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Es war einmal eine alte, alte walachische Frau, die hatte einen Enkel, der hieß Hans, der machte allerlei dumme Streiche und Possen, und die Leute im Dorf nannten ihn nur schlechtweg den dummen Hans, und wer ihm einen Schabernack spielen konnte, der tat es, denn es gab dann immer etwas zum Lachen, doch das alles mußte dann teuer bezahlt werden, wie unser Märchen zeigt.
Von seinem Vater hatte Hans ein steinernes Haus geerbt, in dem war nur das hintere Zimmer bewohnbar, das vordere war verfallen und hatte keine Fenster und keine Türen, und so wurde es nicht nur von Hunden, sondern auch von mutwilligen Jungen und Nachbarn ganz verunreinigt. Das sah nun der dumme Hans und lachte darüber, und wenn ihn die Leute ärgerten, sagte er: »Der Mist soll mir noch viel Geld eintragen!«
Eines Tages nahm er seinen Wagen, spannte seine beiden Kühe an und fuhr vor sein Haus. In ein Faß mit eisernen Reifen brachte er den ganzen Unrat aus dem verfallenen Zimmer, goß Wasser darüber, schloß dann fest zu und strich das Faß von außen prächtig an und zog weit, weit fort, so daß man glaubte, er sei verschwunden. Nach hundert Tagen aber gelangte er spät abends an einen großen Edelhof. Er ging hinein, bat um Herberge, und er sagte, er komme gerade aus dem Mohrenland und hätte in dem Faß für den König das Wasser des Lebens; wer davon trinke, werde wieder jung, und so wolle der alte König noch nicht sterben, sondern wieder jung werden. Da wurde er von dem Edelmann ehrenvoll aufgenommen und bewirtet, und man gab ihm die Versicherung, es solle ihm kein Schade geschehen. Alle Diener des Hauses mußten in der Nacht Wache stehen. Sie hatten aber gehört, was der Fremde von dem Wasser des Lebens mit seinem Herrn gesprochen hatte, und es wässerte ihnen den Mund nach dem zaubertrank, und auch dem Edelmann ließ es keine Ruhe. Er gab daher den Dienern den Auftrag, das Faß zu öffnen und ein wenig zu schöpfen. Es war aber das Faß so fest verschlossen, daß die Diener nur mit großer Mühe das ganze Spundholz herausziehen konnten. Kaum war das geschehen, so wären fast alle beinahe davongelaufen, denn es kam ihnen ein so bekannter widerlicher Geruch in die Nase, daß sie es fast nicht aushalten konnten. Doch was tut der Mensch nicht, um nur wieder jung zu werden, wenn er eine Möglichkeit sieht. So schöpften sie denn aus dem Schaff, in das sie ein wenig herausgelassen hatten, und tranken mutig und beherzt, trugen ein Glas voll zu ihrem Herrn, machten darauf das Faß zu und suchten alle Spuren zu verwischen. Als am frühen Morgen der Fremde in den Hof kam und alles untersuchte und es so vorfand, wie er’s sich gedacht hatte, nämlich sein Faß erbrochen, so ging er zornig zum Edelmann und sprach: »Wehe! Verruchte Hände haben in der Nacht das Faß geöffnet, und unter dem Frevel hat sich das Wasser des Lebens schrecklich verwandelt! Was wird Euch der König jetzt tun!« Da fiel der Edelmann vor ihm auf die Knie und bat, er soll doch schweigen, er werde ihm so viel Geld geben, daß er sich wieder neues Wasser des Lebens beschaffen kann. Da ließ sich der dumme Hans erweichen, nahm das viele Geld, das ihm der Edelmann ungezählt gab, und kehrte heim. Als er da ankam, versammelten sich die Leute im Dorf neugierig um ihn, und er erzählte und zeigte ihnen, wieviel Geld er für den Mist in der Stadt bekommen habe. In den nächsten Tagen hatten alle, die nur Wagen und Kühe hatten, je ein oder zwei Faß mit demselben Stoff gefüllt, und wem der eigene nicht hinreichte, der suchte auf Gassen und Straßen alles zusammen, und in kurzem war das ganze Dorf so rein gefegt, daß man in dem verborgenen Winkel um teures Geld nicht einen einzigen unberufenen Wächter hätte auffinden können. Die Fässer strichen sie auch alle rot an, so wie es der dumme Hans gemacht hatte, und da man niemandem einen Vorsprung und größeren Vorteil gönnte, wurde beschlossen, daß die ganze Gemeinde zusammen in die Stadt fahren und alle zum gleichen Preis verkaufen sollten. Es war ein großer Aufzug, als etwa zweihundert Wagen mit den angestrichenen Fässern in die Stadt einfuhren und auf dem großen Marktplatz in einer Reihe sich aufstellten. Die Städter liefen neugierig zusammen, und der große Rat, an der Spitze der Bürgermeister, begaben sich auch hin, um zu erfragen, was das gäbe. Als sie an die Reihe kamen, fragte der Bürgermeister, was sie denn in den schönen Fässern zu verkaufen hätten. Da antwortete der erste: »Mit Verlaub, Herr Bürgermeister, was so unangenehm riecht und was man hier so gut bezahlt!« Der Bürgermeister konnte aus den Reden nicht klug werden und dachte, das müsse ein morgenländischer Trank sein. Er steckte daher seinen Finger in die Kufe und kostete. Aber ihr hättet das mörderisch verdrießliche Gesicht sehen sollen, und wie der Bürgermeister spuckte, nachdem er ein wenig mit der Zunge geleckt hatte. »Ätsch! Das ist ja reine Mistjauche!« Der Rat hatte hierauf nicht Lust zu kosten, sondern die einzelnen Ratsväter fragten nur fort die ganze Reihe entlang, was sie hätten, und sie erhielten alle die Antwort: »Was stinkt und was man hier so gut bezahlt!« Da wurden der Bürgermeister und der weise Rat fast außer sich, daß man sie so zum besten haben wollte, und man beschloß, die Frevler zu strafen. Vergebens entschuldigten sie sich und sprachen, der dumme Hans habe sie dazu verleitet; jeder erhielt fünfundzwanzig Rutenstreiche aufgemessen, und dann wurden sie mit einer ernsten Verwarnung entlassen.
