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Das vollständige Märchen von dem berühmten und tapfern Helden Vowa Korolewitsch und der schönen Königstochter Druschnewna

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In der berühmten Stadt Anton herrschte der tapfere und mächtige König Guidon. Der hörte von seinen Leuten und fremden Gästen viel von der Schönheit der Prinzeß Militrisa Kirbitowna. Er wünschte sie zu sehen und reiste in dieser Absicht in die Stadt Dimichtian zu ihrem Vater, wo er sie viele Male sah und sich in sie verliebte. Als er aus der Stadt Dimichtian in seine Stadt Anton zurückgekehrt war, schickte er als Gesandten seinen Diener Litscharda zu dem König Kirbit Wersoulowitsch, dem Vater der Militrisa Kirbitowna, damit er seine Tochter bei ihm zur Gemahlin erbäte für ihn. Diesem Litscharda gab er eine eigenhändige, und mit seinem Insiegel versehene Urkunde, und in dieser Urkunde bat er den König Kirbit Wersoulowitsch, daß er ihm seine Tochter Militrisa Kirbitowna ablassen möchte. Als Litscharda in der Stadt Dimichtian angekommen war, übergab er dem König Kirbit Wersoulowitsch die Urkunde vom König Guidon, und bewarb sich bei ihm um seine Tochter zur Gemahlin für seinen König. Kirbit Wersoulowitsch nahm die Urkunde und las sie durch. Dann ging er sogleich zu seiner Tochter Militrisa Kirbitowna und sprach zu ihr: »Meine liebe und schöne Tochter Militrisa Kirbitowna, der Ruhm deiner Schönheit ist auch bis zu dem mächtigen und tapfern König Guidon gedrungen. Er war in meiner Stadt, um dich zu sehen, und hat dich schon sehr lieb gewonnen. Jezt hat er einen Gesandten geschickt, daß er um deine Hand für ihn werbe; ich habe diesem Gesandten schon mein Jawort gegeben und bin gekommen, dich davon zu unterrichten.«

Während der König Kirbit Wersoulowitsch diese Worte sprach, fing Militrisa Kirbitowna an zu weinen, und als dies der König Kirbit sahe, sprach er weiter zu ihr: »Gräme dich nicht, meine liebe Tochter, der König Guidon ist mächtig, berühmt und sehr reich, du wirst seine geliebte Gemahlin sein, und mit ihm die Herrschaft theilen. Ihm sein Gesuch abzuschlagen, ist unmöglich, denn er würde mit großer Heeresmacht vor unsere Stadt rücken, sie mit Sturm nehmen und dich mit Gewalt hinwegführen.« Als dies die Prinzeß Militrisa Kirbitowna hörte, fing sie an zu schluchzen, fiel auf die Knie vor ihrem Vater und sprach folgende Worte: »Mein Herr Vater, berühmter König Kirbit Wersoulowitsch, du hast über mich königliche und väterliche Gewalt, aber erlaube mir, die Wahrheit zu gestehen: den König Guidon habe ich in der Stadt gesehen, allein ich habe ihn nicht lieb gewonnen, sondern bin erschrocken vor ihm, darum fürchte ich mich jezt, zu ihm zu ziehen. Ich bitte dich, lieber Vater, deinen Sinn zu ändern und mich dem Zaren Dadon zu geben, welcher unser naher Nachbar und ein treuer Schützer und Hüter unseres Reiches ist.« – Aber der König Kirbit willigte nicht in ihre Bitte, und schickte sie dem König Guidon zur Gemahlin in die Stadt Anton. Guidon freute sich sehr über ihre Ankunft, und befahl, den folgenden Tag zu seiner Hochzeit ein großes Gastmahl zu bereiten, befreite alle Gefangenen und erließ alle Schulden.

Drei Jahre lebte Guidon mit Militrisa Kirbitowna, und zeugte mit ihr den Vowa Korolewitsch, der von Gestalt kräftig, von Angesicht schön war; er wuchs aber nicht nach Tagen, sondern nach Stunden. Eines Tages berief die Königin Militrisa Kirbitowna den treuen Diener Litscharda zu sich und sprach zu ihm folgende Worte: »Leiste mir treu und ehrlich einen Dienst, Litscharda; ich werde dir dafür viel Gold, Silber und Edelsteine geben: bringe diesen Brief zu dem Zaren Dadon, aber ohne Wissen des Königs Guidon, und wenn du mein Gebot nicht vollziehst, Litscharda, so werde ich den Guidon gegen dich aufhetzen, und er wird dich eines bösen Todes sterben lassen.«

Litscharda nahm den geheimen Brief von seiner Königin, versprach, ihr treu zu dienen, setzte sich auf ein gutes Roß, kam zu dem Zaren Dadon und übergab ihm den Brief. Als Dadon den Brief gelesen hatte, lächelte er und sagte zu Litscharda: »Deine Königin scherzt entweder mit mir oder sie verhöhnt mich. Sie befiehlt mir, mit meinem Heere vor die Stadt Anton zu rücken, und verspricht, mir ihren Gemahl auszuliefern; aber ich halte es nicht für wahrscheinlich, da sie mit Guidon einen Sohn erzeugt hat.« – Darauf antwortete Litscharda: »Mächtiger und berühmter Zar Davon, wenn dir das im Briefe Geschriebene Mißtrauen erweckt, so laß mich in ein finstres Gefängnis setzen, und mich nur gut mit Speise und Trank versehen: sammle dein Heer und ziehe vor die Stadt Anton, und wenn das, was in dem Briefe geschrieben steht, sich nicht bewährt, so laß mich eines qualvollen Todes sterben.« –

Als Zar Dadon solche Worte von Litscharda hörte, freute er sich sehr, befahl in die Trompete zu stoßen und sammelte dreißig tausend Mann, zog dann vor die Stadt Anton und stellte sich mit seinem Heere auf die königlichen Wiesen. Sobald Militrisa Kirbitowna erfuhr, daß Zar Dadon mit seinem Heere vor der Stadt an einem verborgenen Orte stehe, schmückte sie sich mit ihren besten Kleidern, ging zu dem König Guidon und meldete ihm mit schmeichlerischen Worten, daß sie zum zweiten Male schwanger geworden sei, und daß sie das Fleisch eines wilden Schweines essen möchte, welches der König Guidon selbst erlegt hätte. Als Guidon so freundliche Worte von ihr hörte, wurde er sehr erfreut, befahl sogleich, sein gutes Roß vorzuführen, und ritt auf das Feld, um zu jagen.

Als er die Stadt verlassen hatte, befahl Militrisa, die Brücken aufzuziehen und die Stadtpforten zu schließen. Kaum näherte sich König Guidon dem Hinterhalte Dadon’s, als ihn dieser erblickte und sogleich mit seinem Heere verfolgte. Guidon lenkte sein Roß nach der Stadt, und wollte sich durch die Flucht vor Dadon retten. Als er aber an seine Stadt kam und die Brücken aufgezogen und die Pforten zugeschlossen sah, wurde er traurig und rief mit Thränen aus: »Ach! ich Unglückseligster von allen Menschen! Jezt erkenne ich die abscheuliche Tücke meiner bösen Frau und empfange den von ihr gesendeten Tod. Aber du, mein geliebter Sonn Vowa, warum hast du mir nichts gesagt von der List deiner Mutter?« Als er diese Worte sprach, stürzte Dadon auf ihn, stieß mit seiner scharfen Lanze nach seinem Herzen, und die Lanze durchbohrte und tödtete ihn, und Guidon fiel von seinem Rosse. Als dies Militrisa Kirbitowna von der Stadtmauer sah, befahl sie, die Pforten zu öffnen und die Brücken herabzulassen, und kam dem Zaren Dadon unter der Stadtpforte entgegen, küßte ihn auf die Lippen, nahm ihn bei den weißen Händen und führte ihn in das weißsteinerne Schloß, und in den königlichen Pallast. Sie setzten sich an Eichentische nieder, und an feine, gewürfelte Tischtücher, und fingen an zu essen und zu trinken, und Kurzweil zu treiben. Und das kleine Kind Vowa Korolewitsch ging, so jung es auch noch war, als es dieses unschickliche Betragen seiner Mutter sah, aus dem Pallast in den Stall, setzte sich unter eine Pferdekrippe und war betrübt. Hier sah ihn sein Wärter Simbalda, vergoß Thränen bei seinem Anblicke und sprach folgendermaßen: »Mein Herr, lieber Vowa Korolewitsch, deine Mutter, die Verbrecherin, hat meinen guten König, deinen Vater, durch den Zaren Dadon umbringen lassen, und jezt ißt und trinkt sie und treibt Kurzweil mit dem Mörder in seinem Pallast. Du bist jezt noch jung, mein Kind, und kannst den Tod deines Vaters nicht rächen; es ist sogar zu fürchten, daß sie auch dich umbringen. Darum wollen wir von hier fliehen, um unser Leben zu retten, in die Stadt Sumin, in welcher mein leiblicher Vater herrscht.« Als dieses der Wärter Simbalda gesagt hatte, sattelte er für sich ein gutes Ritterroß und für Vowa Korolewitsch einen Paßgänger, nahm dreißig junge und tapfere Bursche mit sich, und eilte aus der Stadt.

