allmorgendlich zählte er die Bienen durch. Einmal fehlte eine Biene und war nicht wieder aufzufinden, obgleich er sie in Haus und Hof suchte. Deshalb sattelte er seinen Hahn und ritt in die Welt hinaus, um die verirrte Biene zu suchen. Vor den Toren Bagdads fand er sie schließlich. Ein Bauer hatte sie neben einem Ochsen vor den Pflug gespannt und pflügte mit ihr das Feld. Selbstverständlich spannte mein Vater die Biene sofort aus, trieb sie heim und setzte sie in den Bienenstock. Dann nahm er dem Hahn den Sattel ab und sah, daß er den Ärmsten wundgeritten hatte. Wie sollte er die Wunde heilen? Er probiertees mit verschiedenen Kräutern, aber keines half. Da knackte er eine Nuß, zerkaute den Kern, legte ihn auf die Wunde, streute etwas Erde obendrauf und verband die Wunde mit einem Lappen. Als er am nächsten Morgen in den Hühnerstall kam, um den Verband zu wechseln, siehe, da hatte die zerkaute Nuß schon ausgetrieben und die ersten Blättchen angesetzt.
Bald war der Nußbaum so hoch wie eine Eiche und lieferte eine reiche Ernte. In der Krone baute sich eine Dohle ihr Nest und brütete ihre Jungen aus. Die Dohlenjungen wurden von frechen Rangen mit so vielen Erdbrocken beworfen, daß sich im Wipfel des Nußbaumes ein großer Acker bildete. Den Acker brach mein Vater mit neun Pflügen um und besäte ihn mit Korn. Den Nußwald aber, der sich daneben befand, ließ er stehen, und dort siedelten sich Bären, Wölfe und Füchse an. Zur Erntezeit mietete mein Vater die Burschen und Mädchen aus den drei umliegenden Dörfern, um das Feld zu mähen, denn es war so groß, daß er allein die Arbeit nicht hätte schaffen können. Als sie nun die Arbeit in Angriff nehmen wollten, kam ein Fuchs aus dem Wald gelaufen. Sie machten auf ihn Jagd, und weil sie ihn nicht zu fangen vermochten, warf einer die Sichel nach ihm. Ihr Griff bohrte sich ihm in die Flanke, schmerzgepeinigt raste er kreuz und quer über das Feld und mähte dabei die gesamte Ernte ab. Als er danach in den Wald zurücklief, fiel ihm die Sichel aus der Flanke und außerdem ein Zettel. Die Schnitter hoben beides auf, da sie den Zettel aber nicht lesen konnten, brachten sie ihn zum Richter, der ihnen den Zettel vorlesen sollte.“ — „Und was stand auf dem Zettel?“ fragte Khosse. „Das will ich dir gern sagen“, erwiderte der Bauernsohn. „Auf dem Zettel stand geschrieben: >Khosses Listen und Schliche sind nutzlos, und deshalb muß er das Mehl, die Pogatscha und die Tochter als Draufgabe herausrücken.<“
Da lachte der Müller, gab sich geschlagen und überließ dem klugen Bauernsohn das Mehl, die Pogatscha und die Tochter als Draufgabe. Dieser lud Mehl und Pogatscha auf den Esel, nahm die Braut an die Hand und führte sie heim.
