5
(1)
Es war einmal in alten Tagen ein Mann, der eine kleine Kathstelle draußen in einer Waldgegend besaß. Er hatte es nur kärglich: er konnte eben ein Paar kleine rothe Mähren halten, um mit ihnen Sommers sein Land zu bestellen und Winters Brennholz zu fahren. Er lebte nur von der Hand in den Mund. Er war verheirathet und hatte einen kleinen Sohn, welcher Hans hieß. Da kam seine Frau wieder in die Wochen und bekam drei kleine Mädchen auf einmal. Das war eine große Sorge für sie, und der Mann dachte, er würde sich jetzt bei Nacht wie bei Tage placken müssen, um Brod zu schaffen. So stand er denn in einer Nacht draußen und klopfte seinen Dünger fest, auf den er Erde gehäuft hatte, damit er weiter mit demselben reiche. Da kam ein alter Mann zu ihm, ließ sich ins Gespräch mit ihm ein und bedauerte ihn, daß er auch nachts so dastehen und sich abäschern müsse. Ja, das sei durchaus nöthig, sagte der Mann, er habe so viel hungrige Münder zu ernähren. Da sagte der Alte, er könne leicht von seiner Noth erlöst werden, wenn er nur wolle. Der Alte bot ihm an, seine drei Töchter zu sich zu nehmen, wenn sie drei Jahre alt wären. Wenn der Mann das Anerbieten annehmen wolle, solle er hinfort keine Noth mehr leiden, denn der Alte wolle ihm eine Dose schenken, welche die Eigenschaft habe, daß man alles, was man wünsche, erhalten könne, wenn man nur auf sie klopfe. Der Mann dachte, er müsse schier nothgedrungen auf den Handel eingehen, denn er könne ja noch mehr Kinder bekommen, und er könne nicht einmal die, welche er schon habe, ernähren. Er erhielt also die Dose, und der Alte sagte, er werde schon selbst die drei Mädchen holen, wenn sie drei Jahre alt geworden seien.
Als der Alte fort war, wollte der Mann gleich die Kraft seiner Dose erproben, und klopfte auf dieselbe. Sofort stand ein Riese vor ihm und sagte: »Was befiehlt mein Herr?« – »Bin ich dein Herr,« sagte der Mann, »so befehle ich, daß morgen früh zwei Meilen von hier ein Edelhof stehen soll mit allem Zubehör drinnen wie draußen, mit Leuten und Vieh, Hausrath und Ackergeräth, Silber und Gold und guten Dingen, so daß kein besserer Hof im ganzen Königreiche zu finden ist.« Darauf verschwand der Riese, und der Mann ging hinein und legte sich nieder. Früh am nächsten Morgen klopfte er wieder auf die Dose, der Riese stand vor ihm und frug: – »Was befiehlt mein Herr?« – »Ich befehle, daß in zwei Stunden eine Kutsche mit vier Pferden und Kutscher und Lakai hier halten soll, um uns nach unserm Edelhofe abzuholen.« Dann ging er zu seiner Frau und den Kindern hinein und sagte, er habe die Kathstelle verkauft. Sie möge sich und den Kindern das beste Zeug, das sie hätten, anziehen, denn in zwei Stunden sollten sie abreisen. »Ach Gott!« sagte sie, »was soll aus uns und den armen Kleinen werden?« Als nun die Kutsche mit vier Pferden bespannt ankam, glaubte sie, ihr Mann habe die Kathstelle für diese verkauft. Damit war sie sehr übel zufrieden, aber sie setzte sich mit den Kindern hinein und weinte auf dem ganzen Wege leise vor sich hin. Es ging in fliegender Hast, und bald fuhren sie in den schönsten Edelhof hinein und hielten vor der Treppe. Dort kamen Diener und Mägde herausgeeilt und empfingen sie, als hätten sie viele Jahre bei ihnen gedient.
Sie lebten jetzt auf ihrem Edelhofe drei Jahre lang in Wohlstand und Herrlichkeit. Sie hatten Ammen und Mägde für die Kinder, und sie trugen feine Kleider, und die drei kleinen Mädchen gediehen gut: sie waren hübsch und munter und artig und waren der Stolz und die Freude ihrer Mutter. Aber der Knabe Hans war wunderlich eigen und menschenscheu; wenn er im Zimmer war, so weinte er, am liebsten mochte er draußen im Stall und unter den Heuschobern, auf dem Hühnerhofe und auf dem Düngerhaufen allein umhergehen. Er schien nicht recht bei seinen fünf Sinnen zu sein, und die Leute nannten ihn den dwatschen Hans.
An dem Tage, als die kleinen Mädchen drei Jahre alt wurden und der Mann wußte, daß sie fortgeholt werden würden – die Frau wußte von alledem nichts, – fuhr er mit seiner Frau auf Besuch aus, sagte aber erst den Mägden, sie sollten alle Thüren verschlossen halten und die Kinder an diesem Tage nicht aus dem Hause lassen. Gegen Mittag kam eine Kutsche auf den Hof gefahren, die blitzte wie die Sonne, und alle Dienstboten liefen an Fenster und Thüren, um zu sehen, was es wäre. Die drei kleinen Mädchen kamen zu einer Thür, die angelehnt stand, sie drängten sich zwischen den Kindermägden hinaus und liefen zur Kutsche hin. Und sobald sie dort ankamen, wurden sie in dieselbe hineingerissen, und sie rollte zum Hofe hinaus, nach dem Walde zu; niemand wußte, wohin sie verschwand. Abends kamen Mann und Frau nach Hause, die Kindermägde weinten und schluchzten, denn die Kinder waren fort. Die Frau weinte auch und war ganz untröstlich. Aber der Mann sagte, die Kinder kämen schon wieder; es hätte sie keiner weggenommen, der ihnen Leid zufügen würde.
Eine Reihe von Jahren verstrich: die Mutter ging umher und trauerte und erwartete die Rückkehr ihrer kleinen Mädchen, oder doch eine Nachricht von ihnen und es kam keine Kunde von ihnen, und die Mutter härmte sich und ward inmitten all der äußeren Herrlichkeit von Trauer und Gram verzehrt, bis sie endlich starb. Bald darauf starb auch der Mann; er hatte keine Freude an seinem Reichthum, denn er hatte ein schlechtes Gewissen. Da war der dwatsche Hans Erbe der ganzen Herrlichkeit. Er war noch eben so wunderlich, wie er immer gewesen war. Er trieb sich, wie gewöhnlich, umher, und nahm sich keiner Sache an. Aber es waren andere da, die sich der Sachen annahmen; es waren ungetreue Diener und ungetreue Verwalter da, und Hans wurde bestohlen und betrogen, das eine Mal ärger als das andere; aber er kümmerte sich um nichts, bis eines Tages – kaum zwei Jahre, nachdem er den Hof geerbt hatte – der Vogt des Königs kam und das Ganze in Beschlag nahm, und ihm gesagt wurde, jetzt könne er gehen, wohin er wolle: er besäße ja nichts, als was er auf dem Leibe trüge. Hans war darum nicht minder froh. Er ging durch das ganze Haus, aus einem Zimmer in das andere, und da waren manche Zimmer, in denen er zuvor niemals gewesen war. So kam er in eine Kammer, wo ein alter Schafspelz hing, und neben dem stand ein alter Knotenstock. Die können mir jetzt gute Dienste thun, dachte Hans, der Pelz ist gut für Kälte und für Warme; und damit zog er den Pelz an und nahm den Stock in die Hand, und dann ging er zum Edelhofe hinaus; aus dem machte er sich nur wenig: er hatte niemals Freude daran gehabt.
