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Es herrschte einmal ein König in einem Reiche; er war verheirathet und hatte mit seinem Weibe zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Der Sohn hieß Asmund, die Tochter aber Signy. Sie waren die hoffnungsvollsten Königskinder, die man zu jener Zeit kannte, und wurden in allen Künsten unterrichtet, welche zu lernen sich für die Kinder eines Königs geziemt. Sie wuchsen daheim bei ihrem Vater auf und es wurde ihnen jeder ihrer Wünsche erfüllt.
Der König schenkte seinem Sohne zwei Eichen, welche draußen im Walde standen, und es machte Asmund Vergnügen dieselben auszuhöhlen und in ihren Stämmen verschiedene Zimmerchen einzurichten. Signy begleitete ihn oft in den Wald hinaus und bewunderte die Eichen, und sie bekam Lust, dieselben mit ihm zu besitzen. Asmund erfüllte ihren Wunsch und sie trug nun allerlei Edelsteine und Kleinodien, welche sie von ihrer Mutter zum Geschenk erhalten hatte, dahin und verbarg sie in den Bäumen.
Da geschah es einmal, daß ihr Vater in den Krieg zog; während seiner Abwesenheit wurde aber die Königin krank und starb. Die Geschwister begaben sich hinaus in den Wald und setzten sich in die Eichen, nachdem sie sich mit Nahrungsmitteln für ein Jahr versehen hatten.
Nun ist zu melden, daß in einem anderen Lande ein König herrschte, welcher einen Sohn besaß, der Ring hieß. Ring hatte von der großen Schönheit der Signy erzählen hören und beschloß um sie zu freien. Er erhielt von seinem Vater ein Schiff zur Reise, bekam guten Fahrwind und landete in dem Reiche, wo Signy daheim war.
Als er zur königlichen Halle hinauf gehen wollte, begegnete er auf dem Wege dahin einem Weibe von solcher Schönheit, daß er früher nie ein ähnliches gesehen zu haben glaubte.
Er fragte dasselbe, wer sie sei.
»Signy, die Königstochter«, erhielt er zur Antwort.
Er fragte sie weiter, warum sie so einsam hier wandere.
Sie entgegnete ihm, es geschehe dies aus Kummer über den Tod ihrer Mutter und weil auch ihr Vater nicht zu Hause sei.
Der Prinz erzählte ihr nun, daß er gerade um ihretwillen hierhergekommen sei und daß er um sie freien wolle, was er hiermit auch thue. Sie nahm seine Werbung freundlich auf, bat ihn jedoch sich auf sein Schiff zu begeben, da sie weiter in den Wald hinein gehen wolle.
Sie ging nun zu den beiden Eichen, riß dieselben mit den Wurzeln aus, nahm die eine auf den Rücken, die andere auf die Brust und trug sie so zur See und watete mit ihnen hinaus bis zum Schiffe. Hier nahm sie wieder ihre frühere schöne Gestalt an und erzählte dem Königssohne, daß nun ihr Reisegut an Bord gekommen sei; anderes Gut besitze sie nicht, sagte sie.
Hierauf segelte der Prinz wieder in seine Heimat zurück, wo er von seinen Eltern und seiner Schwester mit großer Freude empfangen wurde. Er gab Signy eine schöne Wohnung und ließ die beiden Eichen vor ihren Fenstern in die Erde einsetzen.
Nach Verlauf eines halben Monats kam der Prinz zu Signy mit der Botschaft, daß er in vierzehn Tagen die Hochzeit mit ihr feiern wolle; er gab ihr zugleich einen kostbaren Stoff, aus dem sie für sich und für ihn die Brautkleider anfertigen sollte.
Der Prinz war aber kaum von ihr fortgegangen, als sie den Kleiderstoff auf den Boden schleuderte, mit Ungestüm herumfuhr und eine ganz andere Gestalt annahm, so daß sie zum schlimmsten Riesenweibe verwandelt erschien.
Sie wisse nicht, was sie mit solchem Putz anfangen solle, sagte sie, sie, die sich früher nie auf etwas Anderes verstanden habe, als Menschenfleisch zu essen und Pferdeknochen zu zerbrechen.
Sie jammerte und lärmte noch weiter und schrie, daß sie vor Hunger umkommen müsse, da ihr Bruder Eisenkopf nicht mit den Kisten komme, wie er versprochen habe.
In diesem Augenblicke öffneten sich drei Bretter im Fußboden des Zimmers und demselben entstieg ein Riese mit einer ungeheuer großen Kiste in den Armen. Sie begannen hierauf beide die Kiste zu erbrechen und dieselbe war angefüllt mit Menschenrümpfen. Sie fingen nun alle beide an, mit großer Gefräßigkeit zu essen und hierauf verschwand der Riese wieder auf dieselbe Weise in dem Boden, ohne die geringste Spur darauf zurückzulassen. Als aber das Weib sich gesetzt hatte, machte es einen noch größeren Lärm als früher, zerrte an dem Stoffe und wollte denselben in Stücke reißen.
