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Der wunderliche Spiegel

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Vor langer, langer Zeit lebte einmal in einer riesengroßen Stadt ein berühmter König. Er war sehr reich und mächtig. Der König hatte drei Söhne. Die beiden älteren waren gesund, stark und hatten kluge Köpfe, der jüngere aber war schwach. Die älteren Brüder nannten ihn Dümmling. Aber der jüngste Bruder machte sich nichts daraus. Eines Tages ließ der König seine zwei ältesten Söhne vor sich treten und sagte: „Ich merke, dass ich alt werde, mein Haar wird grau und beginnt auszufallen. In meiner Kindheit erzählte mir ein hinkender Alter, dass es irgendwo auf der Welt einen Spiegel gäbe, der einen jeden, der hineinschaut, wieder jung macht. Bringt ihr mir diesen Spiegel, gebe ich euch das halbe Königreich. auf die Reise könnt ihr mitnehmen, was ihr begehrt. Seid also flink, und versucht, diesen seltenen Spiegel zu finden. Es wird euer Glück bedeuten.“ Die Königssöhne waren mit der Bitte des Vaters einverstanden und sagten: „Gib uns die Kutsche mit sechs Pferden und einen Sack voll Gold mit auf den Weg, den Spiegel werden wir schon finden, und sei er auch am Ende der Welt. Die König war damit einverstanden. Am anderen Tag wurden sechs Pferde vor eine Kutsche gespannt, ein Sack Gold hineingelegt, ein Kutscher an die Zügel gesetzt, und die Königssöhne machten sich auf den Weg.
Der jüngste Bruder hatte davon gehört, und so trat auch er vor den König und bat um Erlaubnis, ebenso diesen Spiegel suchen zu dürfen. Doch der König begann darauf zu lachen und sagte: „Was weißt du, Dümmling, von der Welt! Du verreckst beim ersten Meilenstein, wenn du es überhaupt schaffst, aus der Stadt zu gelangen. Geh nur, geh. und bleib hübsch in der Nähe des Schlosses, die älteren Brüder werden den Spiegel schon finden.“ Der jüngste Sohn ließ aber nicht locker, bis der König schließlich sagte: „Also, von mir aus kannst du gehen. Sieh aber zu, wie du selbst zurechtkommst. Auf den Weg werde ich dir nichts mitgeben, findest du den Tod, ist es deine eigene Schuld.“ Der jüngste Sohn dankte dem König und versprach, sich unverzüglich auf den Weg zu machen. So suchte er seine letzten Heller zusammen, es waren aber nicht einmal zehn Taler.
„Also werde ich mit all dem bisschen mein Glück versuchen! Nur zu Fuß kann ich nicht gehen, ich werde mir ein altes Pferd kaufen.“
Alsbald kaufte er für seine zehn Taler einen steinalten weißen Wallach. Er saß auf und machte sich auf den Weg. ab und zu setzte sich der alte Wallach auch in Trab, mehr aber ging es im Schritt voran. „Was macht’s“, dachte der Königsohn, „wir werden es schon schaffen!“
Am Abend gelangte er zu einer Schenke, die sehr groß war. Hier sah der Königssohn die Pferde und die Kutsche der Brüder vor der Tür stehen. „Oho! Die Brüder werden nicht weit sein, wenn ihre Pferde hier stehen! Ich werde mal reinschauen, vielleicht können wir dann gemeinsam weiterziehen.“ Er band sein weißes Ross fest und trat ein. „Sieh dir den Dummkopf an! Was suchst du denn hier?“ grinsten die Brüder, die bisher am Stammtisch gesessen und hier den Spiegel gesucht hatten.
„Ich will auch den Spiegel suchen. Kam schauen, ob wir nicht gemeinsam weiterziehen könnten. In Gesellschaft wird auch der Weg kürzer sein.“ „Scher dich nur weiter, du Dümmling! Wie könnten wir so einen wie dich noch mit auf den Weg nehmen?“ Der jüngste Bruder trat stillschweigend aus der Schenke, setzte sich auf seinen alten Gaul und ließ ihn gemütlich dahintrappeln. Die beiden Brüder lachten hinter ihm her: „Lass den Dümmling ziehen! Die Wölfe werden ihn schon mitsamt dem alten Gaul fressen, und wir brauchen uns nicht um ihn zu kümmern.“ Der jüngste Königssohn machte sich aber nichts aus dem Gelächter der Brüder und ritt die Landstraße entlang immer weiter, bis er in einen großen Eichenwald gelangte. „Ich werde geradeaus durch den Wald reiten!“ sagte er. Auf einmal sah er einen kleinen Fußpfad, der in den Wald abbog. Er drehte das Pferd dem Fußpfad zu, und sie schritten den engen Pfad entlang immer tiefer in den Wald hinein.
