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Heimkehr aus der Fremde

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Es war einmal, und wenn es nicht gewesen, würde man es nicht erzählen. Es waren ein paar Leute, die hatten einen kleinen Knaben. Sie beide mit diesem Knaben würden sehr gut in Frieden und Gesundheit gelebt haben, wenn nur dieses gewesen wäre. Wenn sie nur nicht gar so verarmt wären. Sie waren aber so arm, daß sie oft hungrig zu Bette gingen. Er war ein cioban (Schafhirt), aber es hatte nichts herausgesehen, die Schafe erkrankten und starben. Eines Abends saß er mit seiner Frau auf dem Ofenherd neben dem Feuer, und sie berieten sich, wie sie es doch anfangen sollten, auch zu etwas zu kommen, wie auch andere Leute. Der Knabe schlief in der Wiege. Nur einmal sagte der Mann: »Du Frau, ich gehe in das Land und verdinge mich zu einem cioban als Knecht, vielleicht habe ich dort mehr Glück als zu Hause.« – »Du Mann, was habe ich zu sagen, wenn du denkst, du würdest dort mehr Glück haben, so gehe, ich will auf das Kind sorgen, es ist jetzt bald zwei Jahre alt, ich will mich bemühen, unsere Teilchen auf dem Felde zu arbeiten, damit ich mich ernähre, bis du heimkehrst.« Gut.
Er ging und verdingte sich im Lande zu einem pacurar, der sehr reich war, als Knecht und hütete im Sommer und im Winter die Schafe. Weil er ein zuverlässiger Mensch war, ließ ihn der stapîn nicht mehr fort, ehrte ihn und gab ihm, was er brauchte. Jetzt, wenn es damals gewesen wäre wie heutigen Tages mit dem Postwesen, hätte er auch seiner Frau oft etwas schicken können, aber damals wußten die Leute von solchem Verkehr nichts, und die Frau hörte nichts mehr von ihrem Manne, ob er noch lebte oder nicht.
Als er nun zwanzig Jahre dort gedient, überkam ihn eine solche Sehnsucht, daß er fast krank wurde. Oft, wenn er mit den Schafen allein auf dem Felde war, klagte er:

De-ar fi pîinea cît de buna,
Tot îi rea-n tara straina;
De-ar fi pîinea cît de rea,
Tot îi buna-n tara mea.

Wäre das Brot noch so gut,
Es ist doch hart im fremden Land,
Wäre es auch noch so schlecht,
Ist es doch gut in meinem Land.

