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Martti

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Es lebte einmal ein reicher Bauer, dem starb die Frau, und sie hinterließ ihm einen Knaben, der hieß Martti. Von der Frau aber waren noch ein Paar neue Stiefel da, die nahm der Bauer und ging damit fort, um sich eine andere Frau zu suchen, der die Stiefel paßten. Er ging weit über Land und probierte sie vielen an. Da kam ihm ein altes Weib entgegen, das fragte: »Was suchst du denn?« – »Eine Frau such ich.« – »Nimm mich!« – »Nun, wenn dir die Stiefel passen, nehm ich dich.« – »Laß uns probieren!« Sie paßten aber nicht, ihre Füße waren zu groß. Die Alte ging fort, lief um den Wald und hackte sich mit einem Stein ein Stück vom Fuß ab. Dann kam sie ihm wieder entgegen und sprach: »Mann, nimm mich zur Frau!« – »Wenn dir die Stiefel passen, nehm ich dich.« Sie probierten wieder, da paßten sie, und er nahm sie mit nach Hause. Die Alte war beim Essen und Trinken die erste, aber arbeiten tat sie nicht. Alle Hähne und Hühner, die Ferkel und Lämmer wurden geschlachtet. Immer aß sie. Den nächsten Tag, als das Fleisch alle war, sagte sie zu ihrem Manne: »Morgen müssen wir den weißen Ochsen und Martti schlachten.« Das hörte der weiße Ochse. Als Martti am Abend von der Arbeit kam, sprach der Ochs zu ihm: »Die Alte ist eine Hexe. Morgen sollen wir geschlachtet werden, laß uns fliehen.« Da setzte sich Martti auf den Rücken des Ochsen, und der Ochs lief davon. Als sie ein Stück gelaufen waren, sahen sie etwas Sand auf dem Boden. Der Ochs sprach: »Den nimm mit!« Martti hob ihn auf, und sie liefen weiter. Nach einiger Zeit kamen sie an eine Wasserpfütze. Da sprach der Ochs: »Nimm das Wasser!« Und Martti schöpfte davon. Dann liefen sie wieder ein gutes Stück vorwärts. »Sieh dich einmal um«, sagte der Ochs, »ob du nichts siehst.« Der Junge guckte sich um, da kam’s wie ein großer Heustapel hinter ihnen her. Der Ochs sprach: »Wirf den Sand auf die Erde und ruf: ‚Zwischen uns und dir wachse ein Hügel, dessen Gipfel bis in die Wolken reicht!’« Die Hexe watete in den Sandhügel hinein, aber sie konnte nicht hindurch. Da lief sie zurück, holte sich eine Schippe und machte sich einen Weg.
Wieder sprach der Ochs zu dem Knaben: »Dreh dich um, ob du etwas siehst!« – »Es kommt wie ein großer Heustapel hinter uns her«, rief der Knabe. Der Ochs sprach: »Gieß das Wasser auf die Erde und sprich: ‚Zwischen uns komme ein großer Fluß!’« Da war ein Fluß da. Die Hexe kam zu dem Fluß, aber während sie das Wasser aus dem Fluß austrank, flohen die beiden. Und die Hexe trank und trank, bis sie platzte. Danach nahm der weiße Ochs von seinem Kopf ein Horn, gab es dem Jungen und sprach: »Jetzt gehe ich meinen eigenen Weg, und du gehst deinen Weg, wohin du willst.« Da ging der Knabe fort.
Diesseits des Flusses war ein Schloß. Er ging in das Schloß und bot sich dem König als Hirt an. Das Horn nahm er zu einem Dudelsack, und darauf spielte er jeden Tag. Die Königstochter hörte ihm oft zu, da er gar so schön spielte. Das ärgerte den Knaben, weil sie ihn störte, und er sagte zu seinem Dudelsack: »Sei so gut und schenke der Königstochter ein Kind!« – Da bekam die Königstochter ein Kind, es war ein Knabe, und sie nannten ihn Jijo. Der Knabe wuchs und wurde vier Jahre alt, aber niemand wußte, wer sein Vater war. Der König rief alle Männer im Schloß zusammen, stellte sie alle im Kreise auf und trat mit dem Knaben in die Mitte. Dann gab er dem Kind einen Holzapfel in die Hand und sprach: »Bring den Apfel deinem Vater!« Und das Kind gab ihn dem Hirtenjungen.
Da wurde der König zornig, daß seine Tochter von dem Hirtenjungen den Knaben hatte. Er nahm ihn, teerte ein Faß, steckte alle drei hinein und warf sie ins Meer. Aber der Hirtenbub bat seinen Dudelsack:
»Sei so gut, lieber Dudelsack, und schaff uns ein trockenes Stück Land!« Da ließ der Dudelsack Gras aus dem Meere wachsen, und es entstand eine Insel. Er schaffte ihnen einen prächtigen Hof, wo sie lebten, und baute ihnen eine Brücke bis zu des Königs Schloß.
Der Vater aber war sehr böse, daß sie auf seinem Lande lebten. Er ließ seine Soldaten kommen und befahl ihnen: »Geht und tötet alle drei!« Als aber die Soldaten mitten auf der Brücke waren, bat der Hirtenjunge den Dudelsack: »Brich die Brücke ab und laß alle ertrinken« – und der Dudelsack tat es. Danach lebten sie auf der Insel und bekamen viel Land, und ihr Geschlecht wurde mächtig.
Das Land aber heißt die Jijo-Insel bis auf den heutigen Tag. (Jijo-Insel in Estland.)

[Finnland: August von Löwis of Menar: Finnische und estnische Märchen]

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