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Vom dummen Iwan und dem Grauschimmel

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Es war einmal ein alter Mann, der hatte drei Söhne. Zwei waren klug, aber der dritte und jüngste, lwan, war ein rechter Dummkopf.
Hinter der Hütte hatte der Alte ein Weizenfeld. Doch als der Weizen schon fast ausgereift war, da fand er eines Morgens ein Stück des Feldes zertrampelt und ein Stück abgeweidet vor. Und am nächsten Morgen wieder, und am dritten ebenso.

Da beschloss der Vater, jede Nacht einen der Söhne auf dem Feld Wache halten zu lassen. In der ersten Nacht wachte der älteste Sohn. Er kam aufs Feld, legte sich unter einen Baum und schlief bis zum Morgen. Und als er erwachte, da war das Feld wieder zertrampelt.
In der zweiten Nacht wachte der zweitälteste Sohn. Aber dem ging’s auch nicht besser. Er legte sich unter einen Strauch, und als er am Morgen erwachte, da sah das Feld noch schlimmer aus als am Vortag.
In der dritten Nacht war die Reihe am dummen Iwan. Iwan nahm einen Strick, setzte sich an den Feldrain und wartete, was geschehen würde. Es war kaum Mitternacht, da kam ein grauer Hengst herangejagt, dass die Erde unter seinen Hufen erzitterte. Er hatte eine goldene Mähne und einen goldenen Schweif, aus dem Maul züngelten Flammen, aus den Nüstern stoben Funken, und aus den Ohren stieg Rauch auf Und der Hengst begann das Feld abzuweiden, und was er nicht abweidete, das stampfte er nieder.

Iwan schlich sich leise heran, warf dem Hengst den Strick um den Hals und sprang auf seinen Rücken. So viel der Hengst sich auch bäumte, Iwan ließ sich nicht abwerfen. Eine ganze Weile ritten sie kreuz und quer über das Feld, bis der Hengst stehen blieb und mit menschlicher Stimme bat: „Iwan, gib mich frei, ich werde auch nie wieder auf eurem Feld weiden!“ – „Das könnte jeder sagen“, sprach Iwan und ließ nicht los. „Iwan, Iwan, lass mich frei, ich werde dir auch jeden Wunsch erfüllen, wann immer du einen hast.“ „Und wo soll ich dich wohl finden?“ „Wenn du mich brauchst, so komme auf das Feld und rufe mit mächtiger Stimme: Pferdchen, mein Grauschimmelchen, und schon werde ich vor dir stehen.“

Da sprang Iwan endlich von dem Grauschimmel und gab ihm die Freiheit zurück. Zu Hause aber sagte er: „Nun weiß ich, wer unser Feld zertrampelt und abgegrast hat. Er hat mir versprochen, nie wieder auf unserem Feld zu weiden, und so habe ich ihn freigelassen.

Die Brüder glaubten Iwan natürlich kein Wort und lachten ihn aus. Aber seit der Zeit hörten die nächtlichen Besuche tatsächlich auf.
Zur gleichen Zeit ließ der Zar verkünden, er suche einen Bräutigam für seine Tochter. Drei Tage hintereinander sollte die Prinzessin an ihrem Fenster im hohen Turm sitzen. Und derjenige, der auf seinem Pferd bis zu ihr hinaufspringen und ihr den goldenen Ring vom Finger ziehen würde, der sollte die schöne Zarentochter bekommen.

Fast das ganze Zarenreich machte sich da zum Schloss auf: Die einen, um ihr Glück zu versuchen, und die anderen um zuzuschauen. Auch Iwans Brüder gingen hin. Aber Iwan wollten sie nicht mitnehmen. „Dich würden ja sowieso alle nur auslachen. Sitz nur ruhig hinter dem Ofen und warte, bis wir zurückkommen!“ „Da gehe ich lieber Pilze suchen“, antwortete der dumme Iwan, nahm einen Korb und ging hinaus. Kaum aber war er bei dem Feld angelangt, da rief er mit mächtiger Stimme: „Pferdchen, mein Grauschimmelchen!“
Und schon kam auch der Grauschimmel herangebraust, dass unter seinen Hufen die Erde erzitterte. Er hatte eine goldene Mähne und einen goldenen Schwanz, aus dem Mund züngelten Flammen, aus den Nüstern stoben Funken, und aus den Ohren stieg Rauch auf.
„Was wünschst du, Iwan?“ Und Iwan erzählte ihm, dass er am Zarenhof sein Glück versuchen wollte. „So krieche in mein rechtes Ohr hinein und zum linken wieder heraus!“ sprach der Hengst. Der dumme Iwan kroch in das rechte Ohr hinein, und aus dem linken sprang ein schöner Jüngling heraus. Er schwang sich auf den Hengst und ritt zum Palast.
Unterwegs überholte er seine beiden Brüder und zog jedem eins mit der Peitsche über. Die Brüder starrten dem Fremden verwundert nach, einen so stattlichen Jüngling hatten sie noch nie gesehen.