Als sie jetzt heimkamen, fielen sie alle über den dummen Hans her und luden die Schläge, die sie bekommen, auf ihn ab, seine Kühe aber schlugen sie tot. Nach kurzer Zeit kamen alle Hunde aus dem Dorf über die toten Kühe und fraßen wie auf der Hochzeit. Hans aber stand von weitem und rief: »Gut, fresset nur, aber das sage ich euch, ihr müßt sie mir bezahlen!« Die Leute, die das hörten, lachten hell auf. Kaum hatten die Hunde aber alles Fleisch gefressen und die Knochen benagt, so kam der dumme Hans mit einem Stock und wollte sie eintreiben in sein verfallenes Vorzimmer, aber die meisten Hunde sprangen leicht davon, nur ein alter Fleischerhund und ein kleiner Mops konnten ihm nicht entgehen. Er trieb sie hinein, verrammelte dann hinter sich die Tür mit Brettern und wandte sich darauf zu den Hunden und sprach: »Wollt ihr jetzt zahlen mit gutem!?« Aber die beiden Hunde liefen ängstlich umher und heulten: »Hau, hau!«
»Nein, nein!?« schrie Hans und fing gleich an, auf sie einzuschlagen. Der Fleischerhund nahm alle seine Kraft zusammen, um zu der hohen Fensteröffnung hinauszuspringen, und es gelang ihm endlich. Der kleine Mops mühte sich aber vergebens, er kam nicht einmal bis zur Hälfte hinan. Durch das häufige Anspringen an die Mauer fielen aber, da ohnehin alles locker war, Mörtel und Steine herunter, und zuletzt löste sich ein Stück der Wand. Dahinter ward ein großer Kessel sichtbar. »Ach, du Kleiner, bist doch ehrlich und willst zahlen, nun gut!« Damit half er ihm beim nächsten Sprung zum Fenster hinaus. Der dumme Hans nahm sogleich den Schatz, der in der Mauer verborgen gewesen, und trat vor die Leute und zeigte ihnen den Kessel mit den Gold- und Silberstücken. Da fragten sie ihn, wie er dazu komme. »Das ist der Erlös«, sprach er, »für das Fleisch, den ich von den Hunden bekommen habe, einer hat für alle bezahlt!« Da sie alles mit eigenen Augen gesehen hatten, so glaubten sie es.
In kurzer Zeit waren im Dorf keine Kühe und Rinder mehr, denn alle wurden geschlachtet und den Hunden vorgeworfen. Das war ein Leben für diese, wie sie es seit der Zeit nie mehr gehabt. Nach einigen Wochen war noch Aas in den Gassen, da die Hunde nicht so schnell alles fressen konnten.
Als der Termin kam, den man den Hunden zur Zahlung bestimmt hatte, wurden alle ins Rathaus zusammengetrieben und mit Stöcken zum Zahlen genötigt. Da sie aber nicht zahlen wollten oder konnten, so wurden alle erschlagen. Nun aber sollte es über den dummen Hans gehen. Sie hielten großen Rat und sprachen: »Solange der lebt, sind wir vor seiner Dummheit nicht sicher, laßt uns ihn erschießen!« Es wurde die kommende Nacht dazu bestimmt. Der dumme Hans aber hatte von den bösen Anschlägen gehört, und wie es Abend wurde, nahm er seine Großmutter. Er dachte nämlich: »Die ist ja alt und krank und muß ohnehin bald sterben«, legte sie auf sein Bett ans Fenster, wo er zu schlafen pflegte, und gab ihr eine Schlafmütze aufs Haupt. Er aber legte sich in den Winkel auf das Bett seiner Großmutter und blieb wach und horchte. Als alles ruhig war und die Leute im Dorf schliefen, kamen auf einmal ein paar Kerle mit Pistolen bewaffnet leise in den Hof geschlichen und guckten durchs Fenster. »Ha, er ist da und schläft!« winkte der erste, indem er die Schlafmütze des Dummen sah. »Jetzt nur gut zielen!« Puff! krachten die Pistolen zugleich, und die Alte war tot. Die Verbrecher stoben wie der Wind fort. Der Dumme aber kroch aus seinem Hinterhalt hervor, wickelte seine tote Großmutter in mehrere Leintücher, zuletzt nähte er ein schwarzes Gewand über das Ganze, nahm sie auf den Rücken und ging fort, ohne daß jemand ihn sah. Am Morgen lief alles neugierig zum Haus, um zu sehen und zu hören, wie die Sache stehe. Aber wie mußten alle erstaunen, als sie weder die alte Großmutter noch den toten Hans sahen. Am Ende beruhigten sie sich, indem sie meinten, der Teufel werde gleich beide weggeführt haben.
