0
(0)
Ein König hatte einen Minister, dem er sein ganzes Vertrauen schenkte. Einmal hatte er jedoch so großen Zorn auf ihn, daß er beschloß, dem Leben des Ministers ein Ende zu setzen, und sagte: »Ich kann nicht umhin, ich muß Euch töten lassen. Da ich Euch früher aber sehr schätzte, lasse ich Euch eine Hoffnung, die darin besteht, daß Ihr mir Eure Tochter herschickt, um zu sehen, ob sie fähig ist, zu erraten, was ich hiermit meine: Sie soll weder in der Nacht, noch am Tage kommen, weder nackt, noch angezogen sein, und weder zu Fuß, noch zu Pferde kommen.« Wie zu erwarten ging der Minister sehr betrübt nach Haus und erzählte seiner Tochter von seinem Kummer. Da diese jedoch klug war, antwortete sie: »Laßt gut sein, Vater, ich habe das Rätsel des Königs schon gelöst, und ich schwöre Euch schon jetzt, daß ich Euch retten werde.« Sie machte sich fertig und richtete ihre Sachen dergestalt, daß sie den Palast am nächsten Tage im Dämmerlicht betrat. Auf dem Körper trug sie ein dünnes Hemd aus Batist, und sie saß rittlings auf einem alten Diener. Sowie der König sie sah, erkannte er an, daß das Zwielicht weder Tag noch Nacht war, und daß sie, da sie ein Hemd trug, weder angezogen, noch nackt war, und daß sie schließlich auf dem Rücken des Dieners nicht zu Pferde, aber auch nicht zu Fuß kam. Da lobte er die Klugheit des Mädchens sehr und sagte ihr, sie solle ihrem Vater ausrichten, daß ihm verziehen sei und er wieder sein Vertrauen genieße, denn wer eine so kluge Tochter hatte, der war ein fähiger Mann.
[Portugal: T. Braga: Contos tradicionaes do povo portuguez]