Hans fuhr fort zu wandern, bis er in einen Wald kam; dort legte er sich hin, um zu schlafen, das war ihm nahezu das Liebste. Als er erwachte, fühlte er sich wund auf der Seite, auf der er gelegen hatte, und es war auch etwas da, was ihn drückte. Er fühlte also in der Tasche nach, und dort fand er eine kleine Dose. Er wandte und drehte sie hin und her und vermochte sie nicht zu öffnen, da klopfte er auf dieselbe, und sogleich stand ein Riese vor ihm und sprach: »Was befiehlt mein Herr?« – »Bin ich dein Herr?« frug Hans. – »Jawohl,« sagte der Riese; »dein Vater war mein Herr, und du hast die Dose von ihm geerbt; darum bist du jetzt mein Herr.« – »Hm, habe ich zu befehlen,« sagte Hans, »so möchte ich wohl eine Fiedel haben, auf der ich spielen könnte, und das so lustig, daß alle, die es hörten, danach tanzen müßten.« In demselben Augenblick hatte er die Fiedel, und er spielte und spielte, und es kam ihm herrlich vor; er war nie zuvor in seinen Lebtagen so vergnügt gewesen.
Dann hängte Hans seine Fiedel auf den Rücken und ging weiter in die weite Welt hinaus. Wohin er kam, spielte er den Leuten auf: sie tanzten und waren vergnügt; und Hans litt niemals Noth: er erhielt Speise und Obdach, wohin er kam; ein solcher Spielmann war allerorten willkommen. Er zog von dem einen Lande zum andern, und so kam er einstmals an einem großen Königspalaste vorüber. Im Garten daneben erging sich die Tochter des Königs und spielte Ball mit ihren Fräulein. Er blieb draußen vor dem Garten stehen und schaute und schaute, er konnte dessen gar nicht müde werden. Er schaute auf nichts anderes, als auf die Königstochter, die war so unvergleichlich schön. Da dachte Hans: »Wer sie nur alle Tage sehen könnte, der wäre glücklich.« Und dann ging er in den Palast hinein und frug, ob er nicht dort einen Dienst erhalten könnte. Ja, er könnte Schafhirt werden, und das wurde er. Den ganzen Tag zog er in Feld und Wald mit seinen Schafen umher und spielte ihnen auf seiner Fiedel auf, daß sie tanzten und sangen, so gut sie’s gelernt hatten. Das war ergötzlich zu sehn und zu hören; und abends, wenn Hans die Schafe heimwärts trieb, ließ er sie draußen vor dem Schloßgarten tanzen, wo sich die Prinzessin erging und mit ihren Fräulein spielte. Sie mußten allesammt tanzen; und sie lachten und waren lustig, bis Hans aufhörte zu spielen und seine Schafe in den Schafstall trieb.
Es ergötzte die Prinzessin sehr, Hansens Spiel zu hören, aber doch besonders, die Schafe danach tanzen zu sehn; und sie kam eines Tages zu Hans aufs Feld hinaus und bat ihn, die Schafe vor ihr tanzen zu lassen. Er sagte, das thäte er nicht, wenn sie ihm nicht versprechen wollte, seine Frau zu werden. Sie lachte darüber und dachte, dem armen Tropfe könne man versprechen, was man wolle, es habe nichts zu bedeuten, und so sagte sie Ja, und Hans spielte, daß die Schafe tanzten, und die Prinzessin sich fast todtlachte. Am nächsten Tage kam sie wieder zu Hans hinaus, er solle ihr und den Schafen aufspielen. Aber Hans sagte: Nein, das thäte er nicht, wenn sie es ihm nicht schriftlich gäbe, daß sie seine Frau werden wolle. Sie meinte, auch das habe nichts zu bedeuten, und sie gab es ihm schriftlich mit ihrem Namen darunter. Am folgenden Tage ging Hans zum König hinauf und sagte, daß seine Tochter ihm versprochen habe, seine Frau zu werden, daher bitte er den König, ihre Hochzeit auszurichten. Der König lachte ihn aus und dachte, das sei ein drolliger Einfall von dem armen blödsinnigen Schafhirten. Aber da zog Hans das Schreiben hervor und zeigte dem König, daß seine Tochter sich eigenhändig dazu verpflichtet habe. Der König ließ sofort seine Tochter herein rufen und frug sie, was das für eine Verschreibung wäre, die sie da ausgestellt hätte. Ach, das sei nur Spaß, sagte sie, das habe nichts zu bedeuten. Aber der König sagte, es habe so viel zu bedeuten, daß sie halten müsse, was sie versprochen. Er könne nicht Recht und Gerechtigkeit im Lande verwalten, wenn die Leute nicht an das gebunden sein wollten, was sie geschrieben hätten. Und sollte die Unterschrift nichts gelten, so würde man auch seine Gesetze und Erlasse nicht mehr für voll ansehen. Sie müsse den Schafhirten nehmen.
Sie hielten also Hochzeit, und sobald die Hochzeitstage zu Ende waren, sagte der König, jetzt möge Hans seine Frau nehmen und mit ihr nach seinem eigenen Heim reisen. Er glaubte natürlich nicht, daß er einen Ort habe, wohin er sie führen könnte. Da ging Hans vor das Schloß hinaus und klopfte auf die Dose; sogleich kam der Riese und frug: »Was befiehlt mein Herr?« – »Ich befehle dir, zwei Meilen von hier ein Schloß zu errichten, so groß und so prächtig, daß der Palast des Königs sich nicht damit vergleichen läßt. Und dann soll hier sogleich eine goldene Kutsche mit sechs Pferden, Kutscher und Lakai erscheinen, so herrlich, daß der König nicht dessen gleichen hat.« Kaum hatte er das gesagt, so hielt schon die Kutsche vor der Thür, Hans ging hinein und sagte seiner Frau, daß der Wagen jetzt da sei. Alle wollten sie hinaus begleiten, denn sie waren neugierig, zu sehen, was für ein Fuhrwerk der Schafhirt auftreiben könnte. Der König verlor fast die Nase aus dem Gesicht, als er die Kutsche erblickte. Aber Hans that, als wäre das gar nichts; er sagte, ihr Schloß läge nur zwei Meilen entfernt, und er bat den König, sie bald zu besuchen. Die goldene Kutsche rollte dann zum Palasthofe hinaus, und der Kutscher fuhr zu dem neuen Schlosse, als hätte er das seit vielen Jahren gethan; dort waren Diener und Mägde, welche sie empfingen, und das Schloß war in jeglicher Weise noch viel schöner ausgestattet, als die Prinzessin es gewohnt war.
Sie war trotzdem in sehr übler Laune, denn sie mochte Hans nicht leiden, und sie war ja auch sehr gegen ihren Willen mit ihm verheiratet worden. Er that alles, was er vermochte, um sie aufzuheitern; aber sie hielt sich zurück und antwortete ihm kaum, wenn er mit ihr sprach. Er wollte ihr etwas vorspielen, aber sie bat ihn, sie damit zu verschonen. Es war kein vergnügtes Leben für Hans; es konnte ihm wenig nützen, daß er die allerschönste Frau bekommen hatte, wenn sie ihn nicht leiden mochte und nichts von ihm wissen wollte. Seine Fiedel mochte er gar nicht mehr ansehen. So nahm er denn eine Büchse und ging in seinem alten Schafspelz auf die Jagd; die Dose trug er stets bei sich in der Tasche. Wenn Hans von der Jagd nach Hause kam, sah er doch nichts von der Prinzessin: sie hatte sich in dem einen Flügel des Schlosses eingerichtet und ließ Hans in dem anderen wohnen.
