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Es war einmal ein König, der baute eine so schöne Kirche, daß weit und breit keine schönere zu finden war. Da kam eines Tages ein Wandersmann aus weiter Ferne, der staunte lange über die schöne Kirche; der König ging zu ihm und fragte, wie sie ihm gefalle. Der Wandersmann sprach: »Es ist die schönste Kirche, die ich gesehen habe, und es fehlt auch nichts darin außer eins, das ist der goldne Vogel, dem Perlen aus dem Munde fallen, wenn er singt!« Da fragte der König, wo der zu finden wäre. »Das weiß ich nicht«, sprach der Wandersmann, »ich habe aber von ihm gehört!« Der König hatte nun keine Ruhe und dachte immer nur daran, wie er den goldnen Vogel bekommen könnte. Da kam der älteste von seinen drei Söhnen eines Tages zu ihm und sagte: »Vater, ich will ausziehen und den goldnen Vogel suchen.« Der König war froh, gab ihm das beste Pferd und ließ ihn ziehen; er kam bald in ein Gehölz und machte sich ein Feuer an. Da lief ein Fuchs herzu und jammerte: »Ach, wie friere ich!«
»So mache dir Feuer und wärme dich!« sprach der Königssohn und nahm sein Essen hervor. Der Fuchs rief wieder: »Ach, wie hungert mich!«
»So suche dir was und sättige dich!« sprach der Königssohn, und der Fuchs lief fort. Der Königssohn stand auf, ging weiter, verzehrte all sein Reisegut, geriet in schlechte Gesellschaft, verkaufte sein Roß, machte Schulden und verdingte sich als Knecht in ein Wirtshaus. Nach einiger Zeit machte sich auch der zweite Königssohn auf den Weg, den goldnen Vogel zu suchen. Sein Vater gab ihm auch ein stattliches Roß und sackte ihm wohl ein; es ging ihm aber grade so wie seinem ältern Bruder. Als er sich im Walde Feuer machte, kam der Fuchs auch und jammerte: »Ach, wie friere ich; ach, wie hungert mich!«
»So mache dir Feuer und wärme dich; so suche dir was und sättige dich!« sagte der Königssohn. Dann zog er weiter, geriet in schlechte Gesellschaft, brachte sich um sein Geld, verkaufte sein Roß, machte Schulden und mußte sich als Kellner in ein Wirtshaus verdingen. Da kam auch der Jüngste vor den König und sprach: »Vater, ich will ausziehen und den Vogel suchen!«
»Wo denkst du hin; wenn deine Brüder nichts ausgerichtet haben, wirst du am wenigsten etwas ausrichten.« Der Sohn ließ aber nicht nach zu bitten, und so ließ ihn der König endlich ziehen; er gab ihm aber ein schlechtes Roß und nur wenig Geld, denn er dachte: »Das ist ja doch alles verloren!« Der Knabe ritt fort; allein sein Pferd sank schon außerhalb der Stadt zusammen. Er ging jetzt zu Fuß, kam in den Wald und machte sich Feuer. Da erschien der Fuchs und rief: »Ach, wie friere ich!«
»So komm und wärme dich?« Als der Junge sein Essen hervor nahm, jammerte der Fuchs: »Ach, wie hungert mich!«
»So komme her und sättige dich!« sprach der Junge mitleidig. Der Fuchs kam zum Feuer, aß mit und schlief dann bis zum Morgen neben dem Jungen. Als dieser erwachte und fortgehen wollte, sagte der Fuchs: »Deine Brüder haben sich meiner nicht erbarmt und so haben sie auch den goldnen Vogel nicht erwerben können; weil du aber gegen mich so mitleidig warst, will ich dir guten Rat geben und beistehen. Gehe nur fort durch diesen Wald, der ist noch sieben Tage lang, dann kommst du auf eine große Wiese; am Ende der Wiese ist ein großes Schloß, dort gehe hinein, und du wirst sehen, was du zu tun hast.« Zuletzt gab er ihm noch eine silberne Flöte und sprach: »Wenn du in der höchsten Not bist und dir nicht helfen kannst, so blase darauf, und ich will kommen und dir beistehen!« Damit lief der Fuchs fort in den Wald; der Knabe aber ging weiter des Weges. Nach sieben Tagen kam er auf die Wiese und sah das Schloß; er eilte nun dahin und ging getrost hinein; da war eine schöne Jungfrau, sie weinte, als sie ihn sah, und sprach: »Wie kommst du hierher, mein Herr ist ein sechshäuptiger Drache, er wird dich umbringen!«