Der dumme Hans war indessen schon weit über die Grenze und ging immer weiter fort. Am hundertsten Tag kam er gegen Abend wieder auf einen Edelhof und bat um Herberge. Er sagte, er komme geradewegs aus dem Mohrenland und bringe aus dem Zauberschloß die wunderschöne Prinzessin, die jetzt noch im hundertjährigen Schlaf liege; da aber die Zeit um sei, könne sie durch einen Kuß ins Leben gerufen werden; der sie nun küsse, werde der glücklichste Mann von der Welt, denn diesem schenke die Prinzessin ihre Hand; nun brächte er sie aber dem König, denn der sei doch der Erste im Reich und ihrer am meisten würdig. Der Edelmann versprach, die Prinzessin solle in der Nacht gehörig bewacht werden. Er schloß sie selbst in ein einsames Gemach unter Schloß und Riegel. In der Nacht aber konnte er nicht schlafen, denn er dachte immer an die schöne Prinzessin; zuletzt sprang er aus seinem Bett und sprach: »Was? Da wäre ich ein Narr, sie auszulassen; in solchen Fällen hat kein König ein Näherrecht.« Er nahm Schere und Messer und die Schlüssel zum Gemach, ging leise hin, schloß auf und trennte ganz sanft an der schwarzen Hülle die Naht und wickelte allmählich die Leintücher ab. Wie entsetzte er sich jedoch, als er auf einmal ein altes, von Blut und Wunden entstelltes Gesicht sah. Schnell wandte er sich ab, wickelte alles wieder zusammen, brachte Nadel und Zwirn und nähte zu. Doch konnte er nicht alles so machen, wie es gewesen. »Wie würdest du dich rächen«, dachte er, »wenn du damit nicht deine Treulosigkeit an den Tag legen solltest!« Am frühen Morgen forderte der Dumme sein anvertrautes Kleinod heraus. Als der Leichnam herausgebracht wurde, sah er gleich daran, daß nicht alles richtig war. »Wehe!« rief er, »was ist geschehen! Ein Unberufener hat das Tuch geöffnet, und gewiß ist die Prinzessin sogleich wieder zurückversetzt worden ins Mohrenland, dafür aber ein gewöhnlicher Leichnam im Tuch.« Damit nahm er sein Messer und trennte auf, um sich zu überzeugen. »So ist es, wie ich vermutete. Das wird der König nicht ungestraft lassen!« Da fiel der Edelmann auf die Knie und bat, er solle nur schweigen, er werde ihm so viel Geld geben, daß er die Reise wieder zurückmachen könne. »Nun, Euch zuliebe will ich es darum tun«, sprach der dumme Hans, »doch wisset, diesen Leichnam müßt Ihr mir zuvor ehrenvoll begraben, solange ich noch hier bin!« Das geschah, und er freute sich, daß seine Großmutter noch schön begraben wurde. Dann nahm er das Geld und kehrte heim. Die Leute trauten nicht recht, als sie ihn sahen. Allein da er ihnen erzählte, wie er von ihrem Plan gehört, aber dann seine Großmutter vor das Fenster gelegt habe und diese von ihnen erschossen worden, wie er sie dann sogleich auf den Rücken genommen und in die große Stadt zum Verkauf getragen habe, und als er ihnen nun noch die großen Schätze zeigte, die er mitgebracht, da mußten sie es glauben, denn seine früheren Schätze hatten sie ihm entwendet. Nun kam das ganze Dorf zusammen und hielt geheimen Rat, und die Habgier trieb sie zu dem Beschluß, ihre alten Großmütter umzubringen. Das geschah denn auch, und am folgenden Tag waren an fünfzig junge Leute auf dem Weg nach der Stadt und trugen ihre Großmütter wohl eingewickelt auf dem Rücken.
Als sie da anlangten, war alles Volk neugierig, was sie zum Verkauf anzubieten hätten, und sammelten sich um sie herum. Sie aber stellten sich auf den großen Marktplatz in eine Reihe. Als man sie nun nacheinander fragte, was sie zu verkaufen hätten, und einer wie der andere die Antwort gab: »Meine alte Großmutter«, da ließ der Rat sie alle einsperren. Als man die Sache untersuchte und sie dabei noch erzählten, daß sie ihre Großmütter, freilich durch den dummen Hans verleitet, selbst umgebracht hätten, da wurden sie alle zum Galgen verdammt. Allein da man in Erwägung zog, daß das Gemeinwesen fünfzig Seelen schwer verliere und daß sie die böse Tat ja nicht ganz aus eigenem Antrieb getan, so wurden sie auf hundert Rutenstreiche begnadigt, welche ihnen auch unverkürzt sogleich ausgezahlt wurden. Nachdem sie ihre Großmütter in der Stadt ordentlich begraben hatten, zogen sie heim voll Wut gegen den dummen Hans. Zu Hause erzählten sie, wie es ihnen ergangen, und alle Leute im Dorf nahmen sich ihrer an, und man beschloß einstimmig, den dummen Hans ganz öffentlich aus der Welt zu schaffen, damit man endlich vor seiner Dummheit Ruhe habe. Der arme Sünder wurde auf der Stelle herbeigeschleppt, und man kam überein, ihn sogleich in einen Sack zu binden und zu ersäufen. Das war bald geschehen, und sie trugen ihn im Sack schon auf der Brücke, von der er hinabgeworfen werden sollte. »Halt!« rief der Pope, als man angelangt war, »zu einer so ernsten Sache gehört eine Vorbereitung, legt den Sack erst nieder und folgt mir zuvor in die Kirche.«
»Ja, Herr Pfarrer, so ist es recht!« rief der Dorfshann und trieb alle Leute von der Brücke und folgte selbst nach. Manche gingen in die rechte Kirche, aber die meisten lenkten ihre Schritte in die Kirche, zu der man mit Gläsern läutet, und manche tranken sich, wie sie gewohnt waren, einen Rausch an.