Sobald dies die treuen Diener Dadon’s sahen, gingen sie zu ihm und sagten ihm, daß der Wärter Simbalda mit Vowa Korolewitsch und dreißig Jünglingen nach der Stadt Sumin zu seinem Vater entflohen sei. Als dies Zar Dadon hörte, befahl er sein Heer zu sammeln und schickte es aus, dem Vowa Korolewitsch und seinem Wärter Simbalda nachzusetzen. Und sie holten sie ein nahe bei der Stadt Sumin. Simbalda, der unvermeidliches Unglück und nahe Gefangenschaft sah, fing an in gestrecktem Laufe nach der Stadt Sumin zu jagen, und schloß sich ein. Vowa Korolewitsch war noch sehr jung, konnte sich auf dem Pferde nicht erhalten und fiel herab auf die Erde. Die Verfolger fingen blos Vowa Korolewitsch und brachten ihn zum Zaren Dadon; aber er schickte ihn zu seiner Mutter Militrisa Kirbitowna und sammelte selbst sein ganzes Heer und rückte vor die Stadt Sumin, um sie mit Gewalt einzunehmen und den Einwohnern und dem Wärter Simbalda bösen Tod zu geben. Er schlug sein Lager auf um die Stadt Sumin, auf den verbotenen Wiesen. Da träumte er einmal in der Nacht, daß ihn Vowa Korolewitsch mit einer Lanze durchbohrt habe. Er erwachte und war sehr finster, und berief einen seiner nächsten Bojaren zu sich, schickte ihn zu der Königin Militrisa Kirbitowna und bat sie, sie möchte den Vowa Korolewitsch tödten. Als Militrisa Kirbitowna von dem Abgesandten diesen Auftrag hörte, antwortete sie ihm: »Ich kann ihn jezt nicht selbst umbringen; denn er ist mein leibliches Kind; aber ich werde befehlen, ihn in ein dunkles Gefängnis zu setzen, und weder Essen noch Trinken zu geben; so wird er endlich Hungertodes sterben.«

Unterdessen stand der Zar ein halbes Jahr vor der Stadt Sumin und konnte sie weder durch Gewalt, noch durch Hunger einnehmen. Endlich brach er sein Lager ab und ging in die Stadt Anton zurück. Der Wärter Simbalda versammelte nach seinem Abzuge ein Heer von fünfzehn tausend Mann, rückte vor die Stadt Anton, umringte sie von allen Seiten, ließ weder Reiter noch Fußgänger hinein und verlangte unaufhörlich, daß man ihm den Vowa Korolewitsch ausliefern solle; ohne ihn wollte er nicht abziehen. Da konnte Zar Dadon die Unruhe, die ihm der Wärter Simbalda machte, nicht länger ertragen; er sammelte ein Heer, noch ein Mal so stark, als das seinige, und jagte ihn bis in die Stadt Sumin.

Eines Tages ging die schöne Königin Militrisa Kirbitowna in ihrem königlichen Hofe spazieren und kam bei dem Gefängnisse des Vowa Korolewitsch vorüber. Da rief er ihr mit lauter Stimme zu: »Ach, gnädige Frau Mutter, schöne Königin Militrisa Kirbitowna, warum zürnst du auf mich? Du hast mich in’s Gefängnis geworfen, und gibst mir keine Speise, daß ich bald vor Hunger verschmachten werde. Habe ich dein Herz durch schlechte Handlungen oder thörichte Worte gekränkt, ober haben mich böse Menschen bei dir verläumdet?« – Da antwortete ihm Militrisa Kirbitowna: »Ich weiß keine schlechten Handlungen von dir, und habe dich nur wegen deiner Unehrerbietigkeit gegen den Zaren Dadon in’s Gefängnis setzen lassen, welcher unser Reich gegen unsere Feinde beschützt, so lange du jung bist; aber bald werde ich dich aus dem Gefängnisse befreien, und jezt will ich dir Zuckergebäcke und Honigtrank schicken. Du kannst essen und trinken so viel du willst.«

Als sie dieses gesagt hatte, ging sie in ihren königlichen Pallast und fing selbst an, aus Schlangenfett und Waizenteig zwei Brödchen zu bereiten, und als sie dieselben gemacht hatte, ließ sie sie backen, und schickte sie mit einem Mädchen, namens Tschernawka, zu Vowa Korolewitsch. Als das Mädchen zu ihm kam, sagte sie: »Mein Herr Vowa Korolewitsch, iß nicht von den Broden, welche dir deine Mutter zuschickt, sondern gib sie den Hunden, denn sie sind mit Gift gemischt; iß lieber ein Stück von meinem Brode.« – Vowa Korolewitsch nahm die Brödchen und warf sie den Hunden vor, welche krepirten, sobald sie sie aufgefressen hatten. Als er die redliche Gesinnung des Mädchens Tschernawka sah, nahm er schwarzes Brod und aß es, und als sie fortgehen wollte, bat er sie, sie möchte die Thüre hinter sich nicht zumachen. Das Mädchen Tschernawka erhörte seine Bitte und ließ die Thüre unverschlossen, und sie kam zu der schönen Militrisa Kirbitowna und sagte, sie habe die Brode dem Vowa Korolewitsch gegeben.

Vowa aber verließ, als das Mädchen fort war, sein Gefängnis und ging in den Hafen, um seinen Kummer zu zerstreuen. Da erblickten ihn Betrunkene, ergriffen ihn und brachten ihn auf ein Schiff, wo ihn die Kaufleute fragten, aus welchem Stande er sei. Vowa Korolewitsch antwortete, er sei aus dem Bürgerstande, seine Mutter wasche Linnenzeug für fremde Leute, und habe dadurch sich und ihn ernährt. Als die Kaufleute dieses hörten, bewunderten sie seine Schönheit und dachten, wie sie ihn bei sich behalten könnten. Sobald Vowa Korolewitsch ihre Absicht bemerkte, sagte er zu ihnen, sie sollten seinetwegen keine Händel untereinander anfangen, denn er wolle ihnen allen nach der Reihe dienen.

Dann spannten die Schiffer die Segel aus und fuhren von der Stadt Anton über das offene Meer, in das armenische Königreich zu König Sensiboi Andronowitsch. Als sie dort ankamen, warfen sie den Anker aus und gingen in die Stadt ihren Handelsgeschäften nach.

Vowa ging auf dem Schiffe hin und her und spielte auf dem Hackebret. In dieser Zeit kamen Leute auf das Schiff, die der König Sensiboi geschickt hatte, um zu fragen, womit, und aus welchem Reiche das Schiff gekommen, und wer die Kaufleute seien. Als sie aber das Spiel des Vowa Korolewitsch hörten, und die Schönheit seines Angesicht sahen, vergaßen sie, weßhalb sie gekommen, kehrten alsdann zu dem König Sensiboi Andronowitsch zurück und sagten nur, daß sie auf dem Schiffe einen Jüngling von unbeschreiblicher Schönheit gesehen, welcher auf dem Hackebrete mit solcher Anmuth gespielt, daß sie nicht müde geworden wären, ihm zuzuhören und seine Schönheit zu betrachten, und daß sie darüber den Befehl des Königs zu erfüllen vergessen und nicht gefragt hätten, mit was für Waaren das Schiff angekommen sei. Als dies der König Sensiboi Andronowitsch hörte, begab er sich sogleich selbst auf das Schiff, und kaum hatte er den Vowa Korolewitsch gesehen, so fing er sogleich an, bei den Kaufleuten um ihn zu handeln; aber sie wollten ihn um keinen Preis an den König verkaufen und sagten, er gehöre ihnen allen gemeinschaftlich und sei vom Ufer des Meeres genommen worden. Auf diese Worte gerieth der König Sensiboi Andronowitsch in Zorn und befahl sogleich, sie aus seinem Reiche zu jagen, und verbot ihnen, jemals wieder in dasselbe zu kommen. Als die Kaufleute dieses vernahmen, verkauften sie Vowa Korolewitsch für drei hundert Stangen Gold. Als Vowa auf den Königshof gebracht wurde, rief ihn der König vor sich und sprach: »Sage mir, junger Bursche, welches Standes du bist, und wie du mit Namen genannt wirst.« Vowa verschwieg seinen wahren Stand und Namen, und antwortete »Gnädiger König Sensiboi Andronowitsch, ich bin aus dem Bürgerstande, und habe meinen Vater schon früh verloren; meine Mutter wusch für fremde Leute Linnenzeug, und ernährte dadurch sich und mich; mein Name ist Anhusei, und ich will dir von nun an treu und redlich dienen.« Als dieses der König Sensiboi hörte, sprach er zu ihm: »Wenn du von niedrigem Stande bist, und dich deines Vaters nicht erinnern kannst, so gehe in meinen Stall, und sei der Aufseher über meine Stallknechte. Da verneigte sich Vowa und ging in den Stall.

Vowa diente in dem Stalle des Königs Sensiboi Andronowitsch. Oft fuhr er mit seinen Kameraden auf die königlichen verbotenen Wiesen nach Gras für die Pferde, aber er nahm nie eine Sichel mit sich, sondern er riß alles mit den Händen ab, und pflückte allein so viel, als zehn Schnitter zusammen mähten. Als dies die andern Stallknechte sahen, wunderten sie sich über seine Kraft. Endlich erreichte das Gerücht von ihm auch die schöne Königstochter Druschnewna. Sie ging, ihn zu sehen, und als sie ihn erblickte, wurde sie von seiner ungewöhnlichen Schönheit entzückt. Eines Tages begab sie sich zu ihrem Vater und sprach folgendergestalt: »Mein gnädiger Herr Vater, König Sensiboi Andronowitsch, mächtig und berühmt bist du nicht allein in deinem Reiche, sondern auch in den benachbarten, und an Reichthum kann sich mit dir kein König, kein Zar, und kein Ritter messen; aber, König, du hast keinen treuen und behenden Diener bei deinem Schranke. Ich habe gehört, daß sich bei uns im Stalle ein junger Bursche befindet, den du von Schiffern erkauft hast, sein Name ist Anhusei. Dieser Jüngling wird dir sehr treu und zu diesem Dienste sehr brauchbar sein: befiehl, ihn aus dem Stalle zu nehmen, und bei dem Schranke anzustellen.« Auf diese Worte entgegnete ihr der Vater: »Meine liebe und schöne Tochter, Prinzeß Druschnewna, von deinen Bitten habe ich dir bis jezt noch keine einzige abgeschlagen; auch hierin kannst du, wie du willst, nach deinem Wunsche verfahren.« – Als dies die Prinzeß Druschnewna von ihrem Vater vernahm, verneigte sie sich vor ihm, und ging hinaus. Sie ließ Vowa zu sich rufen und befahl ihm, seinen alten Dienst zu verlassen, und den neuen bei dem Schranke anzutreten.

Den folgenden Tag rief sie ihn zu sich und sprach: »Höre, Anhusei, morgen wird bei meinem Vater ein großes Fest sein, und alle Fürsten und Bojaren und tapferen Ritter werden dazu kommen, um zu essen, zu trinken und Kurzweil zu treiben; du aber mußt dich bei Tische bei mir befinden, um meine Befehle zu vollziehen.« Darauf verneigte sich Vowa vor ihr und wollte hinausgehen. Aber die Prinzeß Druschnewna rief ihn zurück und fing an, ihn zu fragen: »Sage mir die Wahrheit, junger Fant, welches Standes bist du, aus zarischem oder königlichem Geschlechte? oder bist du der Sohn eines mächtigen Ritters, oder ein Kaufmannssohn aus fremdem Lande? und wie ist dein eigentlicher Name? Denn ich glaube dir nicht, daß du ein Bürgersohn bist, wie du zu meinem Vater gesagt hast.« – Darauf antwortete ihr Vowa: »Meine Herrin, schöne Prinzeß Druschnewna, von meinem Stande und Namen habe ich deinem Vater, dem Könige Sensiboi Andronowitsch, die Wahrheit gesagt, und jezt sage ich dir dasselbe.« – Als er dieses gesagt hatte, ging er aus ihrem Zimmer.

