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Das Büchlein Gottes

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Drei Brüder hatten sich besprochen zu gehen um zu sehen, wie es in der Welt sei. Sie gingen und gingen, da schien es ihnen, als wären sie auf dem Wasser, und einer sagte zum andern: »Hört, ihr Brüder, uns trägt das Wasser.« – »Ja, wirklich, uns trägt das Wasser.« Sie gingen immer weiter, immer auf dem Wasser, wurden aber gar nicht naß, es war, als ob das nicht nasses Wasser sei. Sie gingen, wieviel sie gegangen sein werden, da sagte wieder einer zum andern: »Hört, ihr Brüder, mir scheint, wir stehen auf Sand.« – »Ja wirklich, ihr Brüder, wir stehen auf Sand.« Und sie standen auf dem Sand. Neben ihnen stand ein Apfelbaum. Sie waren ermüdet, und der jüngste sagte: »Ihr Brüder, ich muß eine Stunde schlafen, ihr sollt mich hüten. Wenn die Stunde vorüber ist, dann sollt ihr schlafen und ich hüte euch.« Gut.
Er legte sich nieder in den Schatten des Baumes und schlief ein. Nach einer Stunde erhob er sich, und die beiden ältern legten sich schlafen. Er setzte sich neben sie und sorgte, nur einmal kam ein alter Mann, es war aber Gott, nur wußte es niemand. »Guten Tag, mein Sohn.« – »Ich danke, alter Großvater.« – »Was machst du?« – »Sieh, so und so, ich hüte meine Brüder.« – »Komm du mit mir, ich führe dich zu deinem Glück.« – »Ich würde gerne kommen, aber ich kann ja meine Brüder nicht allein hier lassen, ich muß sie hüten.« – »Komm du mit mir, deine Brüder behütet Gott.« Als der Alte so sagte, ging der jüngste mit ihm bis zu einigen Häusern, in eines traten sie ein. Darauf sagte der alte Großvater, das heißt Gott: »Setze dich hierher auf den Herd, und was du immer sehen und hören wirst, schweige und rühre dich nicht. Wenn du diese meine zwei Worte befolgen wirst, wird es dir gut gehen, wenn du aber nicht hörst, schlecht genug.«
Dieser blieb allein in der Stube. Gott ging fort. Als Gott ihn verlassen und er allein geblieben, fühlte er sich zuerst einsam, nur einmal kamen viele mit Musik und fingen an zu tanzen und riefen auch ihn, er aber rührte sich nicht, da kamen auch seine Eltern und Brüder und redeten ihn an. Es waren ja nur Betrügereien, er aber rührte sich nicht und antwortete auch nicht. Nur einmal sonderte sich einer ab, kam zu ihm und sprach: »Wenn du jetzt nicht herbeikommst, hau ich dir den Arm herunter.« Dieser rührte sich nicht, wie ein Holz. Darauf zog der das Messer aus dem Gürtel und hieb ihm den rechten Arm mit drei Rippen ab und warf ihn auf den Tisch, dann verschwand alles, und der Bursche saß allein auf dem Herd. Als er nun so allein saß, da kam der Alte zu ihm und sprach: »Du hast gut gehorcht, es wird dein Glück sein.« Während dieser Worte, nahm er den rechten Arm und klebte ihn an die Schulter, daß er noch fester war als früher.
Am nächsten Tage wiederholte sich alles, nur war die Musik noch schöner, der Tanz war noch größer, und noch mehr Verführer und Betrüger standen hinter ihm, konnten aber nichts mit ihm machen, er rührte sich nicht und redete nicht ein Wort. Der Größte von allen rief ihn, er rührte sich nicht, da zog er das Messer und hieb ihm die linke Hand mit drei Rippen herunter und warf sie auf den Tisch. Darauf verschwanden alle aus der Stube, und es kam wieder der Alte, nahm den linken Arm vom Tisch, klebte ihn dem Burschen an die linke Schulter, so daß er noch fester war als früher, dann zog er ein Büchlein aus dem Gürtel, gab es ihm und sprach: »Du hast dich gut ans Wort gehalten, jetzt gebe ich dir dieses, es wird dein Glück sein, versorg es gut.« Der Bursche dankte, steckte das Büchlein in seinen Gürtel, wünschte gute Gesundheit und wandte sich heimwärts.