Indes aber alle in der Kirche oder im Wirtshaus waren, kam ein Edelmann in einer Kutsche mit vier schönen Hengsten dahergefahren. Er sah den Sack auf der Brücke liegen und hörte daraus eine menschliche Stimme. Er bat anhalten und fragte: »Was ist das?«
»Ach!« sprach der Dumme, »ich will durchaus nicht Bürgermeister sein, und so wollen mich die Leute ersäufen!«
Der Edelmann war etwas einfältig, aber dabei stolz und ehrgeizig, und er hätte bisher, was weiß ich, schon gerne alles darum gegeben, um nur ein kleines Amt zu erlangen. Das kam ihm jetzt gerade gut, und er sagte: »Freund, wenn es nur das ist, so kann dir geholfen werden. Laß mich in den Sack, ich will schon Bürgermeister sein, und nimm du meine Kutsche und mein Landgut, das hundert Meilen von hier liegt!«
»Von Herzen gern!« sprach der dumme Hans. Der Edelmann sprang ab und band den Sack auf. Hans kroch heraus, er hinein, und der Sack wurde wieder fest zugebunden. Der dumme Hans setzte sich auf, und hast du nicht gesehen! war er über alle Berge. Bald kamen die Leute aus der Kirche und dem Wirtshaus und waren guten Mutes. Als sie aber auf die Brücke gelangten, rief der Edelmann immerfort aus dem Sack: »Ich will sein Bürgermeister! Ich will sein Bürgermeister!«
»Na, hört nur, hört!« riefen alle voll Zorn, »der will jetzt noch unser Bürgermeister werden, gleich sollst du es sein!« Damit hoben vier oder fünf schnell den Sack, und plumps! lag er im Wasser und versank und wurde nicht mehr gesehen.
»Jetzt werden wir doch Ruhe haben!« sprachen sie im Nachhausegehen, »der wird uns nicht mehr narren.« Und schon fing man an, den dummen Hans zu vergessen. Siehe, da kam auf einmal eine schöne Kalesche mit vier Pferden dahergefahren, und hinter der Kalesche trieb man eine Menge Vieh, Pferde, Schafe und Rinder. Als alles jenseits der Brücke vom Dorf angelangt war, stieg der dumme Hans aus. Alle Leute im Dorf grüßten ihn ehrerbietig. Da sprach er endlich zu einem, der ihn genauer ansah: »Kennt Ihr mich denn nicht mehr, Nachbar?«
»Ei, wie sollte ich dich denn nicht kennen, du bist ja der dumme Hans, den wir vor mehreren Wochen ersäuft haben. Aber wie zum blauen Teufel bist du aus der Hölle entlaufen?«
»Das will ich Euch gleich erzählen!« Indem hatte das ganze Dorf sich um ihn versammelt und staunte ihn an wie ein Meerwunder oder wie einen, der von den Toten auferstanden ist. Hans aber fing an zu erzählen: »Als ich in das Wasser hinunterkam, da sank ich zuerst tief, tief durch das Dunkle hinab, an den greulichen Seeottern und den Wasserjungfern vorbei; sie taten mir aber nichts. Da wurde es mit einem Mal heller und immer heller, bis ich endlich eine große Wiese sah, wo sehr viele Pferde und Rinder und Schafe weideten, aber nirgends war ein Mensch zu entdecken. Deshalb machte ich mich zum Herrn der Tiere und ließ es mir da wohlgefallen. Aber mit der Zeit wurde es mir denn doch zu einsam. Ich fand in einem alten Schuppen mehrere Kaleschen, nahm die schönste, spannte vier Pferde vor, nahm nun auch Pferde, Rinder und Schafe, so viel ich fortbringen konnte, und brachte sie auf der anderen Seite der Welt, wo ein Ausgang sich findet, heraus, dingte mir da gleich einige Knechte und kam so wieder hierher, um in meiner Heimat zu sterben.«
Alle verwunderten sich sehr bei dieser Erzählung, und wie Hans fertig war, fragten alle zugleich: »Ist denn da unten noch etwas zu finden?«
»Noch genug!« sprach Hans, »Pferde, Rinder, Schafe und Kaleschen! Wenn ihr’s nicht glaubt, so seht nur ins Wasser!« Damit führte er sie auf die Brücke. Er hatte aber seine Kalesche und Herde am Ufer so halten lassen, daß sie sich im Wasser spiegelten. »Seht da unten, wie es noch wimmelt!« Der Pope setzte seinen Augenspiegel auf und sah hinein. »Ja, wahrlich, es ist so! Ich hätte es nicht geglaubt!«
»Liebe Brüder«, sprach er, »lasset uns alle hinab; unsere Frauen und Kinder bleiben indessen daheim, bis wir kommen. Soviel aber, glaube ich, gebührt mir voraus, daß ich zuerst hinunter und mir das Beste von jeder Gattung auswähle, dann mögt ihr auch alle kommen und euch in das übrige teilen!«
»Ja, ja, Herr Vater, so ist es recht!«
»Noch eines!« rief der dumme Hans, »Streit darf um nichts stattfinden; ihr müßt in Eintracht euch in alles teilen, sonst kehrt ihr nicht zurück!«
»Ja, ja, wir wollen’s so machen!« Damit nahm der Pope von seiner Frau Abschied und sprang hinein; sein rotes Käppchen schwamm oben fort. Da rief die Frau des Popen: »Lieber Mann, lasse dich besser hinein, sonst kommst du zu spät, und es bleibt dir nichts!« Indes war er schon längst in der anderen Welt. Die anderen aber konnten auch nicht lange warten. Der Dorfshann sprang gleich hinterher, dann die Altschaft, dann alle Jünglinge; darauf ward es totenstill. Die Frauen und Kinder kehrten heim und warteten nun lang, es kam keiner zurück. Da bestürmten sie den dummen Hans und sprachen: »Was ist es, daß unsere Männer und Kinder noch immer nicht kommen; ist das Land gar so weit?«
»Ich fürchte«, sprach Hans, »sie werden nie und nimmer kommen. Denn einer wird den andern haben übervorteilen wollen, und das darf dort nicht geschehen; ich habe es ihnen gesagt, daß es so kommen werde, nun kann ich nichts dafür!« Die Frauen, ob sie wollten oder nicht, mußten sich nun zufriedengeben.