Hans war betrübt, und die Prinzessin langweilte sich. Es war ein junger Kavalier da, welcher Gnade vor ihren Augen fand, und ihr früh und spät Gesellschaft leistete. Er wunderte sich sehr über alles, was er sah: Reichthum und Herrlichkeit genug war auf dem Schlosse, und nichts wurde gespart, und doch hörte man nichts von Einkünften. Darüber sprach er mit der Prinzessin, und sie wußte auch nicht, wie das zusammen hängen könnte. Da gab ihr der junge Kavalier den Rath, sie solle aus Hans herauszulocken suchen, woher er all seinen Reichthum habe, und darauf ging sie ein.
Eines Abends, als Hans, wie gewöhnlich, von der Jagd nach Hause kam und sein eigenes Schlafzimmer aufsuchen wollte, ward ihm gemeldet, daß die Prinzessin ihn zu sprechen wünsche. Und als er in ihre Gemächer kam, war ein treffliches Abendessen für sie aufgetischt, und die Prinzessin war so freundlich gegen ihn, wie sie früher nie gewesen war. Sie sagte, es sei ja sündhaft von ihr, fortwährend ein saures Gesicht zu der Ehe zu machen, die ihr so unerwartet gekommen sei. Er habe sie ja in eine so gute Lage versetzt, wie sie sich’s nur wünschen könne, und er habe sich so treu und liebevoll gegen sie erwiesen, daß sie ihn nothwendig liebhaben müsse. Das mundete Hans freilich wie süße Milch, er glaubte alles, was sie sagte, und ward so froh, wie er noch niemals gewesen war. Am nächsten Abend, als er von der Jagd nach Hause kam, stand die Prinzessin drunten auf dem Schloßhofe und empfing ihn, und am dritten Abend kam sie ihm eine weite Strecke Weges entgegen; ihr sei so angst geworden, sagte sie, daß die wilden Thiere ihm etwas zu Leide gethan hätten. Sie war jetzt über alle Maßen zärtlich und liebevoll gegen ihn. »Jetzt sind wir so glücklich wie möglich,« sagte sie, »und ich kann dir niemals genug für all das Gute danken, das du mir erwiesen hast; aber eins kann ich nicht begreifen; willst du mir das nicht sagen?« Hans war so froh, daß er alles versprach. »Wie geht es doch zu,« sagte sie, »daß wir von allem die Fülle haben und uns nichts abgeht? wir haben große Ausgaben und keine Einkünfte; wie kann das doch zugehen?« Da zeigte Hans ihr die Dose und erzählte ihr alles in Betreff derselben. »Aber, lieber Hans!« sagte die Prinzessin; »mit der Dose mußt du nicht so allenthalben herum gehn: du könntest sie verlieren, oder sie könnte dir gestohlen werden, und dann hätte all unser Reichthum ein Ende. Laß sie bei mir daheim in meinem Schlafzimmer stehen! dann werde ich sie schon hüten.« Am nächsten Morgen ließ also Hans die Dose daheim im Schlafzimmer stehen, und ging dann auf die Jagd, wie er zu thun pflegte. Die Prinzessin nahm zärtlich Abschied von ihm und frug, wann er nach Haus käme; denn sie wolle ihm wieder entgegen gehn.
Als Hans in den Wald gegangen war, ließ die Prinzessin sogleich ihren jungen Kavalier rufen, und sie zeigte ihm die Dose und erzählte ihm alles, was sie in Erfahrung gebracht hatte. Die beiden kamen bald überein, was sie thun wollten. Der Kavalier nahm die Dose und klopfte auf dieselbe. Sogleich erschien der Riese und sprach: »Was befiehlt mein fremder Herr heute?« – »Ich befehle dir, das Schloß, wie es dasteht, zu nehmen und es von hier fortzuschaffen und es an vier goldenen Ketten mitten über dem rothen Meere aufzuhängen.« Und sobald das gesagt war, war es auch gethan. Von der ganzen Herrlichkeit war keine Spur mehr zu erblicken.
Gegen Abend machte Hans sich auf den Heimweg von der Jagd; er sehnte sich jetzt nach seiner zärtlichen Frau; er guckte sich schier die Augen nach ihr aus; sie sollte ihm ja entgegen kommen; aber niemand kam. Er ging immer weiter: jetzt mußte er doch zu Hause sein; er sah sich nach dem Schlosse um: aber kein Schloß war zu sehen. Da ging es ihm auf, daß er von der, welcher er am treuesten geglaubt hatte, schmählich betrogen worden sei. Und er ging ohne Zweck und Ziel durch den einen wilden Wald nach dem andern, so weit, so weit, daß kein Mensch weiß, wohin er kam. So kam er denn einstmals gegen Abend zu einem Teich in einem dichten Walde; dort stand eine junge Frau und wusch Zeug. »Guten Abend!« sagte Hans. »Guten Abend und willkommen, mein armer Bruder!« antwortete die Frau. Hans erkannte sie nicht, aber sie erkannte ihn: es war eine seiner drei kleinen Schwestern, die geraubt worden, als sie drei Jahre alt waren. Als sie ihm das erklärt hatte, sagte er zu ihr: »Hast du etwas zu essen für mich? Ich sterbe fast vor Hunger.« Sie sagte Ja und führte ihn in ihre Wohnung, das war eine Erdhöhle im wilden Walde, und sie gab ihm etwas zu essen; aber dann sagte sie: »Jetzt mußt du wieder fort, Hans, ehe mein Mann nach Hause kommt! Denn ich habe einen Bären zum Manne, und wenn er dich sieht, so zerreißt er dich. Es ist kein Bär wie andere Bären, sondern es ist ein Königssohn, der verwunschen ist. Aber wenn er in Bärengestalt einhergeht, so schont er kein lebendes Wesen außer mir.« – »Nein,« sagte Hans, »ich muß diese Nacht hier bleiben; ich bin zu müde, um weiter wandern zu können.« Da mußte sie ihn schon dableiben lassen; sie versteckte ihn, so gut sie konnte, ganz hinten in der Höhle. Dann kam der Bär nach Hause. »Hu, hu!« sagte er, »ich wittere Christenblut!« – »Nein, nein,« sagte die Frau, »wir sind ja hundert Meilen von allen Menschen entfernt;« und es gelang ihr, ihn zu beschwichtigen, bis die Zeit kam, wo er die Bärenhülle abwarf und Menschengestalt erhielt; das war nur sechs Stunden lang in jeder Nacht. Dann erzählte sie ihm von dem Bruder, der gekommen sei, und er wurde hervorgeholt; er berichtete all seine Schicksale, und der Bärenprinz schloß Freundschaft mit ihm und sagte: »Morgen will ich dich zu deiner anderen Schwester bringen.«
Am nächsten Morgen sagte der Bär zu Hans: »Setze dich auf meinen Rücken!« und dann lief er mit ihm durch den Wald zu einem hohen Berge, welcher dort lag, und zeigte ihm einen Pfad, dem er folgen sollte. Und ehe sie von einander schieden, sagte der Bär: »Reiße mir ein Haar aus dem Schwanze und hebe es gut auf! es wird dich und mich retten.« Dann erstieg Hans den Berg und fand seine zweite Schwester, die ihn auch sogleich erkannte. Sie war mit einem Adler verheiratet, der auch ein verwunschener Königssohn und ein Bruder des Bärenprinzen war. Und sie mußte auch Hans vor dem Adler verstecken, bis derselbe seinen Balg abgeworfen hatte; aber dann wurden sie gute Freunde, und am folgenden Tage nahm der Adler Hans auf den Rücken und flog mit ihm zu einer Insel hinaus, wo die dritte Schwester wohnte. Sie war mit einem dritten Bruder verheiratet, einem Königssohne, der in ein Ungeheuer von einem Fisch verwunschen war. Und ehe der Adler von Hans schied, sagte er ihm: »Reiße mir eine Feder aus dem Schwanze! sie wird dich und mich retten.« Nun kam Hans zu seiner dritten Schwester und blieb dort die Nacht über, und er erzählte all seine Schicksale. Da sagte der Schwager: »Morgen früh sollst du dich auf meinen Rücken setzen, dann werde ich dich übers Meer tragen, so nahe wie möglich bis zum rothen Meere heran. Dort mußt du eine Schuppe aus meinem Schwanz reißen, die wird dich und mich retten. Und dann mußt du meinen Bruder Bär rufen, der soll dich über Land ans Ufer des rothen Meers tragen. Und dann mußt du meinen Bruder Adler rufen, der soll dich durch die Luft zu deinem Schlosse bringen.«
Gesagt, gethan; der Adler flog mit Hans über das rothe Meer – es war in der Morgendämmerung, – und sie kamen zum Schlosse, das an vier goldenen Ketten in der Luft hing, und der Adler umkreiste das Schloß, so daß Hans überall hineinsehen konnte: das Schlafzimmerfenster der Prinzessin stand offen; auf einem Tische drinnen stand die Dose, welche Hans so gut kannte, und dort lagen die Prinzessin und ihr Kavalier im süßesten Schlafe. Da ließ Hans sich vom Adler ans Fenster tragen, und dann nahm er seine Dose und klopfte auf dieselbe. Sogleich stand der Riese da und frug: »Was befiehlt mein rechter Herr heute?« – »Ich befehle dir, sie und ihn, die dort liegen, beim Schopfe zu nehmen und sie so hoch in die Luft zu schleudern, daß sie erst in Fetzen und Fasern herunter kommen. Sodann sollst du dies Schloß nehmen und es wieder hinstellen, wo es früher gestanden hat.« Als das geschehen war, legte Hans sich nieder, und er schlief sieben ganze Tage und Nächte; aber die Dose hatte er bei sich, und die ließ er nicht aus seiner Hand.
