Die Hexe hatte vor ihm gekniet und gesagt: „Herr König, Ruhm und Ehre warten auf Euch, auch wird ihnen bald ein Sohn geboren. Dem werden Sie ihren Thron hinterlassen. Er muss aber eine der Moorhexen heiraten, sonst wird großes Unheil über Euer Geschlecht hereinbrechen.“
Er hatte die Worte der Hexe gehört, aber dabei gedacht: „ Ich hoffe doch sehr, dass mein Sohn nie sein Herz an eines dieser hässlichen Weiber verliert!“
Damit hatten sie sich getrennt.
In den letzten Jahren seines Lebens, hatte er immer öfter über die Worte der Hexe nachgedacht und gebangt. Schließlich wollte er seinem Sohn alles erzählen und rief nach ihm.
„ Mein Sohn“, sprach der alte zum jungen König, „ich sehe, das du ein guter König bist, und ich weiß, du wirst mit jedem Tag noch besser werden. Doch es gibt eine Gefahr. Deshalb muss ich dir heute von einer Begebenheit erzählen, die mir als junger Mann widerfahren ist.“
So erzählte der alte König seinem Sohn Baldan von der Hexe, und von der möglichen Zukunft ihres Geschlechtes, dem Geschlecht der Könige ihres Landes. Baldan hörte geduldig den Worten seines Vaters zu und fasste dann einen Entschluss:
„ Vater“, sagte er entschlossen und hielt seines Vaters Hand fest in seiner, „ ich verspreche dir, ich werde nicht zulassen, das unser Stammbaum bei mir enden wird. Wenn keine andere Möglichkeit besteht, dann werde ich eben die Mooshexen aufsuchen und eine der ihren zur Frau nehmen.“
Sofort stieg Baldan auf sein Ross und machte sich auf, um die Mooshexen zu suchen. Sein Vater sah ihm mit Tränen in den Augen hinterher. Er war sehr stolz auf seinen Sohn.
Baldan ritt gen Osten, zum schwarzen Wald hin. Dort erhoffte er sich, die Mooshexen zu finden. Denn, wo gibt es mehr Moos, als in einem Wald? Solange die Sonne am Himmel stand, gab er seinem treuen Ross die Sporen und sie flogen geradezu über das Land. Gerne wäre Baldan auch nachts geritten, doch wollte er sich und seinem Pferd ein wenig Ruhe gönnen und zuviel hatte er schon von bösen Gestalten gehört, die Reisende des Nachts überfielen. So bereitete er Abend für Abend das Nachtlager vor und döste vor sich hin, ohne richtig Schlaf zu finden. Am fünften Tag seiner Reise stieß Baldan auf das erste Hindernis seit ihrem Aufbruch. Der große Fluss floss zwar im Westen des Landes, doch seine Nebenflüsse reichten bis in den Osten hinein und spendeten den Bewohnern frisches Wasser. Viele der größeren Dörfer lagen an diesen kleineren Flüssen, und im Laufe der Jahre hatten ihre Bewohner Brücken und kleine Häfen erbaut. Einen solchen kleinen Fluss hatte Baldan erreicht. In einem Umkreis von mehreren Meilen war kein Dorf zu sehen, erst am Horizont, weit Richtung Norden, zeichneten sich ganz schwach die Dächer einiger Häuser ab. Der schwarze Wald war nicht mehr fern. Nur noch das Wasser trennte ihn von einer weiten Wiese. Dahinter streckten sich schwarze Bäume in die Höhe. Baldan überlegte. Bis zu den Häusern zu reiten und dann wieder zurück zum Wald, hätte einen Umweg von mehreren Wochen erfordert. Dort bei den Häusern gab es gewiss eine Brücke, über die er reiten konnte, doch die Sache war ihm zu wichtig, als das er Zeit verschwendet hätte. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als durch den Fluss zu schwimmen. Traurig verabschiedete er sich von seinem treuen Pferd und ließ es frei. Eigentlich wollte er sein Pferd vor dem schwarzen Wald anbinden und dort zurückzulassen, bis er die Mooshexen gefunden hätte. Aber jetzt musste er sich schon hier von ihm trennen. Der Fluss war nicht besonders breit, aber in der Mitte schwarz wie die Nacht. Trotz aller Bedenken die er hegte, legte er seine Kleider ab und packte sie in den Beutel, den er bei sich getragen hatte und warf diesen über den Fluss auf die andere Seite. Er landete mit einem Plumps im Gras und blieb liegen.
