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Die Knaben mit den goldnen Sternlein

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Es war einmal ein junger Graf, der kannte, so schön er auch war, die Liebe nicht und hatte daher den Vorstellungen seiner Mutter und seiner Freunde, sich zu verehelichen, noch nicht Raum gegeben. Er fand aber Vergnügen daran, bei Nacht im Dorfe herum zu schleichen und die jungen Burschen und Mädchen zu belauschen, was sie in ihren Spinnstuben trieben, sangen und sagten. Einst nun hörte er ein Gespräch, von dem er selbst der Gegenstand war. „O, wenn unser guter Graf ein Weib nehme“, sagte das eine der Mädchen, „so wollte ich, wenn ich’s würde, ihm die leckersten Speisen kochen.“ – „Und ich“, fiel eine zweite ein, „wollte ihm seine Kinder recht gut warten und pflegen.“ – „Ich, aber“, sprach die Dritte, „wollte ihm zwei Knäblein bringen, wenn er mich zum Weibe nähme, die sollten goldne Sternlein auf der Brust tragen.“ Die anderen lachten, der Graf aber hatte allerlei Gedanken und ging auf sein Schloß. Am anderen Tage ließ er die drei Mädchen rufen, und sie mußten ihm alles noch einmal sagen, was sie gestern miteinander über ihn gesprochen, wenn er ein Weib nähme. Die letzte weigerte sich lange, denn sie schämte sich; als sie aber endlich ihren kühnen Wunsch bekannt, nahm sie der Graf freundlich bei der Hand und sprach: „Du sollst mein Weib sein, wenn du mir zwei Knäblein gebierst, so wie du gesagt hast; wo aber nicht, so will ich dich mit Schmach aus meinem Schlosse jagen.“ Das Mädchen willigte ein, denn sie war freudigen Mutes und trug verborgene Liebe zu dem Grafen in ihrem Herzen. Die Hochzeit war demnach begangen, obwohl die alte Gräfin sehr sauer dazu sah. Als nun einige Monde vergangen waren und die junge Gräfin sich guter Hoffnung fühlte, da begab sich’s, daß der Graf in ferne Lande ziehen mußte, und er bat seine Mutter, die gegen ihre Schnur alle Freundlichkeit erheuchelte, ihm alsbald zu schreiben, wenn seine Gemahlin geboren haben würde. Die schwere Zeit rückte heran, und die junge Frau genas zweier holder Knäblein, die trugen goldne Sternlein auf der Brust; sie aber war so erschöpft, daß sie lange in Ohnmacht lag. Als sie nun erwachte und nach den Kindlein fragte, sagte man ihr, sie habe zwei ungestaltene Katzen geboren, die man ersäuft habe. Darüber jammerte sie sehr, mehr als über das Unglück, das nun folgte. Schmachvoll ward sie aus dem Hause gewiesen, wie eine Bettlerin, und niemand erbarmte sich ihrer, als ein Diener; der vertraute ihr heimlich, daß sie zwei schöne Knäblein mit goldnen Sternlein auf der Brust geboren habe; sie seien in einem Korb mit dem Befehl übergeben worden, sie ins Wasser zu werfen, da es Katzen seien; er aber habe den Korb geöffnet, und da ihn die unschuldigen Würmlein gedauert, habe er sie einer Muhme zur Erziehung übergeben. Darüber freute sich die Verstoßene in ihrem Schmerze sehr, dankte dem mitleidigen Menschen viel tausendmal, eilte zu ihren Kindern und lebte mehrere Jahre in verborgener Einsamkeit mit ihnen.