Als Hans solchermaßen nach all dem Ungemache gut ausgeschlafen hatte, begann er wieder seine alte Lebensweise: er wohnte auf seinem Schlosse, aber er hielt sich doch nur nachts dort auf; denn jeden Tag trieb er sich mit seiner Büchse in den Wäldern umher. Und so verging Woche nach Woche und Jahr nach Jahr; es waren jetzt drei Jahre vergangen, seit Hans seine drei Schwestern und seine drei Schwäger gefunden, die ihm wieder zur Dose und zu dem Schlosse verholfen hatten; aber in all der Zeit hatte er nicht an sie gedacht; es war, als hätte er diese Erinnerungen ganz verschlafen. Da wollte er eines Tages draußen im Walde seine Büchse laden, und es fehlte ihm an einer Vorladung. Er suchte in allen Taschen seines unverwüstlichen Schafspelzes, den er immer trug, und da griff er in eine kleine Tasche, die er sonst nie gebrauchte, und zog daraus ein Bärenhaar und eine Adlerfeder und eine Fischschuppe hervor. Da ging ihm ein Licht auf, und er erinnerte sich des Ganzen, und langte die Dose hervor und klopfte auf dieselbe. Der Riese erschien und frug: »Was befiehlt mein Herr?« Und Hans antwortete: »Bringe mich gleich zu dem lebendigen Wasser im tiefsten Thal unter dem höchsten Berg!« In demselben Augenblick war er da; er war nie zuvor dort gewesen: es war wie unten in einem ungeheuer tiefen Brunnen. Dort war es fast ganz dunkel; man sah nur einen kleinen Punkt blauen Himmels hoch, hoch oben. Und da drunten rieselte ein kleiner Bach aus dem Berge und in den Berg hinein. Und draußen vor der Thür einer Höhle im Berge saß ein altes weißhaariges Weib, und eine kleine weiße Katze lag zusammengeduckt auf ihrem Schoße.
»Ist alle Zeit jetzt verronnen?« sagte die alte Frau, »oder ist die Zeit jetzt gekommen, wo ich und meine Kinder von unsern harten Fesseln erlöst werden sollen?« Da nahm Hans das Bärenhaar und die Adlerfeder und die Fischschuppe, die er so lange bei sich getragen, und legte sie auf ihren Schoß. Und in demselben Augenblicke zerbarst der Berg von oben bis unten, und ein königliches Schloß stand da, umgeben von schönen Gärten voll der herrlichsten Blumen und reifer Früchte. Der kleine Bach mit dem lebendigen Wasser schlängelte sich rings durch die Gärten. Und die alte Frau stand auf; es war jetzt wohl zu sehen, daß sie eine echte Königin war. Aber statt der kleinen weißen Katze stand die schönste Jungfrau in weißen Gewändern neben ihr. »Komm jetzt mit!« sagte die Königin, und sie ging voran zum Schlosse hinauf. Er und die junge Prinzessin folgten hinterdrein. Und als sie auf den freien Platz vor dem Schlosse hinauf kamen, da kamen drei goldene Kutschen herangerollt; in jeder derselben saß ein königliches Paar, und jedes Paar hatte drei kleine Kinder vor sich auf dem Vordersitze. Es waren die drei Königssöhne, die in einen Bären, einen Adler und einen Fisch verwunschen gewesen; und ihre Frauen waren Hansens drei Schwestern, die geraubt worden, als sie drei Jahre alt waren. Und sie hatten all ihre Kinder bei sich, und sie stiegen aus und umarmten die alte Königin und die junge weiße Prinzessin, welche eine Schwester der drei Königssöhne und ein kleines Mädchen gewesen war, als sie verwunschen wurden. Hans wußte jetzt alles, er hatte es ja erfahren, als er die Wohnungen des Bären, des Adlers und des Fisches besucht hatte. Und er wußte auch, daß die drei Königssöhne und ihre Mutter und Schwester von demselben Zauberer verwunschen und gefesselt worden waren, der seinem Vater die Dose für seine drei kleinen Schwestern geschenkt, und der sie später geholt und für sich selbst hatte behalten wollen. Aber die drei Königssöhne hatten die drei Schwestern gefunden und sie liebgewonnen; sie hatten sie heimlich dem Zauberer entführt und sich mit ihnen vermählt. Da war der böse Zauberer ihnen nachgeeilt und hatte sie nebst ihrer Mutter und ihrer kleinen Schwester verhext, so daß der Zauber nicht gehoben werden konnte, bevor die Mutter, die im tiefsten Thal unter dem höchsten Berg am lebendigen Wasser saß, von dem sie sich ernährte, ein Haar des Bären, eine Feder des Adlers und eine Schuppe des Fisches erhielt.
Jetzt war also der Zauber gelöst, und die ganze Sippschaft fröhlich beisammen. Und Hans wurde jetzt mit der weißen Prinzessin vermählt, welche die Schwester seiner Schwäger war, und niemand war glücklicher, als das junge Paar.
