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Märchenbasar

Caolite Cosfhada

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In alten Zeiten lebte einmal ein Ehepaar, und zwar in Grain-Leathan, nahe Bailean-Locha in der Grafschaft Roscommon. Sie waren schon über zwanzig Jahre verheiratet und hatten keine Kinder. Eines Morgens ging Diarmuid – so hieß der Mann – aufs Feld, um zu versuchen einen Hasen zu erwischen. Es war eine Menge Schnee gefallen, und der Nebel hing so dick, daß man auf eine halbe Rute nichts erkennen konnte. Diarmuid kannte sich auf jedem Zollbreit Boden gut aus, eine Meile ringsum. Aber trotzdem verirrte er sich. Er wollte zur Heide gehen, die am Rande eines Torfstichs lag, dort pflegten Hasen zu sein. Er wanderte immerfort, stundenlang, und konnte den Rand des Moores nicht finden, schließlich wollte er nach Hause, aber er fand auch nicht den Heimweg. Er ging, bis er ganz müde war, und setzte sich dann hin. Da sah er einen alten Hasen herankommen. Er hob schon die Hand, um ihn niederzuschlagen. Doch der Hase sprang beiseite und sagte: „Halte deine Hand zurück, Diarmuid! Erschlag nicht deinen Freund!“ Diarmuid wäre bald umgefallen, so schwach wurde er vor Schreck. Als er wieder zu sich kam, stand der schwarze Hase vor ihm und sprach: „Hab keine Angst vor mir! Ich kam nicht, um dir zu schaden, sondern um dir zu nutzen. Fasse Mut und höre zu: Du hast den Weg verloren, denn du bist auf den Irrhügel geraten. Du würdest im Schnee umkommen, wenn ich mich nicht um dich gekümmert hätte. Du weißt ganz gut, daß du viele meines Stammes umgebracht hast, und sie haben keine Rache an dir geübt. Ich werde dir sogar Gutes tun nach allem, was du an uns verübt hast! Sage mir deinen größten Herzenswunsch. Außer dem Himmelreich will ich dir alles verschaffen, was du dir wünschst!“ Diarmuid besann sich ein Weilchen und sagte: „Über zwanzig Jahre bin ich schon verheiratet und habe keine Kinder. Ich und meine Frau werden niemand haben, der uns im Alter beisteht, der uns aufs Totenbett legt und uns betrauert. Es ist mein größter Herzenswunsch – und auch der meiner Frau – einen Sohn zu haben. Doch ich fürchte, jetzt sind wir schon zu alt.“ „Wahrhaftig, nein“, sagte der Hase. „Deine Frau soll von heut in neun Monaten einen Sohn haben, und auf dem ganzen Erdenkreise wird nicht seinesgleichen zu finden sein. Jetzt folge meiner Schneespur, ich will dich heimführen. Aber was dir auch begegnet – erzähle keiner lebenden Seele, daß du mich sahst. Und dann versprich mir, von jetzt ab keinen Hasen mehr zu töten!“ „Ich verspreche es dir!“ sagte Diarmuid. Hierauf lief der Hase immer vor ihm her, bis sie an die Giebelseite des Hauses kamen. „Hier ist dein Haus“, sagte der Hase. „Geh hinein!“ Als Diarmuid eintrat, hieß ihn Roise, seine Frau, willkommen und sagte: „Wo bist du nur den langen Tag gewesen? Ich wollte schon gehen und dich suchen. Du bist vor Kälte erstarrt und halbtot vor Hunger.“ „In der Tat, sei du glücklich, Frau, daß ich nicht im Sumpfloch oder in der Sandgrube untersank. Ich bin auf den Irrhügel geraten und fand mich nicht mehr zurecht. Aber verlaß dich auf mein Wort: Solange ich lebe, spüre ich keinem Hasen mehr nach!“ Es war gut und war nicht schlecht. Diarmuid dachte an nichts weiteres als an den Erben, der ihm zugedacht war. Als er merkte, daß Roise ihm gewiss ein Kind schenken würde, war er der glücklichste Mann, den man sich in der Welt nur denken kann. Er ließ eine Wiege bauen und alles herrichten für den jungen Erben, den er erwartete. Als die Nachbarn wahrnahmen, daß Roise schwanger war, fanden sie es sehr wunderbar, denn sie waren schon über fünfzig Jahre alt und hatten kein bißchen Fleisch an sich. Ihr Körper war wie bei einer Siebzigjährigen, so ausgetrocknet. Alle Leute redeten von Roise und Diarmuid. Als neun Monate vergangen waren, bekam Roise einen kleinen Sohn. Diarmuid schickte den Frauen des Ortes eine Einladung zum Festschmaus am Tage der Taufe. Er hätte sie besser da gelassen, wo sie waren! Als das Kind geboren wurde, war es gar nicht wie ein anderes. Es war vier Fuß lang, dünn wie ein Stock, mit Füßen, die mehr als einen Fuß Länge hatten. Die Frauen staunten, alt und jung: Solch ein Neugeborenes wie dies hier hatten sie noch nicht gesehen! Diarmuid gab ihnen Schnaps, und sie lobten das Kind, bis alles ausgetrunken war. Danach begannen sie, es schlechtzumachen. „Heißt es nicht Diarmuid?“ fragte eine halb betrunkene Alte. „Nun“, meinte eine andere alte Frau, „es wäre recht verkehrt, in Diarmuid zu nennen. Caolite Cosfhada sollte er vielmehr heißen!“ „Wir wollen ihm diesen Namen geben“, sagte die erste Frau darauf. Roise hörte die Reden mit an und wurde zornig. Sie rief Diarmuid und sagte ihm leise ins Ohr, daß die Frauen heimlich über den jungen Diarmuid spotteten, er solle sie aus dem Hause jagen. Diarmuid ging auf die Frauen los und wollte sie hinauswerfen. Noch nie hatte es in Grain-Leathan ein solches Gekeife gegeben zwischen Diarmuid und den Frauen. Sie wollten keinen Fußbreit weichen. Diarmuid war gezwungen, ihnen erst noch ein Fläschchen Schnaps auszugeben, bevor sie sich in Bewegung setzten. Aber wie dem auch war, der Name „Caolite Langfuß“, blieb an dem jungen Diarmuid haften, solange er lebte.

