„Meine Güte! Schon wieder Ostern! Dies Jahr auch noch so zeitig! Das Wetter? Ob es wieder regnen wird? Egal! Hab ja die wasserfesten Körbchen von den Grünbartzwergen. Auf diese Idee zu kommen, ja, ja, dazu kann ich mir nur gratulieren. Na ja, eigentlich hatte Bartlinde die Idee. Wie auch immer, die Idee war und ist prima!“, murmelt Meister Tippel, der älteste Osterhase und Erfinder des Osterfestes im Märchenwald schlechthin, grinsend vor sich her. Er ist auf dem Weg zur Landesgrenze der Grünbartzwerge. Seine Helfer schnaufen unter der Last der großen Eierkörbe, stapfen aber tapfer voran.
„He, Meister Tippel, schönen guten Morgen! Hab schon auf dich gewartet! Hast dies Jahr noch mehr Arbeit als sonst, was?“, ruft ihm Barthold vom Grenzbalken her fröhlich entgegen.
„Halb so wild! Halb so wild! Ihr habt mir geholfen und dafür habe ich versprochen, auch bei euch das Osterfest einzuführen. Leier den Balken hoch und lass uns ein, es wird nicht lange dauern, bis wir mit dem Verstecken fertig sind.
Im Gänsemarsch geht es ins Grünbartzwergenland. Hinter der Grenze hoppeln die Helfer in alle Richtungen des kleinen Reiches. Ehe die Bewohner aus ihrem Schlaf erwachen, sind die Ostereierkörbchen versteckt und die Mannschaft auf dem Rückweg.
„Meister! Hast du auch das eigenartige Klappern gehört?“, fragt Hase Flitz, Tippels erster Stellvertreter, als sie nebeneinander die Landesgrenze überqueren.
„Mnö! Was für’n Klappern?“
„Weiß nicht genau! Als ich hinter den Baum am Haus von einem gewissen Schlaubart ein Körbchen abgelegt habe, klapperte es ganz eigenartig, als ob jemand bitterlich friert und Zähne laut aufeinander schlagen“, erwidert Flitz und kratzt sich hinter seinem rechten Löffel.
„Schlaubart ist der Erfinders im Grünbartreich. Aber was sollte denn bei dem klappern? Na ja, vielleicht hat er gerade etwas gebaut. Bei den Intellektuellen ist alles möglich!“, grinst Tippel und Flitz schmunzelt nun ebenfalls.
Plötzlich wird das Klappern so laut, dass alle Hasen zurückhoppeln, um nach der Ursache zu schauen. Was sie sehen, verschlägt ihnen den Atem. In den Straßen wimmelt es nur so von kleinen, mäuseähnlichen, aber runden Tieren. Sie fressen, was ihnen vor die Nase kommt und klappern dabei mit ihren Mäulern.
„Die Ostereier!“, schreit Flitz und nun macht es bei Barthold Klick im Kopf und er brüllt: „Oh je! Die hab ich ja ganz vergessen! … Schlaubart … ruf die Klapperratzeputze zurück! Sonst fällt Ostern aus! Sie fallen gleich über die Körbchen her!“
Klatsch! Der Fensterladen des Küchenfensters von Schlaubart kracht gegen die Wand, ein kurzer Blick und er hat die Situation erfasst. Ein gellender Pfiff zerreißt die Luft und die kleinen Viecher traben brav zurück in Richtung eines Geheges, das Flitz vorhin gar nicht aufgefallen war.
Als sich alles beruhigt hat, schnauft Barthold sichtlich erleichtert durch.
„Was … was war das denn?“ Tippel kann kaum fassen, was er gerade gesehen hat. Den anderen Hasen ergeht es nicht anders. Alle schauen den Grenzwärter mit fragenden Augen an. Barthold räuspert sich und beginnt: „Ich hab unsere Klapperratzeputze vergessen. Ich hätte Schlaubart Bescheid geben sollen, dass er die Putzer erst loslässt, wenn die Kinder ihre Osterüberraschungen gefunden haben. Ich hab’s einfach vergessen, schließlich ist es das erste Ostern in unserem kleinen Land. Ihr habt ja gesehen. Unser Volk zählt nur einhundert Häuser und wir haben einen Baum neben jedem Gehöft und einen Garten. Vielleicht ist euch auch nicht entgangen, dass es bei uns keinerlei Unrat gibt. Das verdanken wir Schlaubart. Er hat sie gezüchtet. Die Klapperratzeputze werden Sonntag morgens losgelassen und da fressen sie alles, ohne selbst Unrat zu machen. Sie verdauen restlos bis zur nächsten Säuberung. Schlau, nicht wahr?“
„Was das so alles gibt? Putztierchen, die selbst keinen Abfall hinterlassen! Das muss ich meiner Frau erzählen. Sicher wird sie mir nicht glauben, oder sie will auch welche haben“, murmelt Meister Tippel noch immer völlig perplex in seinen kurzen Bart.
„Tja, der Schlaubart ist halt ein Wissenschaftler, das kann man ihm nicht absprechen“, lacht Flitz.
„Und bei denen ist alles möglich!“, ergänzt Tippel belustigt. Er hat seine Fassung wiedergefunden und nun geht es endgültig zurück zu den Hasenbauen.
Schon bald sind die Zwergenkinder auf der Suche nach den Überraschungen. Nach und nach werden die bunten Schalen auf die Straßen geworfen und die Eier genüsslich verspeist. An dem Klappern am Mittag stört sich hier niemand. Und nach kurzer Zeit ist das kleine Reich der Grünbartzwerge wieder ratzeputz sauber. Andere Länder – andere Sitten!