Als nun die Hochzeit vorüber und jedes der drei Paare, die verzaubert gewesen, nach seinem Schlosse abgereist war, die sämmtlich in der Nähe desjenigen lagen, welches die Königin-Wittwe bewohnte, und als Hans sein Schloß dorthin in das Land hatte schaffen lassen, klopfte er noch einmal auf seine Dose. Der Riese erschien und frug: »Was befiehlt mein Herr?« »Ich befehle dir,« sagte Hans, »mir zu sagen, was ich für dich thun kann; denn jetzt hast du genug für mich gethan.« Da sagte der Riese: »Wie mein Herr befiehlt. Du kannst mir Ruhe und Rast geben, nach denen ich mich schon tausend Jahre gesehnt habe. Wirf die Dose ins Feuer!« Das that Hans, und da erscholl ein Knall wie vom lautesten Donner, und aus der Dose stieg ein bläulicher Rauch, der sich höher und höher erhob, und er nahm die Gestalt eines Riesen an gleich dem, welcher Hans gedient hatte, aber viel, viel größer: die Gestalt reichte von der Erde bis zum Himmel. Und dann ringelte er sich zusammen und zog mit dem Winde von dannen, nicht anders anzusehen, als wie jede andere blaue Wolke.
Aber Hans und seine junge Frau, seine Schwestern und Schwäger, ihre alte Mutter und all ihre Enkel leben noch glücklich im Lande der Glückseligkeit mit dem lebendigen Wasser.
Als der Alte fort war, wollte der Mann gleich die Kraft seiner Dose erproben, und klopfte auf dieselbe. Sofort stand ein Riese vor ihm und sagte: »Was befiehlt mein Herr?« – »Bin ich dein Herr,« sagte der Mann, »so befehle ich, daß morgen früh zwei Meilen von hier ein Edelhof stehen soll mit allem Zubehör drinnen wie draußen, mit Leuten und Vieh, Hausrath und Ackergeräth, Silber und Gold und guten Dingen, so daß kein besserer Hof im ganzen Königreiche zu finden ist.« Darauf verschwand der Riese, und der Mann ging hinein und legte sich nieder. Früh am nächsten Morgen klopfte er wieder auf die Dose, der Riese stand vor ihm und frug: – »Was befiehlt mein Herr?« – »Ich befehle, daß in zwei Stunden eine Kutsche mit vier Pferden und Kutscher und Lakai hier halten soll, um uns nach unserm Edelhofe abzuholen.« Dann ging er zu seiner Frau und den Kindern hinein und sagte, er habe die Kathstelle verkauft. Sie möge sich und den Kindern das beste Zeug, das sie hätten, anziehen, denn in zwei Stunden sollten sie abreisen. »Ach Gott!« sagte sie, »was soll aus uns und den armen Kleinen werden?« Als nun die Kutsche mit vier Pferden bespannt ankam, glaubte sie, ihr Mann habe die Kathstelle für diese verkauft. Damit war sie sehr übel zufrieden, aber sie setzte sich mit den Kindern hinein und weinte auf dem ganzen Wege leise vor sich hin. Es ging in fliegender Hast, und bald fuhren sie in den schönsten Edelhof hinein und hielten vor der Treppe. Dort kamen Diener und Mägde herausgeeilt und empfingen sie, als hätten sie viele Jahre bei ihnen gedient.
Sie lebten jetzt auf ihrem Edelhofe drei Jahre lang in Wohlstand und Herrlichkeit. Sie hatten Ammen und Mägde für die Kinder, und sie trugen feine Kleider, und die drei kleinen Mädchen gediehen gut: sie waren hübsch und munter und artig und waren der Stolz und die Freude ihrer Mutter. Aber der Knabe Hans war wunderlich eigen und menschenscheu; wenn er im Zimmer war, so weinte er, am liebsten mochte er draußen im Stall und unter den Heuschobern, auf dem Hühnerhofe und auf dem Düngerhaufen allein umhergehen. Er schien nicht recht bei seinen fünf Sinnen zu sein, und die Leute nannten ihn den dwatschen Hans.
An dem Tage, als die kleinen Mädchen drei Jahre alt wurden und der Mann wußte, daß sie fortgeholt werden würden – die Frau wußte von alledem nichts, – fuhr er mit seiner Frau auf Besuch aus, sagte aber erst den Mägden, sie sollten alle Thüren verschlossen halten und die Kinder an diesem Tage nicht aus dem Hause lassen. Gegen Mittag kam eine Kutsche auf den Hof gefahren, die blitzte wie die Sonne, und alle Dienstboten liefen an Fenster und Thüren, um zu sehen, was es wäre. Die drei kleinen Mädchen kamen zu einer Thür, die angelehnt stand, sie drängten sich zwischen den Kindermägden hinaus und liefen zur Kutsche hin. Und sobald sie dort ankamen, wurden sie in dieselbe hineingerissen, und sie rollte zum Hofe hinaus, nach dem Walde zu; niemand wußte, wohin sie verschwand. Abends kamen Mann und Frau nach Hause, die Kindermägde weinten und schluchzten, denn die Kinder waren fort. Die Frau weinte auch und war ganz untröstlich. Aber der Mann sagte, die Kinder kämen schon wieder; es hätte sie keiner weggenommen, der ihnen Leid zufügen würde.
Eine Reihe von Jahren verstrich: die Mutter ging umher und trauerte und erwartete die Rückkehr ihrer kleinen Mädchen, oder doch eine Nachricht von ihnen und es kam keine Kunde von ihnen, und die Mutter härmte sich und ward inmitten all der äußeren Herrlichkeit von Trauer und Gram verzehrt, bis sie endlich starb. Bald darauf starb auch der Mann; er hatte keine Freude an seinem Reichthum, denn er hatte ein schlechtes Gewissen. Da war der dwatsche Hans Erbe der ganzen Herrlichkeit. Er war noch eben so wunderlich, wie er immer gewesen war. Er trieb sich, wie gewöhnlich, umher, und nahm sich keiner Sache an. Aber es waren andere da, die sich der Sachen annahmen; es waren ungetreue Diener und ungetreue Verwalter da, und Hans wurde bestohlen und betrogen, das eine Mal ärger als das andere; aber er kümmerte sich um nichts, bis eines Tages – kaum zwei Jahre, nachdem er den Hof geerbt hatte – der Vogt des Königs kam und das Ganze in Beschlag nahm, und ihm gesagt wurde, jetzt könne er gehen, wohin er wolle: er besäße ja nichts, als was er auf dem Leibe trüge. Hans war darum nicht minder froh. Er ging durch das ganze Haus, aus einem Zimmer in das andere, und da waren manche Zimmer, in denen er zuvor niemals gewesen war. So kam er in eine Kammer, wo ein alter Schafspelz hing, und neben dem stand ein alter Knotenstock. Die können mir jetzt gute Dienste thun, dachte Hans, der Pelz ist gut für Kälte und für Warme; und damit zog er den Pelz an und nahm den Stock in die Hand, und dann ging er zum Edelhofe hinaus; aus dem machte er sich nur wenig: er hatte niemals Freude daran gehabt.
Hans fuhr fort zu wandern, bis er in einen Wald kam; dort legte er sich hin, um zu schlafen, das war ihm nahezu das Liebste. Als er erwachte, fühlte er sich wund auf der Seite, auf der er gelegen hatte, und es war auch etwas da, was ihn drückte. Er fühlte also in der Tasche nach, und dort fand er eine kleine Dose. Er wandte und drehte sie hin und her und vermochte sie nicht zu öffnen, da klopfte er auf dieselbe, und sogleich stand ein Riese vor ihm und sprach: »Was befiehlt mein Herr?« – »Bin ich dein Herr?« frug Hans. – »Jawohl,« sagte der Riese; »dein Vater war mein Herr, und du hast die Dose von ihm geerbt; darum bist du jetzt mein Herr.« – »Hm, habe ich zu befehlen,« sagte Hans, »so möchte ich wohl eine Fiedel haben, auf der ich spielen könnte, und das so lustig, daß alle, die es hörten, danach tanzen müßten.« In demselben Augenblick hatte er die Fiedel, und er spielte und spielte, und es kam ihm herrlich vor; er war nie zuvor in seinen Lebtagen so vergnügt gewesen.