Der dumme Hans aber lebte jetzt ungestört bis an sein Ende; bei sich aber dachte er: »Wer zuletzt lacht, lacht am besten!« und lachte sich im stillen den Bauch voll.
Von seinem Vater hatte Hans ein steinernes Haus geerbt, in dem war nur das hintere Zimmer bewohnbar, das vordere war verfallen und hatte keine Fenster und keine Türen, und so wurde es nicht nur von Hunden, sondern auch von mutwilligen Jungen und Nachbarn ganz verunreinigt. Das sah nun der dumme Hans und lachte darüber, und wenn ihn die Leute ärgerten, sagte er: »Der Mist soll mir noch viel Geld eintragen!«
Eines Tages nahm er seinen Wagen, spannte seine beiden Kühe an und fuhr vor sein Haus. In ein Faß mit eisernen Reifen brachte er den ganzen Unrat aus dem verfallenen Zimmer, goß Wasser darüber, schloß dann fest zu und strich das Faß von außen prächtig an und zog weit, weit fort, so daß man glaubte, er sei verschwunden. Nach hundert Tagen aber gelangte er spät abends an einen großen Edelhof. Er ging hinein, bat um Herberge, und er sagte, er komme gerade aus dem Mohrenland und hätte in dem Faß für den König das Wasser des Lebens; wer davon trinke, werde wieder jung, und so wolle der alte König noch nicht sterben, sondern wieder jung werden. Da wurde er von dem Edelmann ehrenvoll aufgenommen und bewirtet, und man gab ihm die Versicherung, es solle ihm kein Schade geschehen. Alle Diener des Hauses mußten in der Nacht Wache stehen. Sie hatten aber gehört, was der Fremde von dem Wasser des Lebens mit seinem Herrn gesprochen hatte, und es wässerte ihnen den Mund nach dem zaubertrank, und auch dem Edelmann ließ es keine Ruhe. Er gab daher den Dienern den Auftrag, das Faß zu öffnen und ein wenig zu schöpfen. Es war aber das Faß so fest verschlossen, daß die Diener nur mit großer Mühe das ganze Spundholz herausziehen konnten. Kaum war das geschehen, so wären fast alle beinahe davongelaufen, denn es kam ihnen ein so bekannter widerlicher Geruch in die Nase, daß sie es fast nicht aushalten konnten. Doch was tut der Mensch nicht, um nur wieder jung zu werden, wenn er eine Möglichkeit sieht. So schöpften sie denn aus dem Schaff, in das sie ein wenig herausgelassen hatten, und tranken mutig und beherzt, trugen ein Glas voll zu ihrem Herrn, machten darauf das Faß zu und suchten alle Spuren zu verwischen. Als am frühen Morgen der Fremde in den Hof kam und alles untersuchte und es so vorfand, wie er’s sich gedacht hatte, nämlich sein Faß erbrochen, so ging er zornig zum Edelmann und sprach: »Wehe! Verruchte Hände haben in der Nacht das Faß geöffnet, und unter dem Frevel hat sich das Wasser des Lebens schrecklich verwandelt! Was wird Euch der König jetzt tun!« Da fiel der Edelmann vor ihm auf die Knie und bat, er soll doch schweigen, er werde ihm so viel Geld geben, daß er sich wieder neues Wasser des Lebens beschaffen kann. Da ließ sich der dumme Hans erweichen, nahm das viele Geld, das ihm der Edelmann ungezählt gab, und kehrte heim. Als er da ankam, versammelten sich die Leute im Dorf neugierig um ihn, und er erzählte und zeigte ihnen, wieviel Geld er für den Mist in der Stadt bekommen habe. In den nächsten Tagen hatten alle, die nur Wagen und Kühe hatten, je ein oder zwei Faß mit demselben Stoff gefüllt, und wem der eigene nicht hinreichte, der suchte auf Gassen und Straßen alles zusammen, und in kurzem war das ganze Dorf so rein gefegt, daß man in dem verborgenen Winkel um teures Geld nicht einen einzigen unberufenen Wächter hätte auffinden können. Die Fässer strichen sie auch alle rot an, so wie es der dumme Hans gemacht hatte, und da man niemandem einen Vorsprung und größeren Vorteil gönnte, wurde beschlossen, daß die ganze Gemeinde zusammen in die Stadt fahren und alle zum gleichen Preis verkaufen sollten. Es war ein großer Aufzug, als etwa zweihundert Wagen mit den angestrichenen Fässern in die Stadt einfuhren und auf dem großen Marktplatz in einer Reihe sich aufstellten. Die Städter liefen neugierig zusammen, und der große Rat, an der Spitze der Bürgermeister, begaben sich auch hin, um zu erfragen, was das gäbe. Als sie an die Reihe kamen, fragte der Bürgermeister, was sie denn in den schönen Fässern zu verkaufen hätten. Da antwortete der erste: »Mit Verlaub, Herr Bürgermeister, was so unangenehm riecht und was man hier so gut bezahlt!« Der Bürgermeister konnte aus den Reden nicht klug werden und dachte, das müsse ein morgenländischer Trank sein. Er steckte daher seinen Finger in die Kufe und kostete. Aber ihr hättet das mörderisch verdrießliche Gesicht sehen sollen, und wie der Bürgermeister spuckte, nachdem er ein wenig mit der Zunge geleckt hatte. »Ätsch! Das ist ja reine Mistjauche!« Der Rat hatte hierauf nicht Lust zu kosten, sondern die einzelnen Ratsväter fragten nur fort die ganze Reihe entlang, was sie hätten, und sie erhielten alle die Antwort: »Was stinkt und was man hier so gut bezahlt!« Da wurden der Bürgermeister und der weise Rat fast außer sich, daß man sie so zum besten haben wollte, und man beschloß, die Frevler zu strafen. Vergebens entschuldigten sie sich und sprachen, der dumme Hans habe sie dazu verleitet; jeder erhielt fünfundzwanzig Rutenstreiche aufgemessen, und dann wurden sie mit einer ernsten Verwarnung entlassen.
