1
(3)
Eine Witwe hatte einen Sohn, der lebte bei seiner Mutter. Eines Tages sagte er zu ihr: »Jetzt geh‘ ich fort, um Geld zu verdienen.« Da fragte ihn die Mutter: »Wohin willst du denn gehen? Kauf dir eine Flinte und einen Hund und geh in den Wald.« Da kaufte er sich eine Flinte und einen Hund und ging in den Wald. Er wanderte einen Tag, wanderte im Wald umher, doch erlegte nichts. Verdrießlich kam er nach Hause und sagte zu seiner Mutter: »Du hast gewollt, daß ich mir eine Flinte und einen Hund kaufen sollte, aber ich habe nichts damit erlegt.« Da sagte die Mutter: »Du mußt es erst lernen, erst mehrere Tage jagen.« Am nächsten Tag ging er wieder in den Wald, aber da schoß es wieder nichts.
Jetzt hatte er keine Lust mehr, in den Wald zu gehen, doch die Mutter drängte ihn dazu. Er ging also den dritten Tag in den Wald, bis hinten an den Rand des Ackers. Da bellte der Hund ein Eichhorn auf einer Kiefer an. Er wollte es schießen, zielte auf das Eichhorn, da ging der Feuerstein vom Flintenschloß ab. Er sprang nach Hause, setzte den Feuerstein wieder ein und kam wieder zurück; da bellte der Hund immer noch das Eichhorn an. Er zielte nach dem Eichhorn im Baum, und da fing es an zu sprechen: »Schieß mich nicht«, sagte es, »ich komme auf die Erde.« Nun, da schoß er es nicht. Das Eichhorn ließ sich herunter, tiefer und tiefer die Kiefer herab und warf sich unter dem Baum auf den Boden, gerade vor seiner Nase. Dann verwandelte es sich in eine Jungfrau, in ein so schönes Mädchen, daß man den Blick nicht von ihm wenden konnte.
Das Mädchen sprach: »Weil du mich nicht geschossen hast, will ich jetzt deine Braut werden.« Da antwortete er: »Ich nähme dich schon, und du könntest mir gefallen, aber ich wage es nicht, was wird meine Mutter dazu sagen!« – »Nun«, sagte sie, »laß uns zu deiner Mutter gehen, wenn sie es erlaubt, so nimm mich; wenn sie es nicht will, so geh‘ ich wieder in den Wald zurück.«
Da gingen sie hin, das Mädchen blieb auf dem Hof, und der Junge ging hinein und fragte seine Mutter: »Da ist so ein schönes und gutes Mädchen, das möchte ich zur Frau nehmen, wenn du es erlaubst.« Da gab ihm die Mutter die Erlaubnis, und er nahm das Mädchen zur Braut. Sie war so schön, und er lebte mit ihr zusammen.
Für den Kaisersohn suchten sie schon drei Jahre lang eine Braut, aber konnten keine finden, die ihm gefiel. Als er die Braut des Jungen sah, hätte er sie gern selbst genommen. Doch er dachte: ‚Einem lebenden Manne kann ich sie doch nicht nehmen.‘ Er ging nach Hause und gab dem Jungen auf: »Du sollst mir über die Stromschnelle eine goldene Brücke bauen mit silbernem Geländer.«
Dieser kam betrübt zu seiner Frau, die fragte ihn: »Warum bist du denn so traurig?« – »Ich soll dem Kaisersohn über Nacht eine goldene Brücke bauen mit silbernem Geländer.« – »Leg dich schlafen«, sagte seine Frau, »heute nacht wollen wir überlegen, was er wünscht.« Da überlegte sie, gab ihrem Liebsten ein seidenes Tuch und sprach: »Geh jetzt und schlag mit diesem Tuch gegen das Wasser in der Stromschnelle. Dabei sprich: ‚Über Nacht soll hier eine goldene Brücke stehn mit silbernem Geländer.’« Nun, da schlug er mit dem Tuch gegen das Wasser und legte sich nieder. Er schlief die Nacht hindurch, und am andern Morgen war die Brücke fertig. Da kam der Kaisersohn und guckte: »Oh, die ist ja viel besser, als wir sie gewollt haben.«
Darauf gab er ihm eine zweite Aufgabe. Er sagte zu ihm: »Hier im Garten sind drei goldene Ferkel vergraben, die müssen heute nacht gefunden werden, wenn du sie nicht findest, so schlag ich dir den Kopf ab.« Der Kaisersohn aber wußte selbst nicht, ob überhaupt welche da waren.
