Suche

Märchenbasar

Blendwerk

1
(1)

Es waren einmal ein alter Mann und eine alte Frau, zu denen kam ein Schifferknecht und bat sie um ein Nachtlager.
Der Alte ließ ihn unter der Bedingung ein, daß er ihm die ganze Nacht Geschichten erzähle.
»Gut, ich werde dir etwas erzählen«, antwortete der Bursche.
»Nun, das ist recht.«
Der Alte kletterte mit dem Burschen auf den Ofen. Die Frau saß unten und spann Flachs.
Der Bursche dachte: »Jetzt will ich mir mit ihnen einen Spaß machen.«
Er verwandelte sich in einen Wolf und den Alten in einen Bären und sagte:
»Laufen wir fort.«
Da liefen sie beide ins freie Feld, dort sah der Wolf des Alten Stute weiden und sprach:
»Fressen wir sie auf.«
»Nein, das ist mein Pferd«, sagte der Bär.
»Aber Hunger hast du doch auch!«
Da fraßen sie beide das Pferd auf und liefen weiter, da trafen sie des Alten Weib und der Wolf sagte wieder:
»Fressen wir die Alte.«
»Oho, das ist ja meine Frau«, antwortete der Bär.
»Was fällt dir denn ein!«
Da fraßen sie das alte Weib und liefen den ganzen Sommer miteinander umher, dann kam der Winter.
»Setzen wir uns in eine Höhle«, sagte der Wolf zum Bär. »Du kriech tiefer hinein und ich lege mich vorne hin. Finden uns die Jäger, so werden sie mich zuerst erschießen. Paß auf! Wenn sie mir das Fell abziehen, lauf heraus und spring über meine Haut, dann wirst du wieder ein Mensch.«
Sie lagen in ihrer Höhle, bis die Jäger sie fanden. Die erschossen sogleich den Wolf und zogen ihm das Fell ab.
Da sprang der Bär auf und machte einen Purzelbaum über das Wolfsfell. Dabei flog der Alte kopfüber von dem Ofen auf den Boden herab.
»O weh, o weh, ich habe mir den ganzen Rücken zerschlagen!« brüllte er.
»Was zum Teufel machst du? Warum fällst du da herunter? Bist du betrunken?« schrie die Alte.
Da erzählte er, wie er und der Schifferknecht als wilde Tiere umhergelaufen waren. »Er als Wolf und und ich als Bär«, sagte er. »Einen Sommer und einen Winter liefen wir umher. Wir fraßen unser Pferd, wir fraßen auch dich.«
Da lachte die Alte unbändig und rief:
»Ei, da hat der Bursche dich schön angeführt.«

In einem Land, in einem Reich lebte einmal ein Matrose, der diente dem Zaren treu und ehrlich und das wußten seine Vorgesetzten auch alle. Einmal bat er um Urlaub, ans Land gehen zu dürfen.
Er zog seinen Leinenkittel an und ging in die Stadt ins Wirtshaus. Er setzte sich an einen Tisch, bestellte Wein und Essen und ließ es sich gut gehen. Er hatte vielleicht für zehn Rubel verzehrt und hörte noch immer nicht auf, da fragte ihn der Kellner:
»Höre, Matrose, du forderst sehr viel, hast du auch Geld, um zu zahlen?«
»Ach, Bruder, Geld? Wie kannst du daran zweifeln, ich habe soviel, daß die Hühner es nicht aufpicken können.«
Er nahm ein Goldstück aus der Tasche, warf es auf den Tisch und sagte:
»Da hast du!«
Der Kellner nahm das Geld, rechnete alles zusammen, wie es sich gehört und brachte ihm den Rest zurück. Aber der Matrose sagte:
»Was tue ich mit dem Kleingeld? Behalt es dir auf Schnaps.«
Am nächsten Tag bat der Matrose wieder um Urlaub, ging in dasselbe Wirtshaus und verjubelte wieder ein Goldstück. Am dritten Tage wieder und so kam er jeden Tag, zahlte immer mit Goldstücken und schenkte dem Kellner das Kleingeld.
Endlich wurde der Wirt selbst auf ihn aufmerksam und wurde unruhig.
»Was kann das bedeuten? Er scheint ein Matrose zu sein und vergeudet so viel Geld? Er hat einen ganzen Sack Goldstücke hieher gebracht. Sein Gehalt, das weiß man, ist nicht derart, daß man so üppig leben kann. Sicherlich hat er einen Schatz gestohlen, das muß man anzeigen, sonst kann es mir zur Unzeit noch schlecht ergehen, wenn es entdeckt wird, und ich komme gar noch nach Sibirien.«
Der Wirt meldete es dem Offizier und dieser sagte es wieder dem General. Der General ließ den Matrosen kommen und sprach:
»Sag ehrlich, woher hast du das Gold genommen?«
»Solches Gold findet man auf jedem Misthaufen.«
»Was lügst du da?«
»Nein, Exzellenz, ich lüge nicht, sondern der Wirt. Er soll das Gold herzeigen, das er von mir erhalten hat.«
Sogleich brachte man den Sack und machte ihn auf, da waren lauter Knochen drin.
»Aber, Bruder, du zahltest ja mit lauter Gold und jetzt sind das lauter Knochen! Zeige, wie das geschehen konnte!«
Da rief der Matrose plötzlich:
»Ach, Exzellenz, wir müssen sterben!«
Siehe, da strömte bei Türen und Fenstern Wasser herein, stieg immer höher und höher, so daß es ihnen allen bis an die Kehlen ging.
»Himmel, was sollen wir da machen? Wohin sollen wir fliehen?« fragte der General ängstlich.
»Wenn Ihr nicht ertrinken wollt, Exzellenz,« sagte der Matrose, »dann klettert hinter mir den Rauchfang hinauf.«
Schnell kletterten die beiden bis auf das Dach, da standen sie und schauten umher nach allen Seiten. Die ganze Stadt war überflutet. Das Wasser stand an manchen Stellen so hoch, daß man gar keine Häuser mehr sah, und das Wasser stieg und stieg.
»Bruder, wir werden sicherlich auch hier nicht entrinnen«, sagte der General.
»Ich weiß nicht, was geschehen wird, was sein muß, wird sein.« »Mein Tod ist gekommen«, dachte der General außer sich und begann zu beten.
Plötzlich kam ein Boot dahergeschwommen, blieb an dem Dache hängen und blieb liegen.
»Exzellenz,« sagte der Matrose, »steigen wir schnell in das Boot, vielleicht können wir uns retten, sonst kommt das Wasser hieher.«
Sie stiegen in das Boot und der Wind trieb sie über das Wasser. Sie schwammen einen Tag und noch einen, und am dritten sank das Wasser, und zwar so schnell, daß man nicht begriff, wohin es abfloß. Als rings um sie alles trocken war, stiegen sie aus und fragten die Leute, wie das Land heiße und wo sie wären. Sie waren bis ins dreimal neunte Land ins dreißigste Reich geschwommen.
Das Volk dort war ihnen ganz fremd und unbekannt. Was sollten sie machen und wie sollten sie wieder in ihre Heimat kommen? Sie hatten keinen einzigen Groschen Geld.
Da sagte der Matrose:
»Wir müssen uns als Arbeiter verdingen und Geld verdienen, sonst können wir nicht daran denken, heimzukehren.«
»Das ist gut für dich, Bruder, du bist seit jeher ans Arbeiten gewöhnt, aber ich? Du weißt, ich bin ein General und kann nicht arbeiten.«
»Das macht nichts, ich werde eine Arbeit finden, zu der man nichts zu können braucht.«
Sie gingen ins Dorf und vermieteten sich als Hirten.
Die Gemeinde war einverstanden und nahm sie für den ganzen Sommer auf.
Der Matrose war der Hirt und der General der Hüterbub. So hüteten sie bis zum Herbste das Vieh der Gemeinde und sammelten dann von den Bauern das Geld ein. Das teilten sie.
Der Matrose machte zwei gleiche Teile, für sich und den General.
Als der General sah, daß der Matrose sich ihm gleichstellte, war er beleidigt und sagte:
»Wie kannst du nur gleiche Teile machen? Ich bin ja ein General und du nur ein einfacher Matrose.«
»Ja, ich sollte besser drei Teile machen und mir zwei nehmen; für dich ist ein Drittel auch genug, denn ich war eigentlich der Hirte und du nur der Hüterbub.« Da wurde der General zornig und fing an zu schimpfen, der Matrose gab nicht nach, hob schließlich die Hand und stieß den General in die Seite:
»Wacht auf, Exzellenz.«
Der General erwachte. Da war alles wie früher. Er war gar nicht aus seinem Zimmer fortgewesen!
Er wollte aber nicht mehr über den Matrosen zu Gericht sitzen und ließ ihn frei.
Der Wirt ging nach Hause und hatte nichts erreicht.

[Rußland: A.N. Afanaßjew: Russische Volksmärchen]

Wie hat dir das Märchen gefallen?

Zeige anderen dieses Märchen.

Gefällt dir das Projekt Märchenbasar?

Dann hinterlasse doch bitte einen Eintrag in meinem Gästebuch.
Du kannst das Projekt auch mit einer kleinen Spende unterstützen.

Vielen Dank und weiterhin viel Spaß

Skip to content