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(1)
Es waren einmal ein König und eine Königin in ihrem Reiche. Sie hatten einen Sohn, der Sigurd hieß.
Nicht weit von dem Königsschlosse lebte ein alter Mann mit seinem alten Weibe in einer schlechten Hütte; der Mann hieß Bangsimon. Dieselben hatten eine Tochter Namens Helga, welche mit dem Königssohne Sigurd in gleichem Alter stand, und die beiden Kinder spielten oft zusammen.
Da trat das traurige Ereigniß ein, daß der König seine Königin durch den Tod verlor; er trauerte lange um sie, saß oft auf ihrem Grabhügel und vernachlässigte die Regierung des Reiches. Den Ministern und Hofleuten des Königs schien dies endlich so bedenklich zu werden, daß sie vor den König hintraten und ihn baten von seinen Klagen abzulassen; sie erboten sich zugleich fortzuziehen und um eine andere Frau für ihn zu werben.
Der König war mit diesem Vorschlage einverstanden, bat aber die Männer, weder ein dummes Inselweib, noch eines der schönen Frauenzimmer, wie solche sich häufig auf gegenüberliegenden Landspitzen aufhielten, noch auch ein in den Wäldern wohnendes Weib als Frau für ihn zu wählen.
Sie versprachen ihm das und rüsteten sich sogleich zur Fahrt. Sie verirrten sich aber auf dem Meere und fuhren lange ziellos umher, bis sie endlich vor dem Steven etwas großes Schwarzes sahen und entdeckten, daß es eine Insel war.
Sie stiegen an’s Land und gingen hier so lange, bis sie zu einem Zelte kamen. Hier sahen sie ein sehr schönes Weib welches auf einem Stuhle saß und sich mit einem goldenen Kamme kämmte.
Das Weib fragte sie, wohin sie gehen wollten und was für ein Geschäft sie zu besorgen hätten.
Sie erzählten nun, was der Zweck ihrer Reise sei.
Da sagte das Weib:
»Da ist es Eurem König gerade so ergangen wie mir; denn auch ich habe vor Kurzem meinen Mann verloren. Er war Oberkönig über zwanzig Kleinkönige; Vikinger überzogen das Land mit Krieg, der König fiel, ich aber flüchtete hieher.«
Hierauf warben sie um das Weib im Namen des Königs und erhielten eine zustimmende Antwort. Sie bestiegen sodann Alle die Schiffe und kamen ohne Unfall heim in das Reich des Königs.
Als der König die Schiffe von der Ferne heransegeln sah, ließ er sich in einem Wagen zum Strande fahren und lud die Königin ein, an seiner Seite im Wagen Platz zu nehmen. Hierauf fuhren sie beide in das Königsschloß.
Da der König an dieser Königin Gefallen fand, brachte auch er seine Werbung vor und dieselbe wurde freundlich aufgenommen. Der König ließ nun ein prächtiges Festgelage veranstalten und feierte seine Hochzeit mit ihr.
Sigurd, der Königssohn, aber verkehrte nur wenig mit seiner Stiefmutter und wollte so wenig als möglich mit ihr zu thun haben.
Es verstrich einige Zeit, bis die Königin krank wurde.
Der König war darüber sehr betrübt und fragte die Königin, ob dies nur eine vorübergehende oder aber tödtliche Krankheit sein werde.
Die Königin sagte, daß es eine tödtliche Krankheit sein werde und bat den König, er möge seinen Sohn Sigurd in den drei ersten Nächten nach ihrem Tode bei ihr in dem Gemache wachen lassen, welches sie bestimmen werde.
Es geschah nun, wie die Königin vorausgesagt hatte; die Krankheit war eine tödtliche und die Königin starb daran. Der König ließ ihre Leiche in das Gemach übertragen, welches sie bestimmt hatte, und trug Sorge, daß Alles so gemacht wurde, wie sie es verlangt hatte.