Wieder ging er trüben Sinnes zu seiner Frau, und sie fragte: »Warum bist du so traurig?« – »Über Nacht soll ich drei im Garten vergrabene goldene Ferkel herbeischaffen.« Da sagte sie wieder: »Leg dich schlafen, heute nacht wollen wir überlegen, auf welche Weise wir sie bekommen.« Sie schliefen die Nacht hindurch, am andern Morgen sagte sie: »Geh jetzt zum Kaisersohn, nimm dir den größten General mit und eine Schippe. Mitten im Garten steht eine Eiche, grabe darunter eine drei Klafter tiefe Grube, da findest du die drei Ferkel nebeneinander.« Das tat er und fand die drei Ferkel nebeneinander. Er hob sie heraus: »Da sind sie!« Als er sie hatte, ging er nach Hause zu seiner Frau.
Den Kaisersohn aber reizte dies erst recht, ihm eine dritte Aufgabe zu stellen. Er sprach: »Jetzt sollst du mir eine lebende Kantele schaffen, eine solche, die von selbst spielt; wenn du solch eine lebende Kantele nicht bekommst, so schlage ich dir den Kopf ab.« Wieder kam er trübsinnig zu seiner Frau, und sie fragte: »Warum bist du denn so traurig?« – »Eine Kantele soll ich schaffen, eine lebende Kantele, die von selbst spielt.« Darauf antwortete seine Frau: »Geh jetzt zurück zum Kaiser und nimm dir die drei größten Generäle mit, verlange sie vom Kaiser. Dann kommst du zu mir, daß ich euch dahin schicke, wo ihr die lebende Kantele bekommt«, sagte die Frau.
Nun, er kam mit den Generälen zu seiner Frau zurück, und sie gab ihrem Liebsten wieder ein seidenes Tuch und dazu ein blaues Knäuel Garn. Dann trug sie ihm auf, vom Kaiser drei Monate und einen Tag Zeit zu verlangen, um die Kantele zu holen, und der Kaiser gab ihnen diese Frist.
Sie machten sich auf den Weg, da sagte seine Frau: »Wohin ich jetzt dies Knäuel werfe, dahinaus geht, dann werdet ihr die von selbst spielende Kantele finden. Wenn ihr hingeht, zeig an zwei Stellen dieses Tuch vor, aber an dritter Stelle zeig es nicht eher, bis daß du in die ärgste Klemme kommst.«
Da gingen sie fort, das blaue Knäuel rollte und rollte voraus, und die drei Generäle und der Sohn der Witwe folgten ihm. Sie wanderten dahin und kamen an eine kleine Hütte, die mit Erde bedeckt war, wie eine Köhlerhütte. Sie gingen hinein, und da war nur eine alte Frau darin, die saß im Schaukelstuhl. Die sagte: »Oho, seit dreißig Jahren habe ich keinen Menschen gerochen, und jetzt kommt mir ein Braten zum Abendessen.« Da sprach er: »Was? Du bist meine Tante und willst uns zu Abend essen?« Dann holte er sein seidenes Tuch aus der Tasche und wischte sich das Gesicht damit ab. Da guckte sie: »Ah, das ist ja mein Schwiegersohn, der Mann meiner Tochter.« Da bekam er zu essen und zu trinken, sie wußte gar nicht, was sie ihm nur zugute tun sollte. Die Nacht blieben sie dort, und am nächsten Tag in der Morgenstunde brachen sie auf, und das Knäuel lief vor ihnen her die Landstraße entlang.
