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In einem Dorfe lebten zwei Nachbarn, von denen hatte der eine hundert Schafe, der andere nur drei. Da sprach der Arme zum Reichen: „Lasse doch meine Schafe bei deinen weiden, das wirst du ja nicht spüren“. Denn er selbst hatte keinen Weideplatz. Der Reiche wollte nicht recht, ließ es aber endlich zu. Der Knabe des Armen trieb die drei Schafe aufs Feld zu den Schafen des Nachbars und blieb da zur Hut.
Nach einiger Zeit geschah es, dass der König zum reichen Manne schickte und von ihm ein fettes Schaf verlangte. Der Reiche konnte das dem König nicht abschlagen, aber es fiel ihm doch auch zu schwer, von seinen hundert Schafen eines zu verlieren. Drum befahl er seinen Knechten, eines von den dreien des armen Mannes zu fangen und den Dienern des Königs zu übergeben. So taten die Knechte. Aber der Junge des Armen weinte sehr, als man sein Schaf fortschleppte.
Bald darauf verlangte der König ein zweites Schaf vom reichen Mann. Der befahl wieder seinen Knechten, man solle eines von denen des Armen geben. So geschah es, und der Junge weinte noch mehr, als man sein zweites Schaf wegführte. Er dachte aber bei sich: „Der König wird bald noch ein Schaf wollen, und die Knechte des reichen Nachbars werden dir auch das letzte nehmen. Besser ist es, du machst dich damit beizeiten fort!“ So tat er auch und zog weit, weit weg auf ein hohes Gebirge. Da war Weide genug und frisches Wasser, und sein Schaf hatte es gut.
Nach einigen Tagen sprach der Arme bei sich: „Du willst einmal hinausgehen und sehen, was dein Junge und deine Schafe machen!“ Als er aber zur Herde kam und die Knechte nach seinem Jungen fragte, sagten sie: „Zwei von Euren Schafen haben wir auf Befehl unsers Herrn dem König geschickt. Mit dem letzten ist Euer Junge fort in die Welt!“ Da jammerte der Arme und sprach: „Wo werde ich ihn nun finden?“ Er machte sich aber gleich auf und ging fort, um ihn zu suchen. Doch sah er lange keine Spur. Er fragte nun die Sonne, ob sie ihm nicht Weg und Steg zeigen könne. Die wusste es leider nicht. Endlich kam er zum Wirbelwind, der sah ganz wild aus. Der Arme fragte ihn auch, ob er nicht wisse, wo sein Sohn sich aufhalte. „Ei, freilich weiß ich’s. Ich ziehe eben hin und nehme dich mit!“ Indem hob ihn der Wirbelwind auf und rührte ihn im Nu aufs Gebirge zu seinem Sohn, der war in einem Tal, welches die Sonne nie beschien. Der Arme freute sich, als er ihn sah und hörte, wie er das Schaf gerettet habe. „Jetzt aber“, sprach er, „wollen wir beide hier bleiben und darauf sorgen, denn das ist nun unser ganzer Reichtum!“
Nach einiger Zeit geschah es, dass zwei Wanderer über das Gebirge herkamen und bei dem Armen anhielten und sich lagerten. Es waren aber Christus und Petrus. Da sprach Christus : „Wir sind weit gereist und müde und so hungrig, dass wir sterben müssen, wenn wir nicht bald ein wenig Fleisch bekommen.“ Der Arme erbarmte sich und sprach sogleich: „Da kann ich helfen!“ Er ging schnell und brachte sein Schaf und schlachtete es und machte ein Feuer an und briet davon ein gutes Stück für seine Gäste, und das schmeckte diesen auch ganz vortrefflich. Nach dem Mahle sprach Christus zum Knaben des Armen, er solle nur die Knochen zusammenlesen und alle ins Schafsfell legen. Das tat der Junge, und darauf legten sie sich miteinander zum Schlafen. Ganz früh aber stand Christus mit Petrus auf, segneten den Armen mit seinem Jungen und zogen still ab. Als der Arme mit seinem Jungen erwachte, sah er um sich eine große Herde Schafe, und vorn stand sein Schaf, das er am Abend geschlachtet hatte, ganz frisch und gesund und trug einen Zettel auf der Stirn. Darauf stand: „Alle gehören dem Armen und seinem Jungen!“ Drei Hunde sprangen um sie herum und taten freundlich. Der Arme konnte seine Freude und sein Glück nicht verborgen halten. Er zog mit der Herde heim.
