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Das Himmelsmädchen

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Heute ist es schon sehr lange her. Zur Zeit der Regierung des Kaisers Koan lebte ein alter Mann, der flocht Körbe aus Bambusrohr, verkaufte sie an Leute, die sie brauchten, und bestritt davon seinen Lebensunterhalt.
Einmal ging er in den Wald, um Bambusrohr für seine Körbe zu schneiden, da sah er im Walde etwas, das hell leuchtete und strahlte. Die Strahlen gingen vom Knoten eines Bambusstammes aus. Als er diesen spaltete, fand er darin ein winziges Menschenkind, das kaum drei Zoll groß war. Der Alte sah sich das Kind an und dachte: „Seit vielen jähren schlage ich mir hier meinen Bambus, so etwas aber habe ich noch nie gefunden.“
Er freute sich über den Fund, setzte das winzige Menschenkind auf seine eine Hand, nahm die gesammelten Bambusrohre in die andere und kehrte nach Hause zurück. Dort rief er seine Frau herbei und erzählte ihr: „Dort im Bambus habe ich dieses kleine Mädchen gefunden.“ Da freute sich auch die Frau über den seltsamen Fund.
Sie legten das kleine Wesen in ein Bambuskörbchen und zogen es auf. Schnell wuchs es heran. Schon nach drei Monaten hatte es die Größe gewöhnlicher Menschen bekommen.
Als das Mädchen dann erwachsen war, gab es keine andere, die man an Adel und Schönheit mit ihr hätte vergleichen können, und während die beiden Alten ihre Tochter mit großer Liebe und Sorgfalt bedachten, wurde das Gerücht von deren Schönheit bald im ganzen Lande bekannt.
Nicht lange danach ging der Alte wieder in den Bambushain, um Rohr zu schneiden. Beim Spalten der gesammelten Rohre fand er diese mit Gold gefüllt. Schnell trug er den Fund nach Hause und war so unverhofft zu einem reichen Manne geworden. An Stelle der alten Hütte ließ er sich nun einen prächtigen Palast bauen und wohnte darin. Zahlreiche Speicher, mit Kostbarkeiten aller Art gefüllt, umgaben das Haus, und eine vielköpfige Dienerschaft war bereit, die Wünsche der Bewohner zu erfüllen. So ging den Alten – seit dieses Kind zu ihnen gekommen war – alles nach Wunsch, und sie umgaben es weiterhin mit aller nur erdenklichen Sorgfalt und Liebe.
Die Tochter erhielt bald von allen Seiten, von Fürsten und großen Herren Briefe verliebten Inhalts zugesandt. Als sie auf ihre Briefe ohne Antwort blieben, verdoppelten die Schreiber ihren Eifer, ihr die Gefühle ihrer Herzen zu offenbaren.
Dem ersten ließ das Mädchen nun sagen: „Fange den Donner, der den Himmel erschüttert, und bringe ihn mir. Dann will ich dich erhören.“
Dem zweiten ließ sie sagen: „Irgendwo wächst die Zauberblume Udonge. Hole sie und bringe sie mir, so will ich dich erhören.“
Dem dritten schickte sie die Nachricht: „Es soll eine Trommel geben, die dröhnt ganz von allein, ohne geschlagen zu werden. Suche diese, und wenn ich ihren Ton höre, dann will ich auch dich erhören.“
Mit ähnlichen Antworten fertigte sie all die anderen Bewerber ebenfalls ab. Betört von der unvergleichlichen Schönheit des Mädchens waren alle verliebten Männer bereit, ihren unerfüllbaren Wünschen nachzukommen.
Die einen befragten einen alten weisen Mann, wo man diese Dinge bekommen könne. Andere fuhren hinaus aufs Meer, um in fremden Ländern danach zu suchen. Wieder andere verzichteten auf die Freuden dieser Welt und gingen in die Berge, ob sie dort den gewünschten Gegenstand finden möchten. So verloren die einen das Leben, und die anderen kehrten nimmermehr in ihre Heimat zurück.
Indessen war der Ruf von der Schönheit des Mädchens auch zu den Ohren des Kaisers gedrungen. Der sagte: „Von allen Seiten höre ich, dass dieses Mädchen so unvergleichlich schön sein soll. Ich will hinziehen und sie mir ansehen, und wenn ich sie wirklich so edel finde, wie man sagt, dann werde ich sie zu meiner Gemahlin machen.“
Er trat die Reise sofort an und kam in Begleitung seiner Minister und seines ganzen Hofstaates zum Palast des Alten. Dort sah der Kaiser, dass der Palast seinem eigenen an Pracht und Schönheit gleichkam. Er ließ das Mädchen rufen, und als er es sah, fand er es wirklich von dieser unvergleichlichen Schönheit, die man ihm mit so vielen Worten gerühmt hatte, und er dachte bei sich: „Alle die anderen hat sie nicht erhört, nur um meine Gemahlin zu werden. Bald werde ich sie in meinen Palast führen, um sie zu meiner Gemahlin zu machen.“
Deshalb fragte er sie: „Willst du nicht mit mir in meinen Palast kommen, um meine Gemahlin zu werden?“
Da antwortete ihm das Mädchen: „Mit großer Freude würde ich deinen Wunsch erfüllen und gern deine Gemahlin werden, doch ich bin kein menschliches Wesen.“
Als der Kaiser nun bestürzt fragte: „Was bist du dann für ein Wesen? Bist du eine Gottheit oder ein Dämon?“ gab sie ihm zur Antwort: „Ich bin weder eine Gottheit noch ein Dämon, aber ich darf nicht hier in dieser Welt bleiben; bald wird man mich zum Himmel hinaufholen lassen. Gib daher deine Absicht auf, Kaiser, und ziehe wieder an deinen Hof zurück.“
Der Kaiser dachte bei sich, als er dies gehört hatte: „Was meint sie mit ihrer Rede? Das ist doch unmöglich die Wahrheit. Sicherlich hat sie nur deshalb erzählt, dass der Himmel sie holen wird, um einen Vorwand zu haben, meine Werbung auszuschlagen.“
Während er sich aber noch solchen Gedanken hingab, kamen viele Wesen vom Himmel herab, die eine Sänfte mit sich führten. Sie ließen das Mädchen die Sänfte besteigen und trugen es sodann zum Himmel empor. Die Gestalt dieser himmlischen Boten aber glich nicht dem Aussehen der Menschen dieser Welt.
Der Kaiser dachte nun, als er sich alles noch einmal vor Augen führte: „ja, dieses Mädchen war sicherlich nicht von dieser Welt!“ Er kehrte in seinen Palast zurück, aber später erinnerte er sich ihrer noch oft, und jedes Mal, wenn er an sie dachte, erschien sie ihm in der Erinnerung schöner als alle Menschenkinder der Welt. Dann sehnte er sich nach ihr, die er nicht vergessen konnte, aber da er sah, dass hier seiner Macht Grenzen gesetzt waren, blieb ihm nichts anderes übrig als schmerzlicher Verzicht.
Niemand weiß, wer dieses Mädchen war. Niemals fand man eine Erklärung dafür, warum sie in das Haus jenes Alten kam, um dort als dessen Tochter zu leben. Den Menschen dieser Welt blieb dies alles unverständlich und seltsam.

Quelle:
(Märchen aus Japan)

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