Wieder kamen sie an eine Hütte, die aussah wie eine Köhlerhütte. Da lief das blaue Knäuel zum Türgriff und ging in die Hütte hinein. Da saß ein altes Weib im Schaukelstuhl, das ebenso aussah wie das erste, nur noch älter. »Oho«, sagte sie, »sechzig Jahre hab‘ ich keinen Menschen gerochen, und jetzt kommt mir ein Braten zum Abendessen!« – »Was? Willst du mich Wandersmann auffressen, wo du meine Tante bist?« Er nahm wieder das Tuch und wischte sich über das Gesicht. Da guckte sie: »Ah«, sprach sie, »das ist ja der Schwiegersohn, der Mann meiner Nichte, der will mich besuchen.« Er wurde bewirtet und blieb die Nacht da, sie bekamen reichlich zu essen und zu trinken. Als der Tag graute, rollte das blaue Knäuel wieder die Landstraße entlang vor ihnen her.
Es lief und lief, und dann kamen sie an eine dritte Hütte von gleichem Aussehen. Sie gingen hinein, da saß eine noch ältere Frau im Schaukelstuhl. Sie sprach: »Oho, neunzig Jahre habe ich keinen Menschen gerochen und nun bekomme ich ein Abendessen.« Der Junge aber sagte: »Warum willst du uns Wanderer denn aufessen? Das Fleisch eines Wanderers ist wie Knorpel, und die Suppe davon schmeckt wie Waschwasser.« – Da aßen und tranken sie aus dem eigenen Ranzen, und der Sohn der Witwe sprach: »Wir suchen eine lebendige Kantele, wer kann die uns wohl machen?« Die Alte antwortete: »Hoh, meine Jungen können es, aber die sind im Wald, sie kommen erst in der Abenddämmerung nach Hause.« – »Na, wenn sie nur kommen, da müssen wir warten.«
Sie warteten den ganzen Abend, bis es dunkel wurde. Da kamen drei Wölfe in die Hütte gesprungen, liefen über den Sparren, sprangen vom Topfbrett herunter und verwandelten sich in drei schöne junge Männer. Da fingen sie an, die lebende Kantele zu bauen, und stellten einen General an, ihnen den Kienspan zu halten. »Wenn du einschläfst«, sagten sie zu ihm, »so wird sie nicht gut.« Nun, sie arbeiteten an der Kantele, der General hielt den Span, schlief ein und schnarchte. Als er schlief, verwandelten sie sich in Wölfe, zerrissen ihn und fraßen ihn auf, dann liefen sie noch schlingend in den Wald hinein.
Die Alte sagte: »Jetzt kommen sie vor Abend nicht wieder nach Hause!« Da hatten sie aber erst versucht, die Kantele zu bauen. Der Junge wartete dort bis zum Abend. Als es dämmrig wurde, kamen wieder drei Wölfe in die Hütte, sprangen vom Topfbrett herab und wurden zu Männern. Wieder begannen sie, an der Kantele zu arbeiten, und gaben dem zweiten General den Span zu halten. »Wenn du schläfst, so wird sie nichts, das siehst du an der andern.« Er hielt den Kienspan, hielt ihn, schlief ein und schnarchte. Die jungen Männer verwandelten sich wieder in Wölfe, packten den General, fraßen ihn auf und liefen lärmend in den Wald. »Sie kommen nicht vor Abend nach Hause«, sagte die Alte wieder. »Nun, wenn sie nur kommen, die Kantele muß fertig werden.«
Sie gingen den dritten Tag im Walde spazieren, und wieder wurde es Abend. Abermals kamen die drei Wölfe in die Hütte, sprangen vom Topfbrett herab und verwandelten sich in Menschen. Da mußte der letzte General den Span halten, und sie sagten zu ihm: »Du darfst nicht schlafen, wenn du schläfst, so wird sie nichts Rechtes.« Er hielt den Span, hielt ihn und wurde ein bißchen schläfrig. Er behielt alles im Auge, damit er nicht einschlafe, aber dann schnarchte er schon im Schlaf. Darauf verwandelten sich die Männer in Wölfe, packten den letzten General und fraßen ihn auf. Da blieb der Junge allein mit der Alten. »Sie kommen vor Abend nicht wieder zurück.« – »Nun, wenn sie nur kommen, die Kantele muß fertig werden.«
