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Das Märchen vom Schneehuhnmann

3.3
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Im Lande der Tschuktschen gingen einmal zwei Schwestern in die Tundra nach Feuerholz. Sie schlugen niedrige Büsche ab und legten sie auf ihren Schlitten.
Unweit von ihnen saß ein Schneehuhnmännchen. Gleich packte die Ältere einen Knüppel und schlich sich an das Huhn heran.
Das tat der jüngeren Schwester leid. Sie klatsche in die Hände und scheuchte das Schneehuhn auf.

Eine Zeit später, als das mitleidige Mädchen wieder einmal durch das Buschwerk ging, stieß sie plötzlich auf eine kleine Jaranga, die ganz aus Schnee bestand.
Darin war ein Herd, ebenfalls aus Schnee, auf dem ein blaues Feuer brannte, darüber hing ein Kessel aus Eis, und im Kessel kochten Erlenzweige. Neben dem Herd saß das Schneehuhnmännchen, dem das Mädchen durch ihr Mitleid das Leben gerettet hatte.
„Wie klein deine Jaranga ist!“ wun-derte sich die Tschuktschin.
„Wieso denn klein? Du musst dich nur richtig umschauen!“ antwortete der Hausherr.
Da merkte das Mädchen zu seiner Verwunderung, wie sich die Schneewände der Jaranga veränderten und sich mit weißen Rentierfellen bedeck-ten.
„Weshalb hast du einen so seltsamen Herd?“ wollte das Mädchen wissen.
Augenblicklich hatte sich der Herd in einen aus Lehm verwandelt.
„Und warum besteht dein Kessel aus Eis?“
Kaum hatte sie das ausgesprochen, als auf dem Herd ein richtiges Feuer loderte und darüber ein Kupferkessel funkelte.
„Warum kochst du dir Erlenzweige?“ fragte sie.
Da zog der Hausherr aus dem wallenden Kessel eine fette Rentierrippe und bot sie seinem Gast an, und das Mädchen sah kein Schneehuhn mehr vor sich, sondern einen schönen jungen Mann.

Nun gefiel es ihr hier in der Jaranga so, das sie blieb, um mit dem jungen Mann zu leben.
Jeden Morgen, sobald die Sonne aufgegangen war, warf der Jüngling sein Schneehuhngefieder ab und wurde ein Mensch. Jeden Morgen öffnete er den Polog, in dem das Tschuktschenmädchen schlief, küsste sie auf die Augen und weckte sie damit auf.
Sie waren beide so glücklich, dass sie nicht bemerkten, wie der Winter verging, der Frühling kam und es schließlich Sommer wurde.

Da bekam das Mädchen Heimweh und wollte zu ihren Angehörigen zurückkehren.
„Warte noch kurze Zeit!“ bat der Bursche sie inständig, „bald werde ich für immer ein Mensch sein, und dann gehen wir gemeinsam zu deinen Leuten!“
„Und wann wird das sein?“ fragte sie.
„Ich weiß es nicht, aber wohl bald“
Das Mädchen aber hörte nicht auf sein Bitten und begab sich auf den Heimweg.

Da ging der Schneehuhnmann in die Tundra und gab einem dürren Birkenzweig einen kräftigen Fußtritt. Sogleich verwandelte sich das armselige Zweiglein in eine Herde kräftiger schwarzer Rentiere. Als er auf einen Kiefernzweig trat, wurde sofort eine Herde weißer Rentiere daraus. Beide Herden trieb er zu den Eltern des Mädchens.

Vater und Mutter waren natürlich hocherfreut, dass die Tochter zurückgekehrt war. Darum luden sie viele Gäste ein und veranstalteten ein großes Fest. Wettläufe, Speerwerfen und viele andere Belustigungen, mit denen die Männer ihre Geschicklichkeit und Kräfte beweisen konnten. fanden statt.
Der schnellste, stärkste und geschickteste von allen war der Schneehuhnmann. Viele beneideten das Mädchen um sein Glück, aber die Verwandten waren davon weniger begeistert.

Als sich die Sonne zum Untergang neigte, wurde der Bursche immer trauriger. Dem Mädchen tat das Herz weh, als sie ihn betrachtete.
Schon wanderten die langen Schatten der hohen Berge über die Erde, und hinter den Gipfeln versank die Sonne.
Der junge Mann wurde immer weißer, so weiß wie Schnee.
Das Mädchen eilte zu seinem Bräutigam, nahm ihn bei den Händen und ging in die Jaranga. Dann legte sie den Burschen auf das Lager und setzte sich als Wächterin daneben, damit er nachts nicht wieder in ein Schneehuhn ver-wandelt würde.
Lange saß sie da und wachte, bis sie schließlich der Schlaf übermannte.

Am Morgen wachte sie auf. Ihr Bräutigam hatte sie nicht wachgeküsst. Das Mädchen schaute sich um, aber sie fand den Burschen nicht mehr neben sich.
Als sie das Lager anhob, fand sie darunter den toten Leib eines Schneehuhns mit zerdrücktem Kopf.
Da stürzten ihr die Tränen in die Augen, und sie fing laut an zu klagen und umarmte das tote Tierchen und küsste es.
Mit einem Male stand der Jüngling wieder vor ihr, schön wie zuvor, und von dem toten Schneehuhn war keine Spur mehr zu entdecken.
Da umarmten sie sich und herzten einander und der Jubel in der Jaranga kannte keine Grenzen, denn die Liebe eines einfachen Tschuktschenmädchens hatte die bösen Tiergeister besiegt.

(Tschuktisches Märchen )

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