„Tritt ein, mein Bester. Wo kommst du her?“ „Ach, ich bin ein Nirgendwer, komme aus dem Jenseits her.“ „Soso, mein Guter, hast du dort nicht zufällig meinen verstorbnen Sohn getroffen?“ „Freilich, wir wohnten doch zusammen in einer Stube.“
„Was du nicht sagst!“ „Ja, Mütterchen, er hütet die Kraniche in den himmlischen Gefilden.“ „Sicherlich muss er sich da entsetzlich plagen?“ „Und wie! Die Kraniche gehen so gern ins Dornengestrüpp.“
„Seine Sachen sind wohl schon zerrissen?“ „Gar nicht zu sagen! Sie hängen in Fetzen an seinem Leib.“ „Ich hab‘ hier vierzig Ellen Leinwand im Spind und an die zehn Rubel Geldes, mein Bester. Bring das meinem Sohn, sei so freundlich.“
„Gern, Mütterchen.“ Die Tage gingen hin, die Monde gingen hin, und eines Tags kehrte der Sohn aus der Fremde heim. „Wie ist es dir ergangen, Mütterchen?“ „Als du fort warst, kam ein Mann zu mir. Er hieß Nirgendwer und kam aus dem Jenseits her. Er hat mir von deinem verstorbnen Bruder erzählt, denn die beiden wohnten in ein und derselben Stube. Ich gab ihm ein wenig Leinwand und zehn Rubel für den Verstorbnen mit.“ „Hast du das getan“, sprach der Sohn, „so zieh‘ ich wieder in die weite Welt und werd‘ wandern ohne Ruh‘, bis ich einen find‘, der noch dümmer ist als du. Und find‘ ich keinen, dann wirst du mich nicht mehr wieder sehen.“
Er wandte sich zum Tor und zog von dannen. Bald war er in einem großen Dorf angelangt, das einem reichen Gutsherrn gehörte. Beim Gutshof machte er halt. Auf dem Hof aber lief eine Sau herum mit vielen Ferkeln. Unser Bäuerlein kniete sich hin und machte vor der Sau eine Verbeugung nach der andern. Das sah die Gutsherrin vom Fenster aus und rief eine Magd: „Geh und frag den Mann, warum er sich verbeugt?“
Die Magd lief hin. „Bauer, warum kniest du vor der Sau und verbeugst dich?“ „Richte deiner Herrin aus, eure gefleckte Sau sei die Schwester von meiner Frau. Morgen hält mein Sohn Hochzeit, und da lade ich sie ein; die Sau soll Trauführerin und die Ferkel Brautjungfern sein.“
Als die Gutsherrin solche Rede vernahm, sagte sie zur Magd: „Nein, so ein dummer Kerl. Lädt eine Sau zur Hochzeit ein samt den Ferkeln! Nun wohl, sollen die Leute mal was zum Lachen haben! Zieh der Sau meinen Pelzmantel an und setz sie in die Kutsche mit zwei Pferden davor. Es schickt sich nicht, dass man zu Fuß zu einer Hochzeit geht.“
Flugs wurde der Wagen angespannt, die Sau samt den Ferkeln hineingesetzt, der Bauer stieg auf den Bock, und fort ging’s in rascher Fahrt. Abends kehrte der Gutsherr von der Jagd heim. Tränen lachend erzählte ihm seine Frau: „Ach, Liebster, hatten wir heut unsern Spaß! War doch ein Bäuerlein hier, das verbeugte sich vor unserer gefleckten Sau – sie ist die Schwester von seiner Frau, und er lud sie zur Hochzeit seines Sohnes ein – die Sau als Trauführerin und die Ferkel als Brautjungfern.“ „Ich weiß schon“, erwiderte der Herr unwillig. „Und du hast die Sau weggegeben?“
„Freilich, Liebster. Meinen Pelzmantel hab‘ ich ihr angezogen und sie in der Kutsche zweispännig zur Hochzeit fahren lassen.“ „Aus welchem Dorf ist der Bauer?“ „Weiß nicht.“ „So ist nicht der Bauer der Dumme, sondern du hast dich zur Dummen machen lassen.“
Der Herr geriet in großen Zorn, dass man seiner Frau dergestalt mitgespielt hatte. Er lief aus dem Haus, schwang sich auf seinen Zelter und galoppierte dem Bauern nach. Der hörte Hufschlag hinter sich und erriet, dass ihm der Gutsherr auf den Fersen war. Geschwind lenkte er den Wagen ins Gehölz, hockte sich selber am Weg hin und legte den Hut mit der Öffnung nach unten neben sich. „He, Langbart“, rief der Herr. „Hast du nicht einen Bauern gesehen, der einen Wagen mit einer Sau und Ferkeln kutschierte?“
„Gewiss doch, wie sollte ich ihn nicht gesehen haben? Er ist hier vorbeigekommen, es ist schon ein ganzes Weilchen her.“ „Wo ist er hingefahren? Ich muss ihn fangen.“ „Fangen ist ein gut Verlangen, bloß gilt’s, den Weg zu kennen, sonst wird man in die Irre rennen. Es gibt viele Wege und Stege hier.“
„Reite du ihm nach, Bruderherz, und fang mir den Schelm.“ „Nein, Herr, ich muss hier bleiben. Ich hab‘ einen Falken unter meinem Hut.“ „Reite getrost, ich werd‘ aufpassen.“
„Gib aber gut acht, dass er nicht wegfliegt. Der Vogel ist viel Geld wert. Mein Herr wird mir keine ruhige Stunde mehr gönnen, wenn ich ohne ihn heimkomme.“ „Was kostet er denn?“ „Dreihundert Rubel wird er kosten.“ „Ich bezahl‘ dir’s, wenn er abhanden kommt.“ „Nein, Herr, jetzt versprichst du’s, aber wer weiß, ob du’s nachher auch hältst.“ „Ach, du glaubst mir nicht? Dann will ich dir das Geld im voraus geben!“
Der Bauer steckte das Geld ein, sprang auf den Zelter und ritt in den Wald. Der Herr aber saß da und bewachte den leeren Hut. Die Zeit verging. Die Sonne schickte sich schon zum Untergehen an, doch das Bäuerlein ließ sich nicht blicken. ,Will doch mal nachsehen, ob überhaupt ein Falke unter dem Hut sitzt`, dachte der Gutsherr. Wenn einer da ist, muss ich weiterwarten, wenn nicht, hat das Warten keinen Sinn.‘
Er hob den Hut auf, es war kein Falke darunter. ,Dieser Spitzbube, das ist gewiss der gleiche Bauer, der heute die Herrin übers Ohr gehauen hat!‘ Vor Verdruss spie der Gutsherr aus und trottete heimwärts, zu seiner Eheliebsten. Das Bäuerlein aber war längst zu Haus.
„So„ Mütterchen, jetzt bleib‘ ich bei dir“, sagte er zu der Alten. „Es gibt noch dümmere Leute auf Erden als du. Für nichts und wieder nichts hat man mir heut drei Pferde samt Wagen, dreihundert Rubel und eine Sau mit Ferkeln geschenkt.“
Quelle: Russisches Volksmärchen