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Die schwarze Schule

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In einer und derselben Stadt wohnten ein reicher Mann, der zwei Söhne, und ein armer Mann, der einen einzigen Sohn hatte. Die drei Knaben gingen mit einander zur Schule und waren sehr gute Freunde. Der arme war der flinkste und fleißigste von ihnen, und er mußte immer den andern bei ihren Lektionen helfen, damit sie nicht zurück blieben. Die Knaben wuchsen heran, und als sie konfirmirt werden sollten, baten die Söhne des reichen Mannes ihre Eltern, daß ihr armer Kamerad eben so wie einer von ihnen gekleidet werden möchte, und das geschah auch. Und als er nun ein Handwerk erlernen, sie aber studiren sollten, sagten sie, es könne nimmer etwas aus ihnen werden, wenn sie ihn nicht bei sich hätten: sie könnten seine Gesellschaft und seine Hilfe nicht entbehren. So ließen denn die reichen Leute auch den armen Knaben mit ihren eigenen Söhnen studiren.
Die drei Knaben gingen also auch ferner mit einander zur Schule, und es blieb, wie es seither gewesen war: sie hatten einander herzlich lieb, und der arme Knabe bewies die beste Fassungsgabe und den größten Fleiß, so daß er beständig den beiden Kameraden helfen mußte. Sie wurden auch gleichzeitig Studenten, und sie wohnten nach wie vor beisammen, und die beiden Söhne des reichen Mannes theilten mit dem armen, so daß er seine Studien fortsetzen konnte, und er half ihnen stets bei der gelehrten Arbeit, so daß sie nach Verlauf einiger Jahre alle drei alles gelernt hatten, was auf der hohen Schule, die sie besuchten, zu lernen war. Der Arme war freilich zuerst fertig geworden, aber er blieb dann bei den beiden anderen und half ihnen, bis auch sie gelernt hatten, was sie an jenem Orte zu lernen vermochten.
Es gab indessen noch mehr zu lernen, als was sie gelernt hatten; und der Sohn des armen Mannes hatte keine Ruhe, so lange es noch etwas gab, was er nicht wußte; sie kamen daher überein, daß sie auch ferner zusammenhalten und sich auf das verlegen wollten, was sie noch nicht gelernt hatten. Und das war die sogenannte schwarze Schule, welche sie noch durchmachen wollten. Der reiche Mann schrieb seinen Söhnen, sie möchten es jetzt des Studirens genug sein lassen; sie sollten jetzt wieder nach Hause kommen, er wolle ihnen kein Geld zu ihrem Unterhalte mehr senden. Aber die Söhne hatten noch eine Summe Geldes in Händen, und sie waren unfolgsam und reisten mit ihrem Kameraden nach einer anderen Stadt, wo sich Meister in der schwarzen Kunst befanden.
Dort erkundigten sie sich, bis sie den allergelehrtesten Magister erfragt hatten, und sie gingen dann zu ihm und frugen ihn, ob sie bei ihm in die Lehre treten könnten. Ja, sagte er, das könnten sie wohl; sie könnten alle drei zu ihm ziehen und bei ihm wohnen, und in einem Jahre wolle er sie alles lehren. Aber es müßte zwischen ihnen abgemacht werden, daß er, wenn das Jahr um sei, ihnen drei Fragen vorlegen würde, und wenn sie dieselben richtig beantworten könnten, sollten sie jeder Verpflichtung enthoben sein und ihm für das ganze Jahr nichts zahlen; wer von ihnen aber die Frage, welche ihm gestellt würde, nicht richtig beantworten könne, der solle dem Meister lebenslänglich angehören, so daß derselbe mit ihm machen könne, was er wolle. Die drei Studenten meinten, sie seien schon hochgelehrt, und sie hätten ein ganzes Jahr, um noch gescheiter zu werden; daher würden sie schon beantworten können, was er sie fragen werde; und sie gingen auf die Abmachung ein und gaben es ihm schriftlich.
Dann zogen sie alle drei zu dem gelehrten Magister Der war ein wunderlicher Geselle. Er war ein kleiner Mann und ging immer in grauen Gewändern einher. Er hatte eine Nase wie ein Geierschnabel und zwei kleine rothe Augen, die tief im Kopfe lagen; einen breiten Mund hatte er, der beständig grinste, und ein paar Ohren, die wie zwei Widderhörner seitwärts abstanden. Er war lahm, denn er hatte einen Klumpfuß; vielleicht sah man ihn deswegen niemals ausgehen. Die drei Studenten hatten es sehr gut; eine alte Frau führte den Haushalt für sie und den Magister. Sie schien taubstumm zu sein, und unter sich nannten sie sie des Teufels Urgroßmutter. Und das war wohl keine ganz irrthümliche Annahme.
Der Magister unterrichtete sie jeden Tag und gab ihnen mancherlei seltsame Bücher zu lesen, und es war noch immer, wie zuvor: der arme Student las und studirte früh und spät, aber die beiden Söhne des reichen Mannes hatten bald der Gelehrsamkeit genug; und da es eine große Stadt mit vielen Lustbarkeiten und mancherlei Verlockungen für junge Leute war, so trieben sie sich die meiste Zeit draußen umher und schwärmten. Als ihre Gelder aufgezehrt waren, liehen und borgten sie, wo sie irgend konnten, und ihre Hauptsorge war, die Zeit so schnell und so lustig wie möglich todtzuschlagen.
