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Ein Erfurter Ratsprotokoll vom 10. Januar 1588 erzählt folgenden Fall: Dem Pfeifer Jost Voigt, der zugleich Hausmann auf dem Allerheiligen Turme war, wurde aus dem Backofen im Gewölbe des Turmes eine schon gebratene Gans gestohlen. Sein Läutjunge Lorenz rät ihm, zur klugen Frau nach Daberstedt zu gehen und die zu befragen, wer der Dieb sei. Von anderer Seite wird er an die Schucken in der Schmidtstedter Straße verwiesen, die mit Kristallsehen umzugehen wisse. Und die will wirklich im Spiegel des Kristallglases den Dieb erkannt haben, bezeichnet auch dem Pfeifer dessen Persönlichkeit. Aber sie hat einen ganz Unschuldigen getroffen, wie die gerichtliche Verhandlung ausweist. Dieser, aufs höchste beleidigt, schwört, sich an dem Pfeifer zu rächen. Andern Tages geht er zu einer berüchtigten Hexe und bittet sie, ihm dazu behilflich zu sein. Für ein gutes Stück Geld ist die weise Frau bald gewonnen, jenem ein Auge auszuschlagen. Nun beginnt unter allerlei Zurüstungen und geheimen Mitteln die Zauberei. Er muß in seine Haustüre Nägel einschlagen, daran Fäden befestigen und sie straff anziehen. Dann legt er sich auf die Lauer und wartet, bis der Pfeifer Voigt durch die Turniergasse geht. Wie er seiner ansichtig wird, schlägt er den ersten Faden durch. Sofort faßt der Turmwart nach seinem Auge; ihm ist es, als ob es von einem Schusse getroffen worden wäre. Doch ist von einem eingedrungenen Körper ebensowenig wie von einer Wunde zu sehen. Das Auge schmerzt täglich mehr, und nach Verlauf von vierzehn Tagen ist es vertrocknet und ganz blind. Danach kommt es zu einem Prozeß mit Folterung und erpreßtem Bekenntnis, der in einem Hexenbrand endigt.
Sage aus Thüringen