Den andern Tag wurde bei dem Könige ein großes Fest gegeben und Vowa mußte einen gebratenen Schwan halten, den die Prinzeß Druschnewna zu zerschneiden anfing; und sie ließ mit Fleiß eine Gabel auf die Diele fallen. Vowa hob sie sogleich auf, und als er ihr dieselbe darreichte, küßte sie ihn auf das Haupt. Nach diesem Feste legte sich Vowa schlafen und schlief drei Tage und drei Nächte, und man mochte ihn rütteln, so viel man wollte, er wurde nicht wach. Den vierten Tag, als er aufwachte, ritt er in das freie Feld, um auf den verbotenen königlichen Wiesen zu spazieren, pflückte dort schöne Blumen, machte sich daraus einen Kranz, setzte ihn auf seinen Kopf und kam so in die Stadt. Als die schöne Prinzeß ihn in diesem Kranze erblickte, rief sie ihn vor sich, und befahl ihm, den Kranz vom Kopfe abzunehmen und auf den ihrigen zu setzen; aber Vowa gehorchte nicht, sondern nahm den Kranz von seinem Kopf und warf ihn auf die Erde, daß er zerfiel, und Vowa ging aus den Zimmern der Prinzeß, und warf hinter sich die Thüre mit solcher Kraft zu, daß er den silbernen Griff herausriß, und ein Stein aus der Mauer fiel, und ihn am Kopfe verwundete. Als die schöne Druschnewna davon hörte, heilte sie ihn mit ihren Arzneien. Nach seiner Genesung legte sich Vowa wieder schlafen, und schlief fünf Tage und fünf Nächte.

In dieser Zeit kam aus dem sadonischen Königreiche der König Markobrun mit vier Mal hundert tausend Kriegern, und forderte vom König Sensiboi Andronowitsch seine Tochter, die Prinzeß Druschnewna, zur Gemahlin. Er umgab mit seinem Heere die armenische Stadt, und schickte einen Gesandten ab an Sensiboi, welcher vor ihm erschien und folgendermaßen sprach: »Herr König Sensiboi Andronowitsch, ich bin von dem berühmten König und gewaltigen Helden Markobrun als Gesandter an dich geschickt, um von dir deine schöne Tochter, die Prinzeß Druschnewna, zur Gemahlin für ihn zu erbitten: wenn du sie ihm freiwillig übergibst, so wirst du es nicht bereuen, denn er ist sehr reich und mächtig und berühmt, und kann dich gegen alle deine Feinde schützen, und die umliegenden Königreiche deiner Herrschaft unterthänig machen. Er hat ein unzählbares Heer. Es steht vor deiner Stadt, und wenn du ihm sein Gesuch, deine Tochter ihm zur Gemahlin zu geben, nicht gewährst, so wird er deine Stadt mit Sturm einnehmen, dann sie verbrennen, die Einwohner mit dem Schwerte niederhauen, dich in sein Reich in Gefangenschaft führen, und die schöne Druschnewna mit Gewalt nehmen.« Da antwortete der König Sensiboi: »Sage deinem König, dem mächtigen und berühmten Markobrun, ich hätte bis jezt keine Uneinigkeiten und Händel mit ihm gehabt, ich hätte in Freundschaft mit ihm gelebt, auch jezt möchte ich mich nicht mit ihm entzweien; aber es wäre besser gewesen, wenn er dich nur mit Bitten, und nicht mit Drohungen geschickt hätte. Ich verzeihe ihm nur wegen seiner Jugend, und lade ihn in mein königliches Schloß, Salz und Brod zu essen, und mit meiner Tochter Hochzeit zu feiern.«

Der König Sensiboi Andronowitsch entließ den Gesandten, und befahl, die Stadtpforten zu öffnen, ging selbst dem König Markobrun entgegen, nahm ihn bei den weißen Händen, führte ihn in die weißsteinernen Gemächer, ließ ihn sitzen an Eichentischen, vor feinen gewürfelten Tischtüchern und vor Zuckergebäcke, und sie fingen an zu essen und zu trinken und Kurzweil zu treiben.

Da erwachte Vowa Korolewitsch von seinem fünftägigen Schlafe und hörte vor der Stadt Menschengetümmel und Pferdewiehern. Er ging in die weißsteinernen Gemächer zu der schönen Prinzeß Druschnewna und sprach: »Meine gnädige Herrin, schöne Prinzeß Druschnewna, ich höre vor der Stadt ungewöhnliches Menschengetümmel und Pferdewiehern, und man sagt, daß Markobrun’s Edelleute sich mit einem Lanzenstechen belustigen. Ich habe Lust dazu, befiehl, mir ein gutes Roß zu geben, und entlasse mich, ihnen zuzusehen.« – Die Prinzeß Druschnewna antwortete ihm: »Junger Fant Anhusei, wie kannst du zu Markobrun’s Edelleuten reiten, du bist noch sehr jung und kannst dich nicht fest genug auf dem Rosse halten. Wenn du aber dazu gar so große Lust hast, so nimm dir ein gutes Roß und reite, der Kurzweil der Edelleute Markobrun’s zuzusehen, aber nimm keine Waffen mit dir, und mische dich nicht in ihre Belustigungen.« Als Vowa die Erlaubnis erhalten, ging er in den Stall, nahm einen Besen und ritt aus der Stadt. Sobald Markobrun’s Edelleute den Vowa Korolewitsch mit einem Besen in der Hand sahen, fingen sie an, ihn zu verspotten und sprachen: »Da reitet ein Stallknecht des Königs Sensiboi mit einem Besen, das Feld zu unsern Lustbarkeiten zu fegen.« – Aber dem Vowa behagten ihre Spöttereien nicht, er ritt näher zu ihnen, und fing an, sich mit dem Besen zu wehren, und sie zu zweien und zu dreien niederzuschlagen. Als dies Markobrun’s Edelleute sahen, begannen sie zu zehn Mann und mehr auf ihn einzustürzen, aber er schlug auch diese alle nieder. Da ergrimmten die übrigen Krieger und gingen zu zwei hunderten auf ihn los, und wollten ihn mit den Pferden niedertreten, aber auch da wich er nicht zurück und erschlug Einen nach dem Andern, bis auf zwei Mal hundert taufend Mann. Als dies die schöne Königstochter Druschnewna aus ihrem Fenster sah, ging sie zu ihrem Vater und sagte zu ihm: »Mein gnädiger Herr Vater, König Sensiboi Andronowitsch, laß deinen Diener Anhusei Einhalt thun. Er ist in das freie Feld zu Markobrun’s Edelleuten geritten, ihrem Turnierspiel zuzusehen, aber sie sind ergrimmt und stürzen auf ihn ein in großer Menge. Es wäre Schade, wenn man ihn erschlüge, er ist noch ein junges Kind und hat wenig Kräfte.« – Der König Sensiboi Andronowitsch schickte sogleich zu Vowa und befahl ihm, in die Stadt zurückzukehren.

Vowa gehorchte dem Befehle des Königs, kehrte augenblicklich in die Stadt zurück, legte sich schlafen, und schlief neun Tage und neun Nächte. In der Zeit, während er schlief, rückte in das armenische Reich der mächtige Zar und Ritter Lukoper; sein Kopf ist wie ein Bierkessel groß, zwischen seinen Augenbraunen ist eine Spanne Raum, seine Schultern sind einen Pfeil breit, und er hat Riesenlänge. Von so einem gewaltigen Ritter hat man noch nie gehört, und er brachte ein Heer noch ein Mal so stark, als das Heer Markobrun’s, und er umringte die Stadt des Königs Sensiboi Andronowitsch, und schickte einen Gesandten zu ihm, der zum König Sensiboi folgendermaßen sprach: »König Sensiboi Andronowitsch, mich hat Lukoper, der mächtige Zar und Ritter der Ritter, zu dir gesendet, um dir zu sagen, daß er an deine Stadt gerückt sei, nicht um zu schmausen und zu kurzweilen, sondern um deine Tochter, die schöne Prinzeß Druschnewna, für sich zur Gemahlin zu fordern, und um von dir zu verlangen, daß du den Markobrun abweisest. Wenn du seinen Befehlen nicht gehorchen willst, so wird er deine Stadt mit Sturm einnehmen, die Einwohner in Gefangenschaft abführen, das ganze Heer Markobrun’s zu Boden strecken, dir und ihm bösen Tod geben, die schöne Prinzeß Druschnewna mit Gewalt nehmen, die Stadtmauern schleifen, und den ganzen Wohnort niederbrennen. Wenn du ihm deine Tochter aber freiwillig übergibst, so wird er dir ein Schützer gegen deine Feinde sein, und ein treuer Hüter und Erhalter deines Reiches.« –

