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Märchenbasar

Das Feenmädchen

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Es war einmal doch, und es war einmal nicht. Die Menschen waren mehr als Berge und Felsen in frühen Zeiten. Als das Sieb im Stroh, dass Kamel noch Ausrufer, der Esel noch Barbier, der Floh noch Ringkämpfer war, ich klingend und klirrend in der Wiege meines Vaters schaukelte, sagte eine dralle Fliege „sst“. Sie flog zum Himmel empor; ich fing sie und gewann aus der Fliege neunundneunzig Bratpfannen voll Öl. Ihr Fell ließ ich auf achtundachtzig Kamele belasten. Von dort ging ich nach Tophane in Istanbul. Ich pflückte die Rosen von Tophane und legte sie in meine Tasche, weil ich dachte, dass sie Hirse wären und nahm den Galataturm in meine Hand, weil er mir wie ein Rohr vorkam. Ich kam zu einem Meer, dachte, dass es ein Ufer war, trat in seine Mitte und fiel plumps ins Meer. Gott sei Dank öffnete ich meine Augen und merkte, dass alles ein Traum war.

Es war einmal ein Sultan, der tat viel Gutes und eines Tages ließ er eine Moschee bauen. Der Sultan gab den Befehl, dass man ihn informieren möge, wenn jemand diese Moschee kritisiert. Alle Menschen, die diese Moschee sahen, riefen: „Was für eine großartige Moschee!“
Einer jedoch sagte: „Eine großartige Moschee, aber …“
Als der Sultan dies vernahm, sagte er betrübt: „Wenn auch nur ein einziger Mann die Moschee nicht großartig findet, dann ist sie nicht vollkommen. Sie soll vollkommen sein! Reißt sie ab und baut eine neue, eine vollkommene Moschee.“
Die Untertanen taten, wie ihnen geheißen wurde. Wieder kamen die Leute und sagten: „Wunderbar! Eine großartige Moschee, großartig!“
Und wieder kam der Eine. Er sagte: „Wunderbar, aber …“
Wieder hörte dies der Sultan und befahl: „Bringt den Mann zu mir!“
Als die Wachen den Mann zu ihrem Sultan geführt hatten, fragte dieser: „Mein Sohn, sag mir! Was ist an meiner Moschee unvollkommen?“
„Eure Majestät!“, antwortete der Mann. „Im Land der Feen lebt ein Feenmädchen. Wenn dieses Feenmädchen den Feenvogel bringen und ihn auf dem Minarett aufsetzen würde, so würde der Feenvogel in zweiundsiebzig Sprachen Wunschformeln rezitieren. Dann wäre die Moschee tatsächlich vollkommen. Wenn Sie das Mädchen und ihren Vogel hierher holen und ihn in zweiundsiebzig Sprachen die Wunschformeln rezitieren lassen, dann werde ich sagen – was für eine großartige Moschee! Sie ist vollkommen.“
Der Sultan dachte einen Moment lang nach und nickte dann. „So soll es geschehen. Man soll den Vogel und das Mädchen finden und hierher bringen.“
Nun hatte der Sultan drei Söhne. Er rief sie zu sich und sagte: „Nehmt alles was ihr braucht, macht euch auf den Weg und holt mir diesen Vogel!“

Die Söhne des Sultans machten sich auf den Weg, um den Vogel zu suchen. Gemeinsam kamen sie zu einem Ort, wo sich der Weg in drei verschiedene Richtungen teilte. Der älteste sagte: „Brüder, wir sollten uns trennen! Wer den Vogel findet, der soll ihn holen!“ So trennten sich die Söhne des Sultans.
Der älteste Bruder nahm den ersten Weg. Am Ende des Weges kam er zu einem Gebäude, zu dem vierzig Stufen hinaufführten. Dort lebte ein Mädchen. Dieses Mädchen hatte auch vierzig Haramis bei sich und sagte immer: „Wer diese vierzig Treppen hinaufsteigen und zu mir kommen kann, den werde ich heiraten.“
Als die Haramis den Jungen sahen, sagten sie: „Ooo, wir haben Besuch!“ Sie nahmen ihn zu den Treppen und erzählten ihm von der Absicht des Mädchens. Sie töteten auch diejenigen, die diese Treppen nicht hinaufsteigen konnten. So ging der älteste Bruder die ersten Stufen hinauf. Als er zu der dreißigsten oder fünfunddreißigsten Stufe kam, sah er das Licht des Mädchens, war geblendet und fiel hinunter auf den Boden. Die Haramis riefen: „Los, wir enthaupten ihn!“ Einer jedoch hatte einen Vorschlag. „Wir brauchen einen Diener. Wer wird den Dreck der Pferde wegräumen? Wer wird sie pflegen? Er soll hierbleiben und sich mit den Pferden beschäftigen.“
Die Haramis waren einverstanden und der älteste Sohn des Sultans blieb bei ihnen und wurde der Diener der Haramis.
Der mittlere der Brüder nun nahm den zweiten Weg. Auch am Ende dieses Pfades fand er die Haramis, die am Fuße der vierzig Stufen warteten, die hinauf zu dem Mädchen führten. Auch ihm wurde das Mädchen als Gemahlin versprochen, wenn er die Stufen erklimmen könne. Auch er versuchte sein Glück. Erklomm dreißig oder fünfunddreißig Stufen. Beim Anblick des Mädchens war auch er geblendet und stürzte. Auch er blieb bei den Haramis und wurde ihr Diener.

