Es war einmal ein Junge namens Adalbert, der wollte gern bei einem Zauberer in die Lehre gehen. Dieser verlangte jedoch, dass der Junge zuerst eine Prüfung ablegen solle. Er sollte ihm einen ganz besonderen Teppich zum Geschenk machen. Keinen fliegenden Teppich, oh nein, deren hatte der Zauberer schon etliche. Was das Besondere an dem Teppich sein sollte, das überließ der Zauberer seinem Lehrling.
Er nahm ihn bei sich auf, damit er sich allerlei Kunststücke abgucken kann, ließ ihn jedoch nie etwas ausprobieren. So verschränkte Adalbert die Hände auf dem Rücken und sah und hörte aufmerksam zu.
Bald konnte er einige Zaubersprüche auswendig, wagte aber nicht, sie auszusprechen, denn er wusste, wozu der Zauberer im Zorn fähig war. Er wollte nicht als Wasserkessel oder ähnliches enden.
Nach vielen Jahren meinte der Junge, nun genug zu wissen, um einen besonderen Teppich herstellen zu können. Er ging vor die Stadt, da sah er eine unbewachte Schafherde. Die kam ihm sehr gelegen. Rasch verwandelte er die Schafe in ein weiches Vlies. Dann rief er mit einem komplizierten Zauberspruch fünfzehn Menschen zu sich, die stets und ständig ihre Meinung zu allem Möglichen änderten, jedem zu Munde redeten und somit unberechenbar waren. Durch ihr Verhalten hatten sie alle Freunde verloren, waren aber „zu etwas gekommen“. Mit einem noch schwierigeren Spruch verwandelte Adalbert diese Unbeständigen, die ihr Fähnlein in jedem Wind wehen ließen, in Windrosen und bannte diese Ornamente auf das Vlies.
Nun hatte er einen ganz besonderen Teppich als Geschenk für den Zauberer. Der betrachtete das gelungene Werk, nickte anerkennend und gab Adalbert die Erlaubnis, von nun an zu zaubern, was er wollte, wo er wollte und wann er wollte.
Irgendwann sind sie beide gestorben, der alte Zauberer und der junge. Auch der beste Zauberer kann sich nicht unsterblich machen. Der Teppich aber, der ja schließlich die Kraft vieler Leben in sich barg, überdauerte Jahrhunderte. Er wechselte mehrfach den Besitzer und heute liegt er in meiner Stube. Wenn ihr mich besuchen kommt, könnt ihr die fünfzehn Windrosen nachzählen!
Quelle: flammarion