»Ich fürchte mich nicht und will mit ihm kämpfen!« Es hing aber ein großes Schwert an der Wand, das nahm er gleich und übte sich damit. Nur einmal kam der Drache und schnaubte Feuer; der Junge schwang rasch das Schwert und hieb ihm alle sechs Häupter auf einmal ab. Nun war die Jungfrau sehr froh, brachte gleich zu essen und wünschte, er solle bei ihr bleiben; er aber sagte, das könne nicht geschehen, er müsse den goldnen Vogel suchen; ob sie nicht Bescheid wisse? »Davon weiß ich nichts«, sprach sie, »gehe aber nur zu jenem Schlosse hinüber, da wohnt meine jüngere Schwester, vielleicht kann die etwas sagen.« Sie gab ihm noch einen kupfernen Apfel und sprach: »Wenn du daran drehst, so fliege ich zu dir!« Als der junge Königssohn zum zweiten Schlosse kam, war hier wieder eine schöne Jungfrau, und sie weinte, als sie den Jungen sah. »Wehe dir, mein Herr ist ein neunhäuptiger Drache, wenn er heimkehrt, wird er dich umbringen!«
»Ich fürchte mich nicht und will mit ihm kämpfen!« Da nahm er das Schwert das an der Wand hing, schwang es in der Luft und übte sich; nur einmal kam der Drache wie ein Gewitter herbeigefahren und schnaubte Feuer. Der Junge hob sein Schwert und schlug ihm auf einmal alle neun Häupter ab. Die Jungfrau war sehr froh, brachte gleich Essen und wünschte, der junge Königssohn solle immer bei ihr bleiben. Er aber sprach: »Das geht nicht, ich muß den goldnen Vogel suchen, kannst du mir sagen, wo er zu finden?«
»So gehe zu meiner jüngsten Schwester, die wohnt dort in jenem Schlosse, die wird dir dazu verhelfen!« Sie gab ihm eine silberne Birne und sprach: »Wenn du sie drehst, so fliege ich zu dir!« Als der Junge in das dritte Schloß kam, war da eine wunderschöne Jungfrau; sie weinte, wie sie ihn sah, und sprach: »Wie kommst du hierher, mein Herr ist ein zwölfhäuptiger Drache, er wird dich umbringen, wenn er heimkehrt.«
»Ich fürchte mich nicht«, sprach der Junge, »zwei Drachen habe ich schon umgebracht, mit diesem werde ich wohl auch fertig werden.« Er nahm das Schwert, das an der Wand hing, schwang es in der Luft und übte sich; nur einmal kam der Drache wie Donner und Sturm hereingefahren. Der Junge schwang das Schwert und schlug ihm elf Häupter auf einmal ab, bis er aber das zwölfte abschlug, waren die elf andern wieder gewachsen, und bis er die elf zum zweiten Male abhieb, hatte der Drache das zwölfte wieder. Erst als die Sonne unterging, gelang es ihm die zwölf Häupter auf einmal abzuschlagen. Nun, wer sich am. meisten freute, war die Jungfrau; sie brachte gleich zu essen und wünschte, der junge Königssohn solle immer bei ihr bleiben. »Das will ich gerne tun, aber zuvor muß ich den goldnen Vogel haben und meinem Vater nach Hause führen; weißt du, wo der zu finden ist?«
»Das weiß ich freilich wohl, alle Jahre kommt er einmal auf diesen Baum vor dem Fenster und singt, aber nur einmal, am Neujahrsmorgen, ehe die Sonne aufgeht; ich gebe dir ihn, denn er ist mein, warte nur, bis er kommt.« Das ließ sich der Königssohn gerne gefallen; aber die Jungfrau hatte den Knaben so lieb, daß sie ihn nicht gerne von sich lassen wollte. Als daher der Neujahrsmorgen da war, stopfte sie ihm die Ohren zu, und als der goldne Vogel kam und sang, hörte er nichts; die Sonne ging auf, und der Vogel war fort. »Wo ist der Vogel? Er kommt nicht«, rief der Junge traurig, wie er erwachte. »Er war schon da und hat gesungen, siehe da das Wahrzeichen, die Perlen unter dem Baume; jetzt, da du verschlafen hast, mußt du noch ein Jahr warten.« Was sollte er tun, er mußte bleiben, aber er war gar nicht mehr fröhlich wie zuvor. Als nun die Jungfrau sah, wie sehr er sich grämte, daß er nicht heimkehren konnte, so wollte sie ihn nicht länger zurückhalten. Am Neujahrsmorgen weckte sie selbst ihn auf. Der Vogel kam, setzte sich auf den Baum und sang, und ringsum lag alles voll Perlen. Darauf lockte sie den Vogel auf ihre Hand sperrte ihn in einen goldnen Käfig und überreichte ihn dem Königssohn.
