Immer, wenn das Schloß brannte oder von Fremden überfallen wurde, war er unsichtbar durch Säle und Gewölbe gehuscht und hatte eilig all die kostbaren Schätze zusammengetragen und in sein Reich gebracht.
Der Kobold fühlte sich in seinem Verlies so wohl, das er nur selten Kontakt zur Außenwelt suchte.
Doch eines Tages ergab es sich, das ihn sein einziger Freund, der alte pensionierte Wachtmeister des Schlosses, Matts Mursten, zur Hochzeit von dessen Urenkelin Rosa, eines gar reizenden Geschöpfes, einlud.
Je näher der Tag der Hochzeit kam, desto mehr bedauerte Matts Mursten die Einladung. Was würde der Pfarrer sagen, wenn der Kobold kommen, seine Mütze wenden und dann unsichtbar sein würde?
Aber dann kam alles anders, wie es oft im Leben so ist. Der Kobold erschien unsichtbar auf dem Fest, weil er sich vor dem Pfarrer fürchtete. Als Brautgabe setzte er Rosa eine glitzernde goldene Krone, die früher einmal Catharina Jagellinica getragen hatte, auf das Haar und verschwand alsbald wieder.
Matts Mursten war so erleichtert über diesen nur kurzen Besuch, das er einen Wein nach dem anderen trank und gar nicht merkte, wie das würzige Getränk seine Zunge löste.
Inzwischen begannen die Gäste über die Herkunft der Krone zu tuscheln. Und die Mutter des Sergeanten, der auch gern die Rosa geheiratet hätte, aber den Kürzeren ziehen mußte, stellte Matts zur Rede.
„Du hast die Krone gestohlen und mußt dich deshalb vor der Obrigkeit verantworten!“
Matts Mursten war ein so ehrlicher Mensch, das er solche Anschuldigungen nicht ertragen konnte und das Geheimnis vom Verlies im Schloß und vom Kobold verriet.
Die Alte hatte nichts Wichtigeres zu tun, als zu ihrem Sohn, der auch auf dem Fest weilte, zu eilen und mit ihm auf die Suche nach den Schätzen des Kobolds zu gehen.
Der Kobold bemerkte sie und folgte ihnen unsichtbar. Als sie es endlich geschafft hatten, sein Verlies zu finden, erbebte das Schloß ganz furchtbar und in das Verließ stürzten riesige Steine. Der Ausgang war versperrt.
„Das ist aber schön, das ihr mich in meiner Einsamkeit besucht“, empfing sie der Kobold. „Ihr werdet nun für immer bei mir bleiben.“
Und er sperrte sie zu all den anderen, die in den vielen Jahren versucht hatten, ihn zu berauben und nun als Katzen hausten oder als Wölfe heulten.
Als Matts Mursten sich am nächsten Tag die Krone näher ansehen wollte, lag an ihrer Stelle nur ein Stück verrostetes Eisen. Er bereute es so, seinen Mund nicht gehalten zu haben.
Die Zeit verging. Matts Mursten wurde älter und älter und das Schloß begann zu zerfallen, weil sich der Kobold nicht mehr wie früher darum kümmerte.
Eines Tages spazierte Matts Mursten mit Rosa und derem kleinem Sohn Erik, der im Korbwagen lag, durch das Schloß hin zum westlichen Saal, der zur Flußmündung hinausgeht. Mit Tränen in den Augen sah der alte Wachtmeister die in der Sonne glitzernde Herrlichkeit.
„Ach, wenn ich doch mit dem Rest meiner Tage das Schloß vor seinem Untergang bewahren könnte, ich gäbe mein Leben hin“, seufzte Matts Mursten.
Da erschien sein alter Freund, der Kobold.
„Was soll ich denn mit deinem Leben, das nur noch nach Stunden zählt, laß den kleinen Jungen als Knecht bei mir dienen!“
Rosa und ihr Vater wurden ganz blaß und wehrten heftig ab. Der Kobold wurde zornig und begann das Schloß einzureißen.
Auf einmal aber hielt er inne. Aus der Tiefe erklang ein Gesang. Es war Wäinämöin, der Alte des Berges, der noch viel älter war als der Kobold und der über die Zukunft Finnlands wachte. Der alte Wachtmeister war während des Liedes zu Boden gesunken und sanft entschlafen.
„Ich wollte doch weder dir, mein alter Freund, noch dem Kinde zu nahe treten“, trauerte der Kobold beim Anblick des Toten.
„Ich wollte euch für Eure Schwatzhaftigkeit doch nur einen kleinen Schrecken einjagen. Nun hast du mich beim Wort genommen und ich werde, solange mein Arm seine Kraft behält, dafür sorgen, das das Schloß erhalten bleibt. Wer wird mir nur zukünftig dabei helfen, jetzt wo du tot bist…?“
„Ich“, antwortete Rosa. „Und wenn Erik groß ist, wird er es übernehmen.“
„Dann wird er ja doch mein Knecht.“
„Nein, er wird den Menschen dienen, solange er lebt.“
Quelle:
(Finnland)