Dann hängte Hans seine Fiedel auf den Rücken und ging weiter in die weite Welt hinaus. Wohin er kam, spielte er den Leuten auf: sie tanzten und waren vergnügt; und Hans litt niemals Noth: er erhielt Speise und Obdach, wohin er kam; ein solcher Spielmann war allerorten willkommen. Er zog von dem einen Lande zum andern, und so kam er einstmals an einem großen Königspalaste vorüber. Im Garten daneben erging sich die Tochter des Königs und spielte Ball mit ihren Fräulein. Er blieb draußen vor dem Garten stehen und schaute und schaute, er konnte dessen gar nicht müde werden. Er schaute auf nichts anderes, als auf die Königstochter, die war so unvergleichlich schön. Da dachte Hans: »Wer sie nur alle Tage sehen könnte, der wäre glücklich.« Und dann ging er in den Palast hinein und frug, ob er nicht dort einen Dienst erhalten könnte. Ja, er könnte Schafhirt werden, und das wurde er. Den ganzen Tag zog er in Feld und Wald mit seinen Schafen umher und spielte ihnen auf seiner Fiedel auf, daß sie tanzten und sangen, so gut sie’s gelernt hatten. Das war ergötzlich zu sehn und zu hören; und abends, wenn Hans die Schafe heimwärts trieb, ließ er sie draußen vor dem Schloßgarten tanzen, wo sich die Prinzessin erging und mit ihren Fräulein spielte. Sie mußten allesammt tanzen; und sie lachten und waren lustig, bis Hans aufhörte zu spielen und seine Schafe in den Schafstall trieb.
Es ergötzte die Prinzessin sehr, Hansens Spiel zu hören, aber doch besonders, die Schafe danach tanzen zu sehn; und sie kam eines Tages zu Hans aufs Feld hinaus und bat ihn, die Schafe vor ihr tanzen zu lassen. Er sagte, das thäte er nicht, wenn sie ihm nicht versprechen wollte, seine Frau zu werden. Sie lachte darüber und dachte, dem armen Tropfe könne man versprechen, was man wolle, es habe nichts zu bedeuten, und so sagte sie Ja, und Hans spielte, daß die Schafe tanzten, und die Prinzessin sich fast todtlachte. Am nächsten Tage kam sie wieder zu Hans hinaus, er solle ihr und den Schafen aufspielen. Aber Hans sagte: Nein, das thäte er nicht, wenn sie es ihm nicht schriftlich gäbe, daß sie seine Frau werden wolle. Sie meinte, auch das habe nichts zu bedeuten, und sie gab es ihm schriftlich mit ihrem Namen darunter. Am folgenden Tage ging Hans zum König hinauf und sagte, daß seine Tochter ihm versprochen habe, seine Frau zu werden, daher bitte er den König, ihre Hochzeit auszurichten. Der König lachte ihn aus und dachte, das sei ein drolliger Einfall von dem armen blödsinnigen Schafhirten. Aber da zog Hans das Schreiben hervor und zeigte dem König, daß seine Tochter sich eigenhändig dazu verpflichtet habe. Der König ließ sofort seine Tochter herein rufen und frug sie, was das für eine Verschreibung wäre, die sie da ausgestellt hätte. Ach, das sei nur Spaß, sagte sie, das habe nichts zu bedeuten. Aber der König sagte, es habe so viel zu bedeuten, daß sie halten müsse, was sie versprochen. Er könne nicht Recht und Gerechtigkeit im Lande verwalten, wenn die Leute nicht an das gebunden sein wollten, was sie geschrieben hätten. Und sollte die Unterschrift nichts gelten, so würde man auch seine Gesetze und Erlasse nicht mehr für voll ansehen. Sie müsse den Schafhirten nehmen.
Sie hielten also Hochzeit, und sobald die Hochzeitstage zu Ende waren, sagte der König, jetzt möge Hans seine Frau nehmen und mit ihr nach seinem eigenen Heim reisen. Er glaubte natürlich nicht, daß er einen Ort habe, wohin er sie führen könnte. Da ging Hans vor das Schloß hinaus und klopfte auf die Dose; sogleich kam der Riese und frug: »Was befiehlt mein Herr?« – »Ich befehle dir, zwei Meilen von hier ein Schloß zu errichten, so groß und so prächtig, daß der Palast des Königs sich nicht damit vergleichen läßt. Und dann soll hier sogleich eine goldene Kutsche mit sechs Pferden, Kutscher und Lakai erscheinen, so herrlich, daß der König nicht dessen gleichen hat.« Kaum hatte er das gesagt, so hielt schon die Kutsche vor der Thür, Hans ging hinein und sagte seiner Frau, daß der Wagen jetzt da sei. Alle wollten sie hinaus begleiten, denn sie waren neugierig, zu sehen, was für ein Fuhrwerk der Schafhirt auftreiben könnte. Der König verlor fast die Nase aus dem Gesicht, als er die Kutsche erblickte. Aber Hans that, als wäre das gar nichts; er sagte, ihr Schloß läge nur zwei Meilen entfernt, und er bat den König, sie bald zu besuchen. Die goldene Kutsche rollte dann zum Palasthofe hinaus, und der Kutscher fuhr zu dem neuen Schlosse, als hätte er das seit vielen Jahren gethan; dort waren Diener und Mägde, welche sie empfingen, und das Schloß war in jeglicher Weise noch viel schöner ausgestattet, als die Prinzessin es gewohnt war.
Sie war trotzdem in sehr übler Laune, denn sie mochte Hans nicht leiden, und sie war ja auch sehr gegen ihren Willen mit ihm verheiratet worden. Er that alles, was er vermochte, um sie aufzuheitern; aber sie hielt sich zurück und antwortete ihm kaum, wenn er mit ihr sprach. Er wollte ihr etwas vorspielen, aber sie bat ihn, sie damit zu verschonen. Es war kein vergnügtes Leben für Hans; es konnte ihm wenig nützen, daß er die allerschönste Frau bekommen hatte, wenn sie ihn nicht leiden mochte und nichts von ihm wissen wollte. Seine Fiedel mochte er gar nicht mehr ansehen. So nahm er denn eine Büchse und ging in seinem alten Schafspelz auf die Jagd; die Dose trug er stets bei sich in der Tasche. Wenn Hans von der Jagd nach Hause kam, sah er doch nichts von der Prinzessin: sie hatte sich in dem einen Flügel des Schlosses eingerichtet und ließ Hans in dem anderen wohnen.
Hans war betrübt, und die Prinzessin langweilte sich. Es war ein junger Kavalier da, welcher Gnade vor ihren Augen fand, und ihr früh und spät Gesellschaft leistete. Er wunderte sich sehr über alles, was er sah: Reichthum und Herrlichkeit genug war auf dem Schlosse, und nichts wurde gespart, und doch hörte man nichts von Einkünften. Darüber sprach er mit der Prinzessin, und sie wußte auch nicht, wie das zusammen hängen könnte. Da gab ihr der junge Kavalier den Rath, sie solle aus Hans herauszulocken suchen, woher er all seinen Reichthum habe, und darauf ging sie ein.