Damit er aber schnell nach Hause komme, gab sie ihm ein Pferd, das hatte sechs Füße, und darauf sollte niemand reiten können als er; zuletzt schenkte sie ihm noch eine goldne Pflaume und sprach: »Wenn du sie drehst, so fliege ich zu dir.« Er zog nun auf seinem Pferde wie im Fluge heimwärts. Abends gelangte er zu einem Wirtshaus, und da war gerade sein älterer Bruder Kellner und sah schlecht aus. Er erkannte ihn gleich und erzählte ihm, wie er den goldnen Vogel erworben habe und jetzt heimführe; und er solle auch mit ihm nach Hause gehen. »Das möchte ich gern«, sprach sein Bruder, »aber ich bin viel schuldig.«
»Ich will für dich zahlen,« sagte der Junge und kaufte ihm auch ein Pferd, und sie ritten nun miteinander weiter, und am nächsten Abend kehrten sie auch in ein Wirtshaus. Hier war der älteste der Brüder Stallknecht und empfing gerade eine Tracht Schläge, als sie einzogen. Da erkannten sie ihren Bruder, und der Jüngste sprach: »Komme mit uns nach Hause; ich führe den goldnen Vogel heim.«
»Das möchte ich gerne, aber mein Herr will, daß ich ihm drei Pferde, die ich ihm zugrunde gerichtet habe, noch abdiene.«
»Lasse das auf mich; ich will sie bezahlen!« sagte der Jüngste. Am andern Morgen bezahlte dieser den Herrn seines Bruders aus, kaufte ihm auch ein Pferd, und jetzt ritten die drei zusammen fort.
Als sie so ritten, sprach der Jüngste: »Unser Vater hat auf euch so große Stücke gehalten, und nun wird er doch sehen, daß ich den goldnen Vogel bringe!« Da wurden jene zornig und beredeten sich untereinander, ihren Bruder zu töten. Wie er in der Nacht schlief, stachen sie ihm die Augen aus, hieben ihm Arme und Füße ab und warfen ihn in einen tiefen Brunnen. Sie nahmen dann sein schönes Roß und den Käfig mit dem goldnen Vogel, eilten zu ihrem Vater, hielten einen großen Aufzug und sprachen: »Siehe, mit vieler Arbeit und Gefahr ist es uns gelungen, ihn zu bekommen!« Da freute sich der Vater und ließ den Käfig gleich in die Kirche auf den Altar stellen.