Als sie jetzt heimkamen, fielen sie alle über den dummen Hans her und luden die Schläge, die sie bekommen, auf ihn ab, seine Kühe aber schlugen sie tot. Nach kurzer Zeit kamen alle Hunde aus dem Dorf über die toten Kühe und fraßen wie auf der Hochzeit. Hans aber stand von weitem und rief: »Gut, fresset nur, aber das sage ich euch, ihr müßt sie mir bezahlen!« Die Leute, die das hörten, lachten hell auf. Kaum hatten die Hunde aber alles Fleisch gefressen und die Knochen benagt, so kam der dumme Hans mit einem Stock und wollte sie eintreiben in sein verfallenes Vorzimmer, aber die meisten Hunde sprangen leicht davon, nur ein alter Fleischerhund und ein kleiner Mops konnten ihm nicht entgehen. Er trieb sie hinein, verrammelte dann hinter sich die Tür mit Brettern und wandte sich darauf zu den Hunden und sprach: »Wollt ihr jetzt zahlen mit gutem!?« Aber die beiden Hunde liefen ängstlich umher und heulten: »Hau, hau!«
»Nein, nein!?« schrie Hans und fing gleich an, auf sie einzuschlagen. Der Fleischerhund nahm alle seine Kraft zusammen, um zu der hohen Fensteröffnung hinauszuspringen, und es gelang ihm endlich. Der kleine Mops mühte sich aber vergebens, er kam nicht einmal bis zur Hälfte hinan. Durch das häufige Anspringen an die Mauer fielen aber, da ohnehin alles locker war, Mörtel und Steine herunter, und zuletzt löste sich ein Stück der Wand. Dahinter ward ein großer Kessel sichtbar. »Ach, du Kleiner, bist doch ehrlich und willst zahlen, nun gut!« Damit half er ihm beim nächsten Sprung zum Fenster hinaus. Der dumme Hans nahm sogleich den Schatz, der in der Mauer verborgen gewesen, und trat vor die Leute und zeigte ihnen den Kessel mit den Gold- und Silberstücken. Da fragten sie ihn, wie er dazu komme. »Das ist der Erlös«, sprach er, »für das Fleisch, den ich von den Hunden bekommen habe, einer hat für alle bezahlt!« Da sie alles mit eigenen Augen gesehen hatten, so glaubten sie es.
In kurzer Zeit waren im Dorf keine Kühe und Rinder mehr, denn alle wurden geschlachtet und den Hunden vorgeworfen. Das war ein Leben für diese, wie sie es seit der Zeit nie mehr gehabt. Nach einigen Wochen war noch Aas in den Gassen, da die Hunde nicht so schnell alles fressen konnten.
Als der Termin kam, den man den Hunden zur Zahlung bestimmt hatte, wurden alle ins Rathaus zusammengetrieben und mit Stöcken zum Zahlen genötigt. Da sie aber nicht zahlen wollten oder konnten, so wurden alle erschlagen. Nun aber sollte es über den dummen Hans gehen. Sie hielten großen Rat und sprachen: »Solange der lebt, sind wir vor seiner Dummheit nicht sicher, laßt uns ihn erschießen!« Es wurde die kommende Nacht dazu bestimmt. Der dumme Hans aber hatte von den bösen Anschlägen gehört, und wie es Abend wurde, nahm er seine Großmutter. Er dachte nämlich: »Die ist ja alt und krank und muß ohnehin bald sterben«, legte sie auf sein Bett ans Fenster, wo er zu schlafen pflegte, und gab ihr eine Schlafmütze aufs Haupt. Er aber legte sich in den Winkel auf das Bett seiner Großmutter und blieb wach und horchte. Als alles ruhig war und die Leute im Dorf schliefen, kamen auf einmal ein paar Kerle mit Pistolen bewaffnet leise in den Hof geschlichen und guckten durchs Fenster. »Ha, er ist da und schläft!« winkte der erste, indem er die Schlafmütze des Dummen sah. »Jetzt nur gut zielen!« Puff! krachten die Pistolen zugleich, und die Alte war tot. Die Verbrecher stoben wie der Wind fort. Der Dumme aber kroch aus seinem Hinterhalt hervor, wickelte seine tote Großmutter in mehrere Leintücher, zuletzt nähte er ein schwarzes Gewand über das Ganze, nahm sie auf den Rücken und ging fort, ohne daß jemand ihn sah. Am Morgen lief alles neugierig zum Haus, um zu sehen und zu hören, wie die Sache stehe. Aber wie mußten alle erstaunen, als sie weder die alte Großmutter noch den toten Hans sahen. Am Ende beruhigten sie sich, indem sie meinten, der Teufel werde gleich beide weggeführt haben.