Da kam das ganze Dorf zusammen, als er anlangte, um die vielen und schönen Schafe zu sehen, und der Arme musste oft und oft erzählen, wie er durch die zwei armen Wanderer zu dem Glück gekommen sei. Dem reichen Nachbar ließ aber der Neid keine Ruhe. Er dachte bei sich: „Wenn das so ist, so musst du bald noch mehr bekommen!“ Er ging hinaus, ließ alle armen Wanderer und Bettler zusammenrufen, schlachtete alle Schafe und briet ihnen das Fleisch und setzte es ihnen vor. Dann legte er sorgfältig alle Knochen zusammen, in das Fell eines jeden Schafes diejenigen, die hingehörten, und legte sich dann mit den Wanderern und Bettlern nieder. Allein er konnte nicht schlafen, sondern überrechnete in seinen Gedanken immerfort bis an den Morgen, wie viele Schafe er mehr haben müsse als sein Nachbar, da er hundert geschlachtet habe und jener nur eines.
Als der neue Tag sich entzündete, sprang er auf und wollte die große Herde übersehen. Aber da lagen noch alle Knochen im Fell und nichts regte und rührte sich. „Ha“, dachte er, „jetzt weißt du, woran es hängt: Die Wanderer und Bettler hätten schon fort sein müssen!“ – „Auf, ihr Lumpen, packt euch einmal!“ Aber die rührten sich nicht, bis die Sonne hoch am Himmel stand, und seine Schafe waren dahin und hatten sich nicht verhundertfältigt. Nun jammerte und fluchte er, dass er um all sein Gut gekommen war, ging hin und ersäufte sich.
Der Arme aber blieb reich und glücklich, und man erzählt noch, sein Junge habe später die Königstochter geheiratet.
Nach einiger Zeit geschah es, dass der König zum reichen Manne schickte und von ihm ein fettes Schaf verlangte. Der Reiche konnte das dem König nicht abschlagen, aber es fiel ihm doch auch zu schwer, von seinen hundert Schafen eines zu verlieren. Drum befahl er seinen Knechten, eines von den dreien des armen Mannes zu fangen und den Dienern des Königs zu übergeben. So taten die Knechte. Aber der Junge des Armen weinte sehr, als man sein Schaf fortschleppte.
Bald darauf verlangte der König ein zweites Schaf vom reichen Mann. Der befahl wieder seinen Knechten, man solle eines von denen des Armen geben. So geschah es, und der Junge weinte noch mehr, als man sein zweites Schaf wegführte. Er dachte aber bei sich: „Der König wird bald noch ein Schaf wollen, und die Knechte des reichen Nachbars werden dir auch das letzte nehmen. Besser ist es, du machst dich damit beizeiten fort!“ So tat er auch und zog weit, weit weg auf ein hohes Gebirge. Da war Weide genug und frisches Wasser, und sein Schaf hatte es gut.