Mittlerweile war das Lehrjahr bald zu Ende, und es begann ihnen im Kopfe herumzugehen, was sie in Betreff der Fragen, die sie beantworten sollten, wenn sie nicht dem Manne zeitlebens angehören wollten, abgemacht und unterschrieben hatten. Je mehr sie von ihm sahen, desto weniger Muth hatten sie, ihm leibeigen zu werden, und sie sahen jetzt ein, daß er ihnen leicht solche Fragen würde vorlegen können, die sie unmöglich zu beantworten vermöchten. Der Sohn des armen Mannes, welcher doch seine Zeit nach besten Kräften benutzt hatte, war weit davon entfernt, in Betreff seiner selbst ruhig zu sein; und in Betreff der beiden anderen, die mehr in’s Glas als in ihre Bücher geguckt hatten, sah es noch schlimmer aus.
An dem Tage, ehe das Jahr ablief, war der arme Student in die Kirche gegangen, wie er es täglich gethan hatte. Er war schwer bedrückt in seinem Gemüthe, so daß er nur wenig von dem hörte, was drinnen gepredigt und gesungen ward. Als er aus der Kirche kam, stand eine schöne alte Frau dort und bat ihn um ein Almosen. Er griff in seine Tasche; dort fand er nur wenige Schillinge, aber er gab ihr alle, die da waren. »Nimm, was ich habe!« sagte er, »ich brauche es nicht mehr.« Dann sprach sie zu ihm und sagte, sie könne sehen, daß ihm etwas schwer auf der Seele laste. Er möge ihr anvertrauen, was es sei; vielleicht könne sie ihm doch einen guten Rath geben. Zuerst wollte er nicht. »Was kann es nützen, daß du es weißt?« Sie sagte, es wäre doch möglich, daß sie Rath wüßte; sie hätte schon vielen geholfen, die ihr Vertrauen geschenkt hätten. Da erzählte er ihr alles: daß er und seine beide Kameraden bei dem und dem Magister in der Lehre stünden, und morgen sollten sie ihm seine drei Fragen beantworten oder ihm für immer angehören; und davor sei ihnen sehr bange.
»Dazu habt ihr auch alle Ursache,« sagte die Frau; »denn es ist der Böse selbst, bei dem ihr in der Lehre seid. Aber um deinetwillen will ich dir einen guten Rath geben, der euch allen helfen kann. Heute Abend spät mußt du einen Spaten nehmen und auf den Kirchhof gehen und dir eine Grassode abstechen, eine Elle im Geviert, und die mußt du mitnehmen und zum Hügel hinauf gehen, der nördlich von der Stadt liegt, das ist der Galgenberg; dort mußt du dir auf der Südseite des Hügels ein Loch graben, so tief, daß du darin stehen kannst, und von derselben Größe wie die Grassode. Dann steigst du in das Loch hinab und legst die Grassode über dein Haupt. Das muß vor Mitternacht beschafft und gethan sein. Warte dort ruhig eine Stunde! dann wirst du zu hören bekommen, was dir noth thut.«
Der Student that, was die Frau ihm gesagt hatte, und vor Mitternacht stand er unter der Grassode verborgen in seinem Loch auf dem Galgenberge. Da kamen Krähen von Ost und West herangeflogen, und sie schwatzten und plauderten, und er hatte genug gelernt, um zu verstehen, was sie sagten. »Wo bleibt er? wo bleibt er?« sagten sie. Zuletzt kam eine Krähe von Süden, drunten von der Stadt her, geflogen, und die setzte sich zu den andern, und sie schwatzten und plauderten und kreischten und krächzten, und der Student horchte gut auf und verstand alles, was ihm nöthig war. Es war nämlich sein Meister, welcher dort ein Stelldichein mit einem Schwarm ähnlichen Gelichters hatte, wie das, wozu er selber gehörte, und der Student vernahm, daß er sagte: »Morgen haben wir also die drei Studenten.« – »Wonach willst du sie fragen?« sagte eine Stimme. Und er erzählte nun den andern, was für drei Fragen er den unglücklichen Studenten vorlegen wolle, und was sie antworten müßten, aber natürlich nicht könnten, so daß er sicher sei, sie alle drei zu bekommen. Und sie kicherten und lachten und schwatzten und krächzten, und dann flogen sie jede ihres Weges.
Als sie weit genug entfernt waren, ging der Student nach Hause und legte sich zu Bette, und schlief die Nacht so gut, wie er es seit einer Woche nicht gethan hatte. Am Morgen frühstückten die drei Studenten mit ihrem Meister, nachdem sie erst Zeit gehabt hatten, mit einander insgeheim zu reden. Es war eine viel stattlichere Anrichtung als sonst, denn es war ja ein Festtag: jetzt kam das Examen und die Abrechnung, auf welche der Meister sich das ganze Jahr gefreut hatte. Eine rothe Scharlachdecke war über den Tisch gebreitet, und auf derselben lag ein blendend weißes Tuch. Auf dem Tische standen Pokale von geschliffenem Krystall, und in der Mitte desselben ein kostbarer und schön gearbeiteter Aufsatz von gediegenem Silber.
Als sie gegessen hatten, wandte sich der Meister zu dem ältesten der Söhne des reichen Mannes und sagte: »Nach alledem, was ihr gelernt und studirt habt, ist es wohl nicht zu viel, wenn ich euch frage, woraus die Decke gemacht ist, welche ihr hier auf dem Tische liegen seht.« Da antwortete er: »Es ist eine alte Pferdehaut, die ihr aus der Schinderkuhle herausgezogen habt.« Und in demselben Augenblick war es allen sichtbar, daß es sich so verhielt. Der Meister drückte seine kleinen rothen Augen noch tiefer in den Kopf zurück und schielte fürchterlich; er sagte jedoch ruhig: »Es mag so sein! Aber,« – wandte er sich an den zweiten Sohn des reichen Mannes, – »woraus bestehen die Pokale, die vor euch stehen, und aus denen ihr getrunken habt?« – »Die sind nichts anders, als ein paar alte Topfscherben,« erwiderte derselbe, und sofort war die Wahrheit davon allen sichtbar. Da vermochte der Meister nicht länger still zu sitzen, sondern humpelte ohne weiteres zu dem Sohne des armen Mannes hin, packte ihn am Arme, so daß derselbe voll brauner und blauer Flecken ward, und frug mit bebender Stimme: »Was dünkt euch denn von dem Aufsatze dort mitten auf dem Tische?« – »Daß es ein alter Pferdeschädel ist,« antwortete der Student, und sogleich sahen ihn alle mit seinen leeren Augenhöhlen und Naslöchern sie anstarren. Da schrie der Meister: »Hinaus mit euch! Den, welcher zuletzt hinauskommt, werde ich aber doch so zeichnen, daß er mich nie vergessen soll.« Der arme Student schob die beiden andern vor sich hin, und sie schossen Hals über Kopf zur Thür hinaus; aber indem er ihnen folgen wollte, riß er das Strumpfband von seinem rechten Beine und verwandelte es in ein menschliches Wesen, und sprang zur Thüre hinaus. Da konnte der Meister nichts anders thun, als dem letzten den Kopf umdrehen, so daß ihm die Nase im Nacken saß. Aber es war ja nur das Strumpfband, das er so zeichnete, und davon war nichts an demselben zu sehen, als es in seiner wahren Gestalt draußen vor der Thüre lag. Aber von der Zeit an wagte der Student doch niemals, ein Strumpfband um sein rechtes Bein zu binden.
Jetzt waren die drei Studenten also ihres Meisters los und ledig. Aber die beiden Söhne des reichen Mannes, welche so lange auf Pump und Credit gelebt hatten, konnten die Stadt nicht verlassen, ehe sie ihre Schulden bezahlt hatten. Sie wurden von der Behörde ins Gefängniß gesetzt und sollten dort sitzen bleiben, bis sie alles bezahlt hätten, was sie schuldig waren. Der Sohn des Armen war jetzt reicher als sie: denn er war nichts schuldig, und er war auf freiem Fuße und konnte gehen, wohin es ihm beliebte. Aber er wollte seine Freunde nicht im Stich lassen, und er ging zu ihnen ins Gefängniß und sprach mit ihnen. Er meinte, sie könnten doch jetzt an ihren Vater schreiben und ihn bitten, sie auszulösen. Aber sie sagten, das thäten sie nicht; denn sie wußten nur zu gut, daß es nutzlos sein würde. Er sei jetzt wegen ihres Ungehorsams so erzürnt auf sie, daß er ihnen keinen Heller senden werde. »Aber du bist so klug,« sagten sie, »du mußt Geld schaffen können. Du bist der Mann, den Teufel selbst zu betrügen, wenn es sein muß.« Der arme Student wollte ungern dran; aber er mußte doch seine beiden Gefährten zu retten suchen, die immer so gut gegen ihn gewesen waren, und er versprach also, zu sehen, was er thun könne.
Er war ja nicht umsonst in die schwarze Schule gegangen, das sahen wir schon, als er das Strumpfband in einen Menschen verwandelte, und er wußte denn auch recht wohl, wie er den alten Erich zu einem Gespräch citiren könnte. Er ging also an demselben Abend auf den Kirchhof; er schritt dreimal rücklings um die Kirche herum, und jedes Mal, wenn er an die Thür der Vorhalle kam, pfiff er zum Schlüsselloche hinein und sprach ein paar geheimnißvolle Worte. Als er das zum dritten Male gethan hatte, erschien der alte Erich, und das war kein anderer als der kleine graue klumpfüßige Magister, bei dem er jüngst in der Lehre gewesen war. »Was beliebt?« sagte der alte Erich; er sprach ganz freundlich, denn er dachte, es sei am besten, mit Güte gegen ihn zu verfahren, und er wollte ihn gar gern in seine Gewalt bringen. Ach, sagte der Student, er brauche Geld, und er möchte den Meister bitten, ihm einen Scheffel davon zu leihen. »Ja, du sollst einen gehäuften Scheffel voll haben,« sagte der alte Erich, »und ich will mich damit begnügen, nach drei Jahren einen gestrichenen Scheffel wiederzuerhalten. Aber kannst du mich dann nicht bezahlen, so gehörst du mir mit Leib und Seele.« Er war nämlich überzeugt, daß die beiden Kameraden bald mit dem Gelde fertig sein würden, so daß sie nach drei Jahren ihm sicherlich weder das Ganze noch das Halbe zurückzahlen könnten. Das seien zwar sehr billige Bedingungen, sagte der Student; aber er möchte doch die Erlaubniß haben, seine Schuld, wenn er dazu im Stande sei, vor Ablauf der drei Jahre zu bezahlen. Darauf ging der alte Erich ohne weiteres ein, und in einem Augenblick war er wieder da mit einem gehäuften Scheffel voll blanken Silbergeldes. Da nahm der Student ein Tuch und breitete es unter den Scheffel, und dann nahm er seinen Stock und strich den Scheffel, daß das obenauf liegende Geld in das Tuch hinunter fiel, und dann sagte er zu dem alten Erich: »Jetzt danke ich dir vielmals für das Darlehen. Hier gebe ich dir den gestrichenen Scheffel wieder; so sind wir quitt.« Dagegen konnte der alte Erich nichts einwenden. Er mußte seinen Scheffel zurücknehmen und den Studenten behalten lassen, was derselbe bekommen hatte. Fuchsteufelswild war er freilich und er fuhr von dannen, daß ein abscheulicher Schwefelgestank hinter ihm drein zog.
Jetzt bezahlten die Kameraden also ihre Schuld und wurden auf freien Fuß gesetzt, und nun wollte der kluge Student sie aus der Stadt forthaben: sie sollten alle drei mit einander auf Reisen gehn und sich die Welt besehen. Das wollten die beiden thörichten Studenten auch recht gern; aber es fiel ihnen schwer, sich reisefertig zu machen. Da sie jetzt wieder Geld hatten, begannen sie von neuem ihre alte Lebensweise mit Zechen und Schwärmen, bis sie den letzten Schilling durchgebracht hatten. Da gelobten und betheuerten sie, jetzt die ganze Welt mit ihrem klugen Freunde durchreisen zu wollen, wenn er ihnen nur Reisegeld schaffe; sie wüßten ja, daß er es könne. »Das ist ein gefährlich Ding,« sagte er, »und diesmal will ich nicht allein die Verantwortung tragen, sondern ihr müßt gleichfalls Bürgschaft leisten und durch Dick und Dünn mit mir gehen. Und wenn ich das Geld schaffe, so müßt ihr mir in allen Stücken gehorchen.« Darauf gaben sie ihm ihre Hand und ihr feierliches Wort. Dann nahm er sie abends mit auf den Kirchhof und beschwor wieder den alten Erich herauf. »Nun, seid ihr wieder da?« sagte er; »und dir danke ich noch für das vorige Mal! Damals führtest du mich an; aber du kannst mich doch wohl nicht entbehren. Was begehrst du jetzt?« Da erklärte ihm der Student, daß er und seine Kameraden sich gerne die Welt besehen möchten; aber sie hätten kein Reisegeld. Ob er nicht so gut sein wolle, ihnen dasselbe zu geben? – »Ich bin freilich sehr gut von Natur,« sagte der alte Erich, »aber für was ist was, ist doch im übrigen mein Wahlspruch. Da wir aber jetzt so gut mit einander bekannt sind, will ich dir für nichts helfen. Du kannst einen Beutel von mir geliehen bekommen, in dem immer Geld ist, wie viel du auch ausgiebst, und den magst du drei Jahre behalten. In der Zeit könnt ihr euch gehörig in der Welt umsehen. Und ich will nichts weiter dafür haben, als daß ihr von morgen an und bis die drei Jahre um sind, nie etwas anderes sagt, als jeder seinen Leibspruch: der eine darf nur sagen ‚Wir drei,‘ der zweite ‚Um Geld,‘ und der dritte ‚Das ist recht.‘ Wenn einer von euch in den drei Jahren etwas anderes sagt, sollt ihr mir alle gehören.«
Darauf gingen sie alle drei ein, der kluge Student erhielt den Beutel und sie kehrten in ihre Herberge zurück. Dort verabredeten sie nun im Laufe der Nacht alles Weitere: der Sohn des Armen sollte den Beutel behalten und alle Reiseausgaben bestreiten. Und sie gelobten einander hoch und heilig, daß keiner von ihnen ein anderes Wort vorbringen wolle, als den Leibspruch, der ihm angewiesen war. Was ihnen auch begegnen mochte, so konnte ihnen doch niemals etwas Schlimmeres begegnen, als der Gewalt jenes Mannes zu verfallen; darüber waren sie sich alle einig. So reisten sie denn von Ort zu Ort und von Land zu Land, und sie sahen alle Merkwürdigkeiten der Welt und kamen überall gut zurecht, obwohl sie nur ihre drei Sprüche sagten. Man hielt sie zwar für schwachköpfig; aber da sie überall gut bezahlten, waren alle Wirthe gut mit ihnen zufrieden. Und so waren sie nun drei ganze Jahre weniger drei Tage gereist, als sie in eine Stadt kamen, wo sie noch nicht gewesen waren. Sie kehrten in einem feinen Gasthofe ein; sie waren ja gut gekleidet und gut equipirt, und der Wirth kam hinaus und empfing sie und frug nach ihren Befehlen. »Wir drei,« sagte der eine. »Die drei Herren wollen beisammen wohnen,« sagte der Wirth, »das läßt sich sehr wohl machen.« – »Um Geld,« sagte der zweite. »Das versteht sich,« sagte der Wirth, »davon müssen wir ja leben.« – »Das ist recht,« sagte der dritte. Das fand der Wirth auch, und er hatte noch nichts Seltsames bei ihnen bemerkt. Sie waren etwas kurz in ihrer Rede und vielleicht auch etwas kurz von Verstande; aber das waren vornehme Leute so oft, daran war er schon gewöhnt. Dann gingen sie ins Gastzimmer hinab, sagten aber noch nichts. Als einige Zeit verstrichen war, kam der Wirth und frug, ob die Herren nicht etwas genießen wollten. »Wir drei,« sagte der eine. »Um Geld,« sagte der zweite. »Das ist recht,« sagte der dritte. Das war dem Wirth etwas auffällig; aber er ließ anrichten, und sie gingen zu Tische und speisten. Als der Wirth frug, welchen Wein sie wünschten, bekam er dieselben drei Antworten, und als ein fremder Herr, der zugegen war, sich in ein Gespräch mit ihnen einlassen wollte und frug, ob die Herren schon früher in der Stadt gewesen wären, und er auch dieselben Antworten erhielt: »Wir drei,« »Um Geld,« »Das ist recht,« schwieg er still, und der Wirth kam darüber ins Reine, daß sie ganz schwachköpfig wären.
Nun traf es sich, daß zur selben Zeit ein anderer Reisender in demselben Gasthofe eingekehrt war, und der Wirth hatte bemerkt, daß er eine große Summe Geldes bei sich führte. Da sprach er mit seiner Frau darüber, daß es eine gute Gelegenheit wäre, ohne Gefahr für sich selber mit einem Male reich zu werden, wenn sie den reichen Reisenden umbrächten und die drei Schwachköpfe des Mordes bezichtigten. Und die Frau war nicht besser als der Mann: sie hatte ihm schon oft die Reisenden bestehlen helfen, und sie war auch bereit, ihm bei diesem Bubenstück beizustehn. In der Nacht, als alle im tiefsten Schlafe lagen, schlichen sich also der Wirth und seine Frau zu dem fremden Reisenden hinein, schnitten ihm den Hals ab, nahmen ihm all sein Geld und steckten das blutige Messer in eine Reisetasche, die einem der drei Schwachköpfe angehörte. Und früh am nächsten Morgen eilte der Wirth zur Behörde und meldete, daß ein Fremder diese Nacht bei ihm in seinem Bette ermordet worden sei. Er sei ganz in Verzweiflung darüber, wisse aber keinen anzugeben, auf den er Verdacht habe. Da machten sich natürlich die Herren vom Gericht auf die Beine und kamen in den Gasthof; und sie durchsuchten alles, bis sie das Messer fanden. Die drei Reisegefährten mußten also aufstehen und wurden gleich ins Verhör genommen. Da frug der Richter: »Wer von euch hat den Reisenden umgebracht?« – »Wir drei,« antwortete der erste. »Ich kann mir schon denken, daß ihr alle gleich sehr dabei betheiligt gewesen seid,« sagte der Richter; »aber weshalb habt ihr es gethan?« – »Um Geld,« sagte der zweite. »Ich kann mir schon denken, daß ihr es gethan habt, um sein Geld zu bekommen,« sagte der Richter. »Das war recht,« sagte darauf der dritte. »Gott schütze uns vor solchem Recht,« sagte der Richter; »aber euch soll bald euer Recht werden.« Und da sie jetzt gestanden hatten und alles gegen sie sprach, war das Urtheil bald gefällt: daß sie alle drei gehenkt werden sollten, und zwar am folgenden Tage, es sei ja kein Grund, zu warten.
Es fehlte nur noch ein Tag an den drei Jahren, in denen sie nichts anders als die drei Worte sagen durften. Aber sie hielten alle Stand und wollten lieber am Galgen sterben, als dem Bösen angehören. Darin erblickte nun der Teufel nicht seinen Vortheil. Er hatte ja dem Wirthe den Floh ins Ohr gesetzt, denn er dachte auf die Art den Studenten beizukommen; aber wenn sie sich jetzt unschuldig hängen ließen, erhielt er ja gar nichts für seine Mühe. Am nächsten Morgen wurden die drei armen Sünder also auf einen Karren gesetzt und zur Richtstatt hinausgefahren. Es waren viele Leute zur Stelle, denn die Sache hatte natürlich großes Aufsehen erregt. Ein Prediger war da, welcher den Sündern ins Gewissen reden sollte, ehe sie die Strafe erlitten. Aber auch er vermochte ihnen kein Wort zu entlocken, als das wiederholte Geständniß: »Wir drei,« »Um Geld,« und »Das war recht.« – »Gott steh‘ uns bei!« sagte der Prediger, »wenn das recht war!« Und er fuhr fort, ihnen vorzupredigen, sie möchten sich doch bekehren und ihre Sünde bereuen. Der Wirth stand mittlerweile im Volkshaufen, und er rief und schrie, das müsse doch ein Ende haben und das Recht seinen Lauf nehmen. Der Prediger sprach noch einige Worte, aber endlich mußte er doch schließen, und die drei Sünder wurden unter den Galgen geführt und die Schlingen ihnen um den Hals gelegt.
In demselben Augenblick kam eine mit vier Pferden bespannte Karosse angefahren, und ein weißes Tuch wurde aus dem Fenster geschwenkt. Die Henkersknechte hielten inne, sie meinten, es sei ein Bote des Königs mit der Begnadigung; der Wagen fuhr dicht an den Galgen heran, ein schwarz gekleideter Herr stieg aus, ging zu den Studenten und überreichte ihnen ein Blatt Papier, das war ihr Vertrag. »Jetzt könnt ihr frei reden,« sagte er. Und dann wandte er sich an den Richter und sagte: »Laßt den Wirth ergreifen! Er und seine Frau haben den Mord verübt. Das Geld haben sie in ihrem Keller versteckt, und dort liegen auch ihre Kleider, die bei der Gelegenheit mit Blut befleckt wurden.« Dann stieg der Fremde in den Wagen und fuhr von dannen, keiner sah wohin. Der Wirth, welcher ja zur Stelle war, wurde sogleich ergriffen, die gestohlenen Sachen wie die blutigen Kleider wurden gefunden, und der Wirth und seine Frau mußten ihre Schuld bekennen. Sie wurden verurtheilt und anderen Tags hingerichtet.
Die drei Studenten waren jetzt frei und konnten gehen, wohin sie wollten. Aber der Beutel war fort, da die Zeit mittlerweile abgelaufen war, und sie besaßen nicht einen Heller. Sie verkauften daher ihre Reiseeffekten um einige Thaler, und dann marschirten sie zu Fuße auf der Landstraße dahin. Da kam dieselbe Karosse an ihnen vorübergerollt. Der Teufel streckte den Kopf aus dem Fenster und rief ihnen zu: »Die beiden bekam ich doch!« Es waren der Wirth und seine Frau, mit denen er sich diesmal begnügen mußte.
Die Studenten wanderten immer weiter; jetzt wollten sie endlich zu ihrer Familie heimkehren. Sie hatten studirt und Reisen gemacht; sie waren in großer Gefahr für Leib und Seele gewesen; jetzt sehnten sie sich nach Hause. Aber es war keine leichte Sache, nach Haus zu gelangen, denn sie waren in einer ganz anderen Weltgegend, als wo sie zu Hause waren, und sie hatten nicht Gelegenheit gehabt, wie es ihre Absicht gewesen war, sich aus dem Beutel, ehe sie sich von demselben trennen mußten, mit Geld für die Heimreise zu versehen. Daran waren sie durch die Einkerkerung verhindert worden. Ihre paar Thaler waren bald aufgezehrt; sie mußten sich von Ort zu Ort weiterbetteln; aber das wenige, was sie erbettelten, reichte kaum hin, um Leib und Seele zusammenzuhalten. Dies Leben vermochten die Söhne des reichen Mannes nicht lange zu ertragen: sie wurden krank und elend und konnten sich nicht mehr weiterschleppen.
Der Sohn des Armen konnte es nicht übers Herz bringen, seine beiden Gefährten in einem fremden Lande Hungers sterben zu lassen, und so geringe Lust er auch hatte, sich nochmals mit dem gefährlichen Herrn einzulassen, mit dem er jetzt dreimal zu schaffen gehabt, sah er doch keinen anderen Ausweg, und eines Abends spät beschwor er den Teufel und frug ihn, unter welchen Bedingungen er ihm etwas Geld vorstrecken wolle. »Du hast mich so oft gefoppt,« sagte der Teufel, »daß ich jetzt bald nichts mehr mit dir zu thun haben mag.« In Wahrheit aber war der Teufel sehr darauf erpicht, mit dem klugen Studenten in Verkehr zu kommen; denn er meinte, daß es ihm zuletzt doch gelingen müsse, ihn zu fangen. Er sagte daher: »Aber gleichviel! ich will dir noch ein Mal helfen. Du magst den Beutel wieder bekommen und ihn sieben Jahre behalten. Und jetzt magst du deinen Mund gebrauchen, so viel du willst; aber in den sieben Jahren darfst du kein reines Hemd anziehen, du darfst dich nicht waschen, noch kämmen, noch rasiren, und dir weder das Haar, noch den Bart, noch die Nägel schneiden. Wirst du dessen überdrüssig, ehe die sieben Jahre um sind, so gehörst du mir nach deinem Tode; aber den Beutel magst du dann behalten, so lange du lebst. Willst du darauf eingehen? Anderen Falls bekommst du nicht einen dänischen Schilling.«
Es war hart, hierauf einzugehen; aber den Freunden sollte und mußte geholfen werden, und so schloß denn der Student den Vertrag und empfing den Beutel. Nun wurden also die beiden Gefährten auf’s beste gewartet und gepflegt, bis sie ganz wieder zu Kräften gekommen waren. Dann zählte ihnen der Student das Reisegeld aus dem unerschöpflichen Beutel zu; nicht mehr, als daß sie reichlich genug hatten, um nach Hause kommen zu können; und dann sagte er ihnen Lebewohl: jetzt sollten sie in ihre Heimat reisen; er könne sie noch nicht begleiten, denn er habe ein Gelübde gethan, das er erst erfüllen müsse. Mehr sagte er ihnen nicht. Sie waren sehr betrübt, daß sie sich von ihm trennen sollten; sie dankten ihm herzlich für alles, was er für sie gethan habe, und dann reisten sie nach Hause, und von ihnen hören wir nichts mehr.
Der Sohn des Armen, der kluge Student, war jetzt allein, und er mußte jetzt die sieben Jahre unter den harten Bedingungen, die ihm gestellt waren, verbringen. Er reiste daher nach einem Orte, wo ein Wirth lebte, bei dem er früher gewohnt und zu dem er großes Vertrauen hatte. Er sagte ihm, er habe ein Gelübde gethan und wolle sich lange Zeit einschließen und keinen Umgang mit Menschen haben. Er miethete sich also gegen gute Bezahlung bei ihm ein, und dort lebte er Jahr auf Jahr unter dem schweren Joche, das der Böse ihm auferlegt hatte in dem Gedanken, daß er es sicherlich vor der Zeit abstreifen werde. Der Student ließ sich inzwischen alle Bücher kommen, die zu erhalten waren, und er las und las, so daß er bald die Büchergelahrtheit der ganzen Welt verschlungen hatte. Und jede Woche ließ er den Wirth eine große Summe unter die Armen vertheilen, so daß der Teufel sich schwarz ärgerte über den Gebrauch, der von seinem Gelde gemacht wurde. Und als sechs Jahre der Frist verflossen waren, ohne daß der Student eins seiner Verbote übertreten hatte, begann er heiß um die Ohren und angst und bange zu werden, daß der kluge Student ihn abermals foppen würde.
Der Student sah allerdings schrecklich aus und glich mehr einem Thiere als einem Menschen, mit Haaren und mit Schmutz überdeckt, und mit langen Krallen an Händen und Füßen. Er ließ sich vor keinem Menschen sehen. Er ließ sein Essen in das eine Zimmer stellen, während er selbst in einem anderen war. Seine Fenster waren so eingerichtet, daß niemand zu ihm hineinblicken konnte; aber er konnte doch hinausblicken, wenn er wollte. Und er saß oft zum Zeitvertreib und sah hinaus, wie andere Menschen ab und zu und hin und her gingen, Reiche und Arme, und jeder hatte seine Beschäftigung, während er dort wie lebendig begraben saß. Zu der Zeit, als er sechs Jahre dort gewohnt hatte, ward er aufmerksam auf einen Wagen, der häufig an seinen Fenstern vorübergefahren kam. Und es war nicht so sehr der Wagen, welcher seine Aufmerksamkeit fesselte, wie die Insassen desselben. Es war eine vornehme Frau mit ihren drei Töchtern, deren Weg so oft dort vorüber führte. Die Töchter waren alle jung und schön; aber er beachtete doch besonders die jüngste, die nicht allein über die Maßen schön war, sondern auch wie die Frömmigkeit und Güte selber aussah. Der Wirth sagte ihm, es seien die Frau und die Töchter eines Gutsherrn aus der dortigen Gegend. Und der arme eingemauerte Student konnte nicht umhin, an seinem Fenster auf der Lauer zu sitzen, um dann und wann einen Schimmer von dem schönen Fräulein zu erhaschen.
Der Vater der drei schönen Töchter galt für einen reichen Mann, und das war er auch gewesen; aber er war der Spielwuth verfallen, und so verlor er allmählich all seinen Reichthum, und es kam endlich so weit, daß er mehr Schulden hatte, als sein Hof und seine Habe werth waren. Keiner wollte ihm mehr einen Heller borgen, und er mußte mit dem Bettelstab in der Hand von seinem Hofe fortwandern, wenn ihm nicht bald geholfen ward. Da kam ihm der Gedanke, daß bei einem Wirthe in der Stadt, den er gut kannte, ein Sonderling wohne, der niemanden außer dem Wirth sehe, der über die Maßen reich sein und große Summen an die Armen verschenken solle. Er ging zu dem Wirthe und frug ihn, ob er nicht den wunderlichen Studenten einmal sprechen könne. Der Wirth sagte: Nein, das glaube er nicht; aber er wolle ihn doch fragen. Als der Student hörte, daß es der Vater der drei schönen Töchter sei, der mit ihm sprechen wolle, ließ er ihn zu sich herauf kommen. Der Gutsherr wollte sofort wieder rücklings aus der Thür gehen, als er die Schreckgestalt erblickte. Der Student bat ihn, sich nicht zu ängstigen: er sei ein leibhaftiger Mensch, wie er, und weder ein Thier noch ein Teufel. Da faßte der Gutsherr Muth und brachte sein Anliegen vor: er wolle Geld leihen, und zwar keine kleine Summe, sondern ganze drei Tonnen Gold. Der Student antwortete ganz gelassen, das Geld könne er erhalten, wenn er ihm eine seiner Töchter zur Frau geben wolle. Der Gutsherr sagte Ja dazu, wenn eine derselben ihn nehmen wolle; er werde das Seinige dazu thun. Aber der Student verlangte auch, daß sie ohne Zwang ihre Einwilligung gebe, und daß sie vorher wisse, wie ihr Freier aussehe. Darauf ließ er einen Maler holen, der ein Bild von ihm machte, ganz getreu, wie er aussah; und das bekam der Gutsherr mit nach Hause.
Er ging erst zu seiner ältesten Tochter und sagte ihr, wie die Sachen stünden: daß er weniger als nichts besitze und alles im Stich lassen müsse, wenn nicht eine seiner Töchter verspräche, den Mann zu heiraten, dessen Bild er ihr dann zeigte. Allein als sie die Nägel wie Geierkrallen und Haar und Bart sah, die den ganzen Körper bedeckten, spie sie es an und sagte: »Nein, danke schön! Ehe ich so einen nehme, nehme ich lieber unseren Hundejungen.« Dann ging der Gutsherr zu seiner zweiten Tochter und richtete an sie dieselbe Frage; aber sie antwortete sogleich, lieber wolle sie von Haus zu Haus betteln gehn, als ein solches Ungethüm zum Manne nehmen. Dann kam er mit demselben Anliegen zu seiner jüngsten Tochter. Sie schauderte, als sie das Bild erblickte; aber sie wollte Vater und Mutter und Schwestern aus Noth und Elend erretten, und sie sagte: Ja, sie wolle ihn zum Manne nehmen. Und sie schickte ihm einen Verlobungsring zum Pfande, daß sie ihr Versprechen halten wolle. Als der Student ihr Jawort und ihren Ring erhalten hatte, schüttelte er seinen Beutel so lange, bis er die drei Tonnen Gold, welche der Gutsherr haben sollte, hinausgeschüttelt hatte. Und er schüttelte ihn noch etwas länger und ließ Verlobungsgeschenke für seine Braut kaufen: Ketten und Ringe, Gold und Edelsteine. Sie sah dieselben kaum an, sondern schloß sie in einen Schrein, den sie nie wieder aufmachte.
Mittlerweile ließ der Student sich von einem Tischler zwölf große eisenbeschlagene Kisten mit drei Hängeschlössern vor jeder machen. Er brauche sie für seine Bücher, sagte er, wenn er fortzöge. Und dann nahm er sich jeden Tag ein paar Stunden Zeit, seinen Beutel über diesen Kisten auszuschütteln, bis sie alle zwölf voll von Geld waren. Als er damit und mit anderen Vorbereitungen fertig war, waren die sieben Jahre abgelaufen, und er vergeudete nicht eine Stunde mehr, als nöthig war. Er stieg darauf in ein Bad, ließ sich die Nägel und Haare schneiden und den Bart scheeren und zog neue Kleider an, die er zuvor hatte anfertigen lassen. Ein schöner vierspänniger Wagen, der für ihn gekauft worden war, hielt vor der Thür nebst drei vierspännigen Frachtwagen für seine Kisten und Bücher, und so fuhr er zum Hofe seines Schwiegervaters hinaus.
Dort kannte ihn natürlich keiner; aber alle fanden, daß es ein ganz hübscher junger Mann sei, und die beiden ältesten Töchter waren überzeugt, es müsse ein Freier für eine von ihnen sein. Als er den Gutsherrn sprach, sagte er ihm, er käme, ihn um seine jüngste Tochter zu bitten. Die sei schon verlobt, sagte der Vater; aber er habe noch zwei andere Töchter. Allein der Fremde sagte, er dürfe doch wohl die jüngste Tochter sehen. Dem stand nichts im Wege: er wurde in ein Zimmer geführt, wo sie alle drei beisammen saßen. Sie standen alle auf und gaben ihm die Hand. Da steckte er den Verlobungsring, den er von der jüngsten bekommen hatte, an ihren Finger und sagte: »Dieser Ring wurde mir geschenkt, und ich bitte nochmals um denselben, wenn er mir gutwillig gegeben wird.« Und da seine Verlobte begriff, daß er derselbe sei, dem sie einmal ihre Treue gelobt hatte, gab sie ihm den Ring und diesmal mit Freuden. So blieb er dort auf dem Hofe, und sowohl ihr wie allen andern gefiel der hübsche und gescheite junge Mann mit jedem Tage besser, und einen Monat darauf ward ihre Hochzeit mit Freude und Herrlichkeit gefeiert.
Allein die beiden Schwestern vergingen fast vor Neid, und als sie bedachten, daß sie ihn selbst verschmäht hatten, glaubten sie nicht länger leben zu können. Und während der Tanz im Festsaale rauschte, ging die eine von ihnen in den Garten hinab und erhenkte sich, und die andere ging in den Teich und ertränkte sich. Gleich darauf, als der Bräutigam allein auf den Söller hinaustrat, reckte der Teufel den Kopf über das Geländer und sagte: »Ja, du bekamst eine; aber ich bekam zwei.«
Aber der kluge Student und die schöne Braut lebten mit einander ein langes und glückliches Leben, zur Freude und zum Segen für alle, die mit ihnen in Berührung kamen.

[Dänemark: Svend Grundtvig: Dänische Volksmärchen]

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