Als der König Sensiboi Andronowitsch solche Worte hörte, konnte er nichts entgegnen und entließ den Gesandten ohne Antwort. Darauf rief Sensiboi den Markobrun zu sich, und sann nach mit ihm, und sie beschlossen beide, mit ihren Heeren gegen Lukoper zu rücken. Sogleich ließen sie ihre Rosse satteln, nahmen in die Rechte ein stählernes Schwert, in die linke eine scharfe Lanze, und ritten aus der Stadt. Als sie der Ritter Lukoper erblickte, richtete er seine Lanze mit dem stumpfen Ende gegen Markobrun und Sensiboi, stieß sie, Einen nach dem Andern, aus dem Sattel, machte sie zu Gefangenen, und schickte sie an seinen Vater Saltan Saltanowitsch, welcher mit seinem Heere am Ufer des Meeres stand. Darauf überfiel Lukoper das Heer des Königs Sensiboi und Markobrun’s, und fing an unbarmherzig zu tödten, und er hieb noch nicht so viel nieder, als sein gutes Roß mit Füßen trat. In kurzer Zeit schlug Lukoper die ganze Heeresmacht, und bedeckte die ganzen königlichen verbotenen Wiesen mit Menschenleichen. In dieser Zeit erwachte Vowa Korolewitsch aus seinem Schlafe, und hörte großes Getümmel von Lukopers Heere, und das Wiehern der Rosse. Er kam zu der schönen Prinzeß Druschnewna, und sprach zu ihr folgendermaßen: »Meine Herrin, Prinzeß Druschnewna, ich höre vor der Stadt das Getümmel von Lukoper’s Kriegern, welche mit Lanzenstechen sich jezt belustigen, nach dem Sieg über deinen Vater und Markobrun, welche er in Haft zu seinem Vater, dem Zaren Saltan Saltanowitsch, an’s Ufer des Meeres geschickt. Das Herz wurde mir zerrissen, als ich von der Gefangenschaft meines gnädigen Königs hörte. Deswegen bin ich als dein treuer Diener zu dir gekommen, um Erlaubnis zu bitten, mir ein gutes Roß und aus dem königlichen Stalle das Pferdegeschirr, und ein Schlachtschwert, und eine stählerne Lanze zu nehmen. Gestatte mir, gegen das Heer Lukopers zu rücken, an ihm meine starken Arme zu versuchen, und mich über seine prahlerischen Krieger lustig zu machen.« – Die Prinzeß Druschnewna antwortete: »Ich will deinen Wunsch erfüllen, junger Fant, aber vorher mußt du mir die Wahrheit sagen, aus welchem Stande du stammst, und wie dein wirklicher Name ist. Ich weiß, daß du mir und meinem Vater bisher die Wahrheit nicht gesagt hast. Deine ungewöhnliche Schönheit, und deine tapfern Thaten lassen keinen Bürgersohn vermuthen.« – »Meine Herrin,« gab ihr Vowa Korolewitsch zur Antwort, »ich wollte dir meinen wahren Stand und Namen nicht entdecken, aber da ich jezt auf einen Kampf auf Leben und Tod ausreiten will, und nicht weiß, ob ich lebendig daraus zurückkehre, oder mein Haupt sich neigt bei der Rettung meines Königs aus der Gefangenschaft, so will ich dir von mir die Wahrheit sagen: mein Vater war der berühmte König Guidon, ein mächtiger Ritter im freien Felde, und ein barmherziger gegen seine Unterthanen. Meine Mutter ist die Königin Militrisa, Tochter des Zaren Kirbit Wersoulowitsch; mein Name ist Vowa. Mein Vaterland und Reich habe ich in jungen Jahren verlassen, weil der König Dadon unser Reich erobert, und meinen Vater auf eine hinterlistige Weise ermordet, und sich der Herrschaft meines Vaters bemächtigt hat. Er suchte Gelegenheit, mich zu tödten, aber ich entfloh ihm, schiffte mit Kaufleuten in euer Reich und wurde an deinen Vater verkauft.« –

Als dieses die schöne Druschnewna hörte, wurde ihr Vowa Korolewitsch noch theurer, sie ließ ihn sich zu sich setzen, und fing an ihm zuzureden: »Mein lieber und tapferer Ritter Vowa Korolewitsch, du willst in einen Kampf auf Leben und Tod gegen den Zaren Lukoper und sein Heer ziehen, aber du weißt vielleicht nicht, dass er sehr stark ist, und ein tapferes und zahlreiches Heer bei sich hat, und du bist noch sehr jung und hast noch nicht Manneskraft erreicht; bleibe lieber in meiner Stadt, nimm mich zur Gattin, und schütze meine Stadt und mein Volk gegen die Feinde.« – Aber Vowa Korolewitsch ließ sich nicht erweichen durch ihre Worte, und bat von Neuem um Ritterroß und Rüstung. Die Prinzeß Druschnewna sah sein inständiges Bitten, nahm von der Wand ein Schlachtschwert, gürtete es ihm mit eigenen Händen um, legte ihm eine Ritterrüstung an, und führte ihn zu dem steinernen Stalle nach einem Ritterrosse, das hinter zwölf eisernen Thüren und zwölf großen Schlössern stand, und sie befahlen den Stallknechten, die Schlösser abzuschlagen. Aber sobald das Roß einen seiner würdigen Reiter gewahrte, fing es an, mit den Füßen die Thüren einzustoßen, zerschmetterte sie alle, rannte heraus, stellte sich auf die Hinterbeine vor Vowa und wieherte so stark, daß die schöne Druschnewna und die übrigen Leute beinahe umgefallen wären. Als Vowa das Roß an der schwarzgrauen Mähne faßte und es zu streicheln anfing, da blieb es so still stehen, als wäre es eingewurzelt, und Vowa Korolewitsch, dies sehend, legte ihm einen tscherkassischen Sattel auf, dessen Gurte von schemachanischer Seide, und mit goldenen Schnallen versehen waren. Und als er sich aufs Roß setzte und Abschied nahm von der Prinzeß Druschnewna, da küßte sie ihn auf seine Lippen und drückte ihn an ihr klopfendes Herz. Der Haushofmeister, namens Orlop, der dies sah, fing an, ihr Vorwürfe deßhalb zu machen; dem Vowa behagte das übel, und er schlug ihn mit dem stumpfen Ende seiner Lanze, daß er halbtodt zu Boden stürzte, er selbst aber ritt aus der Stadt. Da schlug Vowa sein Roß auf die straffen Hüften, und sein Roß wurde hitzig, trennte sich von der Erde und sprang über die Stadtmauer.

Als Vowa das Lager Lukoper’s erblickte, in welchem die Zelte so dicht standen, wie die Bäume im Walde, nahm er sein Schlachtschwert und den Streitkolben, und ritt auf den mächtigen Zaren Lukoper los. Zwei Berge stürzen nicht mit solcher Kraft zusammen, als die beiden gewaltigen Ritter. Lukoper stieß den Vowa mit der Lanze nach dem Herzen, aber Vowa wendete den Stoß mit dem Schilde von sich ab, und die Lanze zersprang in Stücken, und er selbst hieb den Lukoper mit seinem Schwerte über den Kopf und zerspaltete denselben samt dem Rumpfe bis auf den Sattel des Rosses. Dann überfiel er sein zahlloses Heer, und, so viel er auch mit dem Streitkolben niederschlug, noch ein Mal so viel trat sein Roß mit den Füßen zu Boden. Hier schlug Vowa fünf Tage ohne auszuruhen, und schlug und trat nieder beinahe das ganze Heer; nur eine kleine Zahl davon entrann zu dem Zaren Saltan Saltanowitsch und sprach zu ihm: »Unser Herr Zar, Saltan Saltanowitsch, nachdem wir die Zaren Sensiboi und Markobrun gefangen genommen und ihr Heer niedergehauen hatten, stürzte aus der Stadt Sensibois ein junger Fant von schöner Gesichtsbildung; der hat im Zweikampf deinen tapfern Sohn Lukoper getödtet, und unser ganzes Heer niedergehauen, und mit dem Rosse zu Boden getreten. Er jagt uns jezt nach, haut alle nieder, die er einholt, und wenn er hier ankommt, will er mit dir fechten.« Da erschrak Saltan Saltanowitsch, eilte sogleich auf seine Schiffe, ließ seine Zelte und Schätze zurück, kappte die Ankertaue und segelte ab von dem Ufer des armenischen Reiches. Kaum hatte er das Ufer verlassen, als Vowa in das Lager einritt, aber er fand keine lebendige Seele, als die Könige Markobrun und Sensiboi Andronowitsch, die bei dem Zelte des Saltan Saltanowitsch gebunden lagen. Vowa Korolewitsch befreite sie von ihren Banden und ritt mit ihnen zurück in das armenische Reich.

Auf dem Wege sprach Sensiboi Andronowitsch folgendergestalt zu Vowa: »Mein lieber Diener Anhusei, ich sehe deine treuen Dienste und deine unglaubliche Tapferkeit. Dir habe ich meine Befreiung zu verdanken, und ich weiß nicht, womit ich dich dafür belohnen kann. Erbitte dir von mir, was du haben willst. Meine Schätze sollen dir offen stehen.« – Darauf antwortete Vowa Korolewitsch: »Gnädiger Herr König Sensiboi Andronowitsch, ich bin zufrieden mit deiner königlichen Gnade und erbitte mir nichts von dir, sondern will dir noch treu und redlich dienen, soviel mir möglich ist.« Unter diesen Gesprächen kamen sie in die armenische Stadt, und fingen an zu essen und zu trinken und allerlei Kurzweil zu treiben. Vowa Korolewitsch legte sich schlafen und schlief neun Tage und neun Nächte.

Die Könige Sensiboi und Markobrun, des Schmausens müde, ritten auf drei Tage in’s Feld auf die Jagd. In dieser Zeit begab sich’s, daß der Haushofmeister, ärgerlich über die Gunst, in der Vowa Korolewitsch bei dem Könige stand, dreißig Burschen zu sich berief und zu ihnen sprach: »Meine Freunde und Kameraden, ihr sehet, daß der Bösewicht Anhusei unsern König Sensiboi Andronowitsch und die Prinzeß Druschnewna überlistet hat, und ihre Gnade allein genießt, ja daß er uns, die wir doch besser und würdiger sind als er, verachtet, und selbst vor den Augen der Prinzeß schlägt. Kommt jezt in den Stall, wo er schläft, laßt uns ihm bösen Tod im Schlafe geben, und ich werde euch dafür viel Gold, Silber, Edelsteine und bunte Kleider schenken.« – Als Orlop seine Rede beendet hatte, sprach einer von den dreißig Burschen: »Wir sind nicht stark genug, den Anhusei im Schlafe zu tödten; wenn er aufwachte, so würde er uns alle umbringen, besser wäre es wohl, wenn sich jezt Jemand auf das Bette des Königs legte, während er auf der Jagd ist, den Anhusei zu sich berufte und ihm eine Schrift einhändigte, damit er sie dem Saltan Saltanowitsch übergäbe, an den man schreiben müßte, daß er dem Anhusei bösen Tod gäbe.« – Als dies der Haushofmeister Orlop hörte, sprang er entzückt von der Stelle, umarmte den Burschen, welcher diesen bösen Rath gegeben hatte, und beschenkte ihn dafür mehr als die übrigen. Nachdem die falsche Schrift verfertigt war, legte sich Orlop auf das königliche Bette, berief den Vowa vor sich und sprach zu ihm: »Leiste mir treu und redlich den letzten Dienst, Anhusei: überbringe diese Schrift dem Zaren Saltan Saltanowitsch und überreiche sie ihm eigenhändig. Wenn du zurückkehrst, werde ich dich belohnen, wie du es verlangen wirst.« – Vowa konnte in der Schlaftrunkenheit nicht erkennen, daß Orlop, und nicht der König, ihm diesen Befehl gab, nahm die Schrift, ging aus den königlichen Gemächern, sattelte sich ein gutes Roß und ritt ab nach dem Reiche des Zaren Saltan Saltanowitsch.