Der kleinste Bruder ging und ging und endlich kam er zu einem Brunnen und sah, dass ein Derwisch etwas auf ein Papier schrieb und dies dann in das Wasser des Brunnens warf. Freundlich grüßte er den Derwisch. Neugierig fragte er: „Was machst du hier, Vater Derwisch?“
„Mein Sohn, ich schreibe den Sohn Ahmets zu der Tochter Mehmets, die Tochter Mehmets zum Sohn Ahmets.“
Der Junge hoffte nun auf die Hilfe des Derwischs. „Ich habe ein Problem, kannst du mir helfen?“
„Sage mir erst dein Problem, mal sehen, was es ist!“
„Ich suche die Feentochter und den Vogel des Feenpadischahs des Landes“, sagte der Junge. Der Derwisch: „Oh mein Sohn, es ist für dich unmöglich, dieses Mädchen und seinen Vogel zu finden. Du kannst weder in das Land hinter dem Kaf-Berg gehen, noch sie holen. Bevor du dort ankommst, wird man dich töten.“
Mutig erwiderte der Sohn des Sultans: „Ich muss es tun. Ich werde entweder sterben oder diesen Vogel finden.“
Beeindruckt von dem Mut des Jungen zeigte der Derwisch hinüber zu einem hohen Berg und sagte: „Hinter diesem Berg befindet sich das Riesenland. Aber die Riesen werden dich töten und zerstückeln.“
„Vater Derwisch, gibt es keinen Ausweg?“
Der Derwisch antwortet: „Wenn die Mutter der Riesen den großen Kessel auf das Feuer stellt, gehen die Riesen auf die Jagd. Alle gehen, nur die Mutter bleibt zurück. Wenn du von der Mutter gesäugt wirst, kannst du dich retten, sonst werden die Riesen dich töten.“
So geschah es, dass der Junge in das Land der Riesen kam. Der große Kessel stand auf dem Feuer und die Riesen waren auf der Jagd. Die Mutter der Riesen war allein. Als sie den Jungen sah, ließ sie es geschehen; sie säugte den Jungen wie Ihren Sohn. Aus Angst, die Riesen würden den Jungen bei Ihrer Rückkehr zerstückeln und töten, versteckte sie ihn.
Die Riesen kamen von der Jagd zurück und gaben die Jagdbeute ihrer Mutter. Pferd, Esel, Schwein. Ihre Mutter bereitete ihnen das Essen und sie aßen. Dann sagte die Mutter der Riesen zaghaft zu ihren Söhnen: „Meine lieben Söhne! Ich möchte euch was sagen.“
„Sag doch, Mutter, was willst du uns sagen?“, drängten sie.
„Vor vielen Jahren heiratete ich einen Menschensohn und bekam seinen Sohn. Heute ist dieser Sohn zu Besuch gekommen. Aus Angst vor euch habe ich ihn versteckt.“
Die Riesen waren erstaunt: „Oh! Mutter, warum versteckst du unseren Bruder? Bring ihn her zu uns!“
Die Mutter holte den Jungen aus dem Versteck und brachte ihn zu ihren Söhnen. Nach kurzer Zeit aßen die Riesen weiter, doch der Junge versuchte keinen Bissen.
„Warum isst du nicht?“, fragten die Riesen.
„Nein, meine Söhne“, sagte die Mutter. „Er mag diese Speisen nicht. Er isst lieber Ente, Hase oder Rebhuhn.“
„Dann soll er Ente und Hase bekommen.“ Die Riesen jagten die Tiere. Dann brachten sie die Tiere zur Mutter und der Junge aß.
Nach dem Essen erzählte der Junge der Mutter den Riesen von seiner Aufgabe: „Ich gehe in das Land der Feen. Dort gibt es einen Vogel, den ich in mein Land holen muss.“
„Mein Sohn! Es ist sehr schwer, dorthin zu gehen. Noch schwerer ist es, den Vogel von dort mitzunehmen.“
Doch der Junge antwortete: „Ich habe keine andere Wahl. Ich muss es versuchen!“
Also beschrieb ihm die Mutter der Riesen den Weg, zum Land der Feen.
Der Junge ging und wanderte bis zu einem Brunnen. Dort stand ein Derwisch. Er näherte sich ihm und begrüßte ihn. Der Derwisch fragte ihn: „Mein Sohn, was tust du hier?“
„Vater Derwisch, ich suche das Feenland. Dort lebt ein Vogel. Ich werde ihn finden und meinem Land mitnehmen“, sagte der Junge. Der Derwisch: „Mein Sohn, wie willst du denn dieses Land finden? Du kannst es nicht schaffen, dorthin zu gehen.“
„Ich werde es entweder finden oder sterben“, sagte der Junge.
„Dann sollst du diesem Weg folgen. Aber auf diesem Weg befinden sich Talismane, doch ich werde dir ihre Verstecke verraten. Dennoch musst du vorsichtig sein. Und befolge meinen Rat.“
„Das werde ich tun“, sagte der Junge und lauschte dem Derwisch. „An einem Ort wirst du einen Brunnen sehen. Aus diesem Brunnen fließt von einem Hahn Eiter und vom anderen Hahn Wasser. Gib nur gut Acht und trinke kein Wasser! Der Talisman wird dich töten. Trinke vom Eiter und sage: ,Was für ein schönes Wasser!’ Nach diesem Brunnen wirst du auf deinem Weg zwei Rosen sehen. Eine der Rosen ist frisch, die andere vertrocknet. Gib nur gut Acht und rieche nicht an der frischen Rose! Sie wird dich töten. Rieche an der vertrockneten Rose und sage: ,Oh, was für eine schöne Rose bist du denn!’ Dann kommst du zum Garten des Feenpadischahs. In diesem Garten sitzt ein dunkelhäutiger Mann auf einem Stuhl und kaut Tabak. Er ist der Wächter dieses Gartens. Gib nur gut Acht und denke nicht, dass er wach ist! Er schläft mit offenen Augen. Nimm ein Stück Fell von seinem Pferd und lege es auf seinen Fuß. So kannst du den Tabak aus seinem Munde fallen lassen. Wenn der Kautabak auf den Boden fällt, wird auch der Mann auf den Boden fallen. Er sitzt auf den vierzig Schlüsseln der vierzig Türen. Nimm diese Schlüssel und öffne die Türen der Reihe nach. Hinter der vierzigsten Tür wirst du das Feenmädchen finden, tief und fest schlafend. Sie ist wunderschön. Du sollst das Mädchen auf die rechte Wange küssen. Sie trägt ein Kleid, das vierzig Knoten hat. Binde neununddreißig davon los, aber den vierzigsten nicht! Der vierzigste Knoten ist auch ein Talisman. Wenn du meinen Rat befolgst, wirst du mit dem Vogel zurückkehren.“

Der Junge machte alles, wie es ihm der Derwisch geraten hatte. Am Ende nahm er den Vogel und ging denselben Weg zurück, den er gekommen war. Als er zu dem Ort kam, wo sein ältester Bruder den Haramis diente, sagten sie:„Oh, wir haben wieder Besuch!“ Sie nahmen ihn und brachten ihn vor die Treppen. Ohne Schwierigkeiten stieg er alle Treppen hinauf. Der Führer der Haramis sprach: „Dieser Junge konnte alle Treppen hinaufsteigen. Er hat das Recht erworben, das Mädchen zu heiraten.“
Zwar nahm er nun das Mädchen, aber er hatte die Schönheit der Fee nicht mehr vergessen können. Er war verliebt in die Königstocher des Feenlandes.
Als er wieder gehen wollte, fiel sein Blick auf einen zerzausten Mann, seinen Bruder. Er fragte: „Wer ist er?“
Die Haramis antworteten: „Er konnte die Treppen nicht hinaufsteigen. Für die Pflege unserer Pferde haben wir ihn hier bei uns behalten.“
Der Junge sagte: „Dann nehmen wir ihn auch mit.“ Er nahm seinen Bruder und sie machten sich auf den Weg. Aber das Mädchen sagte: „Ich habe noch eine Schwester. Ich möchte Sie noch einmal sehen.“
Der Junge stieg wieder die Treppe hinauf, nahm die Schwester des Mädchens und rettete auch noch seinen anderen Bruder. So machten Sie sich gemeinsam auf den Rückweg. Unterwegs bekamen sie Durst und sie machten an einem Brunnen Rast. Die beiden älteren Brüder flüsterten einander zu: „Was sollen wir nun unserem Vater sagen? Der jüngste seiner Söhne hat den Vogel geholt und uns noch dazu retten müssen. Wenn sich unser Bruder an dem Seil in den Brunnen hinablässt, dann schneiden wir es hindurch. Wir lassen ihn hier zurück.“
Als nun der Jüngste in den Brunnen hinunterging, schnitten sie das Seil ab. Sie ließen ihn im Brunnen zurück, nahmen die Mädchen, den Vogel und gingen damit zu ihrem Vater.
Stolz nahm dieser den Vogel entgegen, setzte ihn auf das Minarett und wartete. Doch der Vogel blieb stumm. Dies betrübte den Sultan sehr und da er seinen jüngsten Sohn am meisten geliebt hatte, wurde der Sultan sehr traurig.