Nach einigen Tagen sprach der Arme bei sich: „Du willst einmal hinausgehen und sehen, was dein Junge und deine Schafe machen!“ Als er aber zur Herde kam und die Knechte nach seinem Jungen fragte, sagten sie: „Zwei von Euren Schafen haben wir auf Befehl unsers Herrn dem König geschickt. Mit dem letzten ist Euer Junge fort in die Welt!“ Da jammerte der Arme und sprach: „Wo werde ich ihn nun finden?“ Er machte sich aber gleich auf und ging fort, um ihn zu suchen. Doch sah er lange keine Spur. Er fragte nun die Sonne, ob sie ihm nicht Weg und Steg zeigen könne. Die wusste es leider nicht. Endlich kam er zum Wirbelwind, der sah ganz wild aus. Der Arme fragte ihn auch, ob er nicht wisse, wo sein Sohn sich aufhalte. „Ei, freilich weiß ich’s. Ich ziehe eben hin und nehme dich mit!“ Indem hob ihn der Wirbelwind auf und rührte ihn im Nu aufs Gebirge zu seinem Sohn, der war in einem Tal, welches die Sonne nie beschien. Der Arme freute sich, als er ihn sah und hörte, wie er das Schaf gerettet habe. „Jetzt aber“, sprach er, „wollen wir beide hier bleiben und darauf sorgen, denn das ist nun unser ganzer Reichtum!“
Nach einiger Zeit geschah es, dass zwei Wanderer über das Gebirge herkamen und bei dem Armen anhielten und sich lagerten. Es waren aber Christus und Petrus. Da sprach Christus : „Wir sind weit gereist und müde und so hungrig, dass wir sterben müssen, wenn wir nicht bald ein wenig Fleisch bekommen.“ Der Arme erbarmte sich und sprach sogleich: „Da kann ich helfen!“ Er ging schnell und brachte sein Schaf und schlachtete es und machte ein Feuer an und briet davon ein gutes Stück für seine Gäste, und das schmeckte diesen auch ganz vortrefflich. Nach dem Mahle sprach Christus zum Knaben des Armen, er solle nur die Knochen zusammenlesen und alle ins Schafsfell legen. Das tat der Junge, und darauf legten sie sich miteinander zum Schlafen. Ganz früh aber stand Christus mit Petrus auf, segneten den Armen mit seinem Jungen und zogen still ab. Als der Arme mit seinem Jungen erwachte, sah er um sich eine große Herde Schafe, und vorn stand sein Schaf, das er am Abend geschlachtet hatte, ganz frisch und gesund und trug einen Zettel auf der Stirn. Darauf stand: „Alle gehören dem Armen und seinem Jungen!“ Drei Hunde sprangen um sie herum und taten freundlich. Der Arme konnte seine Freude und sein Glück nicht verborgen halten. Er zog mit der Herde heim.
Da kam das ganze Dorf zusammen, als er anlangte, um die vielen und schönen Schafe zu sehen, und der Arme musste oft und oft erzählen, wie er durch die zwei armen Wanderer zu dem Glück gekommen sei. Dem reichen Nachbar ließ aber der Neid keine Ruhe. Er dachte bei sich: „Wenn das so ist, so musst du bald noch mehr bekommen!“ Er ging hinaus, ließ alle armen Wanderer und Bettler zusammenrufen, schlachtete alle Schafe und briet ihnen das Fleisch und setzte es ihnen vor. Dann legte er sorgfältig alle Knochen zusammen, in das Fell eines jeden Schafes diejenigen, die hingehörten, und legte sich dann mit den Wanderern und Bettlern nieder. Allein er konnte nicht schlafen, sondern überrechnete in seinen Gedanken immerfort bis an den Morgen, wie viele Schafe er mehr haben müsse als sein Nachbar, da er hundert geschlachtet habe und jener nur eines.
Als der neue Tag sich entzündete, sprang er auf und wollte die große Herde übersehen. Aber da lagen noch alle Knochen im Fell und nichts regte und rührte sich. „Ha“, dachte er, „jetzt weißt du, woran es hängt: Die Wanderer und Bettler hätten schon fort sein müssen!“ – „Auf, ihr Lumpen, packt euch einmal!“ Aber die rührten sich nicht, bis die Sonne hoch am Himmel stand, und seine Schafe waren dahin und hatten sich nicht verhundertfältigt. Nun jammerte und fluchte er, dass er um all sein Gut gekommen war, ging hin und ersäufte sich.
Der Arme aber blieb reich und glücklich, und man erzählt noch, sein Junge habe später die Königstochter geheiratet.
Quelle: (Josef Haltrich)