Er ritt zwei Monate und gelangte in eine Wüste, wo kein Fluß, kein Bach und kein kühlender Brunnen war, und Vowa bekam einen unerträglichen Durst. Als er noch etwas weiter geritten war, holte er einen Pilger ein, bei dem er einen Schlauch mit Wasser sah, und fing an, ihn zu bitten, er möchte ihm wenigstens einen Krug voll geben, um seinen Durst zu löschen. Der Greis schüttelte sogleich etwas Schlafpulver in das Wasser und gab dem Vowa Korolewitsch zu trinken. Kaum hatte er dies Wasser getrunken, so fing es an, ihn zu schläfern, und er stieg ab von seinem Rosse und schlief wie ein Todter. Da nahm der Greis das Schlachtschwert, setzte sich auf das Roß, ritt von dannen, und ließ ihn allein mitten in der Wüste ohne Waffen. Vowa Korolewitsch schlief zehn Tage, und als er erwachte, und neben sich weder das gute Roß, noch das Schlachtschwert und den Streitkolben fand, weinte er bitterlich und sprach zu sich selbst: »Es scheint, daß ich guter Jüngling nicht lebendig von diesem Dienste zurückkehre, und daß mich der König Sensiboi Andronowitsch für meinen treuen Dienst zum Tod zu dem Zaren Saltan Saltanowitsch gesendet hat.« – Nach diesen Worten ging er auf seinem Wege zu Fuße weiter, und sein Kopf hing niedriger, als die starken Schultern.

 
Als Vowa Korolewitsch vor dem Zaren Saltan Saltanowitsch erschien, neigte er sich vor ihm bis auf die Erde, übergab ihm die Schrift und sprach: »Langes Leben euch, gnädiger Herr und Zar Saltan Saltanowitsch! Ich bin an deine Majestät von dem König Sensiboi Andronowitsch gesendet, um dir von seiner Gesundheit Nachricht zu bringen, nach deiner mich zu erkundigen, und dir diese Schrift zu übergeben.« – Zar Saltan Saltanowitsch nahm von Vowa die Schrift, erbrach das Siegel, fing an zu lesen und schrie dann mit starker Stimme: »Wo sind meine mächtigen Ritter, treuen Diener und tapfern Krieger? Ergreift diesen Gesandten Sensiboi’s und führt ihn an den Galgen, denn er hat meinen lieben Sohn erschlagen und unser mächtiges Heer vernichtet.« – Da stürzten sechzig Ritter Saltan’s hervor, umringten Vowa und führten ihn auf’s Feld, um ihn aufzuhängen. Unterwegs sann Vowa Korolewitsch bei sich nach, wodurch er so schimpflichen Tod verdient habe, und in der Blüthe der Jahre die Welt verlassen müsse. »Es wäre besser, wenn meine Mutter mich in der Stadt Anton umgebracht hätte, oder wenn ich von Markobrun’s Edelleuten oder von Lukoper auf dem Felde erschlagen worden wäre.« Und da riß er sich los, und schlug alle sechzig Ritter nieder und entfloh aus dem Reiche.

Als dies Zar Saltan Saltanowitsch hörte, befahl er alsbald in die Trompeten zu stoßen, und es sammelten sich sogleich seine tapfern Ritter, bis auf hundert tausend, jagten dem Vowa Korolewitsch nach, und umringten ihn von allen Seiten. Vowa Korolewitsch hatte weder ein gutes Roß, noch ein scharfes Schwert, oder eine stählerne Lanze, und er hatte nichts, womit er sie abwehren konnte. Da faßte er einen von Saltan’s Kriegern, und fing an, mit ihm um sich zu schlagen; allein er sah, daß er sie nicht alle erschlagen konnte und gab sich gefangen. Sie griffen ihn, banden ihm die Hände, und führten ihn vor Saltan Saltanowitsch. Da schrie der Zar, man solle die Henker holen, Vowa Korolewitsch hinzurichten. In dieser Zeit trat die Tochter Saltan’s herein, die schöne Prinzeß Miliheria, fiel vor ihrem Vater auf die Knie und sprach folgendergestalt: »Mein Herr Vater, Zar Saltan Saltanowitsch, befiehl nicht, den Vowa hinzurichten, sondern erlaube mir, ein Wort zu sprechen: durch seinen Tod wird mein Bruder nicht wieder erweckt, und das von ihm erschlagene Heer nicht wieder lebendig gemacht. Schenke ihm lieber das Leben, bekehre ihn zu unserem Glauben, und mache ihn zu deinem Thronfolger. Dann wird er deinem Alter im Kriege eine Stütze sein.« – Darauf antwortete Saltan Saltanowitsch: »Meine liebe Tochter, schöne Miliheria, du hast mich getröstet mit deinen sanften Worten und deinem weisen Rathe; ich gebe den Vowa in deine Macht, und wenn er unserm Glauben annimmt, so werde ich ihn zum Thronfolger machen, ihn dir zum Gemahle geben, und ihm als Mitgabe alle meine Städte sammt den Kirchdörfern, Goldschätzen und Edelsteinen abtreten.« – Die Zarentochter verneigte sich vor ihrem Vater und ging aus dem Zimmer und befahl, Vowa herbeizubringen. Dann fing sie an, ihn mit ihrer Schönheit zu reizen und ihm mit angenehmen Worten zuzureden, daß er ihren Glauben annehmen sollte; aber Vowa gab zur Antwort: er werde weder um des Reiches, noch um der goldenen Schätze und Edelsteine willen, ja sogar nicht um ihretwillen seinen Glauben ändern.

Da befahl die schöne Miliheria, den Vowa in’s Gefängnis zu führen, den Eingang mit Sand zu verschütten, und ihm fünf Tage lang weder Speise noch Trank zu reichen. Nach Verlauf dieser Tage zog sie ein goldenes, mit Edelsteinen geschmücktes Kleid an, und begab sich zu Bowa’s Gefängnis. Als sie an dasselbe kam, befahl sie, den Sand wegzuschaufeln und die Thüre zu öffnen, trat zu Bowa und sprach: »Nun, junger Fant, hast du dir es überlegt? willst du deinem Glauben entsagen und leben bleiben und über das Reich meines Vaters herrschen, oder hast du noch nicht von deiner Halsstarrigkeit gelassen und willst lieber am Galgen dein Leben enden?« – »Nie werde ich meinen Glauben verläugnen,« antwortete Bowa, »und ihn mit dem Deinigen vertauschen; so lange ich lebe, werde ich an dem meinigen festhalten. Verführe mich nicht mit listigen Worten und großen Versprechungen, ich will lieber den Tod erleiden, als ein niederträchtiger Mensch sein.« – Die Prinzeß Miliheria wurde sehr zornig, als sie dies von ihm hörte; sie ging sogleich zu ihrem Vater und sprach also: »Mein Herr Vater, Zar Saltan Saltanowitsch, ich bin schuldig vor dir, daß ich dich um Gnade für diesen ungläubigen Gefangenen gebeten habe, indem ich ihn zu unserm Glauben bekehren und zu einem treuen Diener deiner Majestät machen wollte. Aber jezt sehe ich seine Verstocktheit und sein unerbittliches Herz. Ich will nicht mehr für ihn um Gnade bitten, sondern gebe ihn in deine Gewalt zurück und du kannst mit ihm machen, was du willst.« Nach diesen Worten ging sie hinaus. Als dies Saltan Saltanowitsch hörte, rief er dreißig tapfere Ritter zu sich und schickte sie nach Bowa in’s Gefängnis; aber als sie dahin kamen, konnten sie nicht den Sand von der Thüre wegschaufeln, weil die Zarentochter in ihrem Zorn zu viel hatte aufschütten lassen, und sie gedachten das Dach abzubrechen und Bowa herauszuziehen. Da wurde Bowa Korolewitsch traurig und sprach weinend: »Ich bin der unglücklichste aller Menschen, ich habe weder ein scharfes Schwert, noch einen Streitkolben, und meine Feinde sind zahllos, und dazu bin ich so geschwächt von fünftägigem Hunger.« – Da setzte er sich nieder in einen Winkel des Gefängnisses und fühlte neben sich auf der Erde ein stählernes Schwert. Er ergriff es mit großer Freude, wendete es auf alle Seiten, und traute kaum seinem unerwarteten Funde. Dann näherte er sich dem Orte, wo sich die Ritter Saltan’s in das Gefängnis herabließen und fing an, ihnen einzeln die Köpfe abzuhauen und sie auf einen Haufen zu legen. Saltan Saltanewitsch erwartete seine nach Bowa geschickten Ritter und wurde sehr zornig über ihre Langsamkeit und schickte noch ein Mal so viel zu ihrer Hülfe; aber Bowa tödtete auch diese, und legte ihre Leichen zusammen auf einen Haufen und stieg über diesen aus dem Gefängnisse, und eilte davon dem Seehafen zu, wo er ein Schiff vor Anker liegen sah, und rief mit lauter Stimme: »Ihr Herren Schiffer, nehmt mich guten Jüngling mit auf euer Schiff, und rettet mich von einem bösen Tod, ich werde euch reichlich dafür belohnen.«