Hierauf bat er seinen Sohn, daß er bei der Leiche wachen möchte. Dieser aber wollte sich Anfangs durchaus nicht dazu herbeilassen.
Da erzürnte sich der König sehr und befahl Sigurd auf das Strengste, zu thun, was er ihm gesagt habe, so daß derselbe ihm versprechen mußte, seinem Gebote nachzukommen.
Da aber Sigurd sich im Dunklen fürchtete und überdies eine noch größere Furcht vor Leichen hatte, begab er sich zu Helga, der Häuslerstochter, und bat sie, ihren Vater Bangsimon zu bestimmen, daß er für Sigurd bei der Leiche der Königin wache.
Aber auch Bangsimon wollte sich Anfangs nicht dazu herbeilassen, und erst auf die wiederholten eindringlichen Bitten seiner Tochter versprach er, in der ersten Nacht bei der Leiche der Königin zu wachen.
Er begab sich denn Abends in das Gemach, in welchem die Leiche aufgebahrt lag. Als er in dasselbe eingetreten war, fragte die Königin:
»Wer ist da?«
»Bangsimon, der alte Mann von der Hütte«, sagte er.
»Packe Dich, Du niederträchtiger Kerl! Du hast nicht bei mir zu wachen; der Königssohn Sigurd hat bei mir zu wachen. Sind meine Füße fahl?« sagte die Königin.
»Fahl wie ein Grashalm«, entgegnete Bangsimon.
»Dann ist es am Besten zu ringen«, sagte die Königin, und bei diesen Worten erhob sie sich von der Bahre und stürzte auf Bangsimon los; sie rangen sodann mit einander, bis es Tag wurde. Als dieser anbrach, legte sich die Königin wieder auf die Bahre, wie sie früher gelegen hatte, der alte Mann aber begab sich heim in seine Hütte.
Ganz dasselbe ereignete sich auch in der zweiten Nacht, und nun weigerte sich der Alte aus allen Kräften, auch noch die dritte Nacht bei der Leiche der Königin zu wachen; aber schließlich konnte er doch den Bitten seiner Tochter nicht widerstehen und erklärte sich bereit, auch in der letzten Nacht, die noch übrig war, die Wache zu übernehmen. Bevor er sich aber in das Königsschloß begab, sagte er zu Sigurd und Helga, sie müßten, wenn er nach Verlauf von drei Jahren noch nicht zurückgekommen sein sollte, einander heirathen.
Hierauf ging er wieder in das Königsschloß und in das Gemach, in welchem die Leiche lag; er und die Königin wechselten wieder dieselben Worte wie früher, und sie rangen hierauf bis es Tag wurde. Als dieser anbrach, wurde die Königin zu einem Geier, Bangsimon aber zu einem fliegenden Drachen; sie erhoben sich beide in die Luft und flogen über Länder und Meer dahin, bis sie in ein unbekanntes Land kamen; hier unterlag die Königin im Kampfe und Bangsimon wollte ihr die Kehle durchbeißen. Da bat sie ihn, ihr das Leben zu schenken, und versprach, daß sie ihm dies lohnen würde, sobald sie in diesem Reiche Königstochter geworden wäre.
»Wie willst Du dazu kommen, Königstochter zu werden?« fragte Bangsimon.
»Ich will mich zu einem kleinen Kinde verwandeln und von dem König finden lassen, wenn er auf die Jagd geht,« sagte sie.
Der alte Häusler ließ sie nun los und sie enteilte in einen großen Wald, der sich in der Nähe befand.
Am nächsten Tage ging der König in seinem Reiche auf die Jagd und fand im Walde ein schönes kleines Mädchen. Er nahm dasselbe mit sich nach Hause und zog es auf wie eine eigene Tochter, denn der König und die Königin waren kinderlos. Das Mädchen aber wuchs so schnell heran, daß es an’s Wunderbare grenzte.
Der alte Bangsimon war ebenfalls in das Königsschloß gekommen und hielt sich dort auf; es wurde ihm erlaubt, Fische mürbe zu klopfen und ähnliche Arbeiten zu verrichten.