Aber der Vogel ließ die Flügel traurig hängen und sang nicht, und das schöne sechsfüßige Roß ließ niemanden in seine Nähe und noch weniger auf seinen Rücken kommen. Der Verstümmelte aber lag im Brunnen und wußte sich nicht zu helfen. Da kam ihm zufällig der kupferne Apfel, der aus seiner Tasche gefallen war, an den Mund und drehte sich. Gleich flog die älteste der geretteten Jungfrauen in einem kupfernen Mantel herbei und fragte, was er schaffe: »Sieh mich an!« sprach er. »Morgentau ist gut für abgehauene Füße«, rief sie und flog fort, brachte davon und bestrich ihn; gleich waren seine Füße frisch und gesund. Die Jungfrau war wieder fort. Nun trat er auf die silberne Birne, die war auch aus seiner Tasche herausgefallen und drehte sich. Gleich flog die zweite gerettete Jungfrau in einem silbernen Mantel herzu und fragte, was es gebe. »Sieh mich an!« sprach er. »Morgentau ist gut für abgehauene Arme«, flog fort, brachte davon, bestrich ihn, und alsbald hatte er frische und gesunde Arme und Hände. Die Jungfrau war aber sogleich fort. Nun griff er in seine Tasche und nähme die goldne Pflaume hervor und drehte sie. Sogleich flog die jüngste der erretteten Jungfrauen im goldnen Mantel herbei und fragte, was es gebe. »Du siehst es!«
»Morgentau ist gut für fehlende Augen«, sprach sie und flog fort, brachte davon, bestrich die Augenhöhlen, und gleich hatte er frische und gesunde Augen und sah die Jungfrau in ihrer vollen Schönheit vor sich. Ehe er sich aber bedachte, sie zu fassen, war sie fort. Nun sah er erst, wo er war. Wie sollte er aus dem tiefen Brunnen herauskommen? Da gewann er aus seiner Tasche die silberne Flöte, die ihm der Fuchs gegeben, und blies darauf. Sogleich war der Fuchs da und fragte, was es gebe. »Du siehst es«, sprach der Knabe; »ich kann nicht hinaus!« Da sprang der Fuchs in den Brunnen und sagte: »Fasse nur die Spitze von meinem Zagel!« Wie das geschehen war, sprang der Fuchs hinaus, zog ihn mit und sprach: »Jetzt kannst du dir wieder selbst helfen!« und lief fort in den Wald. Da wanderte der Junge zu Fuße fort und gelangte am Abend nach Hause. Sein Vater freute sich nicht sehr über seine Ankunft, weil er nichts brachte. Er aber erzählte nun alles, was er erlebt, wie er den goldnen Vogel und das sechsfüßige Roß erworben, wie er seine Brüder ausgelöst habe und wie sie dann so untreu und sündlich an ihm gehandelt hätten, wie er endlich wieder errettet worden. Der alte König aber wollte das nicht glauben. Da sagte der Junge: »Ich will es beweisen. Das ist doch gewiß der rechte Erwerber, der das schöne Roß besteigen und darauf reiten kann und bei dessen Eintritt in die Kirche der goldne Vogel die Flügel hebt und singt.«
»Ja, das ist er gewiß«, sprach der Alte. Nun versuchten’s zuerst die beiden ältern Brüder. Das Roß aber ließ sie nicht in die Nähe kommen, und der goldne Vogel hielt seine Flügel gesenkt und sang nicht, wie sie in die Kirche traten. Jetzt versuchte auch der Jüngste. Als das Roß ihn nur erblickte, wieherte es laut vor Freude und stand wie ein Lamm, bis er aufstieg; dann ritt er eine Zeitlang hin und her. Darauf stieg er ab und ging zur Kirche; kaum hatte er die Schwelle betreten, so hob der Vogel seine Flügel und sang auf einmal so wunderschön, daß dem König die Augen vor Freude und Leid übergingen. Er fiel seinen Jüngsten um den Hals und sprach: »Verzeihe mir, daß ich dich weniger als deine Brüder geachtet habe; da nimm sie aber jetzt, die Falschen und Boshaften, und mache mit ihnen, was du willst.«
»So will ich mich gleich an ihnen rächen, daß sie mir’s mit Freuden gedenken sollen!« Er nahm den kupfernen Apfel hervor und drehte ihn; sogleich flog die älteste der Jungfrauen herbei und hatte einen kupfernen Mantel an. Sie war aber sehr schön, und die alte Königin, die Mutter des Jungen, rief: »Ei du, mein Sohn, weißt gut zu wählen.« Er aber faßte sie gleich bei der Hand, führte sie zu seinem ältesten Bruder und sprach: »Das soll deine Frau sein, willst du?« Wer konnte froher sein als der. Jetzt drehte er die silberne Birne, und es kam die Jungfrau im silbernen Mantel herbeigeflogen und war noch schöner. »Nun nimm du jetzt die, denn es kann keine Schönere geben«, sagte seine Mutter wieder. Der Junge aber nahm sie bei der Hand, führte sie zu seinem mittleren Bruder und fragte: »Willst du sie zum Weibe?« Er konnte nicht nein sagen. Nun drehte er die goldne Pflaume. Da kam die jüngste Jungfrau herbeigeflogen; sie trug einen goldnen Mantel, der war geschmückt mit Karfunkelsteinen und Perlen vom goldnen Vogel, daß er glänzte und glitzerte wie der Sternenhimmel. Die alte Königin verwunderte sich sehr über die große Schönheit und fing die Jungfrau in ihrer Schürze auf; ihr zartes Wesen sollte nur ja nicht an dem harten Boden sich anstoßen. »Du weißt freilich besser als ich, wie man wählen soll!« sprach sie zu ihrem Jüngsten, »eine Schönere kann es aber jetzt unter der Sonne nicht geben!« Die nahm der Jüngste nun selbst zu seinem Weibe, und sie lebten viele Jahre glücklich und zufrieden. Als aber nach langen Jahren die schöne Königin starb, verschwand auch das sechsfüßige Roß und der goldne Vogel aus der Kirche, und seitdem hat beide niemand mehr gesehen.
