Brumml, ein unternehmungslustiger kleiner brauner Bär, liegt in seinem Bettchen. Gerade ist er wach geworden, gähnt laut, und reibt sich den Schlaf aus den Augen. Erst das linke, dann das rechte Bein, setzt er sich auf den Bettrand. Durch die Schilftür der großen steinigen Behausung schimmert der neue Tag. Inzwischen mopsfidel und munter, schaut er auf seine noch fest schlafenden Eltern. „Ach, sollen sie sich nur richtig ausruhen. Ich kann ja schon mal einen kleinen Spaziergang machen.“
Ganz leise schleicht er nach draußen. Die Sonne mit ihren hellen Strahlen kitzelt seine schwarze Knopfnase. Brumml niest kräftig und schüttelt dabei den Kopf. „Oh, wie duftet der neue Tag!“ Bunte Blumen wiegen ihre Köpfchen im sanften Wind und wünschen ihm einen guten Morgen. Schmetterlinge tummeln sich übermütig in der Luft. Sie fordern das Bärchen auf, mit ihnen zu tanzen. Natürlich kann er nicht widerstehen, tappt den bunten Taumlern immer tiefer in den Wald hinterher und patscht mit seinen unbeholfenen Pfötchen nach ihnen. Ein überaus bunter kleiner Flatterer setzt sich keck auf seine Nase. Brumml will ihn fangen, was ihm natürlich nicht gelingt. Der Schmetterling ist viel zu schnell für den kleinen tapsigen Kerl und erhebt sich kichernd in die Lüfte. Brumml schaut dem bunten Flatterer noch eine Weile nach. Dann sieht er sich um. Plötzlich kommt ihm alles fremd und anders vor. Er entdeckt große erdbraune Hügel, um die es herum nur so wimmelt und krabbelt. „Wer seid ihr denn?“, möchte Bärchen wissen.
Eine große rote Waldameise staunt ihn an. „Das weißt du nicht?“
„Nein, ich habe euch noch nie gesehen“, antwortet Bärchen.
„Wir sind Ameisen, halten den Waldboden locker und sauber. Wer bist du denn und wozu bist du nütze?“
Bärchen schaut verlegen auf seine Pfötchen. „Ich bin Brumml, aber wozu ich nütze bin, weiß ich nicht.“
„Dann musst du weitergehen, bis du es herausgefunden hast“, kichert die große rote Waldameise und krabbelt eilig den anderen hinterher.
Brumml ist traurig, da er nicht weiß, wozu er nütze sein soll. Er tappt immer tiefer in den unbekannten Wald, bis er an einem kleinen See landet. Am Ufer sitzen Frösche und quaken. Als Brumml sie da so fröhlich hocken sieht, freut er sich. Sie würden ihm sicher helfen können, vielleicht sogar mit ihm spielen. Mutig tappt er auf sie zu. „Wer seid ihr denn?“
„Quak, quak, wir sind Frösche, quak, und fangen Fliegen und Mücken, die die Waldtiere plagen und stechen, quak, quak. Und wer bist du, quak, und wozu bist du nütze?“
Das Bärchen wird wieder ganz traurig und weiß gleich, dass die Frösche ihm auch nicht helfen können und schon gar nicht mit ihm spielen würden. Er winkt ab, tappt weiter, schaut sich noch einmal um, aber die Frösche sind schon wieder mit sich selbst beschäftigt.
„Jeder hat wohl eine Aufgabe im Leben. Aber ich weiß doch nicht, wozu ich nütze sein soll. Ich bin doch noch so klein.“ Wie er so dahintrottet wird es immer dunkler. Brumml kann sich kaum noch auf den Beinchen halten.
Auf einmal schwebt die Briefkrähe Krofax über ihm und schnarrt: „Krah, krah, was machst du denn um diese Zeit hier, wo sind deine Eltern?“
Bärchen plumpst erschöpft neben einen Baumstumpf und beginnt jämmerlich zu heulen. „Ich will wieder nach Hause. Ausgerissen bin ich. Verlaufen hab ich mich. Und ich weiß auch nicht, wozu ich nütze bin. Ich bin doch noch so klein.“
Krofax bekommt Mitleid mit dem Knirps. „Du hast Glück, dass ich noch ein dringendes Telegramm austragen muss und dich gefunden habe. Ich weiß natürlich, wo du wohnst. Aber wozu du nütze sein sollst, darüber hab ich noch nicht nachgedacht. Doch ich kenne jemanden, der alles weiß. Warte einen Moment, ich bin gleich wieder da.“
Oh, wie freut sich Brumml und schöpft neuen Mut. Krofax erhebt sich krächzend, fliegt zu Meister Uhu und trägt ihm die Geschichte von dem kleinen braunen Wollknäuel vor.
Es dauert nicht lange, da kommt Krofax zurückgeflattert. „Krah, krah“, schnarrt er schon von weitem. „Jetzt weiß ich alles.“
Das Bärchen ist voller Hoffnung, endlich alles zu erfahren. „Nun sag doch schon, wozu bin ich nütze?“
Krofax pflanzt sich stolz vor ihm auf, neigt den Kopf zur Seite und krächzt mit majestätischer Ruhe: „Krah, wenn du einmal groß bist, wirst du ein starkes und mächtiges Tier sein. Bären beschützen uns Waldtiere vor Hexen und bösen Kobolden. Das hätte ich eigentlich wissen müssen“, tadelt sich Krofax betroffen. Doch schon krächzt er weiter. „Du könntest sogar König des Waldes werden, hat mir Meister Uhu erzählt. Doch dazu musst du der stärkste von allen Bären sein. Aber nun bringe ich dich erst einmal nach Hause. Ich fliege vor, lauf mir einfach nach!“
Glücklich und so schnell ihn seine kleinen Beine tragen, tappt er der Krähe nach. Vor der Höhle warten in großer Sorge Mama und Papa Bär. Voller Freude über die Heimkehr schließt Mama Bär ihren kleinen Ausreißer in die Arme und küsst ihn. Papa Bär fragt, wo er denn gewesen sei?
„Ich habe soviel erfahren. Ich könnte König werden, aber nur, wenn ich der stärkste von allen Bären werde.“
Papa Bär lacht. „Weißt du, alles ist möglich, wenn man so jung ist wie du. Doch zuerst wirst du in die Schule gehen. Denn ein König muss nicht nur sehr stark, sondern auch sehr schlau sein. Später wird König Bantuk entscheiden, ob er dich zu seinem Nachfolger wählt.“
Brumml nickt, gähnt herzhaft und Mama Bär legt den schon fast schlafenden Knirps ins Bett. Liebevoll deckt sie ihn zu, gibt ihm einen Kuss und streichelt sanft über seine Wangen. Überglücklich, mit einem Lächeln im Gesicht schläft Brumml ein und träumt, ein großer und beliebter König zu sein.
Quelle: Doris Liese