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Märchenbasar

Das höllische Blendwerk und die göttliche Macht

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Eines Morgens ging ein kaiserlicher Prinz zur Jagd, und wie er über den Schnee ging, fing er aus der Nase zu bluten an, und sah, wie das rothe Blut auf dem weißen Schnee so schön sich ausnahm, da dachte er bei sich selbst: »Ach wenn mir doch ein Mädchen zur Frau beschieden wäre, so weiß wie Schnee und so roth wie Blut.« In diesen Gedanken weiter gehend, begegnete er einem alten Weib, das fragte er, ob es wohl ein solches Mädchen gebe, und die Alte sagte ihm, weiter voran in jenem Walde steht ein Haus ohne Thüren und nur mit einem Fenster, durch welches man ein- und ausgehen müsse, und in jenem Hause sei solch ein Mädchen, »aber,« spricht sie, »von Allen, die bis jetzt noch hingegangen sind es zu freien, ist noch keiner zurück gekommen.« »Sollte ich auch nicht mehr wiederkehren,« entgegnete der Prinz, »ich gehe dennoch dahin, bin ich auf dem rechten Wege?« Wie die Alte dies hörte, that es ihr leid um ihn, und sie griff in ihren Busen, zog ein Stücklein Brod hervor, und gab es dem Prinzen, indem sie sprach: »Nimm dieses Brod, hüte es aber wie deinen Augapfel.« Er nahm das Brod und ging weiter. Bald darauf begegnete er wieder einer andern Alten. Sie fragte ihn wohin er gehe, und er sagte ihr, er gehe da und da hin, um ein Mädchen zu freien; die Alte wollte ihn nun davon abbringen, indem sie ihm dasselbe sagte wie die Erste der er begegnet war, er aber sprach: »Bei Gott, Alte, ich werde hingehen und sollte ich auch nimmer wiederkehren.« Da gab ihm die Alte eine Haselnuß, indem sie sprach: »Hebe diese Haselnuß wohl auf, sie wird dir von Nutzen sein.« Er nahm auch die Haselnuß und ging weiter. Da traf er kurz darauf ein drittes altes Weib, welches am Wege saß und ihn ebenfalls fragte, wohin er gehe. Und er sagte auch ihr, er gehe da und da hin um ein Mädchen zu freien. Wie die Alte das vernahm, fing sie unter Thränen ihn zu beschwören an, sich das Mädchen aus dem Sinn zu schlagen, und wiederholte alles, was schon die beiden Andern gesagt hatten. Doch er wollte sie nicht einmal anhören. Da schenkte ihm die Alte eine Nuß, indem sie sprach: »Nimm diese Nuß, und habe ihrer Acht bis du sie brauchen wirst.« Er wunderte sich ob dieses Geschenkes und fragte die dritte Alte, was es auf sich habe, daß ihm die Erste ein Bißlein Brod, die Zweite eine Haselnuß und sie endlich eine Nuß geschenkt habe. Und die Alte sagte ihm: »Das Brod, wenn du zu jenem Hause kommst, wirf den Thieren des Waldes vor, damit sie dich nicht auffressen, und wenn du in der größten Noth bist, befrage erst die Haselnuß, dann die Nuß um Rath.«
Hierauf ging der Prinz weiter und immer fort und fort, bis ihn der Zufall in einen dichten Wald führte, und in diesem Walde erblickte er das bezeichnete Haus. Und wie er näher kam, sprangen eine Menge verschiedener Thiere an ihn heran, er aber warf ihnen, wie es ihm die Alte gelehrt hatte, jenes Brod zu, und jedes von den Thieren, das an dem Brode roch, fiel regungslos auf den Bauch, indem es den Schweif einzog. Nun aber, da dies Haus keine Thüre hatte, und das Fenster hoch war, wußte er sich keinen Rath um hinein zu kommen, da sah er mit einem Male, wie ein Weib ihr goldnes Haar zum Fenster herab ließ; da eilte er hin, erfaßte das Haar, und das Weib zog ihn in die Höhe, und als er oben war, was erblickte er da? jenes wunderliebliche Mädchen.
Da erfreuten sie sich Eines über das Andere und das Mädchen sprach: »Danke Gott, daß du meine Mutter nicht zu Hause getroffen hast, die eben ausgegangen ist im Walde Kräuter zu pflücken, mit welchen sie die Jünglinge zu betäuben und in wilde Thiere zu verwandeln pflegt, und dies allen gethan hat, welche bis jetzt um mich gefreit haben, und die Thiere, wäre Gott dir nicht beigestanden, hätten dich sicherlich zerrissen, darum laß uns fliehen.« Und da ergriffen sie die Flucht und verließen den Wald so schnell sie konnten, als sie sich aber, immer weiter eilend, einmal umsahen, erblickten sie die Mutter wie sie ihnen nacheilte, da erschraken sie sehr, und schon hatte die Alte sie beinahe eingeholt, da erinnerte sich der Prinz der Haselnuß, und sie herausziehend fragte er: »Ach, um Gottes Willen, was sollen wir thun?« Und die Haselnuß antwortete: »Oeffne mich.« Und wie er sie öffnete, entströmten ihr reißende Wasser und versperrten der Mutter den Weg. Diese aber berührte das Wasser mit ihrem Stabe und augenblicklich theilte es sich und sie setzte den Flüchtigen nach. Wie diese sahen, daß die Alte sie abermals beinahe erreicht hatte, holte der Prinz die Nuß hervor und fragte sie: »Sage uns was wir thun sollen?« »Brich mich auf,« antwortete die Nuß, und wie er sie aufbrach, schlug eine Flamme aus ihr hervor, daß sich beinahe der ganze Wald entzündet hätte. Die Mutter aber spuckte in die Flamme, daß diese im Augenblicke erlosch, und fuhr fort sie zu verfolgen. Da merkte der Prinz, daß das Alles nur höllisches Blendwerk sei, bekreuzte sich gegen Sonnenaufgang gewendet und Gott den Allmächtigen um seinen Beistand anflehend, da zuckte ein Blitz aus den Wolken nieder und verbrannte die Mutter des Mädchens, worauf sich die Erde öffnete und ihre Gebeine verschlang. Und so kam der Prinz glücklich und unversehrt heim, ließ das Mädchen taufen und sich zum Weibe antrauen. – Und Gott möge dich (Zuhörer) erfreuen!

[Serbien: Vuk Stephanovic Karadzic: Volksmärchen der Serben]

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