Es war einmal in einem Dorf ein Mädchen, fleißiger als alle andern aus seiner Gesellschaft. Die andern Mädchen spannen an einem Abend zwei bis drei Spindeln voll Garn. Diese nahm sich immer ein Viertel mit und füllte sie alle. Diese Sache verhielt sich aber so: Alle Mädchen hatten einen Geliebten. Dieser sitzt aber neben seinem Mädchen und plaudert und macht Späße, das Mädchen hört ihm zu und lacht und vergißt über dem Spiel auch manchmal auf die Spindel. Dieses Mädchen hatte keinen, also auch keine andere Sorge als ihre Spindeln. An einem Abend traf es sich, daß ein fremder Bursch in die sezatoare (Gesellschaft) kam, so schön, viel schöner als die andern alle, aber niemand kannte ihn; die Mädchen aber sahen ihm alle nach, und jede hätte gewollt, wenn er neben sie gesessen. Dieser aber sah sich nach keiner um, außer nach dieser einen, die allein saß und nicht um sich blickte außer immer nur auf ihren Rocken und ihre Spindel. Dieser ging in einem auf sie zu und setzte sich neben sie und fing mit ihr an zu reden. An diesem Abend konnte sie ihr Viertel nicht füllen. Als sie nach Hause kam, fragte ihre Mutter: »Was ist mit dir, daß du die Spindeln nicht gefüllt? Das Viertel ist fast nur halb.« – »Weiß ich, Mutter, was mit mir ist, es ist, als ob mir die Hände gefroren wären.«
Am andern Abend kam der fremde Bursch wieder und setzte sich neben dieses Mädchen und plauderte und plauderte und sagte, er wolle sie zur Frau nehmen. Nun, an diesem Abend spann sie nicht mehr als zwei Spindeln. Als sie nach Hause kam, fing ihre Mutter mit ihr an: »Mein Kind, sage mir, was ist mir dir, daß du diesen Abend grade nur zwei Spindeln gesponnen?« – »Ach, meine Mutter, es ist ein so schöner fremder Bursch gekommen und hat sich immer neben mich gesetzt und geplaudert und gesagt, er wolle mich zur Frau nehmen.« – »Mein Mädchen, sage ihm, wenn er solche Gedanken hat, solle er zu uns kommen.« Am nächsten Abend war es wieder so. Als er aber von der Liebe anfing zu reden, sagte sie ihm, er solle zu ihrer Mutter kommen. »Ich werde einmal kommen, aber jetzt nicht.« Als sie diese Worte ihrer Mutter mitteilte, lehrte sie ihre Mutter, sie solle ein Knäul mit Faden nehmen, und wenn er wieder neben ihr säße, ihm den Faden an den Fuß binden, sie solle machen, als sei ihr die Spindel entfallen und dies beim Bücken tun. Gut.
Am nächsten Abend machte sie es, wie ihre Mutter sie gelehrt. Sie band ihm den Faden an den Fuß und behielt das Knäul in der Hand, als er fort ging. Dann ging sie ihm nach. Aber wie erschrak sie, als sie sah, wohin er ging! Er ging auf den Friedhof und stieg in ein Grab, nahm einen Totenkopf und fing an daran zu nagen. Unser Mädchen erschrak furchtbar und floh nach Hause.
Als am nächsten Abend der Bursch wieder kam und sich neben sie setzte, wollte sie nicht mit ihm reden. »Nun, was ist mit dir, warum bist du zornig?« fragte er. Sie antwortete nichts. »Du, sage mir, warum bist du zornig? Wenn du es mir nicht sagst, stirbt deine Mutter.« Sie schwieg. Als sie nach Hause kam, fand sie ihre Mutter tot. Nachdem sie nun gestorben war, begruben sie die Leute, was sollten sie auch anders tun? Und als eine Zeit vergangen war, ging das Mädchen wieder in die sezatoare. Siehe, dieser Fremde kam auch wieder und setzte sich neben sie und fing wieder an: »Warum bist du zornig über mich?« Sie wollte es ihm nicht sagen. »Du, sag mir die Wahrheit, wenn du sie mir nicht sagst, so stirbt dein Vater.« Sie sagte nichts. Als sie nach Hause kam, fand sie ihren Vater tot. Nachdem nun auch ihr Vater gestorben, wurde auch er begraben.