Er ging und ging und näherte sich der Heimat immer mehr, da überfiel ihn der Hunger. Er suchte im Tornister und im Gürtel nach einer Brotkruste, er fand aber nur das Büchlein. Als er dies herauszog und darauf sah, kamen drei Soldaten aus ihm hervor und fragten: »Was wünschest du, unser Herr, Gerechtes?« Zuerst erschrak er und verwunderte sich und dachte dann, er werde es von Gott erhalten haben, und sagte: »Ich bin hungrig, Ihr sollt mir etwas zu essen bringen, dann brauche ich hier auf dieser Wiese ein Haus.« Diese taten, was er wünschte, sie breiteten auf der schönen Wiese, voll Gras und Blumen, ein Tischtuch aus, da war darauf ein gutes Essen, wie er noch nie in seinem Leben gehabt, und Getränke aller Arten. Bis er gegessen, stand auch ein großes schönes Haus fertig da. Es war dreimal so groß und schön wie das des Königs, angehaucht mit Gold und der Fußboden aus Gold, Fenster so viele, als das Jahr Tage hat. In jedem Zimmer zwölf Fenster.
Am Morgen, als der König ans Fenster trat, sah er weit, weit auf der schönen Wiese ein Haus, welches dreimal so schön und groß war wie seines. Er nahm sich die Brille, um besser zu sehen. Als er nun sah, daß es so war, dachte er, der Herr müsse über ihn sein und schickte seinen Diener hin und ließ ihn zum Frühstück einladen. Der Diener des Königs ging und trat in das erste Zimmer, es war niemand da. Er ging durch alle, bis er im letzten den Jüngling fand. »Guten Morgen.« – »Ich danke, was bringt dich zu mir?« – »Der Herr König hat mich geschickt. Er läßt einen guten Morgen wünschen, Ihr solltet so gut sein und zum Frühstück kommen.« – »Sage dem König, ich ließe danken und würde kommen.« Als der Diener gegangen, sah der Jüngling in das Büchlein, gleich standen drei Soldaten da und fragten: »Was wünschest du, unser lieber Herr, Gerechtes?« – »Eine Reihe Kleider, welche waren und welche nicht mehr waren, und ein schönes Pferd.« Kaum hatte er ausgeredet, lagen Kleider da, die noch nicht gewesen, und vor der Türe stand ein Pferd, wenn es den Fuß hob, sprang es über neun Länder, so mutig war es und voll Gold. Als sich der Jüngling darauf setzte, sah er aus wie ein Engel. Als er zum König kam, verwunderte sich dieser sehr, welch ein schöner Mensch es sei, setzte ihn neben sich an den Tisch und dachte, es wäre ein Engel. Der König hatte drei Töchter, die saßen auch bei Tisch, nur einmal trat die älteste ihrem Vater auf den Fuß und flüsterte ihm ins Ohr: »Schweig, mein Vater, mach, daß mich dieser Jüngling zu seiner Gefährtin nimmt, er gefällt mir.« – »Schweig, du Einfältige, der wird gerade dich nehmen, er sieht nicht einmal auf dich.« Da trat die zweite Tochter ihrem Vater auf den Fuß. »Du Vater, mach, daß dieser mich zur Frau nimmt, er gefällt mir so gut«, sagte auch diese. »Du Elende, nicht sei doch so dumm, der wird auch gleich auf dich sehen, mir scheint, er ist ein Engel, laß mich zufrieden.« Nachher trat auch die jüngste auf den Fuß des Königs: »Du Vater, mach, daß mich dieser zur Frau nimmt.« – »Was willst du, du Aschenbrödel, oder denkst du, der werde dich nehmen? Gebt Ruhe!« Als sie gefrühstückt, gingen die Mädchen hinaus, und der König blieb noch mit dem Jüngling bei Tische, um eine Zigarre zu rauchen und auch manchmal ein wenig zu trinken. Jetzt, da sie nur beide allein waren, fing der König an: »Du hast gesehen, mein lieber Herr, ich habe drei schöne und kräftige Töchter, ich würde dir gerne eine, welche du willst, zur Frau geben.