Als der stapîn sah, wie traurig er herumging bei den Schafen, fürchtete er, er sehne sich nach den Seinen, und sagte: »Höre, Mensch, was ist mit dir?« – »Ach, stapîn, ich kann nicht mehr vor Sehnsucht, seit zwanzig Jahren habe ich meine Frau und mein Kind nicht mehr gesehen.« – »Dann sollst du nach Hause gehen, und weil du mir ehrenhaft gedient, gebe ich dir mein bestes und schönstes Pferd, ein Gewehr und dies Brot. Aber du sollst mir gehorchen und tun, was ich dich lehren werde: Mit dem Pferd sollst du nicht zu einer Witwe ins Quartier gehen, und mit dem Gewehr sollst du nie schießen, wenn du zornig bist, und das Brot sollst du nur anschneiden, wenn du fröhlich bist.« Der cioban versprach, es so zu halten, dann nahm er Abschied, gute Gesundheit wünschend und um Verzeihung bittend und dankte für alles, dann ritt er fort.
Als er in sein Dorf kam, zog ihn das Herz heim zu seiner Frau, aber es kam ihm in den Sinn: nicht zu einer Witwe, und seine Frau hatte er ja selbst 20 Jahre lang zur Witwe gemacht. Und er ging zu seinem Nachbarn. Dieser kannte ihn nicht mehr, nahm ihn aber ins Quartier samt dem Pferde. Als er dieses versorgt, ging er an das Fenster seines Hauses, nur einmal sah er seine Frau am Tische sitzen mit einem schönen Burschen und essen. Dann nahm die Frau ihn um den Kopf und küßte ihn. Da legte unser Mann die Hand ans Gewehr, sie beide zu erschießen, er glaubte, dieser Bursch sei ihr Geliebter, und es legte sich eine Trauer und Sehnsucht auf sein Gemüt, daß er glaubte, gleich sterben zu müssen. Nur einmal kamen ihm die Worte seines Herrn in den Sinn, er solle nie im Zorne schießen. Er ging in seine Herberge. Als er in die Stube treten wollte, hörte er drinnen den Nachbarn zu seiner Frau sagen: »Morgen hat jetzt die Nachbarin Hochzeit.« Wieder war es unserm Armen, als ob ihm das Herz zerreiße, wieder legte er die Hand ans Gewehr, aber er rührte sich nicht, er stand wie ein Holz.
Da kam der Nachbar heraus und fragte ihn, ob er sein Pferd nicht dem Bräutigam leihen wolle, er habe es gesehen, und es gefiele ihm so gut, er möchte gerne auch in die Kirche reiten, wie die calarasi4, mit einem so schönen Pferde, und so geputzten. Wie dumm doch der Mensch in seinem Zorne ist! Er dachte nicht mehr daran: He, du hattest einen Knaben, als du fortgingst, der muß ja jetzt ein großer Jüngling geworden sein. Er hatte ganz und gar auf ihn vergessen. Aber am Morgen putzte er das Pferd noch schöner, und als der Bräutigam kam, um zu fragen, was er dafür verlange, wollte er gar nichts. Darauf ging der Junge und setzte sich mit seiner Mutter auseinander, sie sollten den Fremden auch zur Hochzeit laden, weil er so ein feiner Mensch sei und ihm das Pferd umsonst zum Reiten gebe. Gut.
Als dieser zur Hochzeit eingeladen worden, ging er, nahm sich aber auch das Gewehr mit, denn jetzt wollte er sie doch alle zusammenschießen. Als er eintrat, sagte er: »Guten Tag, und Glück zum heutigen Tage.« – »Ich danke euch«, antwortete die Frau, »welch ein großes Glück hätte es sein können, wenn jetzt auch mein Mann hier wäre.« Und fing an zu weinen. »Daß er jetzt seinen Sohn nicht auch als Bräutigam sehen kann! Er ist seit 20 Jahren fort, und ich weiß nicht, ob er noch lebt oder nicht.« Und sie fing noch heftiger an zu weinen. Da war es ihm, als öffne ihm jemand die Augen. »Dies war ja nicht der Bräutigam seiner Frau, es war ja sein Sohn.« Jetzt hatte er gesehen, wie sie um ihn trauerte, sein Herz wurde so leicht, und er fragte: »Würdest du deinen Mann erkennen, wenn er jetzt heimkehren sollte?« – »Wie sollt‘ ich nicht, er hatte auf der Brust ein schwarzes Zeichen.« Da knöpfelte sich der Mann auf, daß die Brust entblößt wurde. Als die Frau das schwarze Zeichen sah, war eine so große Freude, die nicht gesagt werden kann. Darauf kam auch der Sohn in die Stube, und es wurde eine Hochzeit, wie man nicht mehr gehört hatte, bis dahin und auch nachher. Da fiel es dem Manne ein, wenn er am fröhlichsten wäre, solle er das Brot seines stapîn anschneiden. Er zog es aus dem Tornister und schnitt es an. Nur einmal war es voll Dukaten. Jetzt sah die Frau, wie geehrt ihr Mann gewesen und was für ein Glück er gehabt, und sie fing wieder an zu weinen, aber jetzt vor Freude, und sie dankte Gott, der ihren Mann erhalten und ihn zurückgebracht hatte. Nun lebten sie noch viele Jahre bis in ein hohes Alter.

Sive Bîrsan, Alzen
[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]

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