Als es dämmrig wurde, kamen die Wölfe, sprangen vom Topfbrett herab und wurden zu Männern. Sie arbeiteten an der lebenden Kantele, und der Sohn der Witwe hielt selbst den Span. Er hielt ihn, hielt ihn, wurde müde, die Jungen stießen ihn in die Seite: »Was, schläfst du?« – »Nein, ich schlafe nicht, ich denke nur darüber nach, ob es mehr trocknes oder frisches Holz im Walde gibt.« Da verwandelten sie sich in Wölfe: »Warte, wir werden zählen, von welcher Art es mehr im Walde gibt, trockenes oder frisches Holz.« Da zählten sie den ganzen Tag bis zum Abend, dann kamen sie zurück. Wieder sprangen drei Wölfe über den Sparren vom Topfbrett herab und wurden zu Männern. Sie arbeiteten an der Kantele, und er hielt den Span. Er hielt ihn und wurde schläfrig. Da nahm er das seidene Tuch und wischte sich mit dem seidenen Tuch über die Augen. Das alte Weib sah es: »Ah!« sagte sie, »das ist ja der Mann meiner Nichte, der Schwiegersohn! Warum hast du das nicht eher gesagt? Die Kantele wäre längst fertig.« Da bewirtete sie ihn. Während sie das Essen bereitete, machten die Jungen die Kantele fertig.
Als die Kantele fertig war, sagte die Mutter zu den Jungen: »Jetzt verwandelt euch in Wölfe, nehmt ihn auf den Rücken und bringt ihn so schnell wie möglich fort, sonst entführt ihm der Kaiser die Braut.« Nun, da nahmen sie ihn auf den Rücken, und er ritt auf ihrem Rücken in entsetzlicher Geschwindigkeit. Schon hatte der Kaisersohn seine Braut mit nach Hause genommen, und sie feierten Hochzeit. Da warf er die lebende Kantele vor ihm hin: »Hier ist die Kantele, was nimmst du mir vor der Zeit die Braut weg!« Und er entriß dem Kaisersohn seine Braut und brachte sie zu seiner Mutter, und sie leben bis auf den heutigen Tag zusammen.
Jetzt hatte er keine Lust mehr, in den Wald zu gehen, doch die Mutter drängte ihn dazu. Er ging also den dritten Tag in den Wald, bis hinten an den Rand des Ackers. Da bellte der Hund ein Eichhorn auf einer Kiefer an. Er wollte es schießen, zielte auf das Eichhorn, da ging der Feuerstein vom Flintenschloß ab. Er sprang nach Hause, setzte den Feuerstein wieder ein und kam wieder zurück; da bellte der Hund immer noch das Eichhorn an. Er zielte nach dem Eichhorn im Baum, und da fing es an zu sprechen: »Schieß mich nicht«, sagte es, »ich komme auf die Erde.« Nun, da schoß er es nicht. Das Eichhorn ließ sich herunter, tiefer und tiefer die Kiefer herab und warf sich unter dem Baum auf den Boden, gerade vor seiner Nase. Dann verwandelte es sich in eine Jungfrau, in ein so schönes Mädchen, daß man den Blick nicht von ihm wenden konnte.
Das Mädchen sprach: »Weil du mich nicht geschossen hast, will ich jetzt deine Braut werden.« Da antwortete er: »Ich nähme dich schon, und du könntest mir gefallen, aber ich wage es nicht, was wird meine Mutter dazu sagen!« – »Nun«, sagte sie, »laß uns zu deiner Mutter gehen, wenn sie es erlaubt, so nimm mich; wenn sie es nicht will, so geh‘ ich wieder in den Wald zurück.«
Da gingen sie hin, das Mädchen blieb auf dem Hof, und der Junge ging hinein und fragte seine Mutter: »Da ist so ein schönes und gutes Mädchen, das möchte ich zur Frau nehmen, wenn du es erlaubst.« Da gab ihm die Mutter die Erlaubnis, und er nahm das Mädchen zur Braut. Sie war so schön, und er lebte mit ihr zusammen.