Baldan steckte einen Zeh in das Wasser, es war eisig kalt. Er bekam Kopfschmerzen von der Kälte und sein Zeh wurde taub. Doch es half nichts, da musste er jetzt durch. Langsam steckte er seinen ganzen Fuß ins Wasser und ließ sich schließlich ganz in den Fluss gleiten. Die Kälte durchdrang ihn und er glaubte Sterne vor seinen Augen tanzen zu sehen. Er atmete tief durch und schwamm auf die andere Seite zu. Seine Arme und Beine waren von der Kälte gelähmt. Trotzdem kämpfte er sich weiter, immer weiter geradeaus. Eben spürte er wieder unter seinen Füßen den ansteigenden Boden, er dachte es geschafft zu haben, als er abrutschte und unter die Oberfläche geriet. Baldan sank auf den Boden zu und glaubte, er würde nie mehr auftauchen können. Eine unglaubliche Müdigkeit überfiel ihn. Er dachte noch einmal an seinen Vater und das Versprechen das er ihm gegeben hatte. Dann schloss er die Augen und ergab sich der Kälte und dem Fluss.
Er kam wieder zu sich, als etwas ihn an der Nase kitzelte. Langsam öffnete er die Augen und richtete sich auf. Er befand sich in einer Höhle. Ein Sonnenstrahl fiel durch ein Loch in der Wand und hatte ihn aufgeweckt. Baldan sah sich verwundert um. Die Höhle in der er sich befand war nicht besonders groß und glitzerte in dem wenigen Licht das aus dem Loch in der Wand kam. Neben ihm lagen sein Beutel und seine gefaltete Kleidung. Wie war er in die Höhle gekommen? Das letzte an das er sich erinnern konnte, war die Kälte des Flusses. Er stand auf, legte seine Kleider an und nahm seinen Beutel über die Schulter. Dann trat er aus der Höhle hinaus. Er fragte sich immer noch, wie er in die Höhle gekommen war. Es musste ihn jemand aus dem Fluss gezogen haben und hierher gebracht. Seine Verwunderung wuchs noch mehr, als er sein Pferd vor ihm angebunden sah. Er ließ seinen Blick über die Lichtung wandern, zuckte dann mit den Schultern und machte sich mit seinem Pferd auf in den Wald. Die Entfernung bis zum Schwarzen Wald hatte er wie aus Zauberhand zurückgelegt und befand sich jetzt im Herzen des dunklen Waldes. Trotz aller schaurigen Erzählungen die er über diesen Ort gehört hatte, erschien ihm der Wald als gar nicht dunkel. Im Gegenteil. Die Sonne wärmte ihn, in den Wipfeln rauschte beruhigend der Wind und Eichhörnchen liefen die Bäume hinauf. Baldan dachte jetzt auch an den Grund seiner Reise. Er musste die Moosflächen finden, die sich im Wald befinden sollten. Eine winzige Fee flog ihm ins Gesicht und beschimpfte ihn, bis er sie mit einer Handbewegung beiseite wischte.