„Wir werden ja sehen, wo es uns hinführt, mein alter Gaul!“ sagte der Königssohn. Dann griff er sich ein Blatt vom Baum und blies munter darauf, indem das Pferd immer weiterschritt. Am dritten Tag gelangte der Königssohn zu einer kleinen Waldlichtung, und siehe da, zwischen den Bäumen an der Lichtung stand eine kleine Hütte. „Ich werde schauen, was es dort gibt!“ Und er ritt näher. Als man seine Schritte hören konnte, kam aus der Hütte ein altes graues Mütterchen und sagte voll Verwunderung: „Was muss ich sehen! Bekomme ich hier sogar einmal einen Menschen zu sehen! Ich habe hier solange gelebt, ein Eichenwald verfaulte und ein neuer wuchs wieder, aber einen Menschen sah ich bisher noch nie. Was suchst du hier, Jüngling?“ Der Königssohn erzählte der alten Frau den Grund seiner Reise und sagte: „Ich bin gekommen, um den Spiegel zu suchen, der einen jeden, der hineinschaut, wieder jung macht. Unser König will nicht alt werden und lässt nun diesen Spiegel in der ganzen Welt suchen. Kannst du, Mütterchen, mir den Weg weisen?“ ….“Nein, Söhnchen! Ich bin zwar alt, aber von so einem Spiegel habe ich noch nie gehört. Vielleicht weiß meine ältere Schwester etwas davon. sie lebt drei Tage weit von hier.
Reite hin, und lass dir von ihr einen guten Rat geben!“ Der Königssohn bedankte sich bei der Alten für ihren Ratschlag, ließ das Pferd ein wenig ruhen, stärkte sich und machte sich auf den Weg. Am dritten Tag gelangte er zu einer Hütte, wie die Alte ihm gesagt hatte. Aus der Hütte kam ein noch älteres Mütterchen heraus, und es wunderte sich nicht weniger als das erste, dass seine Augen noch eine Menschenseele zu sehen bekamen, und sagte: „Ich lebe hier schon solange, zwei Eichenwälder verschwanden und zwei wuchsen neu. Ich habe hier noch nie einen Menschen gesehen. Was suchst du hier, Jüngling?“ Der Königssohn erzählte der Alten vom Spiegel und fügte hinzu: „Deine jüngere Schwester hat mit den Weg gewiesen. Vielleicht kannst du, Mütterchen, sagen, wie ich den Weg finde?“ Die Alte erwiderte: „Nein, Söhnchen diesen Weg kenne ich nicht.
In meiner Kindheit habe ich wohl von solch einem Spiegel gehört, aber wer weiß, wo man ihn jetzt finden könnte. In drei Tagen gelangst du zu meiner älteren Schwester, vielleicht weiß sie etwas von diesem Wunderspiegel!“ Der Königssohn bedankte sich bei der Alten für ihren guten Rat, ließ das Pferd ein wenig ruhen, stärkte sich und machte sich wieder auf den Weg. Am dritten Tag gelangte er zum Häuschen der älteren Schwester. Auch die ältere Schwester wunderte sich und wollte wissen, was den Jüngling hergeführt habe. Der Königssohn erzählte von seiner Reise und fragte, wiederum, ob die Alte ihm nicht den Weg weisen könnte. „Nein, Söhnchen, diesen Weg kenne ich nicht. Ich habe zwar vor kurzem von solch einem Spiegel gehört, weiß aber nicht, wo er zu finden wäre. Doch steig ab, Jüngling, und ruh dich in meinem Häuschen aus! Ich werde meine Familie zusammenrufen, vielleicht kann einer von ihnen Rat geben.“ Der Jüngling trat ins Häuschen. Er staunte, wie schön und sauber es hier war. Die Alte aber nahm vom Wandbrett eine große Pfeife und ging hinaus. Dort pfiff sie, dass es aus dem Wald widerhallte. Gleich darauf hörte der Jüngling das Getrappel vieler Füße. Er schaute aus dem Fenster hinaus und sah, dass sich ums Häuschen alle Tiere des Waldes versammelt hatten. Nach einer Weile kam die Alte herein und sagte: „Nein, von diesem Spiegel haben sie nichts gehört. Ich werde die anderen rufen, vielleicht haben sie etwas von dem Wunderspiegel gesehen oder gehört!“ Sie nahm vom Wandbrett eine andere Pfeife und ging wieder hinaus. Draußen pfiff sie, dass es aus dem Wald wie vorher laut widerhallte. Nun hörte der Jüngling auf einmal ein Rauschen und Sausen, als hätten sich etliche Dutzend Windmühlen in Gang gesetzt.
