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Es war einmal eine Witwe, die lebte in einer großen Stadt, sie nähre und verkaufte Puppen, um sich und ihr Kind zu ernähren; denn sie hatte einen herzigen kleinen Jungen, der hieß Friedel. Jeden Samstag nahm Friedel die Puppen, die, die Mutter fertiggestellt hatte, und ging damit in die vornehmen Häuser. Manche Leute kauften ihm dann was ab; aber einige wiesen ihm auch die Tür. Einmal kam er an ein großes, schönes Haus hinter einem goldenen Gitter. In dem Garten davor spielten Kinder, zwei Mädchen und ein Junge. Es war aber auch ein böser Hund dort; der sprang immer an dem Gitter rauf und runter und tat so wild, als wolle er Friedel zerreißen. Da riefen die drei Kinder: „Ach, du Bettelbub, was hälst du in deinem Körbchen feil? Komm doch herein!“ Der kleine Puppenverkäufer fasste sich ein Herz, öffnete die Tür und ging in den Garten. Er war aber kaum drin, da fiel der Hund über ihn her, riss ihm das Körbchen vom Arm und zerfetzte seinen Puppen Arme und Beine. „Ach, du lieber Himmel!“ rief Friedel. „Was soll ich nur der Mutter sagen, wenn ich nichts nach Hause bringe?“ Von dem Lärm erwachte die Frau des Hauses, trat ans Fenster und fragte, was es gäbe.
„Ach, so, es dreht sich nur um ein paar Puppen!“ sagte sie, als ihr die Kinder alles berichtet hatten „Was tut der Bettelbub hier auch?“ Damit warf sie Friedel eine kleine Münze hinunter und befahl ihm, aus dem Garten zu gehen. Der kleine Puppenverkäufer packte weinend alle Puppen zusammen; ließ aber das Geldstück liegen und ging fort. Heim getraute er sich nicht; und so nahm er den Weg unter die Füße, bis er aus der Stadt heraus war und schließlich in einen finsteren Wald gelangte.
Hier setzte er sich unter einen hohen Baum, stellte den Korb neben sich und schlief ein. Der Mond ging auf; jetzt wurde es schön im Walde, überall flimmerten die silbernen Strahlen durch die Bäume, tanzten auf dem Moos und jedem Moospflänzchen kam ein Elflein hervor. Sie fassten einander an den Händen, bildeten einen Reigen und sprangen lustig um Friedel herum. Die ganze Nacht durch haben sie gesungen und getanzt.
Im Morgengrauen aber hoben sie den Deckel des Korbes auf, schüttelten die Puppen die darin lagen, und husch waren alle verschwunden. Da erwachte der kleine Puppenverkäufer, rieb sich die Augen und dachte: Nun muss ich aber doch heim. Die Mutter wird sich Sorgen machen. Ich will ihr alles sagen wie es mit den Puppen gekommen ist, und warum ich das Geldstück von der vornehmen Madame nicht genommen habe. Er hob den Deckel vom Körbchen, um hineinzublicken; und was musste er sehen? Fünf wunderschöne Püppchen lagen darin! Sie trugen Kleider aus Samt und Seide und sahen so natürlich aus, als lebten. Da setzte er den Deckel wieder auf nahm den Korb; und lief nach Hause. „Sieh mal“, rief er noch im Laufen, „was ich habe, Mutter!“ Er hob den Deckel vom Korb, zeigte der Mutter voller Stolz die herrlichen herrlichen Puppen und erzählte ihr, wie es ihm ergangen war. „Du darfst nie mehr Angst haben, Friedel“, sagte die Mutter, „wenn dir so was zustößt. Was denkst du, ich habe die ganze Nacht vor Kummer nicht schlafen können. Aber nun pack die Puppen wieder ein! Vielleicht nehmen sie sogar die garstigen Kinder, die dich in den Garten gelockt haben.“ Friedel nahm seinen Korb, ging in die Stadt, und wieder kam er an dem großen Haus mit dem goldenen Gitter vorbei. Dahinter spielten im Garten die drei Kinder mit dem Hund; und diesmal war auch die vornehme Madame bei ihnen. Als sie Friedel erblickten, rümpften sie die Nase und riefen: „Na, du Bettelbub, was hast du denn heute in deinem Korb?“ A ls Friedel den Deckel hob, da bekamen sie einen richtigen Schreck. „Was für schöne Puppen!“ staunten sie. „Komm doch herein zu uns!“ Und sie taten den Hund an die Kette; gaben Friedel süße Worte und machten ihm selber die Pforte zum Garten auf.
Hier betrachtete sich die vornehme Frau nochmals die Puppen. Zunächst meinte sie dann, dass der Friedel sie wohl gestohlen habe; so kostbar erschienen sie ihr. Aber Friedel blieb dabei, dass ihn die Mutter damit losgeschickt habe; und als ihm die garstigen Kinder die Puppen fortnehmen wollten, tat er, klapp, den Deckel zu und wandte sich zum Gehen. Da gab ihm die Frau mehrere Goldstücke für die Puppen; weil es nun mal nicht möglich war, billiger daran zu kommen, und Friedel ging heim zu seiner Mutter.