Von den Königskindern aber ist zu melden, daß sie sich in den Eichen befanden, von denen aus sie Alles sehen konnten, was vorging. Da bat Asmund seine Schwester Signy, sie möge aus der Eiche gehen und sich des Kleiderstoffes zu bemächtigen suchen, damit sie nicht Tag und Nacht dieses wilde Treiben ansehen müßten.
Signy erfüllte das Verlangen ihres Bruders; sie verfertigte die Kleider, so gut sie es konnte, in sechs Tagen, ging hierauf aus dem Baum und warf dieselben auf den Tisch, worüber das Riesenweib sehr erfreut war. Als dann der Königssohn kam und die Kleider aus ihrer Hand in Empfang nahm, bewunderte er ihre Geschicklichkeit, und sie schieden sehr freundlich von einander.
Die Riesin benahm sich nun wieder auf dieselbe Weise, wie früher, bis Eisenkopf kam. Als Asmund neuerdings dieses ganze wilde Treiben sah, ging er zum Königssohn und forderte ihn auf mit ihm zu kommen und einem Spiele zuzusehen, welches in der Wohnung der neu angekommenen Königstochter aufgeführt werde.
Der Königssohn war nicht wenig erstaunt, als er Solches von seiner Braut erfuhr. Sie gingen nun beide dahin und verbargen sich hinter dem Getäfel, von wo aus sie durch eine kleine Oeffnung in das Zimmer der Braut sehen konnten. Diese raste wie früher, und sagte zu Eisenkopf, als er kam:
»Wenn ich einmal mit dem Königssohne verheirathet sein werde, wird es mir wohl besser ergehen als jetzt; ich werde dann das ganze Pack da drinnen in der Halle erschlagen und mit meinem Geschlechte kommen; dann werden sich, denke ich, die Riesen wohl freuen über mich und meinen Mann.«
Als der Königssohn dies vernahm, wurde er von solchem Zorne erfüllt, daß er Feuer an die Wohnung legte und dieselbe mit Allem, was sich darin befand einäscherte.
Asmund erzählte ihm nun von den Eichbäumen, und er war nicht nur erstaunt über die Schönheit der Signy, sondern auch über Alles, was sich in den Bäumen befand. Er freite sodann um Asmund’s Schwester Signy; Asmund aber warb um Ring’s Schwester und bald wurde auch die Hochzeit beider Paare gefeiert. Asmund zog hierauf heim zu seinem Vater; später aber erbten die beiden Schwäger die Reiche ihrer Väter und sie herrschten dort bis in ihr hohes Alter. Und hiermit ist diese Geschichte zu Ende.
Der König schenkte seinem Sohne zwei Eichen, welche draußen im Walde standen, und es machte Asmund Vergnügen dieselben auszuhöhlen und in ihren Stämmen verschiedene Zimmerchen einzurichten. Signy begleitete ihn oft in den Wald hinaus und bewunderte die Eichen, und sie bekam Lust, dieselben mit ihm zu besitzen. Asmund erfüllte ihren Wunsch und sie trug nun allerlei Edelsteine und Kleinodien, welche sie von ihrer Mutter zum Geschenk erhalten hatte, dahin und verbarg sie in den Bäumen.
Da geschah es einmal, daß ihr Vater in den Krieg zog; während seiner Abwesenheit wurde aber die Königin krank und starb. Die Geschwister begaben sich hinaus in den Wald und setzten sich in die Eichen, nachdem sie sich mit Nahrungsmitteln für ein Jahr versehen hatten.
Nun ist zu melden, daß in einem anderen Lande ein König herrschte, welcher einen Sohn besaß, der Ring hieß. Ring hatte von der großen Schönheit der Signy erzählen hören und beschloß um sie zu freien. Er erhielt von seinem Vater ein Schiff zur Reise, bekam guten Fahrwind und landete in dem Reiche, wo Signy daheim war.
Als er zur königlichen Halle hinauf gehen wollte, begegnete er auf dem Wege dahin einem Weibe von solcher Schönheit, daß er früher nie ein ähnliches gesehen zu haben glaubte.
Er fragte dasselbe, wer sie sei.
»Signy, die Königstochter«, erhielt er zur Antwort.
Er fragte sie weiter, warum sie so einsam hier wandere.
Sie entgegnete ihm, es geschehe dies aus Kummer über den Tod ihrer Mutter und weil auch ihr Vater nicht zu Hause sei.
Der Prinz erzählte ihr nun, daß er gerade um ihretwillen hierhergekommen sei und daß er um sie freien wolle, was er hiermit auch thue. Sie nahm seine Werbung freundlich auf, bat ihn jedoch sich auf sein Schiff zu begeben, da sie weiter in den Wald hinein gehen wolle.