Der dumme Hans war indessen schon weit über die Grenze und ging immer weiter fort. Am hundertsten Tag kam er gegen Abend wieder auf einen Edelhof und bat um Herberge. Er sagte, er komme geradewegs aus dem Mohrenland und bringe aus dem Zauberschloß die wunderschöne Prinzessin, die jetzt noch im hundertjährigen Schlaf liege; da aber die Zeit um sei, könne sie durch einen Kuß ins Leben gerufen werden; der sie nun küsse, werde der glücklichste Mann von der Welt, denn diesem schenke die Prinzessin ihre Hand; nun brächte er sie aber dem König, denn der sei doch der Erste im Reich und ihrer am meisten würdig. Der Edelmann versprach, die Prinzessin solle in der Nacht gehörig bewacht werden. Er schloß sie selbst in ein einsames Gemach unter Schloß und Riegel. In der Nacht aber konnte er nicht schlafen, denn er dachte immer an die schöne Prinzessin; zuletzt sprang er aus seinem Bett und sprach: »Was? Da wäre ich ein Narr, sie auszulassen; in solchen Fällen hat kein König ein Näherrecht.« Er nahm Schere und Messer und die Schlüssel zum Gemach, ging leise hin, schloß auf und trennte ganz sanft an der schwarzen Hülle die Naht und wickelte allmählich die Leintücher ab. Wie entsetzte er sich jedoch, als er auf einmal ein altes, von Blut und Wunden entstelltes Gesicht sah. Schnell wandte er sich ab, wickelte alles wieder zusammen, brachte Nadel und Zwirn und nähte zu. Doch konnte er nicht alles so machen, wie es gewesen. »Wie würdest du dich rächen«, dachte er, »wenn du damit nicht deine Treulosigkeit an den Tag legen solltest!« Am frühen Morgen forderte der Dumme sein anvertrautes Kleinod heraus. Als der Leichnam herausgebracht wurde, sah er gleich daran, daß nicht alles richtig war. »Wehe!« rief er, »was ist geschehen! Ein Unberufener hat das Tuch geöffnet, und gewiß ist die Prinzessin sogleich wieder zurückversetzt worden ins Mohrenland, dafür aber ein gewöhnlicher Leichnam im Tuch.« Damit nahm er sein Messer und trennte auf, um sich zu überzeugen. »So ist es, wie ich vermutete. Das wird der König nicht ungestraft lassen!« Da fiel der Edelmann auf die Knie und bat, er solle nur schweigen, er werde ihm so viel Geld geben, daß er die Reise wieder zurückmachen könne. »Nun, Euch zuliebe will ich es darum tun«, sprach der dumme Hans, »doch wisset, diesen Leichnam müßt Ihr mir zuvor ehrenvoll begraben, solange ich noch hier bin!« Das geschah, und er freute sich, daß seine Großmutter noch schön begraben wurde. Dann nahm er das Geld und kehrte heim. Die Leute trauten nicht recht, als sie ihn sahen. Allein da er ihnen erzählte, wie er von ihrem Plan gehört, aber dann seine Großmutter vor das Fenster gelegt habe und diese von ihnen erschossen worden, wie er sie dann sogleich auf den Rücken genommen und in die große Stadt zum Verkauf getragen habe, und als er ihnen nun noch die großen Schätze zeigte, die er mitgebracht, da mußten sie es glauben, denn seine früheren Schätze hatten sie ihm entwendet. Nun kam das ganze Dorf zusammen und hielt geheimen Rat, und die Habgier trieb sie zu dem Beschluß, ihre alten Großmütter umzubringen. Das geschah denn auch, und am folgenden Tag waren an fünfzig junge Leute auf dem Weg nach der Stadt und trugen ihre Großmütter wohl eingewickelt auf dem Rücken.
Als sie da anlangten, war alles Volk neugierig, was sie zum Verkauf anzubieten hätten, und sammelten sich um sie herum. Sie aber stellten sich auf den großen Marktplatz in eine Reihe. Als man sie nun nacheinander fragte, was sie zu verkaufen hätten, und einer wie der andere die Antwort gab: »Meine alte Großmutter«, da ließ der Rat sie alle einsperren. Als man die Sache untersuchte und sie dabei noch erzählten, daß sie ihre Großmütter, freilich durch den dummen Hans verleitet, selbst umgebracht hätten, da wurden sie alle zum Galgen verdammt. Allein da man in Erwägung zog, daß das Gemeinwesen fünfzig Seelen schwer verliere und daß sie die böse Tat ja nicht ganz aus eigenem Antrieb getan, so wurden sie auf hundert Rutenstreiche begnadigt, welche ihnen auch unverkürzt sogleich ausgezahlt wurden. Nachdem sie ihre Großmütter in der Stadt ordentlich begraben hatten, zogen sie heim voll Wut gegen den dummen Hans. Zu Hause erzählten sie, wie es ihnen ergangen, und alle Leute im Dorf nahmen sich ihrer an, und man beschloß einstimmig, den dummen Hans ganz öffentlich aus der Welt zu schaffen, damit man endlich vor seiner Dummheit Ruhe habe. Der arme Sünder wurde auf der Stelle herbeigeschleppt, und man kam überein, ihn sogleich in einen Sack zu binden und zu ersäufen. Das war bald geschehen, und sie trugen ihn im Sack schon auf der Brücke, von der er hinabgeworfen werden sollte. »Halt!« rief der Pope, als man angelangt war, »zu einer so ernsten Sache gehört eine Vorbereitung, legt den Sack erst nieder und folgt mir zuvor in die Kirche.«
»Ja, Herr Pfarrer, so ist es recht!« rief der Dorfshann und trieb alle Leute von der Brücke und folgte selbst nach. Manche gingen in die rechte Kirche, aber die meisten lenkten ihre Schritte in die Kirche, zu der man mit Gläsern läutet, und manche tranken sich, wie sie gewohnt waren, einen Rausch an.
