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Die goldene Henne

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Es war einmal ein Mann, Meister in Holz, aber der war ein Meister, wie du noch nie einen gesehen und fleißig. Aber weiß Gott, wie das kam, er arbeitete die ganze Woche und brachte am Ende der Woche nur einen Kreuzer nach Hause. Und wenn seine Frau leben wollte mit den Kindern, sie hatten zwei Knaben, so mußte sie für andere spinnen und mit der Nadel arbeiten. Es verging, wieviel verging, und als ihr Mann nicht ein einziges Mal mehr als einen Kreuzer heimbrachte, sagte die Frau geärgert: »Du Mann, ich habe gar keinen Nutzen von dir, immer muß ich die Kinder ernähren mit dem Rocken, geh in die Welt und verdirb.« Er nahm sich die Handaxt und ging, und als er ging, kam er in den Wald, im Wald begegnete er einem Menschen wie Pfeffer. »Guten Tag, Mensch wie Pfeffer!« – »Ich danke, Meister in Holz, bis wohin?« – »Ich gehe in die Welt, um zu verderben.« – »O nein, du sollst nicht verderben, es wäre zu schade um einen so geschickten Meister. Aber du Mensch, Meister in Holz, nimm dir die Handaxt und fang an dieser großen Eiche an. Sie wird dir allerlei versprechen, aber du sollst nichts nehmen außer was sie an der Wurzel hat, dann hast du dein Glück gefunden. Aber du sollst mir gehorchen.« Gut.
Der Mann, der Meister in Holz, nahm sich die Axt und hieb in die Eiche, und als er hieb, versprach ihm die Eiche eine Herde Schafe, wenn er sie in Ruhe ließe. »Gib mir, was du an der Wurzel hast.« – »Das kann ich dir nicht geben.« – »Dann hau ich dich nieder.« – »O nein, nicht hau mich um, ich gebe dir eine Schafherde und eine Ochsenherde.« Der Mann, Meister in Holz, hieb noch ärger, daß sie krächzte: »Krz, krz, nicht mehr hau mich.« – »Gibst du mir, was du an der Wurzel hast?« – »Das kann ich dir nicht geben, auch wenn du mich abhaust, ich gebe dir eine Herde Schafe, eine Herde Ochsen und eine Herde Pferde.« Der Mann, Meister in Holz, hieb, daß die Eiche »tulai, tulai« schrie: »Ho, nicht mehr hau in mich, ich gebe dir, was du verlangst.« Darauf warf der Mann, Meister in Holz, die Axt fort und suchte an der Wurzel. Als er die Erde auf die Seite schob, fand er eine goldne Henne. Wie er die Henne wegnahm, hatte sie eine Handvoll Dukaten gelegt. Jetzt freute er sich und dachte, er solle sie seiner Frau tragen. Er ging, und als er müde wurde, setzte er sich, und als er sich erhob, hatte die Henne wieder eine Handvoll Dukaten unter sich. Jetzt setzte er sich öfter und hob immer eine Handvoll Dukaten auf. Er zog die Stiefel aus und füllte sie mit den Dukaten, bis er zu Hause anlangte. Die Frau verwunderte sich und fragte, woher er so viel Geld erhalten. »Ich habe gedacht, es würde besser sein, wenn ich dir all meinen Lohn auf einmal brächte, den ich bis jetzt erhalten. Sorg gut auf die Henne, dann wirst du haben, was du brauchst, solange du lebst. Aber ich gehe in die Welt, nicht um zu verderben, ich soll arbeiten und leben.«
Die Leute wunderten sich, als sie sahen, daß sich die armen Menschen erhoben und hatten, was sie brauchten und noch mehr und konnten sich nicht denken, wie sie dies gemacht. Der Nachbar war ein Lehrer, diesem gefiel die Frau und ihre Habe, er ging oft zu ihr, und nach einer Zeit ging er nicht mehr von ihr. Und als er bei ihr blieb, fragte er sie, woher sie immer Dukaten habe. Die Frau sagte es ihm und zeigte die Henne. Als der dascal (Lehrer) sie sah, las er gleich, was auf den Federn geschrieben stand. Ein dascal versteht eben zu lesen, nicht wie ein dummer Mensch. Auf den Federn stand geschrieben, wer die Leber esse, würde König werden, wer das Herz esse, Kaiser. Als der Lehrer diese Worte gelesen, wurde er sehr vergnügt, sagte aber niemandem etwas. Am Sonntag sprach er nur einmal zur Frau: »Du Nachbarin, schneid der Henne den Kopf ab und brat sie, daß wir sie essen, wenn wir aus der Kirche kommen.« Sie wagte es nicht, etwas nicht zu tun, was ihr Liebster befahl. Sie ging und tötete die Henne, machte sie fertig und briet sie. Als sie gebraten war, versorgte sie sie in das Tischlädchen und ging in die Kirche.
