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Das geschwätzige Eheweib

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Einst hatte ein Bauer ein Eheweib, das war geschwätzig wie nie eins auf Erden. Nichts gab es, was die Frau für sich behalten hätte. Es brauchte ihr bloß was zu Ohren zu kommen, schon wusste es das ganze Dorf.

Eines Tags ging der Mann in den Wald, baute eine Fanggrube für Wölfe und stieß beim Graben auf einen Schatz. , Was soll ich bloß tun?‘ überlegte er. , Wenn meine Frau davon hört, macht die Neuigkeit gleich die Runde. Am End‘ erfährt noch der Gutsbesitzer davon, und dann heißt es: ade, ihr Kostbarkeiten, der Herr nimmt sie mir samt und sonders fort.‘

Er sann lange, sehr lange, bis er schließlich ersann, wie er es anfangen würde. Den Schatz grub er wieder ein, machte die Stelle kenntlich und wanderte seinem Hause zu. Am Fluss sah er ein Fischnetz nach, das er dort ausgelegt hatte: ein Hecht zappelte in den Maschen. Den Hecht nahm der Bauer heraus und setzte seinen Weg fort. Bald kam er zu einer Hasenfalle, in der sich ein Hase gefangen hatte.

Der Bauer holte den Hasen heraus, klemmte statt seiner den Hecht in die Falle; den Hasen aber trug er zum Netz und tat ihn hinein. Spätabends kam er nach Haus. „Mach Feuer im Herd, Tatjana, back Plinsen.“ „Warum denn, wieso?“ fragte das geschwätzige Weib. „Es geht schon zur Nacht, warum soll ich den Herd einheizen? Und wo ist es Mode, dass man Plinsen zur Nachtzeit bäckt? Nein, so ein närrischer Einfall!“

„Tu, was ich dich geheißen habe, und widersprich nicht. Hab‘ heute einen Schatz gefunden, den müssen wir nachts hereinbringen.“ Ach, wie freute sich da die Frau! Flugs machte sie Feuer im Herd und buk Plinsen. „Iß, lieber Mann, solang sie heiß sind.“

Der Bauer aber aß eine Plinse, und dabei ließ er unbemerkt zwei oder drei andere in seinem Wegsack verschwinden. „Du verschlingst aber heute die Plinsen, Mann! Ich kann gar nicht so schnell backen, wie du isst…“

„Der Weg ist weit, und der Schatz ist schwer, da muss ich mich stärken.“ Als der Sack bis obenhin mit Plinsen gefüllt war, sagte der Bauer: „Nun hab‘ ich genug. Iß auch du, und dann wollen wir aufbrechen, wir müssen uns beeilen.“

Hastig aß die Frau, und sie machten sich auf. Draußen war es inzwischen Nacht geworden. Der Mann schritt voraus, nahm die Plinsen aus seinem Wegsack und hängte bald hier, bald dort eine an die Zweige. Die Frau gewahrte die Plinsen an den Bäumen und rief: „Schau nur, wie sonderbar! An den Zweigen hängen Plinsen!“

„Wieso ist das sonderbar? Hast du nicht gesehen, dass eine Plinsenwolke vor uns hergeflogen ist?“ „Nein, ich sah es nicht. Ich hab‘ immerzu auf den Boden geschaut, um nicht über die Wurzeln zu stolpern.“ „Komm, wir gucken mal in die Hasenfalle, die ich hier aufgestellt habe.“ Sie kamen zur Falle, der Mann nahm den Hecht heraus.

„Oh, lieber Mann, wie geht das zu, dass ein Fisch in die Hasenfalle geraten ist?“ „Ja, weißt du denn nicht, dass sich manche Hechte auf dem Trocknen bewegen?“ „Das wusste ich nicht. Und hätt‘ ich’s nicht mit eigenen Augen gesehen, so würd‘ ich’s nie für möglich gehalten haben.“ Sie kamen an den Fluss. Die Frau sprach: „Du hast doch hier irgendwo ein Fischnetz. Lass uns mal nachsehen, ob nicht was drin ist.“

Und sie zogen das Netz heraus, in dem der Hase lag. Die Frau schlug vor Verwunderung die Hände zusammen: „Ei, seht euch das an! Ein verhexter Tagt In unserm Fischnetz liegt ein Hase!“ „Stell nicht so ein Gegacker an, Alte, als ob du noch nie einen Wasserhasen gesehen hättest“, wies sie ihr Mann zurecht. „Hab‘ ich nicht, hab‘ ich gewiss nicht“, beteuerte die Frau.

Nicht lange darauf waren sie angelangt. Der Bauer grub den Schatz aus, nahm soviel Gold, wie er und seine Frau tragen konnten, und sie machten sich auf den Heimweg. Nun führte ihr Weg sie aber an dem Herrenhaus vorbei, und als sie näher kamen, blökten dort die Schafe: „Mähmäh.“ „Oh, wie schauerlich, wer schreit dort?“ flüsterte die Frau. Und der Mann gab zur Antwort: „Lauf, so schnell du kannst, unsern Gutsherrn würgen die Teufel. Dass sie bloß nicht auch uns gewahren!“

Und die beiden rannten; ganz atemlos kamen sie zu Hause an. Nachdem der Bauer das Gold an sicherem Ort versteckt hatte, legten sich die beiden schlafen. Doch ehe sie einschliefen, sagte der Mann zu seinem Weibe: „Gib acht, Tatjana, sag keinem Menschen ein Sterbenswörtchen von unserm Fund. Sonst wird es uns schlimm ergehen.“ „Gott behüte, wo werd‘ ich denn“, erwiderte die Frau. Es war schon spät am Morgen, als sie andern Tags aus den Federn fanden. Die Frau heizte den Herd ein, nahm die Wassereimer und ging zum Brunnen. Die Dorfweiber am Brunnen fragten: „Warum hast du heut so spät Feuer gemacht, Tatjana?“

„Ach, fragt lieber nicht. Die ganze Nacht war ich auf den Beinen, da hab‘ ich mich heute ausgeschlafen.“ „Wo warst du denn in der Nacht?“ „Mein Mann hat doch einen Schatz gefunden; da haben wir nachts das Gold hereingeschafft.“ An diesem Tag war im Dorf von nichts anderm die Rede als von dem Schatz und den zwei Säcken Goldes, die Tatjana und ihr Mann nachts nach Haus gebracht hatten. Gegen Abend war die Kunde auch zum Gutsherrn gedrungen. Er ließ den Bauern zu sich kommen. „Wie konntest du mir verheimlichen, dass du einen Schatz gefunden hast?“

„Ich weiß von keinem Schatz, gnädiger Herr, ich habe nichts gehört noch gesehen“, entgegnete der Bauer. „Lüg nicht“, schrie der Herr, „mir ist alles bekannt. Dein Weib hat im Dorf erzählt, dass ihr einen Schatz gefunden habt.“ „Sie ist nicht ganz recht im Kopfe, Herr, von ihr kann man Dinge hören, die es gar nicht gibt unter der lieben Sonne.“

„Das wollen wir gleich mal sehen“ Und er ließ die Frau des Bauern holen. „Hat dein Mann einen Schatz gefunden?“ „Ja, Herr.“ „Und habt ihr das Gold nachts geholt?“ „Ja, Herr, das haben wir.“ „Erzähle, wie es sich zutrug.“ „Zuerst sind wir durch den Wald gegangen, da hingen überall an den Zweigen Plinsen.“ „Plinsen im, Wald?“

„Ja freilich, von der Plinsenwolke! Dann kamen wir zur Hasenfalle und fanden dort einen Hecht. Den nahmen wir ‚raus und gingen weiter. Am Fluss zogen wir das Netz hoch: da war ein Hase drin. Wir nahmen ihn auch mit. Nicht weit vom Fluss grub mein Mann dann den Schatz aus. Jeder von uns nahm einen Sack voll Gold, und wir machten uns auf den Heimweg. Als wir an Eurem Hof vorbeikamen, würgten gerade die Teufel Euer Hochwohlgeboren.“

Da verlor der Gutsherr die Geduld. Er stampfte mit dem Fuß auf: „‚raus mit dem törichten Weibsbild, ‚rausl“ „Jetzt seht Ihr selber, dass man auf das Geschwätz meines Weibes nichts geben darf“, sagte der Bauer. „So plage ich mich mit ihr mein Leben lang.“ „Das glaube ich dir. Mach, dass du fortkommst“, sagte der Gutsherr achselzuckend. Zufrieden wanderte der Bauer seinem Haus zu. Und seither geht es ihm gut, und er lacht immer noch im stillen den Gutsherrn aus.

Quelle: Russisches Märchen

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