Vor dem Schloss waren so viele Menschen versammelt, dass eine Nadel nicht hätte zu Boden fallen können. Und über allen erhob sich ein hoher Turm, und im Turmfenster stand die Prinzessin. An ihrem Finger glänzte der Ring, dass einem die Augen übergingen. Aber zu springen getraute sich keiner, alle fürchteten, sich das Genick zu brechen. Da spornte Iwan seinen Grauschimmel an, und der Hengst sprang in die Höhe. Fast hätte er das Fenster erreicht, nur ein kleines Stück fehlte noch. Dann drehte sich Iwan um und ritt schnell fort. Alle fragten verwundert, wer der schöne Jüngling gewesen sei, aber niemand wusste Antwort.

Iwan aber ritt zum Feld, sprang von dem Pferd, kroch seinem Grauschimmel in das linke Ohr und aus dem rechten wieder heraus, und da war er wieder der alte dumme Iwan wie zuvor. Er füllte seinen Korb mit Fliegenpilzen und ging nach Hause.

Inzwischen waren auch die Brüder zu Hause angelangt und berichteten von dem unbekannten Jüngling, der beinahe bis zu der Prinzessin hinaufgesprungen war. Aber dass ihnen der unbekannte Jüngling eines mit der Peitsche übergezogen hatte, damit brüsteten sie sich nicht.

Da sagte der dumme Iwan: „Das ist auch eine Kunst! Ich wäre bestimmt bis zur Prinzessin gesprungen. Und euch hätte ich noch eins mit der Peitsche übergezogen.“
Die Brüder sahen sich erschrocken an, aber gleich fuhren sie Iwan über den Mund, er hätte wohl am allerwenigsten Grund, große Reden zu halten. Und sie warfen ihn mitsamt der Fliegenpilze aus dem Haus.

Am nächsten Morgen machten sich die Brüder wieder in die Stadt auf Sie waren neugierig, ob sich wieder jemand fände, der den Sprung wagte. Aber Iwan wollten sie nicht mitnehmen. „Bleib nur schön hinterm Ofen sitzen“, sagten sie. „Mit dir müssten wir uns ja schämen!“ „Da gehe ich eben wieder Pilze suchen!“ Sprach‘ s und eilte aufs Feld. Hier rief er mit mächtiger Stimme: „Mein Pferdchen, mein Grauschimmelchen!“
Schon kam der Hengst herangebraust, dass die Erde unter seinen Hufen zitterte. Er hatte eine goldene Mähne und einen goldenen Schweif, aus dem Maul züngelten Flammen, aus den Nüstern stoben Funken, und aus den Ohren stieg Rauch auf.
„Was wünschst du, Iwan?“ Und Iwan berichtete, dass er nochmals sein Glück am Zarenhof versuchen wollte. „So krieche in mein rechtes Ohr und aus dem linken wieder heraus!“ Iwan kroch in das rechte Ohr, und aus dem linken kroch ein schöner Jüngling heraus. Er sprang auf den Hengst, und auf ging’s zum Palast. Unterwegs traf Iwan wieder seine beiden Brüder und zog ihnen eines mit der Peitsche über. Doch die bückten sich nur schnell und eilten weiter, um zu sehen, wie der Sprung diesmal ausfallen würde.

Iwan kam zum Zarenpalast, bahnte sich einen Weg durch die Menge, und schon setzte sein Grauschimmel zum Sprung an und sprang hoch hinauf zum Fenster des hohen Turms, so hoch, dass es schon allen schien, er hätte sein Ziel erreicht. Doch auch diesmal hatte noch ein ganz, ganz kleines Stückchen gefehlt. Und ehe man es sich versah, war Iwan wieder verschwunden.

Die Brüder berichteten zu Hause von dem unbekannten Recken, dem nur noch ein ganz, ganz kleines Stückchen bis zum Ring der Prinzessin gefehlt hatte.
Da trat auch Iwan in die Stube, einen Korb Fliegenpilze am Arm, und sprach: „Wenn ich der Recke wäre, ich würde euch tüchtig auspeitschen!“ Die Brüder, das versteht sich, warfen ihn wieder mit seinen Fliegenpilzen zur Türe hinaus.