»So mache dir Feuer und wärme dich!« sprach der Königssohn und nahm sein Essen hervor. Der Fuchs rief wieder: »Ach, wie hungert mich!«
»So suche dir was und sättige dich!« sprach der Königssohn, und der Fuchs lief fort. Der Königssohn stand auf, ging weiter, verzehrte all sein Reisegut, geriet in schlechte Gesellschaft, verkaufte sein Roß, machte Schulden und verdingte sich als Knecht in ein Wirtshaus. Nach einiger Zeit machte sich auch der zweite Königssohn auf den Weg, den goldnen Vogel zu suchen. Sein Vater gab ihm auch ein stattliches Roß und sackte ihm wohl ein; es ging ihm aber grade so wie seinem ältern Bruder. Als er sich im Walde Feuer machte, kam der Fuchs auch und jammerte: »Ach, wie friere ich; ach, wie hungert mich!«
»So mache dir Feuer und wärme dich; so suche dir was und sättige dich!« sagte der Königssohn. Dann zog er weiter, geriet in schlechte Gesellschaft, brachte sich um sein Geld, verkaufte sein Roß, machte Schulden und mußte sich als Kellner in ein Wirtshaus verdingen. Da kam auch der Jüngste vor den König und sprach: »Vater, ich will ausziehen und den Vogel suchen!«
»Wo denkst du hin; wenn deine Brüder nichts ausgerichtet haben, wirst du am wenigsten etwas ausrichten.« Der Sohn ließ aber nicht nach zu bitten, und so ließ ihn der König endlich ziehen; er gab ihm aber ein schlechtes Roß und nur wenig Geld, denn er dachte: »Das ist ja doch alles verloren!« Der Knabe ritt fort; allein sein Pferd sank schon außerhalb der Stadt zusammen. Er ging jetzt zu Fuß, kam in den Wald und machte sich Feuer. Da erschien der Fuchs und rief: »Ach, wie friere ich!«
»So komm und wärme dich?« Als der Junge sein Essen hervor nahm, jammerte der Fuchs: »Ach, wie hungert mich!«
»So komme her und sättige dich!« sprach der Junge mitleidig. Der Fuchs kam zum Feuer, aß mit und schlief dann bis zum Morgen neben dem Jungen. Als dieser erwachte und fortgehen wollte, sagte der Fuchs: »Deine Brüder haben sich meiner nicht erbarmt und so haben sie auch den goldnen Vogel nicht erwerben können; weil du aber gegen mich so mitleidig warst, will ich dir guten Rat geben und beistehen. Gehe nur fort durch diesen Wald, der ist noch sieben Tage lang, dann kommst du auf eine große Wiese; am Ende der Wiese ist ein großes Schloß, dort gehe hinein, und du wirst sehen, was du zu tun hast.« Zuletzt gab er ihm noch eine silberne Flöte und sprach: »Wenn du in der höchsten Not bist und dir nicht helfen kannst, so blase darauf, und ich will kommen und dir beistehen!« Damit lief der Fuchs fort in den Wald; der Knabe aber ging weiter des Weges. Nach sieben Tagen kam er auf die Wiese und sah das Schloß; er eilte nun dahin und ging getrost hinein; da war eine schöne Jungfrau, sie weinte, als sie ihn sah, und sprach: »Wie kommst du hierher, mein Herr ist ein sechshäuptiger Drache, er wird dich umbringen!«
»Ich fürchte mich nicht und will mit ihm kämpfen!« Es hing aber ein großes Schwert an der Wand, das nahm er gleich und übte sich damit. Nur einmal kam der Drache und schnaubte Feuer; der Junge schwang rasch das Schwert und hieb ihm alle sechs Häupter auf einmal ab. Nun war die Jungfrau sehr froh, brachte gleich zu essen und wünschte, er solle bei ihr bleiben; er aber sagte, das könne nicht geschehen, er müsse den goldnen Vogel suchen; ob sie nicht Bescheid wisse? »Davon weiß ich nichts«, sprach sie, »gehe aber nur zu jenem Schlosse hinüber, da wohnt meine jüngere Schwester, vielleicht kann die etwas sagen.« Sie gab ihm noch einen kupfernen Apfel und sprach: »Wenn du daran drehst, so fliege ich zu dir!« Als der junge Königssohn zum zweiten Schlosse kam, war hier wieder eine schöne Jungfrau, und sie weinte, als sie den Jungen sah. »Wehe dir, mein Herr ist ein neunhäuptiger Drache, wenn er heimkehrt, wird er dich umbringen!«