Für den Kaisersohn suchten sie schon drei Jahre lang eine Braut, aber konnten keine finden, die ihm gefiel. Als er die Braut des Jungen sah, hätte er sie gern selbst genommen. Doch er dachte: ‚Einem lebenden Manne kann ich sie doch nicht nehmen.‘ Er ging nach Hause und gab dem Jungen auf: »Du sollst mir über die Stromschnelle eine goldene Brücke bauen mit silbernem Geländer.«
Dieser kam betrübt zu seiner Frau, die fragte ihn: »Warum bist du denn so traurig?« – »Ich soll dem Kaisersohn über Nacht eine goldene Brücke bauen mit silbernem Geländer.« – »Leg dich schlafen«, sagte seine Frau, »heute nacht wollen wir überlegen, was er wünscht.« Da überlegte sie, gab ihrem Liebsten ein seidenes Tuch und sprach: »Geh jetzt und schlag mit diesem Tuch gegen das Wasser in der Stromschnelle. Dabei sprich: ‚Über Nacht soll hier eine goldene Brücke stehn mit silbernem Geländer.’« Nun, da schlug er mit dem Tuch gegen das Wasser und legte sich nieder. Er schlief die Nacht hindurch, und am andern Morgen war die Brücke fertig. Da kam der Kaisersohn und guckte: »Oh, die ist ja viel besser, als wir sie gewollt haben.«
Darauf gab er ihm eine zweite Aufgabe. Er sagte zu ihm: »Hier im Garten sind drei goldene Ferkel vergraben, die müssen heute nacht gefunden werden, wenn du sie nicht findest, so schlag ich dir den Kopf ab.« Der Kaisersohn aber wußte selbst nicht, ob überhaupt welche da waren.
Wieder ging er trüben Sinnes zu seiner Frau, und sie fragte: »Warum bist du so traurig?« – »Über Nacht soll ich drei im Garten vergrabene goldene Ferkel herbeischaffen.« Da sagte sie wieder: »Leg dich schlafen, heute nacht wollen wir überlegen, auf welche Weise wir sie bekommen.« Sie schliefen die Nacht hindurch, am andern Morgen sagte sie: »Geh jetzt zum Kaisersohn, nimm dir den größten General mit und eine Schippe. Mitten im Garten steht eine Eiche, grabe darunter eine drei Klafter tiefe Grube, da findest du die drei Ferkel nebeneinander.« Das tat er und fand die drei Ferkel nebeneinander. Er hob sie heraus: »Da sind sie!« Als er sie hatte, ging er nach Hause zu seiner Frau.
Den Kaisersohn aber reizte dies erst recht, ihm eine dritte Aufgabe zu stellen. Er sprach: »Jetzt sollst du mir eine lebende Kantele schaffen, eine solche, die von selbst spielt; wenn du solch eine lebende Kantele nicht bekommst, so schlage ich dir den Kopf ab.« Wieder kam er trübsinnig zu seiner Frau, und sie fragte: »Warum bist du denn so traurig?« – »Eine Kantele soll ich schaffen, eine lebende Kantele, die von selbst spielt.« Darauf antwortete seine Frau: »Geh jetzt zurück zum Kaiser und nimm dir die drei größten Generäle mit, verlange sie vom Kaiser. Dann kommst du zu mir, daß ich euch dahin schicke, wo ihr die lebende Kantele bekommt«, sagte die Frau.
Nun, er kam mit den Generälen zu seiner Frau zurück, und sie gab ihrem Liebsten wieder ein seidenes Tuch und dazu ein blaues Knäuel Garn. Dann trug sie ihm auf, vom Kaiser drei Monate und einen Tag Zeit zu verlangen, um die Kantele zu holen, und der Kaiser gab ihnen diese Frist.