Am dritten Tag machten sich die Brüder wieder auf den Weg zur Stadt, zu Iwan aber sprachen sie: „Bleib nur schön hinterm Ofen sitzen, du Dummkopf!“ Iwan nahm seinen Korb und lief gleich nach den Brüdern hinaus, und ehe die Brüder noch die Stadt erreicht hatten, da überholte er sie schon auf seinem Grauschimmel und zog ihnen eins mit der Peitsche über. Dann ritt er geradewegs in den Schlosshof.

Diesmal waren noch mehr Menschen versammelt, denn die Nachricht von dem fremden Recken hatte sich im ganzen Land herumgesprochen. Iwan flog durch die Menge, spornte sein Pferd an, und schon sprang der Grauschimmel hoch hinauf, bis ans Fenster, in dem die Prinzessin stand. Im Fluge zog ihr Iwan den Ring vom Finger, küsste die Zarentochter auf ihren Zuckermund und war verschwunden.

War das eine Aufregung am Hofe. Der Fremde hatte die Zarentochter gewonnen und war davon geritten. Gleich ließ der Zar verkünden, der Fremde solle ins Schloss kommen, ganz gleich, wer er sei, er wolle ihm seine Tochter zur Frau geben und ihn selbst zu seinem Nachfolger machen. Der dumme Iwan aber saß inzwischen hinterm Ofen und knackte Nüsse. Den Ring trug er am Finger, doch hatte er die ganze Hand verbunden, damit ihn niemand sehen könne.

Als sich der Bräutigam nicht meldete, veranstaltete der Zar ein großes Mahl, und zu dem mussten alle Männer aus dem ganzen Zarenreich kommen. Der Zar glaubte, unter ihnen den unbekannten Recken zu finden. Auch die beiden Brüder und der Großvater gingen zum Schloss, und den dummen Iwan mussten sie diesmal mitnehmen, ob sie wollten oder nicht, denn der Befehl des Zaren galt für alle.

Sie kamen zum Fest, setzten sich an einen Eichentisch, aßen und tranken und warteten, was weiter geschehen würde. Iwan setzte sich ganz hinten in eine Ecke auf einen Schemel, schwieg und lächelte dumm. Und die Zarentochter ging von Gast zu Gast und schaute allen auf die Finger. Schon hatte sie alle Gäste bewirtet, aber den Ring hatte sie nicht entdeckt.
Schließlich kam sie auch in die Ecke zu Iwan, und die Brüder lachten: „Unser Iwan, der wird gerade der Richtige sein!“ Die Zarentochter schenkte Iwan Wein ein, schaute auf seine Hände, und da sah sie, dass er seine Hände verbunden hatte.
„Mach doch den Verband ab, Iwan“, sprach die Prinzessin freundlich, „damit ich deine Finger sehen kann!“ „Ach, das geht nicht, Prinzessin, ich habe mir im Wald beim Pilzesuchen einen Splitter eingezogen.“ „So mache doch den Verband ab!“ Iwan wickelte den Verband ab, und da wurde es im ganzen Saal hell, so strahlte der Ring an seinem Finger. Die Zarentochter nahm Iwan an der Hand und führte ihn zu ihrem Vater: „Hier ist mein Bräutigam, Väterchen!“

Alle wunderten sich und bemitleideten die Prinzessin, dass sie einen Dummkopf zum Manne bekäme. Aber da riss sich Iwan los, sprang aus dem Fenster und rief mit mächtiger Stimme: „Mein Pferdchen, mein Grauschimmelchen!“
Schon kam der Hengst herangebraust, dass die Erde unter seinen Hufen zitterte. Er hatte eine goldene Mähne und einen goldenen Schweif, aus dem Maul züngelten Flammen, aus den Nüstern stoben Funken, und aus den Ohren stieg Rauch auf. Iwan kroch schnell zum rechten Ohr hinein und zum linken wieder heraus, und da kamen auch schon der Zar und seine Tochter, alle Höflinge und Gäste auf den Hof gelaufen, auch der Großvater und die Brüder. Und sie sahen, dass Iwan zu einem schönen Jüngling geworden war. Niemand bemitleidete nun die Prinzessin mehr, jeder beneidete sie um den schönen Iwan.

Sogleich war ein neues Fest, und nach dem Fest die Hochzeit, und nach der Hochzeit wieder ein Fest, und alles tanzte, sang, trank und aß. Nur die beiden Brüder verkrochen sich hinter den Ofen, um Iwan nicht unter die Augen treten zu müssen.

Quelle: russisches Volksmärchen

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