Als sie wieder in die sezatoare kam, war auch jener wieder da, setzte sich neben sie und fragte sie wieder, warum sie über ihn zornig sei? Sie wollte auch jetzt es ihm nicht sagen. »Du, sag es mir. Deine Mutter ist gestorben, dein Vater ist gestorben, jetzt stirbst auch du.« Sie sagte es ihm nicht. Als sie nach Hause kam, bereitete sie sich vor zum Sterben, zog ihre schönsten Kleider an, und als sie fertig war, starb sie. Nun, dieses erregte großes Aufsehen. Die Leute begruben sie neben die Straße.
Als der Frühling kam, sproßte aus dem Grabe ein Rosenstrauch hervor. Dieser blühte. Seine Rosen waren so schön, wie noch niemand gesehen. Alle Leute, welche die Straße daherkamen, blieben stehen und besahen sie, aber nehmen konnte sie niemand. Einmal kam ein Königssohn vorbeigefahren. Als er die schönen Rosen sah, befahl er dem Kutscher, sie zu brechen und ihm sie in den Wagen zu geben. Wie sich der Kutscher auch bemühte, er war nicht imstande, einen Ast zu brechen. Als der Königssohn sah, daß der Kutscher nicht konnte, stieg er hinunter und riß den Stock samt der Wurzel heraus und warf ihn über seinen Rücken in den Wagen. Wie er ihn über den Rücken geworfen, wurde aus dem Rosenstock wieder das schöne Mädchen, nur noch schöner als sie früher war, so schön, daß sie dem Königssohn gleich so gut gefiel, daß er sich mit ihr trauen ließ. Nun lebten sie beide gut und ohne Sorgen. Aber sie wollte nie in die Kirche gehen. Oft sprachen die Leute davon und fragten sich: Was sollte doch sein mit unserer Königin, daß wir sie nie in der Kirche sehen? Der junge König hörte solche Worte, ließ ihr aber den Willen ein ganzes Jahr.
Dann kam die Zeit, daß sie ein kleines Knäblein bekamen. Nun wünschten die Leute sehr, die junge Königin und das Kind zu sehen. An einem Sonntage befahl der König, seine junge Frau möchte sich schön anziehen für die Kirche.
Die Königin jammerte zuerst und sagte dann, er werde sehen, sie käme nicht mehr aus der Kirche zurück, wenn sie einmal hineingehe, Ihr Mann sagte aber, sie sollte nicht so dumme Gedanken haben. Gut. Sie richtete sich mit schönen Kleidern, nahm den Knaben in den Arm und ging hinter dem König zur Kirche. Er trat ein, als aber auch sie eintreten wollte, da stand der schöne fremde Jüngling aus der sezatoare neben ihr und fragte: »Warum bist du zornig über mich?« Sie antwortete nicht. »Du sag mir die Wahrheit, sonst stirbt auch dein Kind.« Hierüber erschrak sie sehr und sagte die Wahrheit. »Siehst du, du Alberne. Du hättest mir es damals sagen sollen, so wäre[n] deine Mutter und dein Vater nicht gestorben und du würdest doch hierher gekommen sein. Jetzt will ich dir sagen, wer ich bin: Ich bin der Tod« (Harhanghel).
Sie ging in die Kirche. Und als sie eintrat, konnte sie nicht an ihrer Stelle bleiben, es zog sie etwas immer mehr nach vorne, immer mehr hinauf, immer mehr hinauf, bis zum Altar, nur einmal schien sie etwas hinaufzuziehen. Da plötzlich wurde sie das Altarbild. Seit dieser Zeit steht das Bild der heiligen Mutter mit dem Kinde im Arm in allen Kirchen.
Lina Subtirel, Alzen
[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]