Er schaute zum Fenster hinaus, und welch Wunder! Alle Vögel des Waldes hatten sich versammelt! Nun würde die Alte das Geheimnis wohl erfahren. Nach einer Weile kam die Alte wieder herein und sagte: „Auch sie wissen nichts von dem Spiegel. Ich habe da aber noch einen kleinen Ratgeber. Weiß er auch nichts davon, wird der Spiegel wohl verlorengegangen sein!“ Die Alte nahm vom Wandbrett eine dritte Pfeife und sagte: „Komm auch du mit hinaus, und höre, wie das letzte Urteil lautet!“ Dann gingen beide hinaus vors Häuschen. Die Alte hob die Pfeife an den Mund und pfiff, dass es dem Jüngling in den Ohren gellte. Plötzlich war ein Rauschen zu hören, als brauste ein mächtiger Windstoß über die Wipfel der Bäume. Ein großer Adler mit zwei Köpfen kam zum Häuschen geflogen, setzte sich auf einen Stein neben diesem und fragte: „Was wünschst du, Herrscherin des Waldes?“… „Lieber Adler, Söhnchen mein, hast du etwas von einem Spiegel gehört, der einen jeden wieder jung macht, der in ihn hineinschaut?“…“Ja, ich hab von ihm gehört“, antwortete der Adler. „Kein Mensch aber soll ihn finden. Dort draußen im Meer liegt eine große Insel, umgeben von großen Felsen, und kein Schiff kann sich ihr nähern. In der Stadt auf der Insel steht ein großes Schloss, in dem eine Königstochter lebt. Ihr gehört der wundersame Spiegel!“…„Lieber Adler, Söhnchen mein, fliege mit dem Jüngling zur Insel, und hole den Wunderspiegel!“ Der Jüngling dachte: „Es komme was will, ich fliege mit!“ Der Adler breitete seine Schwingen aus, der Jüngling setzte sich auf seinen Rücken, und der Adler erhob sich in die Lüfte. Die Alte gab dem Pferd derweilen freien Lauf, damit es sich stärke, solange der Jüngling unterwegs war. Die Luftreise nahm viel Zeit in Anspruch. Neun Tage und Nächte flog der Adler, ohne zu ruhen, bis sie endlich zur Stadt auf der Insel gelangten. Gerade am Abend des neunten Tages kamen sie an.
Nun gab der Adler dem Königssohn folgenden Rat: „Heute nacht gehst du zur Königstochter ins Schloss und holst den Spiegel. Sieh aber zu, dass du nicht zu lange verweilst, es könnte unser Unglück sein. Der Spiegel hängt überm Bett der Königstochter. Nimm ihn und eile hierher zurück! Du brauchst nicht zu befürchten, dass das Mädchen erwacht. Um Mitternacht liegt sie in so tiefem Schlaf, dass sogar der Lärm von Pferdehufen in ihrem Gemach sie nicht zu wecken vermag.“ Dann gab der Adler dem Königssohn zwei von seinen Federn und sagte: „Vor dem Tor wachen zwei Bären. Wirf ihnen diese Feder zu und eile furchtlos weiter. Nun aber mach dich auf den Weg!“ Die Bären am Tor richteten sich auf und drohten über den Jüngling herzufallen. Sobald er ihnen die Federn des Adlers zuwarf, legten sie sich nieder und schliefen ein. Der Jüngling trat ins Königsschloss.

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