Es war einmal ein Mann und eine Frau, die hatten kein Kind, und baten Gott, er möge ihnen eins geben. Über eine Weile bekam die Frau einen Knaben, der war zwar schön und gesund, aber er weinte immer, selbst wenn die Mutter ihm die Brust reichte. Aber sie freuten sich doch seiner und nannten ihn Iuon. Eines Tages als der Knabe wieder weinte, sprach der Vater zu ihm: „Weine nicht, mein liebes Kind; wenn du gross bist, bringe ich dir Ruschullina, das weisse Mädchen, welches den Wald belaubt und die Obstbäume blühend macht.“ Und von Stunde an weinte der Bube nicht mehr.
Als er herangewachsen war, sprach er zum Vater: „Hole mir Ruschullina, ich will sie zum Weibe nehmen.“ Der Vater hatte sein Versprechen vergessen und sagte: „Ich weiss nicht, woher ich sie dir bringen soll, ich weiss auch nicht, ob es ein solches Mädchen gibt.“ Über diese Worte verfiel der Sohn in tiefe Trauer, und sagte: „Nie werde ich ein anderes Mädchen zum Weibe nehmen und lieber sterben als ohne Ruschullina leben.“ Das rührte den Vater, so dass er auszog, Ruschullina zu suchen. Er durchwanderte drei Länder, konnte sie aber nicht finden. Da zog der Sohn aus, sie zu suchen. Sein Weg führte ihn zum heiligen Samstag; den fragte er: „Weisst du nicht wo Ruschullina wohnt? das weisse Mädchen, welches den Wald belaubt und die Obstbäume blühen macht?“ Der heilige Samstag sprach; „Ich weiss es nicht, aber ich habe 20 Bienen, die fliegen in 20 Ländern umher, wenns die nicht wissen, so weiss es niemand.“ Und knallte mit der Peitsche. Da kamen 20 Bienen herbei, und er fragte sie: „Habt ihr in den Ländern, die ihr durchzieht, Ruschullina nicht gesehen?“ Sie antworteten: „Nicht gesehen haben wir sie, noch gehört ihren Namen.“ Da schenkte ihm der heilige Samstag einen silbernen Zaum und schickte ihn zum heiligen Sonntag. Der hatte 30 Bienen und sagte: „Wenns die nicht wissen, so weiss es niemand.“ Und knallte mit der Peitsche. Da kamen 29 Bienen herbei, und er fragte sie: „Habt ihr in den Ländern, die ihr durchziehet, Ruschullina nicht gesehen?“ Sie antworteten: „Nicht gesehen haben wir sie, noch gehört ihren Namen.“ Zuletzt kam auch die 30ste. Der heilige Sonntag fragte sie: „Warum kömmst du so spät?“ Sie sprach: „Ich war weit, weit; ich war im Lande, wo da ist Ruschullina, das weisse Mädchen, welches den Wald belaubt und die Obstbäume blühend macht.“ Und der heilige Sonntag schenkte ihm einen goldenen Zaum und sprach zur Biene: „Nimm den Jüngling auf deinen Rücken und fliege mit ihm zu Ruschullina.“ Und sie nahm ihn auf den Rücken, flog mit ihm weit über Land und Meer, und setzte ihn endlich am Tor eines Schlosses nieder. Als er eine Weile da gestanden hatte, kam eine Magd heraus, um Wasser zu holen. Die fragte er, ob man im Hause keinen Knecht brauche. Die Magd verschwand und kam mit der Antwort zurück: „Es seien Knechte genug im Haus, nur ein Gänseknecht fehle noch.“ Da trat Iuon als Gänsekneeht ein und hütete die Gänse. Als er sieben Tage gedient hatte, ward die Herrin des Schlosses, die niemand anders war als Ruschullina in die Nachbarschaft zur Hochzeit geladen, und wie sie über die Wiese fuhr, wo Iuon die Gänse hütete, rief sie zu ihm: „Besorge die Gänse wohl, die zehnte soll dir gehören.“ Als sie vorüber war, zog luon den silbernen Zaum hervor, den ihm der heilige Samstag geschenkt und schüttelte ihn. Sogleich kam ein Pferd herangesprengt, mit Kleidern von purem Silber bepackt. Die legte Iuon an, schwang sich auf das Pferd und ritt zur Hochzeit. Da tanzte er mit Ruschullina und sie kannte ihn nicht, die Magd aber erkannte und verriet ihn. Darum rief ihn Ruschullina, als sie nach Hause kam, an ihren Tisch, zeigte ihm einige Buchstaben und sagte: „Haben die Buchstaben auch in eurem Lande diese Gestalt?“ Und als er das Haupt abwärts neigte, erblickte Ruschullina den braunen Fleck in seinem Nackengrübchen, daran sie ihn anderen Tages auf der Hochzeit erkennen wollte. Am Morgen, als sie zur Hochzeit fuhr, rief sie ihm wieder zu: „Besorge die Gänse wohl; die zehnte soll dir gehören.“ Als sie vorüber war, zog Iuon den goldenen Zaum hervor und schüttelte ihn. Sogleich kam das Pferd herangesprengt, mit Kleidern von purem Golde beladen. Die legte Iuon an, schwang sich auf das Ross und ritt zur Hochzeit. Und wie er eintrat, erkannte ihn Ruschullina, entbrannte in Liebe für ihn und nahm ihn zum Mann.