Sie machten sich auf den Weg, da sagte seine Frau: »Wohin ich jetzt dies Knäuel werfe, dahinaus geht, dann werdet ihr die von selbst spielende Kantele finden. Wenn ihr hingeht, zeig an zwei Stellen dieses Tuch vor, aber an dritter Stelle zeig es nicht eher, bis daß du in die ärgste Klemme kommst.«
Da gingen sie fort, das blaue Knäuel rollte und rollte voraus, und die drei Generäle und der Sohn der Witwe folgten ihm. Sie wanderten dahin und kamen an eine kleine Hütte, die mit Erde bedeckt war, wie eine Köhlerhütte. Sie gingen hinein, und da war nur eine alte Frau darin, die saß im Schaukelstuhl. Die sagte: »Oho, seit dreißig Jahren habe ich keinen Menschen gerochen, und jetzt kommt mir ein Braten zum Abendessen.« Da sprach er: »Was? Du bist meine Tante und willst uns zu Abend essen?« Dann holte er sein seidenes Tuch aus der Tasche und wischte sich das Gesicht damit ab. Da guckte sie: »Ah, das ist ja mein Schwiegersohn, der Mann meiner Tochter.« Da bekam er zu essen und zu trinken, sie wußte gar nicht, was sie ihm nur zugute tun sollte. Die Nacht blieben sie dort, und am nächsten Tag in der Morgenstunde brachen sie auf, und das Knäuel lief vor ihnen her die Landstraße entlang.
Wieder kamen sie an eine Hütte, die aussah wie eine Köhlerhütte. Da lief das blaue Knäuel zum Türgriff und ging in die Hütte hinein. Da saß ein altes Weib im Schaukelstuhl, das ebenso aussah wie das erste, nur noch älter. »Oho«, sagte sie, »sechzig Jahre hab‘ ich keinen Menschen gerochen, und jetzt kommt mir ein Braten zum Abendessen!« – »Was? Willst du mich Wandersmann auffressen, wo du meine Tante bist?« Er nahm wieder das Tuch und wischte sich über das Gesicht. Da guckte sie: »Ah«, sprach sie, »das ist ja der Schwiegersohn, der Mann meiner Nichte, der will mich besuchen.« Er wurde bewirtet und blieb die Nacht da, sie bekamen reichlich zu essen und zu trinken. Als der Tag graute, rollte das blaue Knäuel wieder die Landstraße entlang vor ihnen her.
Es lief und lief, und dann kamen sie an eine dritte Hütte von gleichem Aussehen. Sie gingen hinein, da saß eine noch ältere Frau im Schaukelstuhl. Sie sprach: »Oho, neunzig Jahre habe ich keinen Menschen gerochen und nun bekomme ich ein Abendessen.« Der Junge aber sagte: »Warum willst du uns Wanderer denn aufessen? Das Fleisch eines Wanderers ist wie Knorpel, und die Suppe davon schmeckt wie Waschwasser.« – Da aßen und tranken sie aus dem eigenen Ranzen, und der Sohn der Witwe sprach: »Wir suchen eine lebendige Kantele, wer kann die uns wohl machen?« Die Alte antwortete: »Hoh, meine Jungen können es, aber die sind im Wald, sie kommen erst in der Abenddämmerung nach Hause.« – »Na, wenn sie nur kommen, da müssen wir warten.«
Sie warteten den ganzen Abend, bis es dunkel wurde. Da kamen drei Wölfe in die Hütte gesprungen, liefen über den Sparren, sprangen vom Topfbrett herunter und verwandelten sich in drei schöne junge Männer. Da fingen sie an, die lebende Kantele zu bauen, und stellten einen General an, ihnen den Kienspan zu halten. »Wenn du einschläfst«, sagten sie zu ihm, »so wird sie nicht gut.« Nun, sie arbeiteten an der Kantele, der General hielt den Span, schlief ein und schnarchte. Als er schlief, verwandelten sie sich in Wölfe, zerrissen ihn und fraßen ihn auf, dann liefen sie noch schlingend in den Wald hinein.