Nach einiger Zeit biß sich die Ziehtochter des Königs in die Finger, so daß dieselben bluteten; sie erzählte, daß der alte Mann, der sich im Königsschlosse aufhalte, sie so behandelt habe.
Der König und die Königin waren über den Alten sehr aufgebracht; doch wurde derselbe deshalb nicht fortgejagt.
Als einmal die Königstochter allein spazieren ging, fragte Bangsimon sie, wann sie es ihm lohnen wolle, daß er ihr das Leben geschenkt habe.
Sie sagte, sie werde es thun, sobald sie des Königs Königin geworden sei in diesem Reiche.
»Wie gedenkst Du denn dahin zu kommen, Königin in diesem Reiche zu werden?« fragte Bangsimon.
»Ich will«, so sagte sie, »die Königin bitten, daß sie mir ihre Sammlung von Kleinodien zeige, denn sie schlägt mir keine Bitte ab. Ich will sie vor mir die Stiege hinaufgehen lassen, welche dahin führt; ich selbst folge ihr nach, und sowie sie auf die höchste Stufe der Stiege gelangt ist, breche ich die Stiege unter ihr ab, so daß sie sich den Hals bricht, begrabe sie unter der Stiege und ziehe ihre Kleider an und der König glaubt dann, daß ich die Königin sei.«
Hierauf schieden sie von einander.
Wenige Tage später vermißte der König seine Tochter und die Königin sagte, daß es wohl am wahrscheinlichsten sei, daß der alte Fischmann, der sie schon einmal schwer mißhandelt hätte, ihr ein Leides zugefügt habe.
Bangsimon wurde nun ergriffen und sollte auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden, so sehr er auch betheuerte, daß er die Königstochter nicht getödtet habe.
Er wurde zu dem Scheiterhaufen geführt und der König und die Königin waren zugegen, um seine Verbrennung anzusehen. Er bat, daß der König ihm, bevor er auf den Scheiterhaufen geworfen würde, eine Bitte gewähren möchte; er verlange keine Begnadigung.
Der König versprach es ihm.
Da bat Bangsimon die Königin, daß sie ihre Lebensgeschichte erzählen möchte.
Sie sagte, dies sei bald geschehen; denn sie sei eine Königstochter gewesen und habe dann den König geheirathet, welchen sie jetzt besitze; was sich seitdem ereignet habe, sei ohnehin Jedermann bekannt.
Bangsimon erzählte nun laut ihre ganze Lebensgeschichte, von dem Augenblicke an, wo sie in dieses Land gekommen. Da verwandelte sie sich in einen fliegenden Drachen und flog auf den alten Häusler zu. Der aber holte unter seinem Mantel einen Sack hervor und warf ihn ihr über den Kopf, so daß sie auf den Scheiterhaufen fiel und verbrannte.
Bangsimon gab alsdann dem Könige den Rath, unter der Stiege, welche zu der Kleinodienkammer führe, nachgraben zu lassen. Dies geschah auch und man fand Alles so, wie der Alte es gesagt hatte.
Da dankte der König dem alten Bangsimon mit vielen schönen Worten, daß er ihn von diesem Ungeheuer befreit habe, und gab ihm ein Schiff und Leute zu demselben, damit er, wie er es wünschte, in seine Heimath segeln konnte.
Von Sigurd aber ist zu berichten, daß er während Bangsimon’s Abwesenheit seinen Vater verloren und hierauf die Regierung des Reiches übernommen hat. Als der alte Häusler heim kam, feierte Sigurd eben seine Hochzeit mit Helga; denn es waren bereits drei Jahre verflossen, seit der Alte nicht mehr nach Hause zurückgekehrt war. Die Freude des Wiedersehens war daher unbeschreiblich.
Das Ehepaar lebte hierauf lange geehrt und geachtet, und jetzt ist das Märchen von Bangsimon zu Ende.
Nicht weit von dem Königsschlosse lebte ein alter Mann mit seinem alten Weibe in einer schlechten Hütte; der Mann hieß Bangsimon. Dieselben hatten eine Tochter Namens Helga, welche mit dem Königssohne Sigurd in gleichem Alter stand, und die beiden Kinder spielten oft zusammen.
Da trat das traurige Ereigniß ein, daß der König seine Königin durch den Tod verlor; er trauerte lange um sie, saß oft auf ihrem Grabhügel und vernachlässigte die Regierung des Reiches. Den Ministern und Hofleuten des Königs schien dies endlich so bedenklich zu werden, daß sie vor den König hintraten und ihn baten von seinen Klagen abzulassen; sie erboten sich zugleich fortzuziehen und um eine andere Frau für ihn zu werben.
Der König war mit diesem Vorschlage einverstanden, bat aber die Männer, weder ein dummes Inselweib, noch eines der schönen Frauenzimmer, wie solche sich häufig auf gegenüberliegenden Landspitzen aufhielten, noch auch ein in den Wäldern wohnendes Weib als Frau für ihn zu wählen.
Sie versprachen ihm das und rüsteten sich sogleich zur Fahrt. Sie verirrten sich aber auf dem Meere und fuhren lange ziellos umher, bis sie endlich vor dem Steven etwas großes Schwarzes sahen und entdeckten, daß es eine Insel war.
Sie stiegen an’s Land und gingen hier so lange, bis sie zu einem Zelte kamen. Hier sahen sie ein sehr schönes Weib welches auf einem Stuhle saß und sich mit einem goldenen Kamme kämmte.
Das Weib fragte sie, wohin sie gehen wollten und was für ein Geschäft sie zu besorgen hätten.
Sie erzählten nun, was der Zweck ihrer Reise sei.
Da sagte das Weib:
»Da ist es Eurem König gerade so ergangen wie mir; denn auch ich habe vor Kurzem meinen Mann verloren. Er war Oberkönig über zwanzig Kleinkönige; Vikinger überzogen das Land mit Krieg, der König fiel, ich aber flüchtete hieher.«
Hierauf warben sie um das Weib im Namen des Königs und erhielten eine zustimmende Antwort. Sie bestiegen sodann Alle die Schiffe und kamen ohne Unfall heim in das Reich des Königs.
Als der König die Schiffe von der Ferne heransegeln sah, ließ er sich in einem Wagen zum Strande fahren und lud die Königin ein, an seiner Seite im Wagen Platz zu nehmen. Hierauf fuhren sie beide in das Königsschloß.
Da der König an dieser Königin Gefallen fand, brachte auch er seine Werbung vor und dieselbe wurde freundlich aufgenommen. Der König ließ nun ein prächtiges Festgelage veranstalten und feierte seine Hochzeit mit ihr.
Sigurd, der Königssohn, aber verkehrte nur wenig mit seiner Stiefmutter und wollte so wenig als möglich mit ihr zu thun haben.
Es verstrich einige Zeit, bis die Königin krank wurde.
Der König war darüber sehr betrübt und fragte die Königin, ob dies nur eine vorübergehende oder aber tödtliche Krankheit sein werde.
Die Königin sagte, daß es eine tödtliche Krankheit sein werde und bat den König, er möge seinen Sohn Sigurd in den drei ersten Nächten nach ihrem Tode bei ihr in dem Gemache wachen lassen, welches sie bestimmen werde.
Es geschah nun, wie die Königin vorausgesagt hatte; die Krankheit war eine tödtliche und die Königin starb daran. Der König ließ ihre Leiche in das Gemach übertragen, welches sie bestimmt hatte, und trug Sorge, daß Alles so gemacht wurde, wie sie es verlangt hatte.
Hierauf bat er seinen Sohn, daß er bei der Leiche wachen möchte. Dieser aber wollte sich Anfangs durchaus nicht dazu herbeilassen.
Da erzürnte sich der König sehr und befahl Sigurd auf das Strengste, zu thun, was er ihm gesagt habe, so daß derselbe ihm versprechen mußte, seinem Gebote nachzukommen.
Da aber Sigurd sich im Dunklen fürchtete und überdies eine noch größere Furcht vor Leichen hatte, begab er sich zu Helga, der Häuslerstochter, und bat sie, ihren Vater Bangsimon zu bestimmen, daß er für Sigurd bei der Leiche der Königin wache.
Aber auch Bangsimon wollte sich Anfangs nicht dazu herbeilassen, und erst auf die wiederholten eindringlichen Bitten seiner Tochter versprach er, in der ersten Nacht bei der Leiche der Königin zu wachen.
Er begab sich denn Abends in das Gemach, in welchem die Leiche aufgebahrt lag. Als er in dasselbe eingetreten war, fragte die Königin:
»Wer ist da?«
»Bangsimon, der alte Mann von der Hütte«, sagte er.
»Packe Dich, Du niederträchtiger Kerl! Du hast nicht bei mir zu wachen; der Königssohn Sigurd hat bei mir zu wachen. Sind meine Füße fahl?« sagte die Königin.
»Fahl wie ein Grashalm«, entgegnete Bangsimon.
»Dann ist es am Besten zu ringen«, sagte die Königin, und bei diesen Worten erhob sie sich von der Bahre und stürzte auf Bangsimon los; sie rangen sodann mit einander, bis es Tag wurde. Als dieser anbrach, legte sich die Königin wieder auf die Bahre, wie sie früher gelegen hatte, der alte Mann aber begab sich heim in seine Hütte.
Ganz dasselbe ereignete sich auch in der zweiten Nacht, und nun weigerte sich der Alte aus allen Kräften, auch noch die dritte Nacht bei der Leiche der Königin zu wachen; aber schließlich konnte er doch den Bitten seiner Tochter nicht widerstehen und erklärte sich bereit, auch in der letzten Nacht, die noch übrig war, die Wache zu übernehmen. Bevor er sich aber in das Königsschloß begab, sagte er zu Sigurd und Helga, sie müßten, wenn er nach Verlauf von drei Jahren noch nicht zurückgekommen sein sollte, einander heirathen.
Hierauf ging er wieder in das Königsschloß und in das Gemach, in welchem die Leiche lag; er und die Königin wechselten wieder dieselben Worte wie früher, und sie rangen hierauf bis es Tag wurde. Als dieser anbrach, wurde die Königin zu einem Geier, Bangsimon aber zu einem fliegenden Drachen; sie erhoben sich beide in die Luft und flogen über Länder und Meer dahin, bis sie in ein unbekanntes Land kamen; hier unterlag die Königin im Kampfe und Bangsimon wollte ihr die Kehle durchbeißen. Da bat sie ihn, ihr das Leben zu schenken, und versprach, daß sie ihm dies lohnen würde, sobald sie in diesem Reiche Königstochter geworden wäre.
»Wie willst Du dazu kommen, Königstochter zu werden?« fragte Bangsimon.
»Ich will mich zu einem kleinen Kinde verwandeln und von dem König finden lassen, wenn er auf die Jagd geht,« sagte sie.
Der alte Häusler ließ sie nun los und sie enteilte in einen großen Wald, der sich in der Nähe befand.
Am nächsten Tage ging der König in seinem Reiche auf die Jagd und fand im Walde ein schönes kleines Mädchen. Er nahm dasselbe mit sich nach Hause und zog es auf wie eine eigene Tochter, denn der König und die Königin waren kinderlos. Das Mädchen aber wuchs so schnell heran, daß es an’s Wunderbare grenzte.
Der alte Bangsimon war ebenfalls in das Königsschloß gekommen und hielt sich dort auf; es wurde ihm erlaubt, Fische mürbe zu klopfen und ähnliche Arbeiten zu verrichten.
Nach einiger Zeit biß sich die Ziehtochter des Königs in die Finger, so daß dieselben bluteten; sie erzählte, daß der alte Mann, der sich im Königsschlosse aufhalte, sie so behandelt habe.
Der König und die Königin waren über den Alten sehr aufgebracht; doch wurde derselbe deshalb nicht fortgejagt.
Als einmal die Königstochter allein spazieren ging, fragte Bangsimon sie, wann sie es ihm lohnen wolle, daß er ihr das Leben geschenkt habe.
Sie sagte, sie werde es thun, sobald sie des Königs Königin geworden sei in diesem Reiche.
»Wie gedenkst Du denn dahin zu kommen, Königin in diesem Reiche zu werden?« fragte Bangsimon.
»Ich will«, so sagte sie, »die Königin bitten, daß sie mir ihre Sammlung von Kleinodien zeige, denn sie schlägt mir keine Bitte ab. Ich will sie vor mir die Stiege hinaufgehen lassen, welche dahin führt; ich selbst folge ihr nach, und sowie sie auf die höchste Stufe der Stiege gelangt ist, breche ich die Stiege unter ihr ab, so daß sie sich den Hals bricht, begrabe sie unter der Stiege und ziehe ihre Kleider an und der König glaubt dann, daß ich die Königin sei.«
Hierauf schieden sie von einander.
Wenige Tage später vermißte der König seine Tochter und die Königin sagte, daß es wohl am wahrscheinlichsten sei, daß der alte Fischmann, der sie schon einmal schwer mißhandelt hätte, ihr ein Leides zugefügt habe.
Bangsimon wurde nun ergriffen und sollte auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden, so sehr er auch betheuerte, daß er die Königstochter nicht getödtet habe.
Er wurde zu dem Scheiterhaufen geführt und der König und die Königin waren zugegen, um seine Verbrennung anzusehen. Er bat, daß der König ihm, bevor er auf den Scheiterhaufen geworfen würde, eine Bitte gewähren möchte; er verlange keine Begnadigung.
Der König versprach es ihm.
Da bat Bangsimon die Königin, daß sie ihre Lebensgeschichte erzählen möchte.
Sie sagte, dies sei bald geschehen; denn sie sei eine Königstochter gewesen und habe dann den König geheirathet, welchen sie jetzt besitze; was sich seitdem ereignet habe, sei ohnehin Jedermann bekannt.
Bangsimon erzählte nun laut ihre ganze Lebensgeschichte, von dem Augenblicke an, wo sie in dieses Land gekommen. Da verwandelte sie sich in einen fliegenden Drachen und flog auf den alten Häusler zu. Der aber holte unter seinem Mantel einen Sack hervor und warf ihn ihr über den Kopf, so daß sie auf den Scheiterhaufen fiel und verbrannte.
Bangsimon gab alsdann dem Könige den Rath, unter der Stiege, welche zu der Kleinodienkammer führe, nachgraben zu lassen. Dies geschah auch und man fand Alles so, wie der Alte es gesagt hatte.
Da dankte der König dem alten Bangsimon mit vielen schönen Worten, daß er ihn von diesem Ungeheuer befreit habe, und gab ihm ein Schiff und Leute zu demselben, damit er, wie er es wünschte, in seine Heimath segeln konnte.
Von Sigurd aber ist zu berichten, daß er während Bangsimon’s Abwesenheit seinen Vater verloren und hierauf die Regierung des Reiches übernommen hat. Als der alte Häusler heim kam, feierte Sigurd eben seine Hochzeit mit Helga; denn es waren bereits drei Jahre verflossen, seit der Alte nicht mehr nach Hause zurückgekehrt war. Die Freude des Wiedersehens war daher unbeschreiblich.
Das Ehepaar lebte hierauf lange geehrt und geachtet, und jetzt ist das Märchen von Bangsimon zu Ende.
[Island: Jos. Cal. Poestion: Isländische Märchen]