« – »Du würdest gut tun, Herr König, ich möchte eine nehmen, am liebsten die jüngste, aber bei uns ist es so Sitte, daß sich zuerst die älteste verheiratet, und ich möchte nicht einen andern Brauch einführen, darum sei so gut und gib mir die älteste.« Der König freute sich, rief gleich seine Tochter herein, sagte es ihr und machte Verlobung, bald danach Hochzeit, die dauerte acht Tage. Als die Woche vorüber, sagte der Jüngling, jetzt der junge Mann, sie sollten nun auch in sein Haus kommen und auch dort eine Woche Hochzeit feiern. Nun kamen sie alle in das schöne Haus, aber dort waren weder Tische noch Stühle. Als er sah, daß niemand sitzen konnte, sah er in das Büchlein, gleich standen drei Soldaten da und fragten: »Was wünschest du, unser Herr, Gerechtes?« – »Bringt Tische und Stühle, Speisen und Getränke aller Art.« Nur einmal waren die Zimmer alle voll Tische, beladen mit Speisen und Getränken aller Art, und jedermann hatte einen Stuhl. Es war eine Fröhlichkeit und Freude, daß es Mär gab. Als nun die Woche zu Ende, war auch die Hochzeit vorüber, die Gäste verließen das junge Paar, und dies lebte glücklich, denn es hatte, was es brauchte. Und fehlte etwas, sah er nur in das Büchlein, und gleich war da, was er wollte.
Er ging gerne auf die Jagd, dann blieb sie allein, und es war ihr einsam, darum sagte sie zu ihm: »Geh zu meinem Vater und bring mir das Reh, damit auch ich jemanden habe, wenn du auf die Jagd gehst.« – »Aber wie soll ich gehen und das Reh verlangen, der Vater wird es nicht geben wollen.« – »Oh, er gibt es.«
Er ging und brachte das Reh. Nun spielten sie gerne beide mit dem Reh, sie hatten es gerne, dies war aber ein Betrüger und nicht wert, daß es lebte. Eines Tages ging der junge Mann mit dem Hund und dem Gewehr in den Wald. Als er fort war, sagte das Reh zur jungen Frau, sie solle ihm ein Papier geben, damit es ein Kistchen für Zündhölzer mache. Sie sah nach einem Papier, fand aber in der Geschwindigkeit dieses Büchlein und gab es dem Reh. Wie dies hineinsah, standen drei Soldaten da und fragten: »Was wünschest du, unser lieber Herr, ungerecht?« – »Tragt mich mit Sack und Pack in das arabische Land, wo die Araber sind.« Schnell wie der Gedanke war das Haus mit allem auf den Wolken, und bis sich die Frau nur umsah, war sie schon im arabischen Lande, wo die Araber wohnen.
Der Hund hatte keine Ruhe, er bellte und ging immer bellend und kehrte um. »Was nur dieser Hund hat«, dachte der Mann und ging auch dem Hause zu. Als er aus dem Walde trat, sah er kein Haus mehr, die Wiese lag allein drüben.
Oft stand der König am Fenster und sah hinüber zu dem Hause, wo seine älteste Tochter wohnte. Auch jetzt sah er hinüber, traute seinen Augen nicht, nahm das Augenglas, sah aber noch immer nichts, er erschrak heftig, zumal als sein Schwiegersohn kam und ihm sagte so und so. »Laß diese Betrüger und komm, nimm dir eine andere Frau, ich habe noch zwei Töchter.« – »O nein, Vater, es wäre eine zu große Sünde, wenn ich meine angetraute Frau lassen sollte, ich gehe lieber und suche sie. Gib mir eiserne Bundschuhe und einen Stock aus Stahl.« Der König sagte nichts mehr, als er sah, daß sein Schwiegersohn von seiner Frau nicht lassen wollte. Er gab ihm Bundschuhe aus Eisen und einen Stock aus Stahl. Er brach auf und ging immer zu, bis die eisernen Schuhe ganz in Fetzen waren und der stählerne Stock nur noch so lang wie eine Hand war, aber seine Frau hatte er nicht gefunden.