Sobald dies die Kaufleute vernahmen, schickten sie einen Kahn an das Ufer, und nahmen Bowa Korolewitsch zu sich auf das Schiff. Bald darauf kamen die Verfolger an den Strand und mit ihnen Saltan Saltanowitsch selbst. Da schrie Zar Saltan Saltanowitsch den Schiffern zu: „He! ihr fremden Kaufleute, gebt mir auf der Stelle meinen entsprungenen Verbrecher zurück, welchen ihr auf eurem Schiffe aufgenommen habt. Wenn ihr ihn mir nicht sogleich ausliefert, so erlaube ich euch nicht mehr, in meinem Reiche Handel zu treiben, sondern befehle, euch alle zu fangen und mit bösem Tode zu bestrafen.« Als dies die Kaufleute hörten, entsetzten sie sich vor dem Zorne des Zaren und wollten Vowa wieder zurück an das Ufer schicken; aber er zog ein Schwert unter dem Kleide hervor, und fing an, sie niederzuhauen. Dies sehend, fielen die übrigen vor ihm auf die Knie und versprachen, mit ihm zu fahren, wohin er nur wolle. Da befahl Vowa, die Segel aufzuziehen, und von dem Reiche des Saltan Saltanowitsch in’s offene Meer zu steuern. Nach dreimonatlicher Reise gelangten sie an das sadonische Reich, und weil er dies nicht wußte, fragte er einen Fischer, was das für ein Reich wäre, das er vor sich sähe. »Das ist das sadonische Reich,« antwortete der Fischer, »und der König darin heißt Markobrun.« Da fragte Vowa weiter: »Ist es etwa der Markobrun, welcher bei dem Zaren Sebsibri Andronowitsch um seine Tochter angehalten hat?« »Derselbe,« entgegnete der Fischer, »und er ist noch nicht längst aus seinem Reiche mit der schönen Braut, der Prinzeß Druschnewna angekommen, mit welcher er bald Hochzeit halten wird.« – Als Vowa Korolewitsch dies hörte, stutzte er und konnte lange kein Wort hervorbringen. Als er endlich wieder zu sich kam, sprach er zu dem Fischer: »Bringe mich auf die andere Seite, guter Fischer, und ich will dich reichlich belohnen.« – Er theilte unter seinen Schiffsgenossen das Vermögen der getöteten Kaufleute, entließ sie mit ihrem Schiffe und ging mit dem Fischer in’s sadonische Land.

Er richtete seinen Weg auf die Hauptstadt Markobruns. Zwei Tage lang ging er, und kein einziger Mensch begegnete ihm. Den dritten Tag traf er auf den Pilgrim, der ihm das Schlafpulver eingegeben, und das Schlachtschwert, den Streitkolben und das gute Roß geraubt hatte. Vowa Korolewitsch ergriff ihn, zog ihn vom Pferde herab, warf ihn auf den feuchten Boden und sprach: »Ha, verruchter Pilgrim, du hast mich wegen eines Kruges Wasser beraubt, hast mir das gute Roß entführt und mich ohne Waffen in einer öden Wüste gelassen, wo mich wilde Tiere zerreißen konnten. Dafür will ich dir jezt den Tod geben.« – Da flehte der Pilgrim: »Tapferer Herr Ritter, Vowa Korolewitsch, gieb mir nicht den Tod, sondern schenke mir das Leben. Ich gebe dir dein Roß, dein Schlachtschwert und deinen Streitkolben zurück, und für meine Schuld noch drei Pulver dazu. Wenn du dich mit dem einen waschen wirst, so wirst du alt werden, und Niemand wird dich erkennen; wenn du dich mit dem andern waschen wirst, so wirst du wieder so, wie du gewesen bist, und wenn du das dritte Pulver Jemandem im Getränke reichst, so wird er neun Tage fest wie ein Todter schlafen.« – Als Vowa Korolewitsch dies hörte, nahm er von ihm die drei Pulver, das Schlachtschwert und seine schwarze Kleidung. Das Roß und seine Kleider gab er ihm zurück. Alsdann wusch er sich mit dem ersten Pulver und ging in die Stadt. Er kam auf den königlichen Hof und fing an, in einer Küche im Namen des Vowa Korolewitsch um ein Almosen zu bitten. Als dies einer von den Köchen hörte, ergriff er einen Brand auf dem Heerde, schlug damit Vowa Korolewitsch auf den Kopf und sprach: »Alter Taugenichts, bitte nicht um Almosen im Namen Vowa’s, bei uns ist es bei Todesstrafe verboten, seinen Namen auszusprechen.« – Vowa Korolewitsch fühlte diesen Schlag nicht, aber er ergriff den Brand, schlug ihn, und sprach dazu: »Es schickt sich nicht für Dich, Spitzbube, Einen zu schlagen, der besser ist, als du. Du konntest mir es lieber mit Worten sagen, und wenn ich dir nicht gehorche, so war es noch Zeit, mich zu schlagen.« Aber der arme Koch hatte schon seinen Geist aufgegeben, und diese Ermahnung nicht mehr gehört. Als dies seine Kameraden sahen, liefen sie fort und erzählten es ihrem Haushofmeister, welcher in die Küche kam und den Vowa fragte, wie sich die Sache verhielt. Vowa Korolewitsch nahm die Haltung eines bejahrten Greises an und sprach zu dem Haushofmeister: »Ehrwürdiger Herr, ich kenne nicht die Sitten dieses Landes und habe nichts von eurem Verbote gehört. Ich bat euren Koch um ein Almosen im Namen des Vowa Korolewitsch, weil ich weiß, daß er wegen seiner Tapferkeit und Stärke überall geehrt wird, aber euer Koch schlug mich, ohne ein Wort zu sprechen, mit dem Brande auf den Kopf, und ich habe ihn wider meinen Willen und ohne Absicht todt geschlagen.« Als dies der Haushofmeister hörte, verwandelte sich sein Zorn in Gnade, und er sprach zu Vowa: »Höre, Alter, von dieser Stunde an, bitte um kein Almosen im Namen Vowa’s mehr, denn es ist geboten, auf der Stelle Jeden zu tödten, der in unserm Reiche etwas zum Lobe seines Namens sagt; dir aber soll wegen deiner Unkunde verziehen werden. Gehe jezt gerade auf den Hinterhof; dort wirst du die schöne Prinzeß Druschnewna sehen, welche Bettlern deines Gleichen Almosen gibt. Nach drei Tagen wird sie Hochzeit halten mit unserm König Markobrun.«

Vowa verneigte sich vor dem guten Haushofmeister und ging auf den Hinterhof. Da erblickte er Druschnewna, und ging gerade auf sie zu; aber es waren so viel Bettler, daß er nicht bis zu ihr durch dringen konnte, und manche Neidische fingen an, den Alten zu schlagen und zu stoßen. Das verdroß den Vowa, und er begann auf seine Art zu stoßen, und machte sich bald Bahn bis zur schönen Druschnewna, und vor sie tretend sprach er: »Gnädige Frau, schöne Prinzeß Druschnewna, verlobte Braut des berühmten Königs Markobrun, reiche mir ein Almosen, nicht um deiner Trauung willen, sondern im Namen des Vowa Korolewitsch.« Als dies die Prinzeß Druschnewna hörte, veränderte sich ihr Gesicht; sie ließ die Schüssel mit dem Golde aus den Händen fallen und konnte sich kaum auf den Füßen erhalten. Sie befahl einem Mädchen anstatt ihrer das Almosen und den Bettlern auszutheilen, rief den Vowa zu sich und fragte ihn, warum er im Namen des Vowa Korolewitsch um Almosen gebeten? Da antwortete ihr Vowa Korolewitsch: »Meine gnädige Herrin, Prinzeß Druschnewna, ich kenne genau den Vowa Korolewitsch, denn ich saß mit ihm im Reiche des Zaren Saltan Saltanowitsch in einem Gefängnisse, aß schwarzes Brod und trank faules Wasser mit ihm zusammen, ertrug viel Hunger und Kälte, und er hat mir gestanden, daß du, schöne Prinzeß, ihn herzlich liebst und ihm dein Wort gegeben hast, Niemanden, als ihn, zu heirathen. Deßhalb bin ich so kühn gewesen, in seinem Namen dich um Almosen zu bitten.« – »Ach, guter Alter,« sagte zu ihm Druschnewna, »wo hast du den Vowa Korolewitsch verlassen? Wenn ich wüßte, wo er sich jezt befindet, so würde ich gleich abreisen, ihn aufzusuchen, wenn es auch durch sieben und zwanzig Länder bis in’s dreißigste Reich wäre.« – »Er wurde mit mir zugleich aus dem Gefängnisse entlassen,« antwortete Vowa Korolewitsch, »und ich ging mit ihm bis in dieses Königreich zusammen; er blieb zurück, und, wohin er gegangen ist, weiß ich nicht; ich aber wanderte in diese Stadt!« Also sprach der vermeintliche Greis, und in diesem Augenblick trat der König Markobrun herein und sah Thränen in Druschnewna’s Augen; er fragte sie, weßhalb sie weine, und ob sie etwa Jemand beleidigt habe; aber Druschnewna antwortete ihm: »Nein, Herr König Markobrun, ich weine, weil dieser Mann (auf Vowa zeigend) mir sagte, mein Vater liege auf dem Sterbebette.«– Der König Markobrun befahl dem Vowa fortzugehen und fing selbst an, die schöne Prinzeß Druschnewna mit folgenden Worten zu trösten: »Meine liebe Druschnewna, gräme dich nicht über die Krankheit deines Vaters, er ist ja nur krank und liegt gewiß nicht auf den Tod und kann wieder genesen, und du wirst mit deinem Kummer ihm keine Hülfe bringen, sondern dich selbst zu sehr angreifen und deiner Gesundheit schaden. Deine schwarzen Augen werden von Thränen trübe werden, und dein Kummer wird deine Schönheit zerstören.«