Als der Junge zehn Jahre alt war, hatte er mehr als sechs Fuß Länge. Dabei war er dünn wie eine Angelrute, und seine Füße maßen von den Knöcheln an anderthalb Fuß und waren schmal wie ein Daumen. Was das Laufen anbelangte, übertraf ihn kein Jagdhund oder Windspiel in ganz Irland. Er ging selten aus dem Hause, denn die Leute machten sich über ihn lustig. Beim Ballschleudern brauchte Caolite keinen Krückstock, sondern er trieb den Ball mit den Füßen. Und hatte er ihn erst vor sich, so holte ihn keiner ein! Die Jahre vergingen, und Caolite wuchs. Mit einundzwanzig Jahren hatte er eine Länge von mehr als siebeneinhalb Fuß. Aber er war noch nicht dicker geworden, als er mit zehn Jahren gewesen war. An ihm saß gerade soviel Fleisch wie an einer Zange. Dabei bekam er genug zu essen und zu trinken. Er verzehrte mehr als sieben Mann! Die Leute meinten, er war gar kein richtiger Mensch, sondern ein alter Lorgadan. Und Eingeweide hatte er auch nicht. Jedoch Diarmuid und Roise fanden, es gab im ganzen Lande keinen halb so ansehnlichen jungen Mann wie ihn, und sie meinten, er würde noch dicker und fetter werden, wenn er nur erst mit dem Wachsen aufhörte. Das Fleisch würde dann schon kommen. Indessen es kam nicht! Eines Tages nun war Caolite mit seinem Vater im Torfstich, um dort Torf aufzustapeln. Da sahen sie einen Hase laufen, und zwar aus Leibeskräften. Ein Wiesel verfolgte ihn und kam ihm schon dicht auf den Pelz. Da schrie der Hase, so laut er konnte, Caolite lief ihm nach und erwischte ihn, ehe ihn das Wiesel einholte. Nun war dies erbost und griff ihn an. Es zerriß und zerkratzte ihn und warf ihm Schaum ins rechte Auge, daß er davon erblindete. Dann lief das Wiesel fort und verschwand in einem Torfhaufen. Während der ganzen Zeit hatte sich der Hase an Caolites Brust verkrochen. Als das Wiesel fort war, sagte er: „Ich verdanke dir diesmal mein Leben, Caolite, aber du selbst bist auch in Gefahr. Das Wiesel ist eine Hexe, du hast jetzt nur ein Auge. Aber strecke deine Hand in mein rechtes Ohr, und du wirst drin ein Fläschchen Öl finden. Reibe damit dein Auge ein, so wirst du dein Augenlicht wiederhaben, und es wird so gut sein, wie es war.“ Caolite tat das und erlangte sein Augenlicht. Dann fuhr der Hase fort: „Nun laß mich wieder meiner Wege gehen. Immer wenn du für die Jäger einen Hasen aufspüren willst, komm hin zum Binsensumpf am Seeufer, dort werde ich sein. Kein Jagdhund der Welt, kein Windspiel kann mich einholen. Nur du kannst mich greifen, wenn du Lust hast. Aber bei allem, was dir begegnet, liefere mich nicht den Hunden und Jägern aus! Und nun sei auf der Hut heute Nacht! Das Wiesel wird dich aufsuchen und dir die Kehle zerschneiden, wenn du nicht den Kater von Brigid Ni Mathghamhain bei dir im Bett hast. Du wirst eine Stimme vernehmen, die sagt:

„Es ist der Kater von Brigid Ni Math’uin,
Der den Speck fraß.
Und es ist der Kater von Brigid Ni Math’uin,
Der den Speck fraß.“

Sobald du dies dreimal hintereinander gehört hast, laß den Kater los, und dann bist du ohne Gefahr.“ Caolite gab nun den Hasen frei und ging zu seinem Vater zurück. Er erzählte ihm, was sich zugetragen hatte. „Aha!“ sagte der Vater. „Der Hase ist dein bester Freund! Befolge seinen Rat! Aber sieh dich selbst vor und erzähle nichts von ihm den Nachbarn! Gib ihnen keinen Anlaß zum Gerede! Denn erzählst du ihnen diese Geschichte, so kannst du weder in unserm Bezirk noch in den sieben nächsten ungestört leben!“ „In der Tat, ich bin nicht so dumm“, sagte Caolite. „Von Geburt an war ich kein Schwätzer. Aber ich bitte dich, daß du hiervon auch meiner Mutter nichts erzählst.“ Jeden Abend ging er hin zum Haus der Brigid Ni Mathghamhain und wollte sie um ihren Kater bitten. Als er nahe am Haus war, bemerkte er einen Fuchs. Caolite verfolgte ihn, und als er ihm dicht auf den Pelz kam, ließ der Fuchs den Gänserich fahren und entwischte selbst in einen kleinen Wald nahebei. Caolite brachte den Gänserich zu Brigid und sagte zu ihr: „Der Fuchs hatte ihn schon gepackt, doch ich habe ihm seine Beute entrissen.“ „Ich bin dir sehr dankbar“, antwortete sie ihm. „Wünschest du irgend etwas? Oft kommst du nicht auf Besuch!“ Ich wollte dich bitten, mir deinen Kater zu leihen. Unser Mehlsack ist von Mäusen zerbissen.“ „Nimm ihn gern mit“, sagte sie, „und behalte ihn, bis er alle Mäuse im Hause getötet hat, er ist ein Bursche, der’s versteht, sie zu vertreiben.“ Caolite trug den Kater heim und ging ins Bett.
Aber kein Schlaf kam in seine Augen. Etwa eine halbe Stunde vor Mitternacht hörte er das Lied:

„Es ist der Kater von Brigid Ni Math’uin,
Der den Speck fraß.
Und es ist der Kater von Brigid Math’uin,
Der den Speck fraß.
Und es ist der Kater von Brigid Math’uin,
Der den Speck fraß.“

Als er diese Worte dreimal vernommen hatte, war die Stimme ganz dicht bei ihm. Aber der Kater war tüchtig, sprang hervor und sagte: „Du Lügenhexe! Nicht ich, sondern du hast den Speck gestohlen!“ Und er griff das Wiesel an. Und so etwas von Kratzen und Kreischen hat noch nie ein Mensch gehört! Die arme Roise war rein närrisch vor Angst und vermochte nichts weiter zu sagen als: „Still! Wirst du wohl raus, Katz!“ Und das wiederholte sie, bis ihr die Kehle heiser war. Der Kampf dauerte an, bis der Tag dämmerte. Dann verließ das Wiesel das Schlachtfeld und verschwand in einem Loch. Der arme Kater war ohne Haut und Haare. Als Caolite ihn anfassen wollte, sprach er: „Reibe mich mit dem Öl ein, das du im Ohr des Hasen fandest.“ Das tat Caolite und heilte ihn damit, so daß er gesund war wie vorher. Caolite gab dem Kater Milch. Er ging dann heim, während Caolite einen Besen nahm und Haut und Haare auskehrte, aber Blutspuren blieben am Boden. Alles Wasser im See hätte sie nicht fortwischen können!