Eines Tages ging Iuon durch das Schloss, um Stuben und Kammern zu besehen. Da traf es sieb, dass er auch in eine abgelegene Kammer kam, wo nichts zu sehen war, als ein Fass mit drei Reifen. Als er sich diesem näherte, rief eine Stimme: „Iuon, gib mir zu trinken.“ Und er goss ein Glas Wasser durch das Spundloch hinein. Und alsbald tat es einen Knall, und es sprang ein Reif vom Fasse. Und es rief zum zweitenmal: „Iuon gib mir zu trinken.“ Und er goss noch ein Glas Wasser hinein. Alsbald krachte es wieder, und der zweite Reifen sprang vom Fasse. Und zum drittenmal riefs: „Iuon, gib mir zu trinken.“ Er tats. Da krachte es wieder, der letzte Reif sprang ab, die Dauben des Fasses fielen auseinander, und ein Smeu (fliegender Teufel) sprang hervor und lief: „Was willst du lieber, von hinnen ziehen nach Hause und Ruschullina lassen, oder hier bleiben und sterben? Wähle! Du bist in meiner Gewalt!“ Iuon antwortete: „Lieber will ich heimziehen als sterben.“ Und er zog von dannen mit kummervollem Herzen. Als er so dahinschritt, fand er ein langes Schwert am Wege und langte bald darauf in einem grossen Walde an. Darinnen war ein See und an dessen Ufer stand eine riesige Eiche. Darauf horstete ein Adler und brütete jeden Monat einmal. Doch wenn er ausflog, für seine Jungen Futter zu suchen, kroch ein dreiköpfiger Drache aus dem See und frass die Jungen des Adlers, so dass keine aufkamen. Als Iuon am See anlangte, kroch eben der Drache wieder heraus, um die Jungen des Adlers zu fressen. Iuon schlug ihm einen Kopf nach dem ändern mit dem langen Schwerte ab, stieg dann zum Adlernest hinauf und erzählte den Jungen, was er getan habe. Die sagten: „Unsere Mutter wird dirs reichlich belohnen, wenn sie kommt.“ Und als die Adlermutter kam und erfuhr, was geschehen war, fragte sie ihn, was er von ihr verlange. Iuon sprach: „Hole mir das Füllen der alten Frau im Meer.“ Der Adler flog aus, und über eine kurze Weile kam er mit dem Füllen zurück. Iuon bestieg das Füllen, ritt wieder zu Ruschullina und stellte sich an den Brunnen, wohin sie täglich spazieren fuhr mit ihrem Wagen. Als er sie kommen sah, eilte er ihr entgegen, nahm sie in seine Arme und setzte sie vor sich auf das Füllen und entfloh mit ihr. Da wieherte der Hengst des Smeu im Stalle. Der fragte ihn: „Warum wieherst du?“ Der Hengst antwortete: „Ruschullina ist geraubt worden.“ Sogleich bestieg der Smeu den Hengst und drückte ihm die Sporen in die Weichen, um Ruschullina einzuholen. Aber er vermochte es nicht. Da rief der Hengst dem Füllen zu: „Stehe Bruder, ich erliege den Sporen des Smeu.“ Das Füllen aber antwortete: „Ich stehe, wenn du den Smeu gegen die Wolken wirfst und dann zerreissest, wenn er herabfällt.“ Und der Hengst schleuderte den Smeu gegen die Wolken, also, dass er zu Staub wurde, als zur Erde fiel.
Dann kehrte luon mit Ruschullina zurück auf das Schloss. Sie feierten ein grosses Fest, und lebten vergnügt bis an ihr Ende.
Quelle:
(Rumänische Märchen)