Während der König diese Worte sprach, ging Vowa in den Stall, wo sein gutes Roß an zwölf Ketten angefesselt stand. Als das Roß seinen tapfern Herrn kommen hörte, fing es an, die eisernen Thüren zu durchbrechen und seine Ketten zu zerreißen, und nachdem es alle Thüren durchbrochen hatte und in’s Freie gesprungen war, stürzte es auf Vowa, stellte sich auf die Hinterbeine und wollte ihn umfassen; aber Vowa ergriff es bei der Mähne und fing an, es zu streicheln. Als dies die Stallknechte sahen, gingen sie, und erzählten Alles dem Markobrun. Er kam sogleich auf den Hof und sah, wie Vowa mit dem Rosse umging, rief ihn zu sich und befahl ihm, an seinem Hofe beim Stalle zu dienen und das Ritterroß zu pflegen. Da dies die schöne Prinzeß Druschnewna hörte, ließ sie den Vowa vor sich kommen und fragte ihn, wie er im Stande sei, dieses Ritterroß zu bändigen, dem sich Niemand vorher zu nahen gewagt, aus Furcht vor seiner Wuth. Da antwortete Vowa: »Meine Herrin, schöne Prinzeß Druschnewna, dieses Roß ist hitzig und aufbrausend vor Markobrun’s Stallknechten, welche nie auf ihm geritten sind; aber wer sein Herr war im Königreiche des Sensiboi Andronowitsch, und auf ihm in der Schlacht geritten ist, den kennt es und dem gehorcht es. Das Roß hat mich durch den Geruch erkannt, und du hast drei Mal mit mir gesprochen und hast nicht erkannt, daß ich Vowa Korolewitsch bin.« – Als er dies gesagt hatte, wollte er fortgehen, aber die schöne Druschnewna hielt ihn zurück und sprach: »Beunruhige mich nicht mit deinen Worten, Alter, und wage nicht, über meinen Kummer zu spotten, ich kenne Vowa Korolewitsch: er ist sehr schön und jung und weiß; aber du bist alt und schwarz.« – »Wenn du mir nicht glaubst, so befiehl, Wasser zu bringen, und du wirst sehen, ob ich die Wahrheit gesprochen.« – Man brachte Wasser, und Vowa wusch sich vor den Augen Druschnewna’s mit dem weißen Pulver, und er wurde jung und schön, wie vorher. Als sie dies sah, sprang sie von der Stelle vor Freude, stürzte sich dem Vowa Korolewitsch an den Hals, küßte ihn, nannte ihn mit zärtlichen Namen, drückte ihn an ihre weiße Brust und sprach: »Mein lieber und holder Freund, Vowa Korolewitsch, deineswegen habe ich drei Jahre meinem Vater nicht gehorcht und die inständigen Bitten des Königs Markobrun, ihn zu heirathen, zurückgewiesen, aber da ich so lange Zeit von dir keine Nachricht erhielt, dachte ich, du befändest dich nicht mehr unter den Lebendigen, und war genöthigt, gegen Willen und Wunsch mit dem von mir ungeliebten Markobrun in sein Reich zu reisen. Hier schob ich die Hochzeit von einem Tage zum andern auf, in der Hoffnung, von dir etwas zu hören; aber da ich dich jezt vor Augen sehe, so kann ich dreist den Markobrun abweisen, und mit dir an’s Ende der Welt wandern.«

Darauf sagte Vowa Korolewitsch zu ihr: »Meine liebe Druschnewna, du kannst immerhin auf meine Tapferkeit vertrauen; aber jezt können wir nicht öffentlich fortwandern wegen der großen Zahl von Markobruns Kriegern und wegen der Volksmenge, die auch zehn der tapfersten Ritter nicht niederschlagen könnten, besonders in der Mitte ihrer Stadt. Lieber nimm dies Pulver und schütte es dem Markobrun in’s Getränk; davon wird er neun Tage lang sehr fest schlafen, und im Verlaufe dieser Zeit können wir uns ohne allen Nachtheil sehr weit von seinem Reiche entfernen.« Kaum hatte er diese Worte zur schönen Druschnewna gesagt, ihr das Pulver gegeben und war hinausgegangen, so kam der König Markobrun herein. Da sprach Druschnewna zum ersten Male mit ihm sanft und freundlich, brachte ihm auf einem silbernem Brette ein Glas süßen Meth, schüttete vorher das Schlafpulver hinein, und Markobrun, von ihrem Schmeicheln gereizt, nahm sogleich das Glas, trank es aus und schlief nach einer kurzen Weile ein.

Darauf ging die schöne Prinzeß Druschnewna heraus auf ihre Treppe, und befahl ihrem treuen Diener, ihr einen guten Paßgänger und dem Vowa Korolewitsch das Ritterroß zu bringen. Sie gab ihm eine Ritterrüstung, und in dunkeler Nacht entflohen sie aus dem Reich Markobruns. Drei Tage ritten sie, und am vierten wählten sie sich einen angenehmen Ort, hielten bei einem klaren Bache an, schlugen ein weißes Zelt auf und schliefen ein, von der Reise ermüdet.

An einem hellen Morgen tränkte Vowa Korolewitsch sein gutes Ritterroß. Auf ein Mal fing dasselbe an zu wiehern und mit den Füßen den Boden zu stampfen, und gab dadurch dem Vowa Korolewitsch zu verstehen, daß eine feindliche Macht gegen ihn im Anzuge sei. Da sattelte er sein Roß, legte seine Ritterrüstung an, gürtete das Schlachtschwert um, ging in das weiße Zelt und nahm Abschied von Druschnewna, indem er sprach: »Meine liebe Druschnewna, ich gehe, um mit einem großen Heere zu kämpfen, aber gräme dich nicht. Ehe die Sonne sinkt, habe ich das Heer geschlagen und kehre zu dir zurück.« Als er dies gesagt, ritt er gegen das Heer, und schlug das ganze Heer, und ließ nur drei Menschen übrig. Und sobald er erfuhr, daß dieses Heer von König Markobrun zu seiner Verfolgung bestimmt war, ließ er ihm sagen: »Sagt eurem König, daß er mich nicht verfolgen solle, damit er nicht sein Heer verliere, er wird Alles verlieren, was er ausschickt, denn er weiß, wer ich bin.«

Diese drei ritten zu ihrem König und meldeten ihm, daß Vowa alle drei Mal hundert Tausende erschlagen und nur sie drei übrig gelassen habe, daß er nicht mehr schicken solle, damit nicht umsonst Menschenblut vergossen würde. Da befahl der König Markobrun, in die Trompete zu stoßen, und versammelte vier Millionen Mann, und sprach zu seinen Bojaren: »Meine lieben getreuen Diener, verfolgt den Vowa, und bringt mir ihn und Druschnewna lebendig.« – Da sprachen alle Ritter einstimmig: »Unser Herr König Markobrun du hast einen Ritter Polkan; der sitzt in deinem Gefängnisse viele Jahre, vielleicht kann er Vowa einholen, denn mit einem Sprunge durchmißt er sieben Werst. Von Kopf bis zum Unterleibe ist er Mensch, das Uebrige vom Leib an ist Roßgestalt.« Als Markobrun dies von seinen Rittern hörte, schicke er sogleich nach Polkan, und sobald er vor Markobrun kam, sprach derselbe: »Herr Polkan, verfolge den Vowa Korolewitsch und bringe ihn und Druschnewna zu mir; ich werde dich reichlich dafür belohnen.« Polkan versprach es ihm und lief dem Vowa und der Druschnewna nach.

Eines Tages spazierte Vowa im Felde nahe bei seinem Zelte. Da hörte er den Ritter Polkan rennen, trat in das Zelt zu Druschnewna und sprach zu ihr: »Meine liebe Prinzeß Druschnewna, ich höre im Felde einen gewaltigen Ritter reiten, von der Seite des Reichs Markobrun’s; aber ich weiß nicht, ob er ein Freund oder ein Feind von mir sein wird.«– Da antwortete Druschnewna: »Gewiß ist es eine neue Verfolgung von Markobrun, und das muß der gewaltige Ritter Polkan sein, der vom Kopfe bis zum Unterleib Mensch und vom Unterleib an Roß ist, und mit jedem Sprunge sieben Werst zurücklegt; er wird uns bald einholen.«

Und Vowa nahm sein Schlachtschwert und sattelte sein Ritterroß, setzte sich auf und ritt Polkan entgegen. Polkan traf auf ihn und schrie mit fürchterlicher Stimme: »Ah, Vowa, Spitzbube, du bist meinen Händen nicht entwischt.« Und er riß aus der Erde eine hundertjährige Eiche mit den Wurzeln heraus und schlug Vowa auf den Kopf; aber Vowa wankte nicht von diesem Schlag; er ergriff mit beiden Händen sein Schlachtschwert und wollte Polkan erschlagen; allein er traf ihn nicht, und das Schwert ging bis zur Hälfte in die Erde, und Vowa stürzte von seinem Rosse herab. Polkan griff nach dem Rosse, aber das Roß fing an, mit den Hinter- und Vorderfüßen zu schlagen und mit den Zähnen zu beißen, und es riß ihn mit den Zähnen so lange herum, bis Polkan entfloh. Das Roß verfolgte ihn, bis Polkan alle Kräfte verlor und bei dem Zelte des Vowa Korolewitsch halbtodt niederfiel. Da trat Vowa Korolewitsch zu Polkan und fragte ihn, ob er sterben oder leben wolle; da sprach Polkan zu ihm: »Bruder Vowa, wir wollen mit einander Frieden schließen und uns Brüder nennen, und es wird auf der Welt keinen uns gleichen Gegner geben.« Und Vowa schloß mit Polkan Bruderschaft, und Vowa wurde der älteste und Polkan der jüngste Bruder.

Da setzte sich Vowa auf sein gutes Roß und Druschnewna auf ihren Paßgänger, und Polkan folgte ihnen nach. So ritten sie lange Zeit, und endlich sahen sie vor sich die Stadt Kostel, in welcher der Zar Uril herrschte. Als dies Zar Uril hörte, befahl er die Stadtpforten zuzumachen und fest zu versperren. Da nahm Polkan den Anlauf, sprang über die Stadtmauer und öffnete die Stadtpforten. Vowa und Druschnewna ritten in die Stadt. Zar Uril kam ihnen mit der Zarin entgegen und nahm sie mit großer Ehrerbietung auf, führte sie in seine zarischen Palläste, und sie fingen an zu essen und zu trinken und Kurzweil zu treiben.