Die Knäblein wuchsen heran und wurden immer schöner, die arme Frau dachte wieder an ihren Gemahl, wenn er die Knäblein sähe, würde er alles gut machen, was seine böse Mutter an ihr verschuldet. Da träumte ihr, sie solle unter einem großen Lindenbaum am Kreuzweg gehen, dort werde sie einen Haufen Leinknotten finden, mit denen solle sie sich die Taschen füllen, aber ja nicht mehr nehmen und dann nach Portugal gehen, wo ihr Gemahl in den Liebesnetzen einer Zauberin oder Fee verstrickt sei. Die Frau ging an den Baum, fand die Leinknotten und füllte sich die Taschen damit an. In einem Walde wurde sie von Räubern überfallen und ganz ausgeplündert, so daß sie keinen Pfennig behielt; denn sie mußte sich durch Betteln weiter helfen, ihre Füße waren blutig gerissen und noch war ihres Weges kein Ende. Da tröstete sie abermals ein Traum in ihrem Elend und verhieß ihr endlich Gelingen. Einst bettelte sie an der Pforte eines schönen Schlosses; die Edelfrau sah ihre Knaben und war von ihrer Schönheit auf’s Höchste überrascht. Sie bat die arme Frau um einen ihrer Knaben und versprach dafür, ihr jede Bitte zu erfüllen. Der Armen ging es schwer an, eines ihrer Kinder zu missen, aber sie willigte endlich doch ein und bat dagegen um das goldne Spinnrädchen, das die Edelfrau eben vor sich stehen hatte. Diese wunderte sich über das Verlangen, gab jedoch das Rädchen hin, und einer der beiden Knaben blieb bei ihr zurück. Die arme Frau war weiter und weiter gegangen und mußte sich endlich auch noch von ihrem zweiten Knaben trennen, für den sie ein goldnes Weiflein erhielt. Diese beiden Kleinodien verwahrte sie sehr sorgfältig und setzte ihre beschwerliche Wanderschaft fort. Nach unendlichen Mühseligkeiten kam sie denn doch in Portugal an und kam an das Schloß, wo ihr Gemahl wohnte. Die Diener erzählten ihr, ihr Herr sei verheiratet, aber noch niemand habe das Antlitz seiner Gemahlin gesehen, dass sie nur des Nachts im Schlosse sei, und des Tags wisse niemand, wohin sie gekommen.

Als nun die Sonne untergegangen war, schlich sie sich in den Schloßgarten, setzte sich unter das Fenster der Gräfin und drehte ihr Spinnrädlein, daß es wie ein Stern durch die Nacht leuchtete. Dies aber sah die Zauberin, welche die Gemahlin des Grafen war, und trat zu der Frau und fragte sie nach dem seltsamen Spielzeug. Die Frau bot es ihr als Geschenk an, wenn sie ihr dafür eine Bitte gewähre, sie bitte nämlich, eine Nacht bei ihrem Gemahl bleiben zu dürfen. Die Frau wunderte sich darüber sehr, willigte jedoch ein; heimlich aber gab sie dem Grafen einen Schlaftrunk, so daß er die ganze Nacht nicht erwachte, und die verzweifelte Frau an seiner Seite den Morgen heranbrechen sah, wo die Zauberin sie abholte. Den nächsten Abend saß die Frau wieder vor dem Schloß und drehte ihr goldnes Weiflein; die Zauberin kam wieder und mußte ihr dieselbe Bitte gewähren. Diesmal hatte sie’s versehen und ihrem Mann den Schlaftrunk nicht stark genug gemischt; ehe der Morgen anbrach, erwachte er daher, wunderte sich, die abgemagerte, verkümmerte Frau neben sich zu finden, die nun vor ihm ihr ganzes Herz ausschüttete. Da ergriff den Grafen eine namenlose Sehnsucht nach seinen Kindern und versprach ihr, sie wieder als Gattin anzuerkennen. Dann stellte er sich schlafend, als die Fee kam und die Frau von dannen führte. Der Fee aber erzählte er, er habe einen sonderbaren Traum gehabt. Ein Mann habe irrtümlich seine Frau verstoßen und eine andere gefreit; die erste aber habe ihn aufgesucht. Was der Gatte nun tun solle, wenn sie ihn gefunden? „Dann muß er sich von der zweiten scheiden und zu der Treuen zurückkehren!“ sprach die Fee. – „Du hast dein Urteil gesprochen“, antwortete der Graf und erzählte ihr alles, was geschehen war. Da trennte die Fee sich schmerzlich von ihm. Der Graf aber kehrte mit der treuen Gattin in die Heimat zurück, nachdem er seine Knäblein ausgelöst. Die böse Mutter durfte ihm nicht wieder vor’s Antlitz kommen; die Gattin dagegen hielt er lieb und wert; den mitleidigen Bedienten belohnte er reich. Die Knaben mit den goldenen Sternlein wuchsen heran zu der Eltern Freude und wurden später wackere Kriegshelden, die viele Schlachten schlugen und gewannen.

Ludwig Bechstein

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