Die Alte sagte: »Jetzt kommen sie vor Abend nicht wieder nach Hause!« Da hatten sie aber erst versucht, die Kantele zu bauen. Der Junge wartete dort bis zum Abend. Als es dämmrig wurde, kamen wieder drei Wölfe in die Hütte, sprangen vom Topfbrett herab und wurden zu Männern. Wieder begannen sie, an der Kantele zu arbeiten, und gaben dem zweiten General den Span zu halten. »Wenn du schläfst, so wird sie nichts, das siehst du an der andern.« Er hielt den Kienspan, hielt ihn, schlief ein und schnarchte. Die jungen Männer verwandelten sich wieder in Wölfe, packten den General, fraßen ihn auf und liefen lärmend in den Wald. »Sie kommen nicht vor Abend nach Hause«, sagte die Alte wieder. »Nun, wenn sie nur kommen, die Kantele muß fertig werden.«
Sie gingen den dritten Tag im Walde spazieren, und wieder wurde es Abend. Abermals kamen die drei Wölfe in die Hütte, sprangen vom Topfbrett herab und verwandelten sich in Menschen. Da mußte der letzte General den Span halten, und sie sagten zu ihm: »Du darfst nicht schlafen, wenn du schläfst, so wird sie nichts Rechtes.« Er hielt den Span, hielt ihn und wurde ein bißchen schläfrig. Er behielt alles im Auge, damit er nicht einschlafe, aber dann schnarchte er schon im Schlaf. Darauf verwandelten sich die Männer in Wölfe, packten den letzten General und fraßen ihn auf. Da blieb der Junge allein mit der Alten. »Sie kommen vor Abend nicht wieder zurück.« – »Nun, wenn sie nur kommen, die Kantele muß fertig werden.«
Als es dämmrig wurde, kamen die Wölfe, sprangen vom Topfbrett herab und wurden zu Männern. Sie arbeiteten an der lebenden Kantele, und der Sohn der Witwe hielt selbst den Span. Er hielt ihn, hielt ihn, wurde müde, die Jungen stießen ihn in die Seite: »Was, schläfst du?« – »Nein, ich schlafe nicht, ich denke nur darüber nach, ob es mehr trocknes oder frisches Holz im Walde gibt.« Da verwandelten sie sich in Wölfe: »Warte, wir werden zählen, von welcher Art es mehr im Walde gibt, trockenes oder frisches Holz.« Da zählten sie den ganzen Tag bis zum Abend, dann kamen sie zurück. Wieder sprangen drei Wölfe über den Sparren vom Topfbrett herab und wurden zu Männern. Sie arbeiteten an der Kantele, und er hielt den Span. Er hielt ihn und wurde schläfrig. Da nahm er das seidene Tuch und wischte sich mit dem seidenen Tuch über die Augen. Das alte Weib sah es: »Ah!« sagte sie, »das ist ja der Mann meiner Nichte, der Schwiegersohn! Warum hast du das nicht eher gesagt? Die Kantele wäre längst fertig.« Da bewirtete sie ihn. Während sie das Essen bereitete, machten die Jungen die Kantele fertig.
Als die Kantele fertig war, sagte die Mutter zu den Jungen: »Jetzt verwandelt euch in Wölfe, nehmt ihn auf den Rücken und bringt ihn so schnell wie möglich fort, sonst entführt ihm der Kaiser die Braut.« Nun, da nahmen sie ihn auf den Rücken, und er ritt auf ihrem Rücken in entsetzlicher Geschwindigkeit. Schon hatte der Kaisersohn seine Braut mit nach Hause genommen, und sie feierten Hochzeit. Da warf er die lebende Kantele vor ihm hin: »Hier ist die Kantele, was nimmst du mir vor der Zeit die Braut weg!« Und er entriß dem Kaisersohn seine Braut und brachte sie zu seiner Mutter, und sie leben bis auf den heutigen Tag zusammen.
[Finnland: August von Löwis of Menar: Finnische und estnische Märchen]