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Das Bärenkind

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Es war einmal ein Priester, der ging mit seiner Frau in den Wald, um Holz zu schlagen. Dort fanden sie einen Holzhauer, und mit diesem ging die Frau tiefer in den Wald. Der Priester aber machte sich dran, um mit seinem Beile einen Holzbirnbaum zu fällen. Er hieb so lange, bis nur noch eine Spanne breit übrig war, und wartete nun, daß seine Frau käme, um diesen Rest zu hauen. Der Baum war aber so dick, daß er nicht mehr hielt und von selber umfiel. Und wie das geschehen war, so kam eine Bärin daraus hervor und sagte zu dem Priester: »du sollst bei mir schlafen.« »Schweige,« versetzte der Priester, »ich bin ein heiliger Mann, und darf so was nicht tun!«
»Das ist mir einerlei, tue was ich dir sage,« sprach die Bärin, und sah dazu so grimmig drein, daß der Priester sich fürchtete und ihr, übel oder wohl, den Willen tat. Und als er wegging, eilte er so sehr, daß er sein Beil vergaß.
Drauf gebar die Bärin ein Kind, das kräftig heranwuchs; weil es aber den andern Bärenkindern nicht glich, so schalten es diese Bastard.
Da fragte eines Tages der Junge seine Mutter, ob dem so sei, wie seine Brüder sagten? Und diese antwortete: »du hast das Beil zum Vater.«
»Ei Mutter, kann denn das Beil Kinder machen?« fragte der Knabe, und drängte die Mutter so lange, bis diese zu ihm sprach: »nimm das Beil, stelle dich damit vor die Kirche und frage: wem gehört dieses Beil? Und wer es erkennt, der ist dein Vater.«
Der Knabe tat, wie ihm geheißen. Aber einer nach dem andern kam aus der Kirche, und Niemand wollte das Beil kennen. Endlich kam auch der Priester heraus und fragte den Knaben: »Wo hast du das Beil her? Denn es ist mein!« Und dieser antwortete: »Wenn es dein ist, so bin ich auch dein!«
»Schweige, Verfluchter!«
»Warum denn? Du bist ja mein Vater.« Der Knabe ging also mit dem Priester nach Hause. Und dieser sagte zu seiner Frau: »sieh, diesen Knaben hab ich dir gebracht, um dir zu dienen.« Da freute sich die Frau und sprach: »das ist schön, vielen Dank!«
Am ersten Tage aß der Knabe einen Laib Brot; am zweiten aß er soviel, als der Priester in einem ganzen Monat brauchte, und dieser sagte daher: »du taugst nicht für uns«, und tat ihn zu einem Bäcker, und bei dem aß er alles Brot, was dieser buk.
Da kam der Koch des Königs zum Ofen und sah ihm zu, und erzählte darauf seinem Herrn, daß er so einen Menschen gesehen habe. Der König wunderte sich darüber, ließ den Burschen kommen und fragte ihn: »bist du im Stande, sechzig Maultiere mit Holz zu beladen?«
»Das kann ich wohl!« sagte dieser, »du mußt mir aber ein Beil machen lassen, das für mich taugt.« Da ließ der König ein Beil machen, das hundert Pfund schwer war. Der Bursche nahm es aber in die Hände und zerbrach es in Stücke, und sprach: »das taugt nicht für mich, ich muß ein stärkeres haben!« Darauf machten sie ihm eins von fünfhundert Pfund. Das schwang er mit einer Hand und sprach: »das ist das rechte Beil für mich!« nahm die Maultiere, ging damit in ein Wäldchen und warf dort sein Beil gegen die Bäume, und sogleich waren die sechzig Maultiere beladen. Auf dem Rückweg kam er an einem Platanenbaum vorbei, den packte er mit den Händen, zog ihn aus dem Boden und nahm ihn auf die Schulter; und wie er so in die Stadt kam, riß er mit dem Baume die Dächer der Buden ein, welche auf seinem Wege standen.
Als ihn der König in diesem Aufzuge sah, wunderte er sich und sprach zu dem Bäcker: »Er ißt zwar viel, aber er arbeitet auch viel, ich will ihn in meine Dienste nehmen.« Mit der Zeit wurde das Bärenkind stärker und stärker. Dem König fing diese große Stärke an so bedenklich zu werden, daß er für sein eigenes Leben fürchtete. Er schickte ihn daher aus, um die Schätze der Hundsköpfe zu holen, indem er hoffte, daß ihn diese fressen würden. Sie machten aber vorher unter sich aus, daß der König dem Bärensohne sein halbes Reich geben müsse, wenn er die Schätze bringe. Dieser ging hin, besiegte die Hundsköpfe, erhielt dadurch das halbe Königreich, und hatte ein gutes Leben. Wir aber haben hier ein noch besseres.

[Griechenland: Johann Georg von Hahn: Griechische und Albanesische Märchen]

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