Eines Tages gab es in der Grafschaft Roscommon eine große Jagd, und der Hirsch wandte sich Grain-Leathan zu. Caolite befand sich gerade auf dem Felde, als er sah, wie er kam und Hunde und Reiter hinterdreinstürmten. Caolite setzte dem Hirsch nach, und einer der Jäger sagte zu ihm: „Gelingt es dir, ihn zurückzutreiben, ehe er über den Fluß setzt, gebe ich dir ein Goldstück. „Während er noch mit Caolite redete, war ihnen der Hirsch schon weit voraus. Doch bald hatte Caolite ihn eingeholt und trieb ihn dann zurück. Er hielt nun an, bis der Jäger herankam, und er gab ihm dann ein Goldstück. Der Hirsch lief dem See zu, als die Hunde ihm ganz nahe wurden, sprang er ins Wasser und schwamm auf die andere Seite. Die Hunde konnten ihm nicht mehr nach. As die Jäger das Seeufer erreicht hatten, sagten sie zueinander: „Der Hirsch ist fort. Es gelingt uns nicht mehr, ihn heute noch aufzuspüren. Er entkam in dem Wald von Loch Glinn.“ Caolite hörte ihr Gespräch mit an und sprach: „Ich wette meinen Kopf für zehn Penny, daß ich den Hirsch noch einhole und daß ich ihn zu euch zurücktreibe, noch ehe er halbwegs Loch Glinn erreicht. Wenn es euch recht ist, wartet hier eine halbe Stunde. Ich schaffe euch den Hirsch her – oder gebe euch die Erlaubnis, mir den Kopf abzuschlagen.“ „Gut“, sagten sie, „wir werden eine halbe Stunde warten.“ Nun lief Caolite aus Leibeskräften und holte den Hirsch ein beim Hügel Breccna-Mor. Er trieb ihn zurück und hatte ihn bald wieder zum Seeufer gejagt. Als die Jäger sagen, wie der Hirsch ankam und Caolite hinterdreinjagte, staunten sie und sagten, Caolite sei ein Tacharan, man müßte ihn aus der Gegend vertreiben. Doch sie hatten jetzt keine Zeit, etwas gegen ihn zu unternehmen. Die Hunde jagten dem Hirsch nach, und sie selbst mußten folgen. Der Hirsch lief immer vor ihnen her und wandte sich Caislean Riabhach zu. Dann bog er in ein kleines Gehölz nahe bei Bailean-Locha. Dort verloren sie ihn. Die Jäger gingen nach Caislean Riabhach. Damit war die Jagd für den Tag beendet. Caolite ging nach Hause und war sehr zufrieden mit dem Goldstück und seinem Tagewerk. Er gab es seinem Vater und erzählte ihm, was er erlebt hatte. Etwa eine Woche später war Caolite im Moor, um Heidekraut für die Kuh zu ziehen. Da kamen die selben Jäger wieder den Weg entlang. Sie fragten ihn, ob er einen Hasen gesehen hätte. „Nein“, gab er zur Antwort. „Aber ich weiß, wo ein Hase steckt.“ „Spüre ihn für uns auf!“ sagte einer. „Wir werden dir dafür den Preis von ein paar Schuhen geben.“ „Das ist etwas, das ich nicht brauche“, meinte Caolite, „aber gebt mir den Preis für ein paar Hosen.“ „Ja“, sagten sie. „Gebt es mir vorher“, sprach Caolite. „Vergangene Woche gewann ich zehn Penny von den Jägern, sie haben sie mir nicht gegeben. Bin ich auch wunderlich anzusehen, so bin ich doch kein Narr!“ Sie gaben ihm fünf Geldmünzen und sagten ihm, er solle ihnen nun den Hasen auftreiben. Dann ging er zum Binsenloch am Seeufer und spürte seinen Freund den Hasen, auf. Hunde und Jäger hetzten hinter ihm her. Er aber wandte sich dem Torfstich zu, und sie holten ihn nicht ein. Die Jäger kamen fünf Tage hintereinander, und Caolite trieb alle Tage den Hasen für sie auf. Aber sie konnten ihn nicht fassen. Am sechsten Tage sagten sie zu Caolite, er sei ein Zauberer und habe ihnen immer einen verhexten Hasen zugetrieben. „Ist das eure Vermutung, so treibt euch selbst einen zu!“ versetzte Caolite. Da wollten sie ihn greifen, doch er war zu flink für sie. Sie verfolgten ihn bis zu seinem Hause und forderten dort seinen Vater und seine Mutter auf, ihn herauszugeben, sie wollten ihn töten. „Was tat er euch?“ fragte der Vater. „Er ist ein verhexter Tacharan“, erwiderten sie.

