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Das Tornisterchen

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Es war einmal ein armer, armer Mann, daß er nichts hatte, gar nichts hatte er, und da er nichts hatte, wurde er pacurar (Schafhirt). Seine Nachbarin war auch arm, sie hatte einen Knaben, und Gott hatte ihr für jeden Tag eine Maß Palukkesmehl bestimmt, aber für einen ganzen Tag mit einer Maß reicht man nicht aus, und sie gab ihren Knaben dem Schafhirten in Dienst. Dieser hatte nichts seinem Knechtchen ins Tornisterchen zu gehen und gab ihm jeden Tag nur eine schwarze Brotkruste. Er hatte auch kein Tornisterchen und versorgte die Brotkruste in den Busen. Eines Tages verlor er die Kruste aus dem Busen, und er wurde so hungrig, daß er nicht mehr konnte. Wie er so hungrig wurde, dachte er: »O Gott, wenn ich nur ein Tornisterchen hätte, nur ein altes, würde ich mir die Kruste hinein versorgen und würde sie nicht verlieren und könnte manchmal ein wenig daran nagen.« Wie er so dachte, nur einmal fand er unter seinen Füßen auf der Erde zehn Kreuzer. Wahrscheinlich hatte Gott ihm sie hingeworfen und ließ ihn sie jetzt finden. Er freute sich so und hob sie auf und ging gleich auf die Straße, um auf den Markt in die Stadt zu gehen, so wie nach Agnetheln, und ging zu dem Mann, welcher die Tornister macht. Als er an das Tor kam, schämte er sich hineinzugehen, und er ging immer hin und her, bis der Tornistermacher herauskam und ihn fragte, was er hier mache, da sagte der Knabe: »Ich möchte einen Tornister kaufen.« – »Komm herein und wähl dir einen aus, zum Verkaufen hab‘ ich sie.« Der Knabe trat ein und fragte um den Preis. Der eine kostete drei Gulden, der andere zwei, einer eineinhalb, billiger nicht. »Ach Gott, so kann ich mir keinen kaufen, ich habe nur 10 Kreuzer«, sagte der Knabe traurig und ging hinaus. Als er in den Hof kam, sah er ein Tornisterchen aufgehangen an einem Hühnerstall. Es war häßlich, alt und schwach, daß es niemand mehr brauchen konnte. Der Knabe dachte, dies würde nicht mehr wert sein als 10 Kreuzer und trat wieder ins Haus und fragte, ob er das Tornisterchen um 10 Kreuzer bekommen könnte. Der Mann gab es ihm, und er machte sich auf den Heimweg.
Nur einmal befiel ihn der Hunger, daß er dachte, er könne nicht mehr aushalten. In seinem Elend nahm er das Tornisterchen, schlug er auf die Erde und sagte: »Wenn ich mir lieber ein wenig Brot gekauft hätte!« Wie er es so auf die Erde schlug, kamen zwei Engel heraus und fragten: »Was wünschst du, unser Herr mit Recht?« Dieser erschrak über dieses Wunder und sagte mit Angst: »Ich möchte eine Schüssel saure Milch und einen Paluckes.« Er hatte diesen Gedanken noch nicht ausgedacht, und die Milch und Paluckes standen neben ihm, er setzte sich und aß und aß, bis er satt war. Dann ging er weiter, heimwärts, bis er wieder hungrig wurde, dann nahm er wieder das Tornisterchen und schlug es auf die Erde, die zwei Engel kamen heraus und fragten: »Was wünschst du, unser Herr mit Recht?« – »Ich möchte Pletschinten essen und einen guten Wein trinken.« Nicht den Gedanken hatte er ausgedacht, die Pletschinten und den Wein hatte er da. Der Knabe fütterte sich einmal! Dann eilte er nach Hause. Als er daheim war, sagte er zu seiner Mutter: »Meine Mutter, bist du hungrig?« – »Wie sollte ich nicht hungrig sein, mein Sohn, du weißt, ich habe nur eine Maß Mehl, mir zugekommen von Gott.« – »Komm zum Tisch, Mutter.« Er schlug das Tornisterchen auf die Erde, gleich kamen die zwei Engel heraus und fragten: »Was wünschst du, unser Herr mit Recht?« – »Bringt ein gutes Abendessen auf den Tisch.« Nicht den Gedanken hatte er ausgedacht, und schon stand ein gutes Abendessen auf dem Tisch, wie es die Alte noch nie gekostet. Sie setzten sich beide und aßen, bis sie satt waren, dann legte sich seine Mutter schlafen. Als sie eingeschlafen war, schlug er das Tornisterchen wieder auf die Erde. Die Engel kamen heraus und fragten ihn: »Was wünschst du, unser Herr mit Recht?« – »Macht mir ein schönes Haus, schöner als das des Königs, wo jetzt diese Hütte steht.« Als die Alte erwachte, erglänzte die ganze Welt von dem schönen Haus, und sie hatte schöne Kleider an, ganz golden. Sie freute sich sehr und sprach: »Mein Sohn, jetzt geh‘ ich zum König und verlange seine Tochter für dich zur Frau.« Gut.
Sie ging, und als sie zum König kam, sagte sie: »Herr König, ich habe einen Sohn zum Verheiraten. Ihr habt eine Tochter, ich bin gekommen, Ihr solltet mir die Tochter für meinen Sohn geben.« – »Dann will ich dir meine Tochter geben, wenn dein Sohn in einer Nacht eine silberne Brücke von meinem Hause bis an dein Haus machen wird, auf einer Seite mit blühenden Bäumen, auf der andern mit Bäumen, an denen die Früchte reif sind, und in jedem Baum müssen neunerlei Vögel singen.« – »Ich will es meinem Sohn sagen«, antwortete die Alte und ging. Als sie nach Hause kam, erzählte sie ihrem Sohn, was der König verlangte. »Leg dich jetzt schlafen, Mutter, es wird so sein, wie Gott will.« Als die Alte schlief, schlug er das Tornisterchen auf die Erde, gleich erschienen die zwei Engel und fragten: »Was wünschest du, unser Herr mit Recht?« – »Mach eine silberne Brücke von mir bis zum König, auf einer Seite mit blühenden Bäumen, auf der andern mit Bäumen voll reifen Obstes, auf jedem Baum sollen Vögel mit neunerlei Stimmen singen.« Am Morgen strahlte die ganze Welt von Gold und Silber, daß sich der König verwunderte und sprach: »Dieser ist königlicher als ich, diesem muß ich meine Tochter geben.« Und er gab sie ihm, und sie machten Hochzeit, und nach der Hochzeit begleiteten alle das junge Paar in das schöne Haus, und der König gab ihnen eine Katze und ein Hündlein, sie sollten etwas zum Spielen haben.
Sie lebten gut. Sie ging in den Zimmern herum, er ging auf die Jagd. Nur einmal traf es sich, daß der Tornistermacher aus der Stadt zu der jungen Frau »in die Gasse« kam, und sie verliebten sich ineinander. Aber ihr Mann merkte nichts. Eines Tages war er wieder auf der Jagd, da sagte ihr Liebster zu ihr: »Du, he, von wo hat dein Mann so viel Vermögen? Er war ein so armer Knabe, daß er sich nicht einmal einen Tornister kaufen konnte. Ich gab ihm einen alten zerrissenen um 10 Kreuzer.« – »Ich weiß es nicht, ich habe ihn nie darum gefragt, aber ich will ihn fragen, wenn er es mir sagen will.« – »Stell dich krank, dann sagt er dir’s.« Gut. Abends, als er heimkam, fand er seine Frau im Bett, und sie jammerte zum Sterben. »Was ist mit dir, Liebste mein?«, sagte er und setzte sich neben sie ans Bett und streichelte sie mit der Hand über die Stirne und redete so schön mit ihr. Sie sagte: »Ach, mein Liebster, mir tut alles weh‘, es ist mir so schlecht, aber vielleicht würde es mir leichter, wenn ich wüßte, von wo du diesen großen Reichtum hast?« – »Das wäre etwas Leichtes, ich will es dir sagen: Als ich ein armer Knabe war, kaufte ich mir dieses Tornisterchen für 10 Kreuzer, ich hatte nicht mehr. Wenn ich es auf die Erde schlage, kommen zwei Engel heraus und geben mir, was ich wünsche.« – »Ach, mein Mann, es wird mir besser, es ist mir nicht mehr so übel.« Na, dieser dachte sich nichts Schlechtes.
Am andern Tag ging er wieder auf die Jagd. Da kam der Tornistermacher. Als sie ihn erblickte, sagte sie es ihm gleich. Er nahm das Tornisterchen und schlug es auf die Erde. Die Engel traten heraus und fragten: »Was wünscht unser Herr mit Unrecht?« – »Ihr sollt dies Haus mit Sack und Pack in die schwarze Welt tragen.« Er hatte kaum ausgeredet, und das Haus mit allem war in der schwarzen Welt, nur die Katze und das Hündlein waren zurückgeblieben. Als er heimkehrte, wußte er nicht, was hier geschehen, wo das Haus gestanden, war ein wüster Platz, und nur die Katze und der Hund sprangen um ihn herum. Bis jetzt hatten diese beiden nie geredet, nun fingen sie an, ihrem Herrn zu erzählen, wie die Sache gewesen. Dann gingen sie alle drei, das Tornisterchen zu suchen. Sie wanderten lange, weit, weit, bis sie ans Meer kamen, dann sah die Katze ins Wasser und sah das schöne Haus im Wasser. Darauf sagten sie ihrem Herrn, er solle neben dem Wasser bleiben, sie beide würden hineingehen durchs Wasser und das Tornisterchen bringen. Sie sprangen ins Wasser und kamen gegen Abend auf die schwarze Welt heraus. Die Katze setzte sich aufs Fenster und sah hinein. Dort saß die junge Frau plaudernd mit dem Tornistermacher. Das Hündlein stellte sich neben die Türe. Die Frau erblickte die Katze und rief: »Sieh, eine Katze, wir sollen sie hereinlassen, daß ich mit ihr spiele.« Er öffnete die Türe, und beide sprangen hinein. Der Mann spielte mit dem Hündlein, die Frau mit der Katze. Sie spielten so lange, bis sie der Schlaf betrog. Da sprang der Hund auf den Ofen und warf den Topf mit dem Sauerkraut herunter, daß das Fleisch im ganzen Zimmer herumflog. Die Katze nahm das Tornisterchen und sprang damit durch den Rauchfang hinaus. Bis diese beiden Niederträchtigen erwachten, war das Hündlein hinter ihr. Dann machten sie sich auf den Heimweg.
Als sie ans Meer kamen, sagte das Hündlein: »Du Schwache, gib mir das Tornisterchen, du bist eine Katze, und wenn dir ein Fisch entgegenschwimmt, läßt du das Tornisterchen ins Wasser fallen und fängst den Fisch.« (Nach der Maus der größte Leckerbissen für eine Katze.) »Oh, ich gebe es dir nicht, ich besorg‘ es wie meine Augen.« – »Du Plage, hast du noch das Tornisterchen?« so fragte das Hündlein die Katze in einem fort, sie mit allen möglichen Kosenamen anredend. Die Katze antwortete immer: »Ich hab‘ es«, trotzdem sie es schon auf halbem Wege verloren. Wie das Hündlein gefürchtet, so hatte sie einen Fisch erblickt und gleich auf das Tornisterchen vergessen, und wie sie nach dem Fisch geschnappt, war er ins Wasser gefallen. Nun hatte sie sich gefürchtet, es dem Hund zu sagen, bis sie zu ihrem Herrn gelangten. Dann jammerte sie und gestand es. »Ich habe es immer gefürchtet, du hättest es mir geben sollen, du Elende, du Miserable, die du bist.« Gut. Ihr Herr saß traurig auf der Erde und gab der Katze drei Kreuzer, sie solle zu dem Fischer hinübergehen und einen Fisch kaufen, er sei hungrig. Sie lief hin und brachte einen dicken Fisch. Er zog das Messer heraus und schnitt ihn auf, da fiel das Tornisterchen heraus. Dieser Fisch hatte es verschluckt.
Jetzt war eine große Freude unter ihnen. Er schlug es auf die Erde, da kamen die beiden Engel heraus und fragten: »Was wünschest du, unser Herr mit Recht?« – »Bringt ein gutes Essen.« Nicht einmal den Gedanken hatte er ausgedacht, da lag ein weißes Tischtuch ausgebreitet im Gras, und alle Arten von Speisen und Getränken standen darauf. Sie riefen auch den Fischer und aßen alle vier, bis sie satt waren. Dann schlug er das Tornisterchen wieder auf die Erde, und als die beiden Engel erschienen, fragten sie: »Was wünscht unser Herr mit Recht?« – »Ihr sollt mir mein Haus mit Sack und Pack nach Hause bringen.« Er hatte den Gedanken nicht ausgedacht, und das Haus mit der Frau und dem Tornistermacher war wieder da. Diesen erschoß er, der jungen Frau hieb er den Kopf ab. Dann ging er zum König und sagte, wenn er seine Tochter noch einmal sehen wolle, solle er mit ihm kommen. Der König kam, und als er sah, was da war, fragte er, wie dies gekommen, und wie er es gehört, sagte er: »Du hast recht gehabt, wenn sie sich den Kopf gefressen hat, gefressen soll er sein.« (Sich den Kopf fressen heißt, wenn jemand durch eigenes Verschulden ums Leben kommt.) Aber der Mann heiratete nicht mehr, er fürchtete zu sehr, es würden alle Frauen solche Betrügerinnen sein. Er lebte mit seiner Mutter bis ins Alter in Friede und Gesundheit, und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie heute noch.

[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]

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