Lange waren Baldan und sein Pferd noch unterwegs, bis sie endlich die Moosflächen fanden. Er nahm all seinen Mut zusammen und rief klar und deutlich über die Flächen hinweg:
„ Mooshexen des Schwarzen Waldes, ich bin Baldan, neuer König und Sohn des alten Königs. Ich habe eine lange Reise hinter mir, um zu euch zu kommen. Ich bin hier, um eine der euren zur Frau zu nehmen.“
Zunächst blieb alles still, dann wurde Gemurmel laut und Bewegung kam in die Flächen. Das Moos hob sich und bildete Gestalten. Nach und nach erhoben sich viele Hexen und alle kamen auf Baldan zu. Er war fasziniert von den Mooshexen. Sie waren alle Frauen unterschiedlichen Alters, ihr Haar war verfilzt und mit Erde bedeckt. Ihre Kleidung bestand aus Moos und Blättern, ihre Haut war grün. Da gab es einige mit olivgrüner Haut, Hexen mit hellgrüner Haut und weiter gab es noch mehr Grüntöne. Sie bildeten einen Kreis um Baldan und sahen ihn schweigend an. Baldan sprach erneut:
„ Mooshexen, ich respektiere euch und will eine von euch als meine Königin mit auf mein Schloss nehmen. So will ich die Bedingung zur Rettung meines Königsgeschlechtes erfüllen. Werdet ihr mir eine von euch übergeben, oder habe ich die Wahl?“
Baldan wartete ruhig auf eine Antwort. Die Hexen sahen sich an, dann trat ein altes Weib vor und sprach zu ihm:
„ Junger König Baldan, wir haben von deiner Reise schon gehört und auf dich gewartet. Nun, es gibt viele junge Hexen unter uns, das letzte Jahr brachte viele von uns hervor. Doch werden wir nicht entscheiden, welche mit dir gehen soll. All sind sie hübsch und ich könnte dir jede empfehlen, doch die Wahl soll allein deine Entscheidung sein.“
Da fragte Baldan sie: „Gibt es irgendetwas, das ich oder bei meiner Entscheidung beachten muss, und was fordert ihr als Gegenleistung? “
Die alte Hexe lächelte. „Oh, mein junger Baldan. Für uns ist es schon eine Ehre, dass du als König zu uns kommst und um eine Frau bittest, denn wir sind da draußen nicht sehr beliebt. Doch muss deine Erwählte wirklich mit dir gehen wollen. Nur das ist unsere Bedingung. Sagt sie nein, dann sollst du das hinnehmen.“
„Ich werde das hinnehmen, das schwöre ich bei meinem Königreich!“
Nun führte die Alte Baldan zu den jungen Mooshexen. Jede von ihnen war hübsch, trotz des Grüns ihrer Haut und ihren verfilzten Haaren. Baldan schritt vor ihnen auf und ab und blieb schließlich vor einer stehen. Sie war ein wenig kleiner als er, hatte dunkle Haare, große braune Augen und ihre Haut schimmerte in einem satten Grasgrün.
„ Wie heißt du?“, fragte Baldan die junge Hexe.
„ Bee, mein König.“
„ Das ist ein sehr schöner Name. Bee, würdest du mit auf mein Schloss kommen und mich heiraten?“, fragte er sie und hoffte.
Bee sah ihn einige Augenblicke stumm an und dann stimmte sie zu. Baldan nahm sie bei der Hand und sie verabschiedeten sich von den Umstehenden. Er hob seine Zukünftige auf sein Pferd und schwang sich dahinter. So ritten sie zum Schloss. Auf dem Weg erzählte Baldan von seiner Reise und dem Erwachen in der Höhle. Da wurde Bee unter ihrer grünen Haut ganz rot und sagte leise:
„ Mein König, ich muss ihnen gestehen, ich habe Sie aus dem Fluss gezogen und in die Höhle gebracht.“
Baldan lachte daraufhin, drehte sie zu sich um und küsste sie auf die grüne Stirn.
„ Danke“, flüsterte er, „ aber nenne mich Baldan.“
Sie nickte und lehnte sich an ihn. Und so ritten sie in den Sonnenuntergang. Auf dem Schloss wurden sie bereits sehnsüchtig erwartet und schön am nächsten Tag wurde eine prächtige Hochzeit gefeiert.
Sie lebten noch viele, viele Jahre glücklich und zufrieden zusammen und aus ihrem Glück kamen noch viele Generationen ihres Königsgeschlechtes bis auf den heutigen Tag.