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Märchenbasar

Das Hähnchen Goldkamm

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Vor langer Zeit lebten einmal ein Kater, eine Drossel und ein Hähnchen. Sie wohnten miteinander in einer kleinen Hütte im Wald. Der Kater und die Drossel besorgten das Holzhacken, und wenn sie in den Wald gingen, ließen sie das Hähnchen allein zu Haus.

Doch ehe sie sich aufmachten, schärften sie ihm sorglich ein: „Wir gehen weit weg, du hütest das Haus. Sollte der Fuchs kommen, dann sei ganz still und schau nicht zum Fenster hinaus.“

Doch der Fuchs hatte bald herausgebracht, dass der Kater und die Drossel nicht daheim waren. Er lief zu dem Häuschen, setzte sich vors Fenster und sang mit süßer Stimme:

„Hähnchen, Hähnchen hold,
mit dem Kamm von eitel Gold,
mit dem Köpfchen so glatt
und, dem seidigen Bart,
schau zum Fensterchen hinaus,
geb‘ ’ne Erbse dir zum Schmaus.“

Kaum vernahm das Hähnchen dies Lied, da steckte es auch schon den Kopf zum Fenster hinaus. Der Fuchs packte das Hähnchen mit seinen Fängen und schleppte es zu seinem Bau.

Da schrie das Hähnchen:

„Der böse Fuchs schleppt mich davon,
über Felder so weit,
über Wasser so breit,
über Wälder so dunkel und dicht,
kommt, Freunde, rettet mich!“

Als der Kater und die Drossel diesen Ruf vernahmen, eilten sie sogleich dem Fuchs nach und entrissen ihm das Hähnchen. Ein andermal mussten der Kater und die Drossel wieder im Wald Holz hacken. Sie schärften dem Hähnchen ein:

„Schau nur nicht aus dem Fenster. Wir gehen heut noch weiter fort. Wenn du uns rufst, werden wir es nicht hören.“ Sie machten sich auf den Weg. Der Fuchs aber kam wieder zur Hütte gelaufen und sang:

„Hähnchen, Hähnchen hold,
mit dem Kamm von eitel Gold,
mit dem Köpfchen so glatt
und dem seidigen Bart,
schau zum Fensterchen hinaus,
geb‘ ’ne Erbse dir zum Sehmaus.“

Unser Hähnchen aber saß im Haus und ließ keinen Laut vernehmen. Da begann der Fuchs aufs neue:

„Viel Korn ward verstreut
von den kleinen Leut‘,
was die Hennen erfreut,
doch die Hähne,
sie dürfen nicht picken.“

Da steckte das Hähnchen seinen Kopf zum Fenster hinaus und rief entrüstet: „Gack-gack-gack, was soll das heißen? Warum dürfen die Hähne nicht picken?“ Flugs packte der Fuchs das Hähnchen mit seinen Fängen und trug es seinem Bau zu.

Das Hähnchen krähte laut:

„Der böse Fuchs schleppt mich davon,
über Felder so weit,
über Wasser so breit,
über Wälder so dunkel und dicht,
kommt, Freunde, rettet mich!“

Der Kater und die Drossel vernahmen den Hilferuf und jagten dem Fuchs nach. Der Kater rannte in großen Sprüngen, die Drossel flog mit flatternden Schwingen… Bald hatten sie den Fuchs erreicht und fielen über ihn her; der Kater kratzte, die Drossel hackte. So befreiten sie das Hähnchen.

Viele Tage gingen hin, und einst mussten der Kater und die Drossel wieder im Wald Holz hacken. Vor dem Fortgehen sprachen sie mit aller Strenge zu dem Hähnchen: „Hör nicht auf den Fuchs und bleib dem Fenster fern. Wir gehen diesmal noch weiter in den Wald hinein und werden deine Stimme nicht hören.“

Der Kater und die Drossel wanderten sehr weit. Der Fuchs aber war sogleich wieder zur Stelle. Er setzte sich vors Fenster und stimmte sein Liedchen an:

„Hähnchen, Hähnchen hold,
mit dem Kamm von eitel Gold,
mit dem Köpfchen so glatt
und dem seidigen Bart,
schau zum Fensterchen hinaus,
geb‘ ’ne Erbse dir zum Sehmaus.“

Das Hähnchen rührte sich nicht. Da sang der Fuchs aufs neue:

„Viel Korn ward verstreut
von den kleinen Leut‘,
was die Hennen erfreut,
doch die Hähne,
sie dürfen nicht picken.“

Das Hähnchen blieb auch diesmal still. Da hub der Fuchs abermals an:

„Viele Nüsse war’n verstreut
von den kleinen Leut‘,
was die Hennen erfreut,
doch die Hähne,
sie dürfen nicht picken.“

„Gack-gack-gack, was soll das heißen?“ krähte das Hähnchen und streckte den Kopf zum Fenster hinaus. Der Fuchs packte es geschwind und lief mit ihm zu seinem Fuchsloch hinter den Feldern so weit, den Wassern so breit und den Wäldern so dunkel und dicht…
Das Hähnchen schrie und jammerte aus Leibeskräften, doch der Kater und die Drossel vernahmen es nicht. Und als sie abends heimkamen, war das Haus leer. Da eilten der Kater und die Drossel der Fährte des Fuchses nach. Der Kater rannte in großen Sprüngen, die Drossel flog mit flatternden Schwingen…
So kamen sie vor das Fuchsloch. Der Kater stimmte die Gusli* (*Gusli-zitherartiges Saiteninstrument) und begann zu klimpern:

„Gusli, lass die Saiten klingen,
Kling-ling-ling.
Ist Herr Fuchs, der feine, drinnen?
Kling-ling-ling.
Warm und traulich muss es sein,
Kling-ling-ling.
In seinem Häusel, sei’s auch klein,
Kling-ling-ling.“

Dies hörte der Fuchs und dachte: ,ich muss doch mal nachschaun, wer da vor meiner Tür so schön auf der Gusli spielt und so lieblich singt.‘

Und er kroch heraus. Allsogleich stürzten sich der Kater und die Drossel auf ihn und verdroschen ihn fürchterlich. So fürchterlich, dass er sich nur mit Müh und Not davon schleppen konnte. Das Gockelhähnchen aber setzten sie in ein Bastkörbchen und trugen es heim. Und wenn es nicht gestorben ist, so lebet es noch heut.

Quelle: Märchen aus Russland

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