Die beiden Knaben blieben zu Hause. Nur einmal sagte der ältere zu seinem Bruder: »Du Bruder, komm, wir sollen die Henne auch kosten.« – »Ich möchte sie kosten, aber wenn der dascal es merkt, schlägt er uns.« – »Wir nehmen nur einen Bissen, das bemerkt er nicht.« Sie öffneten das Lädchen, der größere nahm die Leber, der andere das Herz, und aßen, auf einer Truhe sitzend. Als sie gegessen, standen sie auf, nur einmal siehe, wo sie gesessen, lagen zwei Handvoll Dukaten. Jetzt erschraken sie, es schien ihnen, als ob sie jetzt wüßten, warum der dascal die Henne essen wollte, und sie flohen in den Hof, um sich zu verstecken, denn sie fürchteten die Schläge. Sie hatten recht. Als der dascal nach Hause kam, nahm er sogleich die Henne und suchte das Herz und die Leber und fand sie nicht, fragte nach den Kindern, ging hinaus und rief sie, die antworteten aber nicht, sie liefen durch den Garten und flohen in den Wald und gingen immer. Wenn sie müde waren, setzten sie sich, wenn sie aufstanden, hob jeder eine Handvoll Dukaten auf. Jetzt hatten sie Geld genug, und der älteste sagte: »Komm, du Bruder, wir gehen in die Stadt zum Jahrmarkt und kaufen uns Kleiderchen, unsere sind schwach, und Geld haben wir genug.« – »Wir gehen.« Sie brachen auf und wollten aus dem Walde hinausgehen, und als sie herauskamen, waren da zwei Wege. Der größere ging rechts, der jüngere links. Der größere kam in die Stadt des Königs und wurde sein Schreiber. Er war ein schöner Jüngling und mit Verstand und sorgte auf seine Ehre. Geld erhielt er jeden Tag mehr als zwei Handvoll Dukaten. Lohn nahm er vom König nicht, so sah dieser, daß er hatte, was er brauchte. Der König hatte eine Tochter zum Verheiraten, und als er sah, daß jener großes Vermögen besaß, gab er ihm seine Tochter und das halbe Königreich. Gott möge sie erhalten. – Ich will noch reden von dieser Mär, noch viel Schönes folgt darin nach, wer aufpaßt, wird sie gut lernen. Jetzt lassen wir den ältesten Bruder, er hat erreicht, was auf den Federn der Henne geschrieben stand, und gehn zu dem jüngern. Auch der fand eine Stadt und trat in ein Geschäft als Gehilfe, es war nur eine Frau da, der Kaufmann lebte nicht mehr. Er sorgte sich auf seine Ehre und war fleißig, daß seine Herrin sich auf ihn verlassen konnte. Morgens, wenn er aufstand, nahm er die Handvoll Dukaten, steckte sie in die Stiefel unter das Bett, bis beide voll waren. Einmal mußte er schnell ins Geschäft und vergaß die Dukaten im Bett. Nach einer Zeit kam die Magd, um Ordnung zu machen, und als sie die Dukaten im Bett fand und in den Stiefeln, lief sie schnell zur Herrin und erzählte, was sie gefunden. »Er wird ein gutes Handwerk haben, dies ist ein brauchbarer Mensch«, sagte sie und ehrte ihn noch mehr als bisher und schenkte ihm sechs Läden. Es verging noch eine Zeit, da schrieb der weiße König Briefe in alle Teile und Zettel in alle Städte, wer zwei Handvoll Dukaten werfe, bekäme seine Tochter zur Frau und das halbe Königreich. Unser Jüngling ging auch, er hatte Dukaten genug. Als er im Königshof anlangte, standen dort viele beherzte junge Männer, um Dukaten zu werfen, aber dieser warf nicht mit der Hand, er warf die Dukaten mit dem Viertel und erhielt die Königstochter und hielt Hochzeit eine Woche lang. Nur einmal sah die junge Frau, daß er jeden Morgen eine Handvoll Dukaten im Bett hatte, und wie die Frauen sind, sie fragte gleich, wie er dazu komme. Dieser erzählte es ihr. »So und so und sieh, seit ich das Herz verschluckt, habe ich jeden Tag eine Handvoll Dukaten.« Gut.