Indes aber alle in der Kirche oder im Wirtshaus waren, kam ein Edelmann in einer Kutsche mit vier schönen Hengsten dahergefahren. Er sah den Sack auf der Brücke liegen und hörte daraus eine menschliche Stimme. Er bat anhalten und fragte: »Was ist das?«
»Ach!« sprach der Dumme, »ich will durchaus nicht Bürgermeister sein, und so wollen mich die Leute ersäufen!«
Der Edelmann war etwas einfältig, aber dabei stolz und ehrgeizig, und er hätte bisher, was weiß ich, schon gerne alles darum gegeben, um nur ein kleines Amt zu erlangen. Das kam ihm jetzt gerade gut, und er sagte: »Freund, wenn es nur das ist, so kann dir geholfen werden. Laß mich in den Sack, ich will schon Bürgermeister sein, und nimm du meine Kutsche und mein Landgut, das hundert Meilen von hier liegt!«
»Von Herzen gern!« sprach der dumme Hans. Der Edelmann sprang ab und band den Sack auf. Hans kroch heraus, er hinein, und der Sack wurde wieder fest zugebunden. Der dumme Hans setzte sich auf, und hast du nicht gesehen! war er über alle Berge. Bald kamen die Leute aus der Kirche und dem Wirtshaus und waren guten Mutes. Als sie aber auf die Brücke gelangten, rief der Edelmann immerfort aus dem Sack: »Ich will sein Bürgermeister! Ich will sein Bürgermeister!«
»Na, hört nur, hört!« riefen alle voll Zorn, »der will jetzt noch unser Bürgermeister werden, gleich sollst du es sein!« Damit hoben vier oder fünf schnell den Sack, und plumps! lag er im Wasser und versank und wurde nicht mehr gesehen.
»Jetzt werden wir doch Ruhe haben!« sprachen sie im Nachhausegehen, »der wird uns nicht mehr narren.« Und schon fing man an, den dummen Hans zu vergessen. Siehe, da kam auf einmal eine schöne Kalesche mit vier Pferden dahergefahren, und hinter der Kalesche trieb man eine Menge Vieh, Pferde, Schafe und Rinder. Als alles jenseits der Brücke vom Dorf angelangt war, stieg der dumme Hans aus. Alle Leute im Dorf grüßten ihn ehrerbietig. Da sprach er endlich zu einem, der ihn genauer ansah: »Kennt Ihr mich denn nicht mehr, Nachbar?«
»Ei, wie sollte ich dich denn nicht kennen, du bist ja der dumme Hans, den wir vor mehreren Wochen ersäuft haben. Aber wie zum blauen Teufel bist du aus der Hölle entlaufen?«
»Das will ich Euch gleich erzählen!« Indem hatte das ganze Dorf sich um ihn versammelt und staunte ihn an wie ein Meerwunder oder wie einen, der von den Toten auferstanden ist. Hans aber fing an zu erzählen: »Als ich in das Wasser hinunterkam, da sank ich zuerst tief, tief durch das Dunkle hinab, an den greulichen Seeottern und den Wasserjungfern vorbei; sie taten mir aber nichts. Da wurde es mit einem Mal heller und immer heller, bis ich endlich eine große Wiese sah, wo sehr viele Pferde und Rinder und Schafe weideten, aber nirgends war ein Mensch zu entdecken. Deshalb machte ich mich zum Herrn der Tiere und ließ es mir da wohlgefallen. Aber mit der Zeit wurde es mir denn doch zu einsam. Ich fand in einem alten Schuppen mehrere Kaleschen, nahm die schönste, spannte vier Pferde vor, nahm nun auch Pferde, Rinder und Schafe, so viel ich fortbringen konnte, und brachte sie auf der anderen Seite der Welt, wo ein Ausgang sich findet, heraus, dingte mir da gleich einige Knechte und kam so wieder hierher, um in meiner Heimat zu sterben.«
Alle verwunderten sich sehr bei dieser Erzählung, und wie Hans fertig war, fragten alle zugleich: »Ist denn da unten noch etwas zu finden?«
»Noch genug!« sprach Hans, »Pferde, Rinder, Schafe und Kaleschen! Wenn ihr’s nicht glaubt, so seht nur ins Wasser!« Damit führte er sie auf die Brücke. Er hatte aber seine Kalesche und Herde am Ufer so halten lassen, daß sie sich im Wasser spiegelten. »Seht da unten, wie es noch wimmelt!« Der Pope setzte seinen Augenspiegel auf und sah hinein. »Ja, wahrlich, es ist so! Ich hätte es nicht geglaubt!«
»Liebe Brüder«, sprach er, »lasset uns alle hinab; unsere Frauen und Kinder bleiben indessen daheim, bis wir kommen. Soviel aber, glaube ich, gebührt mir voraus, daß ich zuerst hinunter und mir das Beste von jeder Gattung auswähle, dann mögt ihr auch alle kommen und euch in das übrige teilen!«
»Ja, ja, Herr Vater, so ist es recht!«
»Noch eines!« rief der dumme Hans, »Streit darf um nichts stattfinden; ihr müßt in Eintracht euch in alles teilen, sonst kehrt ihr nicht zurück!«
»Ja, ja, wir wollen’s so machen!« Damit nahm der Pope von seiner Frau Abschied und sprang hinein; sein rotes Käppchen schwamm oben fort. Da rief die Frau des Popen: »Lieber Mann, lasse dich besser hinein, sonst kommst du zu spät, und es bleibt dir nichts!« Indes war er schon längst in der anderen Welt. Die anderen aber konnten auch nicht lange warten. Der Dorfshann sprang gleich hinterher, dann die Altschaft, dann alle Jünglinge; darauf ward es totenstill. Die Frauen und Kinder kehrten heim und warteten nun lang, es kam keiner zurück. Da bestürmten sie den dummen Hans und sprachen: »Was ist es, daß unsere Männer und Kinder noch immer nicht kommen; ist das Land gar so weit?«
»Ich fürchte«, sprach Hans, »sie werden nie und nimmer kommen. Denn einer wird den andern haben übervorteilen wollen, und das darf dort nicht geschehen; ich habe es ihnen gesagt, daß es so kommen werde, nun kann ich nichts dafür!« Die Frauen, ob sie wollten oder nicht, mußten sich nun zufriedengeben.
Der dumme Hans aber lebte jetzt ungestört bis an sein Ende; bei sich aber dachte er: »Wer zuletzt lacht, lacht am besten!« und lachte sich im stillen den Bauch voll.
[Josef Haltrich: Deutsche Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen]