Es war einmal ein Mann und eine Frau, die hatten ein schönes Mädchen. Weil sie aber so arm waren, wollte es niemand zur Frau haben und kam auch nie ein Freier ins Haus. Eines Abends aber kamen zwei Jünglinge, sprachen sehr artig mit dem Mädchen und entfernten sich sehr bald. Als sie im Begriffe waren das Haus zu verlassen, wollte sie das Mädchen geleiten. Die Mutter aber raunte ihr zu; „Bleibe zurück!“ und gab ihnen selbst das Geleite. Da sah sie die Jünglinge durch den Garten hinter dem Hause gehen. Und als sie in der Mitte des Gartens waren, verwandelten sie sich in zwei helle Flammen und versanken in die Erde. Voller Angst kam die Mutter zurück und sagte dem Mädchen: „Armes Kind, die Jünglinge, die dich besuchten, waren nicht, was sie schienen, sondern zwei gräuliche Smei (Drachen). Als die Jungfrau der Mutter Worte hörte, verlangte sie, Sarg und Grab solle ihr bereitet werden, denn sie stürbe. Kaum war beides bereitet, so starb das Mädchen. Wehklagend begruben es die Eltern in dem Garten. Aus seinem Grab aber schoss ein Obstbaum auf, und in dem grünen Wipfel des Baumes wuchs ein goldenes Kreuzlein, das neigte sich vor jedem Menschen, der es erblickte. Einst als der Kaiser an demselben vorüber ging, neigte es sich wieder. Da befahl er seinen Dienern, es herabzunehmen und in seinem Schlafgemach aufzustellen, und die Diener taten nach seinem Befehl. Kurz darauf kam eines Abends ein Zigeuner an die Pforte des Palastes und bat um Nachtherberge. Als sie ihm abgeschlagen wurde, bat er immer dringender, bis ihm der Kaiser erlaubte, hinter dem Ofen seines Schlafgemaches zu übernachten. Der Zigeuner, weil er voller Läuse war, konnte nicht schlafen, und sah, wie aus dem Kreuzlein ein schönes Mädchen heraustrat, zum Tische ging und ass, was der Kaiser übrig gelassen hatte. Am Morgen sprach er zum Kaiser: „Ach, Herr, hättest du doch gesehen, was ich diese Nacht sah,“ und erzählte ihm alles. Da sprach der Kaiser: „Wie stelle ichs nur an, das zu sehen ?“ Der Zigeuner erwiderte: „Lege meine Kleider an und stelle dich hinter den Ofen.“ Der Kaiser tats und konnte der Läuse wegen auch nicht schlafen. Der Zigeuner aber schnarchte in des Kaisers weichem Bette. Als nun der Kaiser das wunderschöne Mädchen aus dem Kreuzlein treten und zum Tische gehen sah, sprang er hervor, fasste es an der Hand, und weil es so schön war, nahm ers zur Frau und feierte schon am nächsten Tage die Hochzeit.
Quelle:
(Rumänische Märchen und Sagen aus Siebenbürgen, gesammelt und ins Deutsche übertragen von Franz Obert, Hermannstadt 1925)