Aber die bösen Kinder sollten wenig Spaß an den Puppen haben!
In der Nacht, als alle schliefen, wurden die Puppen lebendig. Ach, und was war das für ein Hallo in der Stube; sie sprangen den drei kleinen Kindern auf den Betten herum, zupften sie an den Ohren, stupsten sie auf die Nase und waren ganz aus dem Häuschen, wenn sie aufwachten und schrien. Am Morgen aber saßen die Elfenpuppen wieder ganz brav auf den Stühlchen, wo man sie hingesetzt hatte; und die Kinder glaubten, dass sie sich während der Nacht gegenseitig geärgert und aufgeweckt hätten. Darüber kamen sie ins Streiten. Sie packten sich an den Haaren und zausten sich hin und her; bald schlugen sie auch mit den Püppchen aufeinander los, dass dort ein Bein und hier ein Arm entzweiging; und es wurde so schlimm mit ihnen, dass die Mutter schließlich eingreifen musste.
„Wenn ihr euch wegen der Puppen streitet“, sagte sie, „dann packen wir sie in eine Schachtel und bringen sie auf den Speicher!“
Das geschah denn auch; weil sich die Kinder aber noch nicht zufriedengaben und immer wieder Streit anfingen und aufeinander losschlugen; durften sie nicht mehr im Garten spielen, sondern mussten mit der Gouvernante ausgehen lernen. Die Puppen aber wurden auf dem Speicher wieder lebendig, als die Nacht kam und es finster wurde. Diejenigen, die bei dem Streit der Kinder Arm – und Beinbrüche davongetragen hatten, wimmerten wohl zunächst vor Schmerzen. Doch plötzlich kam ein Zwerg zu ihnen, der hatte eine Büchse mit Salbe, und was er damit bestrich, wurde sogleich heil und gesund. Da sagten die Puppen untereinander: „Nun gehen wir zu Friedel“, und kaum hatten sie das ausgesprochen, tat sich von selber die Dachluke auf. Friedel schlief in seinem Bettchen; auf einmal hörte er draußen vor dem Fenster leise Stimmen. Er erwachte, und da es ganz hell im Zimmer wurde, stand er auf und öffnete das Fenster, damit die Puppen hereinkommen konnten.
„Du kennst uns wohl wieder“, riefen sie. „Wir sind die Elfenpuppen aus dem Walde. Die bösen Kinder sind nun bestraft; sie werden uns nicht wiederfinden. Dir aber, haben wir etwas mitgebracht. Da schau her!“
Und unter Ach und Krach wuchteten sie ein Säckchen herbei und setzten es vor das Bettchen Friedels. „Das ist voller Goldstücke und Taler“, sagten sie. „Es kann euch nun nie mehr fehlen, und deine Mutter braucht nie mehr zu nähen. Wir aber kehren heim in den Wald!“ Sprachen’s und husch, waren sie zum Fenster hinaus und verschwunden.
„Ach, so, es dreht sich nur um ein paar Puppen!“ sagte sie, als ihr die Kinder alles berichtet hatten „Was tut der Bettelbub hier auch?“ Damit warf sie Friedel eine kleine Münze hinunter und befahl ihm, aus dem Garten zu gehen. Der kleine Puppenverkäufer packte weinend alle Puppen zusammen; ließ aber das Geldstück liegen und ging fort. Heim getraute er sich nicht; und so nahm er den Weg unter die Füße, bis er aus der Stadt heraus war und schließlich in einen finsteren Wald gelangte.
Hier setzte er sich unter einen hohen Baum, stellte den Korb neben sich und schlief ein. Der Mond ging auf; jetzt wurde es schön im Walde, überall flimmerten die silbernen Strahlen durch die Bäume, tanzten auf dem Moos und jedem Moospflänzchen kam ein Elflein hervor. Sie fassten einander an den Händen, bildeten einen Reigen und sprangen lustig um Friedel herum. Die ganze Nacht durch haben sie gesungen und getanzt.