»Ich fürchte mich nicht und will mit ihm kämpfen!« Da nahm er das Schwert das an der Wand hing, schwang es in der Luft und übte sich; nur einmal kam der Drache wie ein Gewitter herbeigefahren und schnaubte Feuer. Der Junge hob sein Schwert und schlug ihm auf einmal alle neun Häupter ab. Die Jungfrau war sehr froh, brachte gleich Essen und wünschte, der junge Königssohn solle immer bei ihr bleiben. Er aber sprach: »Das geht nicht, ich muß den goldnen Vogel suchen, kannst du mir sagen, wo er zu finden?«
»So gehe zu meiner jüngsten Schwester, die wohnt dort in jenem Schlosse, die wird dir dazu verhelfen!« Sie gab ihm eine silberne Birne und sprach: »Wenn du sie drehst, so fliege ich zu dir!« Als der Junge in das dritte Schloß kam, war da eine wunderschöne Jungfrau; sie weinte, wie sie ihn sah, und sprach: »Wie kommst du hierher, mein Herr ist ein zwölfhäuptiger Drache, er wird dich umbringen, wenn er heimkehrt.«
»Ich fürchte mich nicht«, sprach der Junge, »zwei Drachen habe ich schon umgebracht, mit diesem werde ich wohl auch fertig werden.« Er nahm das Schwert, das an der Wand hing, schwang es in der Luft und übte sich; nur einmal kam der Drache wie Donner und Sturm hereingefahren. Der Junge schwang das Schwert und schlug ihm elf Häupter auf einmal ab, bis er aber das zwölfte abschlug, waren die elf andern wieder gewachsen, und bis er die elf zum zweiten Male abhieb, hatte der Drache das zwölfte wieder. Erst als die Sonne unterging, gelang es ihm die zwölf Häupter auf einmal abzuschlagen. Nun, wer sich am. meisten freute, war die Jungfrau; sie brachte gleich zu essen und wünschte, der junge Königssohn solle immer bei ihr bleiben. »Das will ich gerne tun, aber zuvor muß ich den goldnen Vogel haben und meinem Vater nach Hause führen; weißt du, wo der zu finden ist?«
»Das weiß ich freilich wohl, alle Jahre kommt er einmal auf diesen Baum vor dem Fenster und singt, aber nur einmal, am Neujahrsmorgen, ehe die Sonne aufgeht; ich gebe dir ihn, denn er ist mein, warte nur, bis er kommt.« Das ließ sich der Königssohn gerne gefallen; aber die Jungfrau hatte den Knaben so lieb, daß sie ihn nicht gerne von sich lassen wollte. Als daher der Neujahrsmorgen da war, stopfte sie ihm die Ohren zu, und als der goldne Vogel kam und sang, hörte er nichts; die Sonne ging auf, und der Vogel war fort. »Wo ist der Vogel? Er kommt nicht«, rief der Junge traurig, wie er erwachte. »Er war schon da und hat gesungen, siehe da das Wahrzeichen, die Perlen unter dem Baume; jetzt, da du verschlafen hast, mußt du noch ein Jahr warten.« Was sollte er tun, er mußte bleiben, aber er war gar nicht mehr fröhlich wie zuvor. Als nun die Jungfrau sah, wie sehr er sich grämte, daß er nicht heimkehren konnte, so wollte sie ihn nicht länger zurückhalten. Am Neujahrsmorgen weckte sie selbst ihn auf. Der Vogel kam, setzte sich auf den Baum und sang, und ringsum lag alles voll Perlen. Darauf lockte sie den Vogel auf ihre Hand sperrte ihn in einen goldnen Käfig und überreichte ihn dem Königssohn.