Als Roise das vernahm, kam sie herausgelaufen, sie setzte ihre Zunge in Bewegung! Aber ihr Reden half nichts, die Männer riefen, wenn Caolite nicht herauskäme, wollten sie das Haus in Brand stecken. Als Caolite das hörte, griff er nach dem Schaufelstiel, Diarmuid nach der Zange und Roise nach dem Kesselhaken. Caolite lief hinaus, griff sie mit dem Spaten an und streckte sie nieder. Und allen, die er hinwarf, gaben es sein Vater und seine Mutter mit Zange und Kesselhaken noch obendrein. Schließlich lagen alle Männer am Boden, unfähig sich zu wehren. Allmählich kamen sie zu sich und verliefen sich nach und nach, bis auch der letzte fort war. Nach einigen Tagen gingen sie zu einem Priester und beklagten sich heftig über Caolite und seine Eltern. „Ich werde hingehen zu Diarmuid“, sagte der Priester, „und über diesen Fall Erkundigungen einziehen.“ Am Morgen darauf ging der Priester zu Diarmuids Haus und bekam dort die Ursache des ganzen Streits zu hören. Er ging heim und schickte zu den Leuten, die die Klage vorgebracht hatten. Weder Diarmuid ist zu tadeln noch seine Frau noch sein Sohn“, sagte er. „Hättet ihr nicht angefangen, sie hätten euch kein Unrecht zugefügt. Und ich rate euch, sie in Ruhe zu lassen.“ Mit dem Rat des Priesters waren sie nicht zufrieden. Sie verschworen sich, heimlich bei Nacht das Haus von Diarmuid anzuzünden, sobald er und seine Frau und der Sohn schliefen. Am selben Tage ging Caolite zum Torfstich, um einen Korb Torf zu holen. Da traf er den Hasen, und der sagte: „Höre Caolite, heute nacht will eine Schar Leute zu eurem Hause, um dich, deinen Vater und deine Mutter abzufackeln. Doch ich werde über ihre Augen einen Nebel decken, daß sie irregehen. Sie werden den Weg zu deinem Hause nicht finden, auch nicht zu ihrem eigenen, bis der Morgen naht. Und wenn sie etwa noch einen Versuch gegen dich machen sollten, werde ich sie im See ertränken.“ An jenem Abend wurde von Haus zu Haus die Losung gegeben: Alle, die zu Diarmuids Hause wollen, um es anzuzünden, sollten sich um Mitternacht am Kreuzweg treffen. Etwa zwanzig Mann versammelten sich an Ort und Stelle. Sie gingen in Richtung auf Diarmuids Haus zu, aber sie fanden es nicht. Da wollten sie heimkehren, aber sie konnten weder ihr Haus noch ein anderes finden. Das dauerte, bis der weiße Ring des Tages am Himmelsrand sichtbar wurde. Da sahen sie sich nach einer langen Nachtwanderung am Kreuzweg wieder, von dem sie ausgegangen waren. Von jener Nacht belästigten sie weder Caolite noch seinen Vater noch die Mutter. Aber sie mieden ihn, als wäre er ein Spion oder Dieb. Eines Tages war Diarmuid wieder beim Torfstich, als der alte schwarze Hase ankam, derselbe, der zu ihm gekommen war an jenem Morgen vor zweiundzwanzig Jahren, als er sich verirrt hatte. „Nun“, hub er an, „ich komme, um dir mitzuteilen, daß deine Lebenszeit und die deiner Frau nur noch kurz bemessen ist. Wenn ihr also etwas zu ordnen habt, macht es bald. Ihr habt nur noch eine Woche zu leben!“ „Und was wird aus Caolite, fragte Diarmuid, „wenn er keinen Menschen hat, der ihn schützt?“ „Sorge dich nicht um Caolite“, sprach der Hase. „Er ist von meinem Stamm, und ich werde ihn zu mir nehmen. Und, mein Wort darauf – er wird glücklicher sein als unter seinen Nachbarn! Nun brauchst du nicht mehr das Geheimnis zu bewahren, sondern kannst es jedem erzählen.“ Diarmuid war auf dem Heimwege tief betrübt, als er seinen Brudersohn traf. Er erzählte ihm die Geschichte von Anfang bis zu Ende. „In der Tat, wenn du diese Geschichte irgendeinem Menschen erzählst, ist deine Familie entehrt, und wir finden keinen Menschen dazu, euch zu begraben.“ „Ich will sie keinem weitererzählen, nur Roise und dem Priester“, sagte Diarmuid. Er ging nach Hause und erzählte Roise die Geschichte. Als er zu Ende war, überkam sie einen Hustenanfall, und daran erstickte sie. Diarmuid und Caolite begruben sie. Am Ende derselben Woche starb auch Diarmuid. In der Nacht, nachdem er begraben war, ging Caolite fort. Seitdem hat keiner mehr von ihm gehört. Diarmuids Neffe konnte das Geheimnis nicht bei sich behalten, und nach kurzer Zeit lief die Geschichte von Mund zu Mund durch das Land. Viele Leute behaupteten, sie hätten Caolite oft am See gesehen. Mag dem sein, wie es will – wir hoffen, daß sie alle im himmlischen Reich sind.

Märchen aus Irland

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