Im Morgengrauen aber hoben sie den Deckel des Korbes auf, schüttelten die Puppen die darin lagen, und husch waren alle verschwunden. Da erwachte der kleine Puppenverkäufer, rieb sich die Augen und dachte: Nun muss ich aber doch heim. Die Mutter wird sich Sorgen machen. Ich will ihr alles sagen wie es mit den Puppen gekommen ist, und warum ich das Geldstück von der vornehmen Madame nicht genommen habe. Er hob den Deckel vom Körbchen, um hineinzublicken; und was musste er sehen? Fünf wunderschöne Püppchen lagen darin! Sie trugen Kleider aus Samt und Seide und sahen so natürlich aus, als lebten. Da setzte er den Deckel wieder auf nahm den Korb; und lief nach Hause. „Sieh mal“, rief er noch im Laufen, „was ich habe, Mutter!“ Er hob den Deckel vom Korb, zeigte der Mutter voller Stolz die herrlichen herrlichen Puppen und erzählte ihr, wie es ihm ergangen war. „Du darfst nie mehr Angst haben, Friedel“, sagte die Mutter, „wenn dir so was zustößt. Was denkst du, ich habe die ganze Nacht vor Kummer nicht schlafen können. Aber nun pack die Puppen wieder ein! Vielleicht nehmen sie sogar die garstigen Kinder, die dich in den Garten gelockt haben.“ Friedel nahm seinen Korb, ging in die Stadt, und wieder kam er an dem großen Haus mit dem goldenen Gitter vorbei. Dahinter spielten im Garten die drei Kinder mit dem Hund; und diesmal war auch die vornehme Madame bei ihnen. Als sie Friedel erblickten, rümpften sie die Nase und riefen: „Na, du Bettelbub, was hast du denn heute in deinem Korb?“ A ls Friedel den Deckel hob, da bekamen sie einen richtigen Schreck. „Was für schöne Puppen!“ staunten sie. „Komm doch herein zu uns!“ Und sie taten den Hund an die Kette; gaben Friedel süße Worte und machten ihm selber die Pforte zum Garten auf.
Hier betrachtete sich die vornehme Frau nochmals die Puppen. Zunächst meinte sie dann, dass der Friedel sie wohl gestohlen habe; so kostbar erschienen sie ihr. Aber Friedel blieb dabei, dass ihn die Mutter damit losgeschickt habe; und als ihm die garstigen Kinder die Puppen fortnehmen wollten, tat er, klapp, den Deckel zu und wandte sich zum Gehen. Da gab ihm die Frau mehrere Goldstücke für die Puppen; weil es nun mal nicht möglich war, billiger daran zu kommen, und Friedel ging heim zu seiner Mutter.
Aber die bösen Kinder sollten wenig Spaß an den Puppen haben!
In der Nacht, als alle schliefen, wurden die Puppen lebendig. Ach, und was war das für ein Hallo in der Stube; sie sprangen den drei kleinen Kindern auf den Betten herum, zupften sie an den Ohren, stupsten sie auf die Nase und waren ganz aus dem Häuschen, wenn sie aufwachten und schrien. Am Morgen aber saßen die Elfenpuppen wieder ganz brav auf den Stühlchen, wo man sie hingesetzt hatte; und die Kinder glaubten, dass sie sich während der Nacht gegenseitig geärgert und aufgeweckt hätten. Darüber kamen sie ins Streiten. Sie packten sich an den Haaren und zausten sich hin und her; bald schlugen sie auch mit den Püppchen aufeinander los, dass dort ein Bein und hier ein Arm entzweiging; und es wurde so schlimm mit ihnen, dass die Mutter schließlich eingreifen musste.
„Wenn ihr euch wegen der Puppen streitet“, sagte sie, „dann packen wir sie in eine Schachtel und bringen sie auf den Speicher!“
Das geschah denn auch; weil sich die Kinder aber noch nicht zufriedengaben und immer wieder Streit anfingen und aufeinander losschlugen; durften sie nicht mehr im Garten spielen, sondern mussten mit der Gouvernante ausgehen lernen. Die Puppen aber wurden auf dem Speicher wieder lebendig, als die Nacht kam und es finster wurde. Diejenigen, die bei dem Streit der Kinder Arm – und Beinbrüche davongetragen hatten, wimmerten wohl zunächst vor Schmerzen. Doch plötzlich kam ein Zwerg zu ihnen, der hatte eine Büchse mit Salbe, und was er damit bestrich, wurde sogleich heil und gesund. Da sagten die Puppen untereinander: „Nun gehen wir zu Friedel“, und kaum hatten sie das ausgesprochen, tat sich von selber die Dachluke auf. Friedel schlief in seinem Bettchen; auf einmal hörte er draußen vor dem Fenster leise Stimmen. Er erwachte, und da es ganz hell im Zimmer wurde, stand er auf und öffnete das Fenster, damit die Puppen hereinkommen konnten.
„Du kennst uns wohl wieder“, riefen sie. „Wir sind die Elfenpuppen aus dem Walde. Die bösen Kinder sind nun bestraft; sie werden uns nicht wiederfinden. Dir aber, haben wir etwas mitgebracht. Da schau her!“
Und unter Ach und Krach wuchteten sie ein Säckchen herbei und setzten es vor das Bettchen Friedels. „Das ist voller Goldstücke und Taler“, sagten sie. „Es kann euch nun nie mehr fehlen, und deine Mutter braucht nie mehr zu nähen. Wir aber kehren heim in den Wald!“ Sprachen’s und husch, waren sie zum Fenster hinaus und verschwunden.
Quelle: Charles Perrault
Vertonung: https://youtu.be/oykJ918-pyc