Damit er aber schnell nach Hause komme, gab sie ihm ein Pferd, das hatte sechs Füße, und darauf sollte niemand reiten können als er; zuletzt schenkte sie ihm noch eine goldne Pflaume und sprach: »Wenn du sie drehst, so fliege ich zu dir.« Er zog nun auf seinem Pferde wie im Fluge heimwärts. Abends gelangte er zu einem Wirtshaus, und da war gerade sein älterer Bruder Kellner und sah schlecht aus. Er erkannte ihn gleich und erzählte ihm, wie er den goldnen Vogel erworben habe und jetzt heimführe; und er solle auch mit ihm nach Hause gehen. »Das möchte ich gern«, sprach sein Bruder, »aber ich bin viel schuldig.«
»Ich will für dich zahlen,« sagte der Junge und kaufte ihm auch ein Pferd, und sie ritten nun miteinander weiter, und am nächsten Abend kehrten sie auch in ein Wirtshaus. Hier war der älteste der Brüder Stallknecht und empfing gerade eine Tracht Schläge, als sie einzogen. Da erkannten sie ihren Bruder, und der Jüngste sprach: »Komme mit uns nach Hause; ich führe den goldnen Vogel heim.«
»Das möchte ich gerne, aber mein Herr will, daß ich ihm drei Pferde, die ich ihm zugrunde gerichtet habe, noch abdiene.«
»Lasse das auf mich; ich will sie bezahlen!« sagte der Jüngste. Am andern Morgen bezahlte dieser den Herrn seines Bruders aus, kaufte ihm auch ein Pferd, und jetzt ritten die drei zusammen fort.
Als sie so ritten, sprach der Jüngste: »Unser Vater hat auf euch so große Stücke gehalten, und nun wird er doch sehen, daß ich den goldnen Vogel bringe!« Da wurden jene zornig und beredeten sich untereinander, ihren Bruder zu töten. Wie er in der Nacht schlief, stachen sie ihm die Augen aus, hieben ihm Arme und Füße ab und warfen ihn in einen tiefen Brunnen. Sie nahmen dann sein schönes Roß und den Käfig mit dem goldnen Vogel, eilten zu ihrem Vater, hielten einen großen Aufzug und sprachen: »Siehe, mit vieler Arbeit und Gefahr ist es uns gelungen, ihn zu bekommen!« Da freute sich der Vater und ließ den Käfig gleich in die Kirche auf den Altar stellen.
Aber der Vogel ließ die Flügel traurig hängen und sang nicht, und das schöne sechsfüßige Roß ließ niemanden in seine Nähe und noch weniger auf seinen Rücken kommen. Der Verstümmelte aber lag im Brunnen und wußte sich nicht zu helfen. Da kam ihm zufällig der kupferne Apfel, der aus seiner Tasche gefallen war, an den Mund und drehte sich. Gleich flog die älteste der geretteten Jungfrauen in einem kupfernen Mantel herbei und fragte, was er schaffe: »Sieh mich an!« sprach er. »Morgentau ist gut für abgehauene Füße«, rief sie und flog fort, brachte davon und bestrich ihn; gleich waren seine Füße frisch und gesund. Die Jungfrau war wieder fort. Nun trat er auf die silberne Birne, die war auch aus seiner Tasche herausgefallen und drehte sich. Gleich flog die zweite gerettete Jungfrau in einem silbernen Mantel herzu und fragte, was es gebe. »Sieh mich an!« sprach er. »Morgentau ist gut für abgehauene Arme«, flog fort, brachte davon, bestrich ihn, und alsbald hatte er frische und gesunde Arme und Hände. Die Jungfrau war aber sogleich fort. Nun griff er in seine Tasche und nähme die goldne Pflaume hervor und drehte sie. Sogleich flog die jüngste der erretteten Jungfrauen im goldnen Mantel herbei und fragte, was es gebe. »Du siehst es!«