Eines Abends, als Hans, wie gewöhnlich, von der Jagd nach Hause kam und sein eigenes Schlafzimmer aufsuchen wollte, ward ihm gemeldet, daß die Prinzessin ihn zu sprechen wünsche. Und als er in ihre Gemächer kam, war ein treffliches Abendessen für sie aufgetischt, und die Prinzessin war so freundlich gegen ihn, wie sie früher nie gewesen war. Sie sagte, es sei ja sündhaft von ihr, fortwährend ein saures Gesicht zu der Ehe zu machen, die ihr so unerwartet gekommen sei. Er habe sie ja in eine so gute Lage versetzt, wie sie sich’s nur wünschen könne, und er habe sich so treu und liebevoll gegen sie erwiesen, daß sie ihn nothwendig liebhaben müsse. Das mundete Hans freilich wie süße Milch, er glaubte alles, was sie sagte, und ward so froh, wie er noch niemals gewesen war. Am nächsten Abend, als er von der Jagd nach Hause kam, stand die Prinzessin drunten auf dem Schloßhofe und empfing ihn, und am dritten Abend kam sie ihm eine weite Strecke Weges entgegen; ihr sei so angst geworden, sagte sie, daß die wilden Thiere ihm etwas zu Leide gethan hätten. Sie war jetzt über alle Maßen zärtlich und liebevoll gegen ihn. »Jetzt sind wir so glücklich wie möglich,« sagte sie, »und ich kann dir niemals genug für all das Gute danken, das du mir erwiesen hast; aber eins kann ich nicht begreifen; willst du mir das nicht sagen?« Hans war so froh, daß er alles versprach. »Wie geht es doch zu,« sagte sie, »daß wir von allem die Fülle haben und uns nichts abgeht? wir haben große Ausgaben und keine Einkünfte; wie kann das doch zugehen?« Da zeigte Hans ihr die Dose und erzählte ihr alles in Betreff derselben. »Aber, lieber Hans!« sagte die Prinzessin; »mit der Dose mußt du nicht so allenthalben herum gehn: du könntest sie verlieren, oder sie könnte dir gestohlen werden, und dann hätte all unser Reichthum ein Ende. Laß sie bei mir daheim in meinem Schlafzimmer stehen! dann werde ich sie schon hüten.« Am nächsten Morgen ließ also Hans die Dose daheim im Schlafzimmer stehen, und ging dann auf die Jagd, wie er zu thun pflegte. Die Prinzessin nahm zärtlich Abschied von ihm und frug, wann er nach Haus käme; denn sie wolle ihm wieder entgegen gehn.
Als Hans in den Wald gegangen war, ließ die Prinzessin sogleich ihren jungen Kavalier rufen, und sie zeigte ihm die Dose und erzählte ihm alles, was sie in Erfahrung gebracht hatte. Die beiden kamen bald überein, was sie thun wollten. Der Kavalier nahm die Dose und klopfte auf dieselbe. Sogleich erschien der Riese und sprach: »Was befiehlt mein fremder Herr heute?« – »Ich befehle dir, das Schloß, wie es dasteht, zu nehmen und es von hier fortzuschaffen und es an vier goldenen Ketten mitten über dem rothen Meere aufzuhängen.« Und sobald das gesagt war, war es auch gethan. Von der ganzen Herrlichkeit war keine Spur mehr zu erblicken.
Gegen Abend machte Hans sich auf den Heimweg von der Jagd; er sehnte sich jetzt nach seiner zärtlichen Frau; er guckte sich schier die Augen nach ihr aus; sie sollte ihm ja entgegen kommen; aber niemand kam. Er ging immer weiter: jetzt mußte er doch zu Hause sein; er sah sich nach dem Schlosse um: aber kein Schloß war zu sehen. Da ging es ihm auf, daß er von der, welcher er am treuesten geglaubt hatte, schmählich betrogen worden sei. Und er ging ohne Zweck und Ziel durch den einen wilden Wald nach dem andern, so weit, so weit, daß kein Mensch weiß, wohin er kam. So kam er denn einstmals gegen Abend zu einem Teich in einem dichten Walde; dort stand eine junge Frau und wusch Zeug. »Guten Abend!« sagte Hans. »Guten Abend und willkommen, mein armer Bruder!« antwortete die Frau. Hans erkannte sie nicht, aber sie erkannte ihn: es war eine seiner drei kleinen Schwestern, die geraubt worden, als sie drei Jahre alt waren. Als sie ihm das erklärt hatte, sagte er zu ihr: »Hast du etwas zu essen für mich? Ich sterbe fast vor Hunger.« Sie sagte Ja und führte ihn in ihre Wohnung, das war eine Erdhöhle im wilden Walde, und sie gab ihm etwas zu essen; aber dann sagte sie: »Jetzt mußt du wieder fort, Hans, ehe mein Mann nach Hause kommt! Denn ich habe einen Bären zum Manne, und wenn er dich sieht, so zerreißt er dich. Es ist kein Bär wie andere Bären, sondern es ist ein Königssohn, der verwunschen ist. Aber wenn er in Bärengestalt einhergeht, so schont er kein lebendes Wesen außer mir.« – »Nein,« sagte Hans, »ich muß diese Nacht hier bleiben; ich bin zu müde, um weiter wandern zu können.« Da mußte sie ihn schon dableiben lassen; sie versteckte ihn, so gut sie konnte, ganz hinten in der Höhle. Dann kam der Bär nach Hause. »Hu, hu!« sagte er, »ich wittere Christenblut!« – »Nein, nein,« sagte die Frau, »wir sind ja hundert Meilen von allen Menschen entfernt;« und es gelang ihr, ihn zu beschwichtigen, bis die Zeit kam, wo er die Bärenhülle abwarf und Menschengestalt erhielt; das war nur sechs Stunden lang in jeder Nacht. Dann erzählte sie ihm von dem Bruder, der gekommen sei, und er wurde hervorgeholt; er berichtete all seine Schicksale, und der Bärenprinz schloß Freundschaft mit ihm und sagte: »Morgen will ich dich zu deiner anderen Schwester bringen.«
Am nächsten Morgen sagte der Bär zu Hans: »Setze dich auf meinen Rücken!« und dann lief er mit ihm durch den Wald zu einem hohen Berge, welcher dort lag, und zeigte ihm einen Pfad, dem er folgen sollte. Und ehe sie von einander schieden, sagte der Bär: »Reiße mir ein Haar aus dem Schwanze und hebe es gut auf! es wird dich und mich retten.« Dann erstieg Hans den Berg und fand seine zweite Schwester, die ihn auch sogleich erkannte. Sie war mit einem Adler verheiratet, der auch ein verwunschener Königssohn und ein Bruder des Bärenprinzen war. Und sie mußte auch Hans vor dem Adler verstecken, bis derselbe seinen Balg abgeworfen hatte; aber dann wurden sie gute Freunde, und am folgenden Tage nahm der Adler Hans auf den Rücken und flog mit ihm zu einer Insel hinaus, wo die dritte Schwester wohnte. Sie war mit einem dritten Bruder verheiratet, einem Königssohne, der in ein Ungeheuer von einem Fisch verwunschen war. Und ehe der Adler von Hans schied, sagte er ihm: »Reiße mir eine Feder aus dem Schwanze! sie wird dich und mich retten.« Nun kam Hans zu seiner dritten Schwester und blieb dort die Nacht über, und er erzählte all seine Schicksale. Da sagte der Schwager: »Morgen früh sollst du dich auf meinen Rücken setzen, dann werde ich dich übers Meer tragen, so nahe wie möglich bis zum rothen Meere heran. Dort mußt du eine Schuppe aus meinem Schwanz reißen, die wird dich und mich retten. Und dann mußt du meinen Bruder Bär rufen, der soll dich über Land ans Ufer des rothen Meers tragen. Und dann mußt du meinen Bruder Adler rufen, der soll dich durch die Luft zu deinem Schlosse bringen.«
Gesagt, gethan; der Adler flog mit Hans über das rothe Meer – es war in der Morgendämmerung, – und sie kamen zum Schlosse, das an vier goldenen Ketten in der Luft hing, und der Adler umkreiste das Schloß, so daß Hans überall hineinsehen konnte: das Schlafzimmerfenster der Prinzessin stand offen; auf einem Tische drinnen stand die Dose, welche Hans so gut kannte, und dort lagen die Prinzessin und ihr Kavalier im süßesten Schlafe. Da ließ Hans sich vom Adler ans Fenster tragen, und dann nahm er seine Dose und klopfte auf dieselbe. Sogleich stand der Riese da und frug: »Was befiehlt mein rechter Herr heute?« – »Ich befehle dir, sie und ihn, die dort liegen, beim Schopfe zu nehmen und sie so hoch in die Luft zu schleudern, daß sie erst in Fetzen und Fasern herunter kommen. Sodann sollst du dies Schloß nehmen und es wieder hinstellen, wo es früher gestanden hat.« Als das geschehen war, legte Hans sich nieder, und er schlief sieben ganze Tage und Nächte; aber die Dose hatte er bei sich, und die ließ er nicht aus seiner Hand.
Als Hans solchermaßen nach all dem Ungemache gut ausgeschlafen hatte, begann er wieder seine alte Lebensweise: er wohnte auf seinem Schlosse, aber er hielt sich doch nur nachts dort auf; denn jeden Tag trieb er sich mit seiner Büchse in den Wäldern umher. Und so verging Woche nach Woche und Jahr nach Jahr; es waren jetzt drei Jahre vergangen, seit Hans seine drei Schwestern und seine drei Schwäger gefunden, die ihm wieder zur Dose und zu dem Schlosse verholfen hatten; aber in all der Zeit hatte er nicht an sie gedacht; es war, als hätte er diese Erinnerungen ganz verschlafen. Da wollte er eines Tages draußen im Walde seine Büchse laden, und es fehlte ihm an einer Vorladung. Er suchte in allen Taschen seines unverwüstlichen Schafspelzes, den er immer trug, und da griff er in eine kleine Tasche, die er sonst nie gebrauchte, und zog daraus ein Bärenhaar und eine Adlerfeder und eine Fischschuppe hervor. Da ging ihm ein Licht auf, und er erinnerte sich des Ganzen, und langte die Dose hervor und klopfte auf dieselbe. Der Riese erschien und frug: »Was befiehlt mein Herr?« Und Hans antwortete: »Bringe mich gleich zu dem lebendigen Wasser im tiefsten Thal unter dem höchsten Berg!« In demselben Augenblick war er da; er war nie zuvor dort gewesen: es war wie unten in einem ungeheuer tiefen Brunnen. Dort war es fast ganz dunkel; man sah nur einen kleinen Punkt blauen Himmels hoch, hoch oben. Und da drunten rieselte ein kleiner Bach aus dem Berge und in den Berg hinein. Und draußen vor der Thür einer Höhle im Berge saß ein altes weißhaariges Weib, und eine kleine weiße Katze lag zusammengeduckt auf ihrem Schoße.
»Ist alle Zeit jetzt verronnen?« sagte die alte Frau, »oder ist die Zeit jetzt gekommen, wo ich und meine Kinder von unsern harten Fesseln erlöst werden sollen?« Da nahm Hans das Bärenhaar und die Adlerfeder und die Fischschuppe, die er so lange bei sich getragen, und legte sie auf ihren Schoß. Und in demselben Augenblicke zerbarst der Berg von oben bis unten, und ein königliches Schloß stand da, umgeben von schönen Gärten voll der herrlichsten Blumen und reifer Früchte. Der kleine Bach mit dem lebendigen Wasser schlängelte sich rings durch die Gärten. Und die alte Frau stand auf; es war jetzt wohl zu sehen, daß sie eine echte Königin war. Aber statt der kleinen weißen Katze stand die schönste Jungfrau in weißen Gewändern neben ihr. »Komm jetzt mit!« sagte die Königin, und sie ging voran zum Schlosse hinauf. Er und die junge Prinzessin folgten hinterdrein. Und als sie auf den freien Platz vor dem Schlosse hinauf kamen, da kamen drei goldene Kutschen herangerollt; in jeder derselben saß ein königliches Paar, und jedes Paar hatte drei kleine Kinder vor sich auf dem Vordersitze. Es waren die drei Königssöhne, die in einen Bären, einen Adler und einen Fisch verwunschen gewesen; und ihre Frauen waren Hansens drei Schwestern, die geraubt worden, als sie drei Jahre alt waren. Und sie hatten all ihre Kinder bei sich, und sie stiegen aus und umarmten die alte Königin und die junge weiße Prinzessin, welche eine Schwester der drei Königssöhne und ein kleines Mädchen gewesen war, als sie verwunschen wurden. Hans wußte jetzt alles, er hatte es ja erfahren, als er die Wohnungen des Bären, des Adlers und des Fisches besucht hatte. Und er wußte auch, daß die drei Königssöhne und ihre Mutter und Schwester von demselben Zauberer verwunschen und gefesselt worden waren, der seinem Vater die Dose für seine drei kleinen Schwestern geschenkt, und der sie später geholt und für sich selbst hatte behalten wollen. Aber die drei Königssöhne hatten die drei Schwestern gefunden und sie liebgewonnen; sie hatten sie heimlich dem Zauberer entführt und sich mit ihnen vermählt. Da war der böse Zauberer ihnen nachgeeilt und hatte sie nebst ihrer Mutter und ihrer kleinen Schwester verhext, so daß der Zauber nicht gehoben werden konnte, bevor die Mutter, die im tiefsten Thal unter dem höchsten Berg am lebendigen Wasser saß, von dem sie sich ernährte, ein Haar des Bären, eine Feder des Adlers und eine Schuppe des Fisches erhielt.
Jetzt war also der Zauber gelöst, und die ganze Sippschaft fröhlich beisammen. Und Hans wurde jetzt mit der weißen Prinzessin vermählt, welche die Schwester seiner Schwäger war, und niemand war glücklicher, als das junge Paar.
Als nun die Hochzeit vorüber und jedes der drei Paare, die verzaubert gewesen, nach seinem Schlosse abgereist war, die sämmtlich in der Nähe desjenigen lagen, welches die Königin-Wittwe bewohnte, und als Hans sein Schloß dorthin in das Land hatte schaffen lassen, klopfte er noch einmal auf seine Dose. Der Riese erschien und frug: »Was befiehlt mein Herr?« »Ich befehle dir,« sagte Hans, »mir zu sagen, was ich für dich thun kann; denn jetzt hast du genug für mich gethan.« Da sagte der Riese: »Wie mein Herr befiehlt. Du kannst mir Ruhe und Rast geben, nach denen ich mich schon tausend Jahre gesehnt habe. Wirf die Dose ins Feuer!« Das that Hans, und da erscholl ein Knall wie vom lautesten Donner, und aus der Dose stieg ein bläulicher Rauch, der sich höher und höher erhob, und er nahm die Gestalt eines Riesen an gleich dem, welcher Hans gedient hatte, aber viel, viel größer: die Gestalt reichte von der Erde bis zum Himmel. Und dann ringelte er sich zusammen und zog mit dem Winde von dannen, nicht anders anzusehen, als wie jede andere blaue Wolke.
Aber Hans und seine junge Frau, seine Schwestern und Schwäger, ihre alte Mutter und all ihre Enkel leben noch glücklich im Lande der Glückseligkeit mit dem lebendigen Wasser.
[Dänemark: Svend Grundtvig: Dänische Volksmärchen]