Sie stritten sich eine Weile, und dann sagte Khosse: „Machen wir es so: Wer von uns beiden den anderen mit Lügenerzählen übertrumpft, der erhält Mehl und Pogatscha. Und falls du der Sieger wirst, kriegst du meine Tochter als Draufgabe.“ — „Einverstanden“, sagte der Bauernsohn. Khosse war der ältere von beiden, deshalb machte er mit den Lügengeschichten den Anfang. „Siehst du den Graben dort?“ fragte er. „Darin wuchsen früher Gurken, die wurden so lang und so dick, daß eine, die zufällig quer über den Graben gewachsen war, von Mensch und Vieh als Brücke benutzt werden konnte. Sie trug sogar Kamele.“ — „Stimmt genau!“ lachte der Bauernsohn. „Wie mein Vater mir erzählte, sind eines Tages Kamele, mit Gold und Edelsteinen beladen, über jene Gurkenbrücke gezogen. Doch sie kam ins Wanken, die Kamele rutschten ab, fielen in den Graben und ertranken. Zufällig hatte mein Vater just in einer nebenliegenden Gurke sein Mittagsschläfchen gehalten. Von dem Lärm geweckt, steckte er den Kopf aus der Gurke, merkte sich. wo das Gold und die Edelsteine hinfielen, fischte sie in der folgenden Nacht heimlich aus dem Wasser und wurde auf diese Weise ein reicher Mann. Von einem Teil des Goldes kaufte er dreihundert Bienenstöcke. Allmorgendlich zählte er die Bienen durch. Einmal fehlte eine Biene und war nicht wieder aufzufinden, obgleich er sie in Haus und Hof suchte. Deshalb sattelte er seinen Hahn und ritt in die Welt hinaus, um die verirrte Biene zu suchen. Vor den Toren Bagdads fand er sie schließlich. Ein Bauer hatte sie neben einem Ochsen vor den Pflug gespannt und pflügte mit ihr das Feld. Selbstverständlich spannte mein Vater die Biene sofort aus, trieb sie heim und setzte sie in den Bienenstock. Dann nahm er dem Hahn den Sattel ab und sah, daß er den Ärmsten wundgeritten hatte. Wie sollte er die Wunde heilen? Er probiertees mit verschiedenen Kräutern, aber keines half. Da knackte er eine Nuß, zerkaute den Kern, legte ihn auf die Wunde, streute etwas Erde obendrauf und verband die Wunde mit einem Lappen. Als er am nächsten Morgen in den Hühnerstall kam, um den Verband zu wechseln, siehe, da hatte die zerkaute Nuß schon ausgetrieben und die ersten Blättchen angesetzt.
Bald war der Nußbaum so hoch wie eine Eiche und lieferte eine reiche Ernte. In der Krone baute sich eine Dohle ihr Nest und brütete ihre Jungen aus. Die Dohlenjungen wurden von frechen Rangen mit so vielen Erdbrocken beworfen, daß sich im Wipfel des Nußbaumes ein großer Acker bildete. Den Acker brach mein Vater mit neun Pflügen um und besäte ihn mit Korn. Den Nußwald aber, der sich daneben befand, ließ er stehen, und dort siedelten sich Bären, Wölfe und Füchse an. Zur Erntezeit mietete mein Vater die Burschen und Mädchen aus den drei umliegenden Dörfern, um das Feld zu mähen, denn es war so groß, daß er allein die Arbeit nicht hätte schaffen können. Als sie nun die Arbeit in Angriff nehmen wollten, kam ein Fuchs aus dem Wald gelaufen. Sie machten auf ihn Jagd, und weil sie ihn nicht zu fangen vermochten, warf einer die Sichel nach ihm. Ihr Griff bohrte sich ihm in die Flanke, schmerzgepeinigt raste er kreuz und quer über das Feld und mähte dabei die gesamte Ernte ab. Als er danach in den Wald zurücklief, fiel ihm die Sichel aus der Flanke und außerdem ein Zettel. Die Schnitter hoben beides auf, da sie den Zettel aber nicht lesen konnten, brachten sie ihn zum Richter, der ihnen den Zettel vorlesen sollte.“ — „Und was stand auf dem Zettel?“ fragte Khosse. „Das will ich dir gern sagen“, erwiderte der Bauernsohn. „Auf dem Zettel stand geschrieben: >Khosses Listen und Schliche sind nutzlos, und deshalb muß er das Mehl, die Pogatscha und die Tochter als Draufgabe herausrücken.<“
Da lachte der Müller, gab sich geschlagen und überließ dem klugen Bauernsohn das Mehl, die Pogatscha und die Tochter als Draufgabe. Dieser lud Mehl und Pogatscha auf den Esel, nahm die Braut an die Hand und führte sie heim.
Quelle:
(Märchen aus Jugoslawien)