An einem Tage kam er in einen Wald und begegnete zwölf Räubern. Er erschrak und wollte fliehen, aber sie waren schon zu nahe an ihm, und er dachte, es würde besser sein, wenn er ihnen mit Mut entgegenginge. Er ging auf sie zu und sagte: »Guten Abend, zwölf Räuber.« – »Wir danken, Erdmensch, was bringt dich zu uns?« – »Ich bin gekommen, um zu fragen, ob Ihr nicht noch einen Menschen braucht, ich möchte gerne Kreuzbruder mit Euch werden.« Die Räuber beredeten sich, sie sollten ihn annehmen, er müsse ein mutiger Mensch sein, weil er sich vor ihnen nicht fürchte. Es war noch nie vorgekommen, seit Räuber sind, daß ein Mensch dieser Erde sich nicht vor ihnen gefürchtet hätte. Sie schwuren sich Kreuzbruderschaft bei Brot und Salz. Jetzt ging er mit den Räubern und sorgte sich auf seine Ehre, aber immer mit offnen Augen. Abends, als sie sich schlafen gelegt, hörte er den größten der Räuber zum kleinsten sagen, er solle sich auf die Schuhe sorgen, bis sie sehen, was für ein Mensch dies sei. In der ersten Nacht blieb er ruhig, um keinen Verdacht zu erregen, in der zweiten aber hatten die Räuber keine Sorge mehr, sie glaubten, er werde ein guter Räuber werden wie sie, und schliefen alle.
Als nun alle eingeschlafen waren, erhob er sich leise und zog die Schuhe eines Räubers an, um zu sehen, welche Zauberkraft sie besäßen. Als er sie angezogen, flogen sie schneller als der Wind, und er kam schnell wie der Gedanke zur Sonne. »Guten Morgen, heilige Sonne.« – »Ich danke, was wünschest du?« – »Kannst du mich nicht zurechtweisen, wohin das Reh mit meiner Frau gekommen ist?« – »Ich weiß wirklich nicht, aber gehe zu meiner Schwester, dem Mond, der wandelt auch in der Nacht herum und sieht besser.« Er ging zum Mond und fragte ihn, der sagte: »Ich habe sie nicht angetroffen, aber gehe zu meinem Bruder, dem Wind, der geht, wohin er will.« Der Wind hatte sie wirklich im arabischen Lande gesehen und wollte mit ihm hingehen. Er solle nur im voraus aufbrechen, er werde ihn einholen. Ja, aber der Wind wußte nicht, was für Schuhe dieser hatte. Als er aufbrach und nur einmal auftrat, war er schon über alle Länder. Als er sah, daß ihn der Wind nicht einholen konnte, kehrte er wieder um und ließ nun den Wind vorausgehen, holte ihn dann ein, und sie betraten zusammen das arabische Land, wo die Araber wohnen. Jetzt verwandelte er sich in eine Fliege und flog in sein Haus, grade als seine Frau die Paluckes auf den Tisch brachte, um mit dem Reh zu frühstücken. Er setzte sich unter die Paluckes und fing auch an zu essen und aß und aß sehr schnell, bis nicht ein Bröckchen mehr übrig geblieben. Da rief das Reh, sie solle noch Paluckes bringen, es sei, als esse noch jemand, so schnell sei sie gegessen worden. Die Fliege aber sah sich in der Stube nach dem Büchlein um und fand es unter einem Bild, sie flog hin und nahm es. Und als sie es genommen, sah sie gleich hinein, da standen die drei Soldaten und fragten: »Was wünschest du, unser Herr, gerecht?« – »Bindet das Reh an den Schwanz des Hengstes und jagt diesen auf die Gasse. Aber mein Haus tragt mir nach Hause.« Schnell wie der Gedanke war das Haus mit Sack und Pack wieder zu Hause auf der schönen Wiese mit Gras und Blumen.
Seit der Zeit lebten sie nun beide in Frieden. Und ich trat auf einen Nagel und sage nichts mehr.

[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]

 

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