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Märchenbasar

Das Glücksmädchen

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Es war einmal ein Kaufmann, der hatte einen einzigen Sohn, und der kam in das Alter, da man ihn verheiraten mußte. Da sagte der Kaufmann: »Geh, mein Sohn, dorthin zu jenem reichen Mädchen und wirb um sie, und sie wird dich nehmen, weil ich schon mit ihrem Vater gesprochen habe.« Der Sohn erwiderte: »Vorher will ich noch die Welt durchwandern und mich umschauen, vielleicht wähl ich mir ein Mädchen, das schöner ist als jene.« Der Vater antwortete: »Geh nur zu!«
Der Sohn machte sich auf und ging fort. Er ging und ging und verirrte sich im Walde. Plötzlich sah er: da stand ein Hüttchen auf einem Hühnerfuß und drehte sich im Kreise. Er ging in die Hütte hinein, und dort saß ein alter Mann, der war so weiß, wie mit Milch übergössen. Das war aber kein alter Mann, sondern das Glück. Der Jüngling begrüßte ihn: »Guten Abend, Alter!« – »Willkommen!« sagte der Alte, »was führt dich her?« – »Ich hab mich verirrt, erblickte Eure Hütte und trat ein.«
Der Bursche schaute umher und sah bei dem Alten drei Sessel stehn, einen goldenen, einen silbernen und einen dritten aus Kupfer. Da fragte er den Alten: »Was habt Ihr da für Sessel?« – »Wenn ich auf dem goldenen sitze«, erwiderte der Alte, »so wird das Menschenkind glücklich, das zu dieser Zeit geboren wird; sitz ich aber auf dem silbernen, so wird es nur ein wenig glücklich; sitz ich aber auf dem kupfernen, so wird es unglücklich.« – »Und als ich geboren wurde, auf welchem Sessel habt Ihr da gesessen?« – »Auf dem kupfernen«, sagte der Alte. »Und bei jener Kaufmannstochter – auf welchem?«
»Auf dem kupfernen; aber als ich auf dem silbernen saß, da wurde das Mädchen geboren, das bei den Juden das Wasser trägt. Um die halt an, mit ihr wirst auch du glücklich werden.«
Der Bursche dankte dem Alten und ging zu seinem Vater, damit er ihm die Heirat mit der Tagelöhnerin der Juden erlaube. Er kam zu seinem Vater, und der fragte ihn: »Nun, mein Sohn, hast du eine gefunden, die zu dir paßt?« – »Ja, Vater«, antwortete der Sohn, »sie trägt bei den Juden das Wasser; die will ich nehmen. Segnet mich!« Der Vater aber erwiderte: »Du bist wohl verrückt geworden, Sohn? Geh, wohin du willst, und sei verflucht! Ich will nichts von dir wissen! Du bringst mich in Schande, wenn du die Tagelöhnerin der Juden nimmst!« Der Sohn machte sich jedoch auf und ging zu der Tagelöhnerin; er nahm sie mit sich, gab ihr Kleidung und ließ sich trauen. Alle lachten über ihn, der Vater aber weinte.
Der Mann gab seiner Frau fünfzehn Rubel und sagte: »Geh und kauf Waren, wir wollen mit ihnen handeln.« Sie fuhr fort, kaufte eine Fuhre Kohlen und brachte sie heim; er sah das und dachte bei sich: »Oh, ich Dummkopf! Gelogen hat der Alte, daß sie ein Glückskind sei.« Als er aber am nächsten Tage Kohlen zum Teekochen holen wollte – lagen dort lauter Goldstücke. Und da meinte er bei sich: »Es ist doch wahr, was der Alte gesagt hat!« Und jetzt lebt er mit seiner Frau in großem Wohlstand.

Ich war bei ihr,
Trank Wein und Bier,
Es floß über den Bart,
Doch nichts kam in den Mund.
Sag an, bin ich nicht ein guter Gesell,
Daß ich mein Märchen ende so schnell?

[Ukraine: August von Löwis of Menar: Russische Volksmärchen]

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