»Morgentau ist gut für fehlende Augen«, sprach sie und flog fort, brachte davon, bestrich die Augenhöhlen, und gleich hatte er frische und gesunde Augen und sah die Jungfrau in ihrer vollen Schönheit vor sich. Ehe er sich aber bedachte, sie zu fassen, war sie fort. Nun sah er erst, wo er war. Wie sollte er aus dem tiefen Brunnen herauskommen? Da gewann er aus seiner Tasche die silberne Flöte, die ihm der Fuchs gegeben, und blies darauf. Sogleich war der Fuchs da und fragte, was es gebe. »Du siehst es«, sprach der Knabe; »ich kann nicht hinaus!« Da sprang der Fuchs in den Brunnen und sagte: »Fasse nur die Spitze von meinem Zagel!« Wie das geschehen war, sprang der Fuchs hinaus, zog ihn mit und sprach: »Jetzt kannst du dir wieder selbst helfen!« und lief fort in den Wald. Da wanderte der Junge zu Fuße fort und gelangte am Abend nach Hause. Sein Vater freute sich nicht sehr über seine Ankunft, weil er nichts brachte. Er aber erzählte nun alles, was er erlebt, wie er den goldnen Vogel und das sechsfüßige Roß erworben, wie er seine Brüder ausgelöst habe und wie sie dann so untreu und sündlich an ihm gehandelt hätten, wie er endlich wieder errettet worden. Der alte König aber wollte das nicht glauben. Da sagte der Junge: »Ich will es beweisen. Das ist doch gewiß der rechte Erwerber, der das schöne Roß besteigen und darauf reiten kann und bei dessen Eintritt in die Kirche der goldne Vogel die Flügel hebt und singt.«
»Ja, das ist er gewiß«, sprach der Alte. Nun versuchten’s zuerst die beiden ältern Brüder. Das Roß aber ließ sie nicht in die Nähe kommen, und der goldne Vogel hielt seine Flügel gesenkt und sang nicht, wie sie in die Kirche traten. Jetzt versuchte auch der Jüngste. Als das Roß ihn nur erblickte, wieherte es laut vor Freude und stand wie ein Lamm, bis er aufstieg; dann ritt er eine Zeitlang hin und her. Darauf stieg er ab und ging zur Kirche; kaum hatte er die Schwelle betreten, so hob der Vogel seine Flügel und sang auf einmal so wunderschön, daß dem König die Augen vor Freude und Leid übergingen. Er fiel seinen Jüngsten um den Hals und sprach: »Verzeihe mir, daß ich dich weniger als deine Brüder geachtet habe; da nimm sie aber jetzt, die Falschen und Boshaften, und mache mit ihnen, was du willst.«
»So will ich mich gleich an ihnen rächen, daß sie mir’s mit Freuden gedenken sollen!« Er nahm den kupfernen Apfel hervor und drehte ihn; sogleich flog die älteste der Jungfrauen herbei und hatte einen kupfernen Mantel an. Sie war aber sehr schön, und die alte Königin, die Mutter des Jungen, rief: »Ei du, mein Sohn, weißt gut zu wählen.« Er aber faßte sie gleich bei der Hand, führte sie zu seinem ältesten Bruder und sprach: »Das soll deine Frau sein, willst du?« Wer konnte froher sein als der. Jetzt drehte er die silberne Birne, und es kam die Jungfrau im silbernen Mantel herbeigeflogen und war noch schöner. »Nun nimm du jetzt die, denn es kann keine Schönere geben«, sagte seine Mutter wieder. Der Junge aber nahm sie bei der Hand, führte sie zu seinem mittleren Bruder und fragte: »Willst du sie zum Weibe?« Er konnte nicht nein sagen. Nun drehte er die goldne Pflaume. Da kam die jüngste Jungfrau herbeigeflogen; sie trug einen goldnen Mantel, der war geschmückt mit Karfunkelsteinen und Perlen vom goldnen Vogel, daß er glänzte und glitzerte wie der Sternenhimmel. Die alte Königin verwunderte sich sehr über die große Schönheit und fing die Jungfrau in ihrer Schürze auf; ihr zartes Wesen sollte nur ja nicht an dem harten Boden sich anstoßen. »Du weißt freilich besser als ich, wie man wählen soll!« sprach sie zu ihrem Jüngsten, »eine Schönere kann es aber jetzt unter der Sonne nicht geben!« Die nahm der Jüngste nun selbst zu seinem Weibe, und sie lebten viele Jahre glücklich und zufrieden. Als aber nach langen Jahren die schöne Königin starb, verschwand auch das sechsfüßige Roß und der goldne Vogel aus der Kirche, und seitdem hat beide niemand mehr gesehen.
[Josef Haltrich: Deutsche Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen]