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Der unterirdische Nachbar

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Es war einmal ein Bauer, der wohnte in Telemarken und hatte einen großen Hof, aber er hatte nur Mißwachs und Unglück mit seinem Vieh, und zuletzt kam er um Haus und Hof. Es blieb ihm fast nichts mehr, und um das wenige kaufte er sich ein Fleckchen Land, das ganz abseits lag, weit weg von der Stadt, im wilden Wald und in der Einöde. Eines Tages ging er durch den Hof, da begegnete er einem Mann.
»Guten Tag, Nachbar«, sagte der Mann.
»Guten Tag«, sagte der Bauer, »ich meinte, ich sei allein hier; bist du mein Nachbar?«
»Da siehst du meinen Hof«, sagte der Mann, »er ist gar nicht weit von dem deinigen.« Und da lag ein Hof, wie er noch nie einen gesehen hatte, schön und stattlich und gut im Stand. Nun merkte er wohl, daß das einer von den Unterirdischen war, aber er fürchtete sich nicht; er lud den Nachbarn ein, sein Bier zu versuchen, und der Nachbar ließ sich’s wohl schmecken.
»Hör einmal«, sagte der Nachbar, »ein Ding solltest du mir zu Gefallen tun.«
»Laß mich zuerst hören, was das ist«, sagte der Bauer.
»Du mußt deinen Kuhstall verlegen, denn er steht mir im Weg«, gab er dem Bauern zur Antwort.
»Nein, das tu ich nicht«, sagte der Bauer. »Im Sommer erst hab ich ihn neu gebaut, und nun geht es gegen den Winter. Was soll ich denn dann mit meinem Vieh machen?«
»Ja, tu nur, wie du willst, aber wenn du ihn nicht niederreißest, so wird dich’s noch gereuen«, sagte der Nachbar. Und damit ging er.
Der Mann wunderte sich darüber, und er wußte nicht, was er tun sollte. Daß er sich gegen die Winternacht hin daranmachen sollte, den Stall niederzureißen, das schien ihm ganz unsinnig, und Hilfe hatte er auch fast keine.
Eines Tages, als er im Stall stand, sank er in den Boden hinein. Da unten, wo er hinkam, war es unerhört schön. Alles war aus Gold und Silber. Da kam auch der Mann, der sagte, er sei sein Nachbar, und hieß ihn niedersitzen. Nach einer Weile wurden Speisen auf silberner Platte und Bier in silbernem Kruge hereingetragen, und der Nachbar lud ihn ein, sich an den Tisch zu setzen und zu essen. Der Bauer wagte keinen Widerspruch und ließ sich am Tisch nieder, aber gerade, als er mit dem Löffel in die Schüssel langen wollte, fiel von der Decke etwas herunter ins Essen, so daß ihm der Appetit verging. – »Jawohl«, sagte der Mann aus dem Berg, »da kannst du sehen, was deine Kühe uns schenken. Wir können nie in Ruhe essen, denn sobald wir uns zu Tisch setzen, fällt Unrat herunter, und wenn wir auch noch so hungrig sind, so vergeht uns der Appetit, und wir können nicht essen. Aber, wenn du mir den Gefallen tun willst, den Stall zu verlegen, so soll es dir niemals an Futter und guten Ernten fehlen, und wenn du noch so alt wirst. Wenn du aber nicht willst, so sollst du nichts als Mißwachs haben, solang du lebst.«
Als der Mann das hörte, ging er schleunigst daran, seinen Stall niederzureißen und an einem andern Platz wiederaufzubauen. Aber er mußte nicht allein bauen, denn zur Nacht, wenn alles schlief, wuchs der Bau ebenso wie am Tag, und er merkte wohl, daß der Nachbar ihm half.
Er bereute es auch später nicht, denn er hatte Futter und Korn genug, und sein Vieh gedieh schön. Einmal war ein schlimmes Jahr, und das Futter war so knapp, daß er mit dem Gedanken umging, seinen halben Viehstand zu schlachten oder zu verkaufen. Aber eines Morgens, als die Kuhmagd in den Stall kam, war der Hüterhund fort und mit ihm alle Kühe und das ganze Jungvieh. Sie fing an zu weinen und sagte es dem Bauern. Aber der dachte bei sich selbst, das werde wohl der Nachbar sein, der die Tiere auf die Weide genommen habe. Und das war auch so, denn gegen den Frühling, als es grün wurde im Wald, da sah er eines Tages den Herdenhund bellend und springend am Waldrand daherkommen, und hinter ihm kamen alle Kühe und alles Jungvieh, und die ganze Herde war so blank, daß es eine Freude war, sie anzusehen.

[Norwegen: Klara Stroebe: Nordische Volksmärchen]

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