Die Königstochter war eine Betrügerin. In einer Nacht steckte sie den Finger in den Mund ihres Mannes, als er schlief, und zog das Herzchen heraus, verschluckte es und hieß ihn seines Weges gehen. Gut. Er ging und ging bis in den Wald, und als er durch den Wald ging, traf er einen Apfelbaum, der hatte so schöne Äpfel, ganz golden, sie funkelten wie die Sonne. Er war hungrig, nahm sich einen und aß, da wurde er ein Esel. Er ging weiter, da fand er einen Birnbaum mit schönen Birnen, er nahm eine und aß, nur einmal wurde er wieder ein Mensch. Da dachte er: »Diese sind gut für mich.« Er nahm viele Äpfel in den Busen und eine Birne und kehrte zurück. Unter das Fenster der Königstochter stellte er ein Tischchen und legte die Äpfel darauf und rief: »Kommt, ihr guten Leute, und kauft Äpfel.« Die Tochter des Königs öffnete das Fenster. Als sie den Obstverkäufer rufen hörte und die schönen Äpfel sah, schickte sie die Magd hinaus, einen zu kaufen. Aber er sagte, sie solle selbst herauskommen und zuerst kosten, ungekostet verkaufe er keinen. Als sie diese Worte hörte, kam sie geschwind heraus. »Nimm und koste«, sprach er und reichte ihr einen Apfel. Als sie gekostet, wurde sie gleich eine Eselin. Das wollte er. Er warf den Zaum über sie, steckte dann die Hand in ihren Hals und nahm das Herzchen der Henne heraus und verschluckte es, dann setzte er sich auf den Esel und ritt, bis er in einen Ort kam, wo die Leute anfingen eine Kirche zu bauen. Dort half auch er mit seinem Esel, brachte Sand und Steine und Kalk, bis die Kirche fertig war. Aber die Eselin wurde mager, daß ihr nur die Knochen blieben. Gut. Als der weiße König sah, daß sich seine Tochter verloren hatte, sandte er Schreiben in alle Teile und Briefe in alle Städte: Wer seine Tochter bringe, dem gebe er das halbe Königreich und seine Tochter zur Frau. Aber es konnte sie niemand bringen. Als die Kirche fertig war, hörte auch dieser Jüngling von der Sache, setzte sich auf die Eselin und brachte sie zu ihrem Vater. Er ging hinein und verlangte das halbe Königreich, damit auch er König sei. Als der König es ihm versprochen, gab er der Eselin die Birne, welche er in seinem Gürtel trug, zu essen, sogleich wurde sie wieder die Königstochter und hätte ihn gerne wieder geheiratet, er brauchte sie aber nicht. Er hatte mit dem halben Königreich genug.
Jetzt ging er nach Hause, um sich seine Mutter zu bringen. Er nahm wieder den Weg, auf dem er damals gegangen, als er sich vor dem dascal gefürchtet, und begegnete im Walde seiner Mutter, die Holz auf dem Rücken nach Hause trug. Als ihr der dascal die Dukaten alle gefressen (durchgebracht) hatte, verließ er sie. Jetzt war sie allein und geplagt. Ach, welch‘ eine Freude hatte sie, als sie ihren Sohn wiedersah. Dann gingen sie beide hie und da auch zu dem andern Bruder und lebten alle zusammen gut, und wenn sie nicht gestorben, leben sie noch bis auf den heutigen Tag. Fertig.

Fronu Dinu, Gesäß
[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]

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