Sie ging nun zu den beiden Eichen, riß dieselben mit den Wurzeln aus, nahm die eine auf den Rücken, die andere auf die Brust und trug sie so zur See und watete mit ihnen hinaus bis zum Schiffe. Hier nahm sie wieder ihre frühere schöne Gestalt an und erzählte dem Königssohne, daß nun ihr Reisegut an Bord gekommen sei; anderes Gut besitze sie nicht, sagte sie.
Hierauf segelte der Prinz wieder in seine Heimat zurück, wo er von seinen Eltern und seiner Schwester mit großer Freude empfangen wurde. Er gab Signy eine schöne Wohnung und ließ die beiden Eichen vor ihren Fenstern in die Erde einsetzen.
Nach Verlauf eines halben Monats kam der Prinz zu Signy mit der Botschaft, daß er in vierzehn Tagen die Hochzeit mit ihr feiern wolle; er gab ihr zugleich einen kostbaren Stoff, aus dem sie für sich und für ihn die Brautkleider anfertigen sollte.
Der Prinz war aber kaum von ihr fortgegangen, als sie den Kleiderstoff auf den Boden schleuderte, mit Ungestüm herumfuhr und eine ganz andere Gestalt annahm, so daß sie zum schlimmsten Riesenweibe verwandelt erschien.
Sie wisse nicht, was sie mit solchem Putz anfangen solle, sagte sie, sie, die sich früher nie auf etwas Anderes verstanden habe, als Menschenfleisch zu essen und Pferdeknochen zu zerbrechen.
Sie jammerte und lärmte noch weiter und schrie, daß sie vor Hunger umkommen müsse, da ihr Bruder Eisenkopf nicht mit den Kisten komme, wie er versprochen habe.
In diesem Augenblicke öffneten sich drei Bretter im Fußboden des Zimmers und demselben entstieg ein Riese mit einer ungeheuer großen Kiste in den Armen. Sie begannen hierauf beide die Kiste zu erbrechen und dieselbe war angefüllt mit Menschenrümpfen. Sie fingen nun alle beide an, mit großer Gefräßigkeit zu essen und hierauf verschwand der Riese wieder auf dieselbe Weise in dem Boden, ohne die geringste Spur darauf zurückzulassen. Als aber das Weib sich gesetzt hatte, machte es einen noch größeren Lärm als früher, zerrte an dem Stoffe und wollte denselben in Stücke reißen.
Von den Königskindern aber ist zu melden, daß sie sich in den Eichen befanden, von denen aus sie Alles sehen konnten, was vorging. Da bat Asmund seine Schwester Signy, sie möge aus der Eiche gehen und sich des Kleiderstoffes zu bemächtigen suchen, damit sie nicht Tag und Nacht dieses wilde Treiben ansehen müßten.
Signy erfüllte das Verlangen ihres Bruders; sie verfertigte die Kleider, so gut sie es konnte, in sechs Tagen, ging hierauf aus dem Baum und warf dieselben auf den Tisch, worüber das Riesenweib sehr erfreut war. Als dann der Königssohn kam und die Kleider aus ihrer Hand in Empfang nahm, bewunderte er ihre Geschicklichkeit, und sie schieden sehr freundlich von einander.
Die Riesin benahm sich nun wieder auf dieselbe Weise, wie früher, bis Eisenkopf kam. Als Asmund neuerdings dieses ganze wilde Treiben sah, ging er zum Königssohn und forderte ihn auf mit ihm zu kommen und einem Spiele zuzusehen, welches in der Wohnung der neu angekommenen Königstochter aufgeführt werde.
Der Königssohn war nicht wenig erstaunt, als er Solches von seiner Braut erfuhr. Sie gingen nun beide dahin und verbargen sich hinter dem Getäfel, von wo aus sie durch eine kleine Oeffnung in das Zimmer der Braut sehen konnten. Diese raste wie früher, und sagte zu Eisenkopf, als er kam:
»Wenn ich einmal mit dem Königssohne verheirathet sein werde, wird es mir wohl besser ergehen als jetzt; ich werde dann das ganze Pack da drinnen in der Halle erschlagen und mit meinem Geschlechte kommen; dann werden sich, denke ich, die Riesen wohl freuen über mich und meinen Mann.«
Als der Königssohn dies vernahm, wurde er von solchem Zorne erfüllt, daß er Feuer an die Wohnung legte und dieselbe mit Allem, was sich darin befand einäscherte.
Asmund erzählte ihm nun von den Eichbäumen, und er war nicht nur erstaunt über die Schönheit der Signy, sondern auch über Alles, was sich in den Bäumen befand. Er freite sodann um Asmund’s Schwester Signy; Asmund aber warb um Ring’s Schwester und bald wurde auch die Hochzeit beider Paare gefeiert. Asmund zog hierauf heim zu seinem Vater; später aber erbten die beiden Schwäger die Reiche ihrer Väter und sie herrschten dort bis in ihr hohes Alter. Und hiermit ist diese Geschichte zu Ende.
[Island: Jos. Cal. Poestion: Isländische Märchen]