Nun begab es sich aber, dass eine Karawane an dem Brunnen vorbeikam, in dem der Sohn des Sultans saß. Man zog ihn hinauf und er folgte der Karawane in die Stadt des Sultans.
Zur selben Zeit war auch das Feenmädchen erwacht. Sie sah, dass alle Talismane gelöst und ihr Vogel verschwunden war. Streng befahl sie: „Findet meinen Vogel und bringt ihn zu mir zurück!“
So machten sich die Feendiener des Feenmädchens auf den Weg, suchten überall und fanden schließlich den Vogel still auf der Spitze des Minaretts sitzend. Die Diener des Feenmädchens fragten den Sultan: „Woher hast du den Vogel?“ Dieser antwortete: „Meine Söhne haben ihn für mich geholt.“ Die Feen wollten nun erfahren, wie dies geschehen konnte und drohten: „Deine Söhne sollen erzählen, wie sie es geschafft haben! Sonst werden wir diese Stadt in Brand stecken!“
Und so geschah es, dass der Sultan seinen ältesten Sohn zu den Feen schickte. Damit er seine Geschichte erzählen sollte. Der älteste Sohn setzte sich auf sein Pferd und ritt zu den Zelten der Feen. Er sagte: „Ich habe den Vogel hierher geholt.“ Und erzählte viele Lügen. Die Feen verstanden sofort, dass sie betrogen wurden. Sie banden ihn fest und peitschten ihn aus.
Schon bald erhielt der Sultan die Nachricht, dass sein ältester Sohn gelogen hatte und auf Geheiß der Feen entsandte er auch seinen zweiten Sohn. Wieder errieten die Feen die Lüge und wurden sehr böse. Wieder wurde des Sultans Sohn ausgepeitscht.

In der Stadt verbreitete sich die Drohung der Feen und die Menschen wurden unruhig. Zu dieser Zeit erreichte der jüngste Sohn des Sultans mit der Karawane unerkannt die Stadt. Erstaunt über den Tumult, erkundigte er sich nach dem Grund.
„Die Feen werden die ganze Stadt in Brand stecken, sollte man denjenigen nicht finden, der den Vogel gestohlen und hierher gebracht hat“, sagte jemand.
„Ich weiß, wer das getan hat“, rief der Junge. „Bringt mich zum Sultan!“ Er bedeckte sein Gesicht und trat vor seinem Vater, der ihn nicht erkannte. „In diesem Schrank hängt ein Kleid. Geben Sie es mir!“
Verwundert über den Mut, fragte der Sultan: „Was fällt dir ein? Dieses Kleid gehört meinem jüngsten Sohn.“
Der Junge zog das Tuch tiefer in sein Gesicht und sagte noch einmal: „Geben Sie es mir! Ich werde es anziehen und zu den Feen reiten, um die Stadt zu retten.“ Der Junge nahm das Kleid und sein Fohlen. Er zog sich ordentlich an, setzte sich auf das Pferd und ritt zu den Feen.
Als er unbehelligt dort angekommen war, fragten sie ihn: „Bist du es wirklich, der den Vogel mitgenommen hat?“
„Der bin ich!“, antwortete der Junge.
„Wie konntest du dies tun?“
Der Junge erzählte der Reihe nach, von dem Derwisch und den Talismanen. Die Feen sagten daraufhin: „Ja, es stimmt. Er ist derjenige, der den Vogel hierher geholt hat. Er war beherzt, mutig und schlau.“

In Windeseile erreichte den Sultan die gute Nachricht. Die Stadt war gerettet, sein geliebter Sohn noch am Leben. Als er im Palast eintraf, war das schöne Feenmädchen bei ihm. Als der Vogel sie sah, begann er zu singen und zu pfeifen und die guten Wünsche halten in zweiundsiebzig Sprachen über die Stadt. Glücklich, dass er das schöne Feenmädchen zu seiner Frau machen konnte, verzieh er seinen Brüdern. Fortan lebten sie gemeinsam im Palast des Sultans bis ans Ende ihrer Tage.

Quelle: Türkisches Volksmärchen

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