In dieser Zeit rückte der Zar Markobrun vor die Stadt Kostel, und brachte mit sich drei Mal hundert tausend Mann, und er belagerte die Stadt Kostel, schickte zu dem Zaren Uril einen Gesandten, und befahl strenge, daß er ihm Bowa, Druschnewna und Polkan ausliefern sollte. Da versammelte Zar Uril Krieger, so viel er konnte, nahm seine beiden Söhne mit sich und zog aus, mit Markobrun zu fechten; sie kämpften gewaltig mit ihm, aber Markobrun schlug ihr ganzes Heer nieder, und machte den Zaren Uril mit seinen Kindern zu Gefangenen. Da versprach Uril dem König Markobrun, Vowa, Druschnewna und Polkan aus der Stadt auszuliefern, und ließ seine zwei Söhne als Geißel bei ihm. König Markobrun entließ den Zaren Uril und gab ihm von seinem Heere eine Million und fünf Mal hundert tausend, um Vowa und Polkan mitzubringen. Zar Uril ging in seine Gemächer und legte sich mit der Zarin schlafen. Polkan aber trat an die Thüre des Schlafzimmers und horchte, was der Zar von ihnen sprechen würde. Der Zar sagte seiner Gemahlin, daß er seine beiden Söhne als Geißel bei Markobrun gelassen habe, damit er ihm Vowa, Druschnewna und Polkan ausliefere. Da sprach die Zarin zu ihm: »Mein lieber Gemahl, es ist unmöglich, sie auszuliefern.« Darauf schlug sie der Zar in’s Gesicht und sprach: »Die Weiber haben langes Haar, aber kurzen Verstand.« – Als dies Polkan hörte, ergrimmte er, öffnete die Thüre, trat in das Schlafzimmer, nahm den Zaren beim Kopf, warf ihn auf den Boden und tödtete ihn.

Darauf sah Polkan auf den Zarenhof, und gewahrte, daß der Hof gefüllt war mit Markobrun’s Kriegern. Da nahm Polkan Vowa’s Schlachtschwert und erschlug zehntausend Krieger, verjagte die übrigen aus der Stadt Kostel, machte die Pforte zu und verschloß sie fest. Dann kehrte er in das Schloß zurück, weckte den Vowa Korolewitsch auf und erzählte ihm Alles, was vorgefallen war, und Vowa Korolewitsch küßte ihn und dankte ihm für seinen treuen Dienst. Dann rüsteten sie sich und ritten aus der Stadt gegen Markobrun’s Heer. Da fing Vowa Korolewitsch von der rechten, und Polkan von der linken Seite an, und sie schlugen das ganze Heer Markobrun’s nieder und befreiten die Kinder des Zaren Uril aus der Gefangenschaft, und Zar Markobrun entfloh mit wenigen von seinem Heere in sein sadonisches Reich und legte sich, seinen Kindern, Enkeln und Urenkeln einen Schwur auf, nie Vowa zu verfolgen.

Vowa und Polkan kehrten mit den beiden Söhnen des Zaren Uril in die Stadt Kostel zurück. Sie kamen in dem Schlosse an, und Vowa sprach zur Gemahlin des Zaren Uril: »Hier hast du deine Kinder, gute Zarin!« Das übrige Heer ließ er den Kindern Urils huldigen und ließ sie regieren, wie vorher.

Alsdann ritt Vowa Korolewitsch mit dem Ritter Polkan und der schönen Druschnewna nach der Stadt Sumin zu seinem Wärter Simbalda, um bei ihm ein kleines Heer zu nehmen, gegen den König Dadon damit zu ziehen, und ihn aus der Stadt Anton zu vertreiben. Sie ritten lange Zeit, hielten dann auf einer Wiese an, schlugen ihr weißes Zelt auf und schickten sich an, auszuruhen. Während sie ruhten, gebar die schöne Druschnewna dem Vowa Korolewitsch zwei Söhne, und er nannte den einen Litscharda, und den andern Simbalda. Einst als Vowa Korolewitsch mit Polkan um sein weißes Zelt spazierte, erblickten sie in der Ferne eine dichte Staubwolke; da bat Vowa Korolewitsch den Polkan: »Eile dorthin und erkundige dich, ob dort ein Heer zieht, oder ein mächtiger Held reitet, oder eine Kaufmannskarawane wandert; ich werde unterdessen beim Zelte bleiben und deine Zurückkunft erwarten.« – Als Polkan diese Bitte gehört hatte, eilte er sogleich dahin und brachte bald darauf zusammengebundene Krieger zurück, welche Vowa zu befragen anfing: »Sagt mir, ihr, Krieger, gutwillig und ohne Widerstand, was das für eine Macht ist, welche dort zieht, aus welchem Reiche, wer euer König ist, und warum ihr ausgeschickt seid.« – Da antworteten ihm die Leute: »Tapferer Herr Ritter, wir ziehen mit einem großen Heere aus dem Königreiche Dadon’s in das armenische Reich, um von dem Zaren Sensiboi Andronowitsch die Auslieferung des Stiefsohnes unseres Königs zu fordern, welcher schon in der Jugend ihm entflohen ist. Sein Name ist Vowa.« – »Kehrt um und sagt dem Befehlshaber eures Heeres, daß er nicht in das armenische Reich ziehe, sondern auf der Stelle mich erwarte, wo ihr ihm begegnet. Ich bin Vowa Korolewitsch und werde euch bald nachkommen, um euer Heer zu sehen.« –

Und er dieses gesagt hatte, entließ er die Gefangenen und fing an, Polkan zu bitten: »Mein lieber Kamerad Polkan, ich reite jezt aus, um mit dem Heere des Königs Dadon zu kämpfen, das gegen mich ausgeschickt ist; ich bitte dich, bei meinem weißen Zelte zu bleiben, zum Schutz meiner Gemahlin gegen böse Menschen und wilde Thiere, aber ihr nicht zu sagen, daß ich zu einer Kriegsthat ausgeritten bin, denn ich werde bald zurückkehren, dich für deine treuen Dienste belohnen und im Nothfalle mein Leben für dich wagen.« Darauf nahm er Abschied von Polkan, setzte sich auf sein gutes Roß und ritt sogleich dem Heere Dadon’s entgegen; er fing an, dasselbe ohne Barmherzigkeit niederzumachen, und haute so lange ein, bis alle noch übrigen Krieger vor ihm niederfielen und um Gnade baten.

Um dieselbe Zeit, da Vowa Korolewitsch das Heer Dadon’s niederhieb und die schöne Druschnewna in ihrem weißen Zelte sich befand, stürzten zwei große Löwen aus dem Walde hervor, warfen sich auf Polkan und wollten ihn zerreißen. Aber er trat ihnen entgegen und schlug mit einem Hiebe den einen todt, und fing an, mit dem andern zu kämpfen, allein er konnte ihn nicht so leicht überwinden, als den ersten, schlug sich lange mit ihm, und endlich fiel er sammt dem Löwen todt nieder. Bald darauf trat die schöne Druschnewna aus dem Zelte, und als sie die todten Löwen und den todten Ritter Polkan sah, dachte sie, auch Vowa Korolewitsch sei von diesen wilden Thieren getödtet worden. Deßwegen nahm sie sogleich ihre beiden Söhne, setzte sich auf ihren Paßgänger, der bei dem Zelte angebunden war, und ritt eiligst von dieser schrecklichen Stätte. Als sie an die Stadt des Zaren Sultan Sultanowitsch kam, stieg sie von ihrem Paßgänger und ließ ihn in das freie Feld laufen mit den Worten: »Laufe hin, du mein gutes Roß, in das freie Feld und genieße deiner Freiheit, bis du einen guten Herrn für dich findest!« Dann trat sie an einen Bach, wusch sich mit dem schwarzen Pulver und wurde schwarz und alt, und ging alsdann in die Stadt.

Nachdem Vowa Korolewitsch das Heer Dardon’s vernichtet hatte, kehrte er an die Stätte zurück, wo er seine Gemahlin und Polkan gelassen hatte, um sie mitzunehmen und in die Stadt Sumin zu gehen. Aber als er an sein Zelt kam, sah er den todten Körper Polkan’s und die beiden ermordeten Löwen. Im Zelte fand er weder die schöne Druschnewna, noch seine Kinder, und er glaubte, daß die Löwen Polkan und seine Gemahlin getödtet hätten. Da ergriff Kummer das Herz des Vowa Korolewitsch, und nachdem er sich auf dieser Stelle ausgeweint hatte, ritt er allein zu seinem treuen Wärter Simbalda.

Als Vowa Korolewitsch in der Stadt Sumin ankam, wurde er von dem Wärter Simbalda mit großen Ehren aufgenommen. Nach kurzem Aufenthalte befahl er ein Heer zu sammeln, nahm Terwis, den Sohn Simbalda’s mit sich und rückte vor die Stadt Anton. Zu dieser Zeit lebte König Dadon in seiner Stadt ohne alle Sorge, und erwartete von Stunde zu Stunde die Auslieferung des Vowa Korolewitsch vom König Sensiboi Andronowitsch aus dem armenischen Reiche, ohne zu wissen, daß das nach ihm ausgeschickte Heer umgekommen war; da kamen plözlich Leute zu ihm und meldeten, Vowa Korolewitsch belagere die Stadt Anton von allen Seiten. Als der König Dadon dies hörte, befahl er sogleich, sein ganzes Heer zu sammeln. Er sammelte gegen drei Mal Hundert tausend Mann und rückte in das Feld zur Schlacht; aber Vowa wünschte nicht, unnütz Menschenblut zu vergießen, und befahl allen seinen Kriegern, sich nicht von der Stelle zu rühren. Er erblickte Dadon, ritt auf ihn los, holte ihn ein und hieb ihn mit dem Schwert auf den Kopf, leicht nur, aber er durchhaute doch den Schädel bis auf das Gehirn, daß Dadon vom Pferde stürzte. Vowa Korolewitsch befahl die Leiche Dadon’s aufzuheben und sie in die Stadt Anton zu tragen, damit Militrisa Kirbitowna selbst sein Ende sehen könne. Er selbst aber ging auf das Grab seines Vaters, weinte über demselben, und kehrte dann in die Stadt Sumin zurück.

Als man Dadon vor Militrisa Kirbitowna gebracht hatte, fing sie mit Thränen an, das geronnene Blut um die Wunde abzuwaschen, und da sie bemerkte, daß er noch lebe, schickte sie ihre treuen Diener in alle Königreiche, einen Arzt aufzusuchen, welcher dem König Dadon helfen möchte, wofür sie eine große Belohnung zu geben versprach. Vowa Korolewitsch hörte, daß Dadon noch lebe und einen Arzt suche, und faßte den Vorsatz, als Arzt in die Stadt Anton zu gehen und den Dadon umzubringen. Darauf wusch er sich mit dem schwarzen Pulver, wurde ein alter Mann, kleidete sich in die Tracht eines Arztes, und nahm Terwis und ein scharfes Schwert mit sich. Sie kamen in die Stadt und ließen dem König Dadon sagen, daß Aerzte aus fremden Ländern gekommen seien, seine Wunde zu heilen. Kaum hatte Dadon dieses gehört, so befahl er sogleich, sie vor sich zu rufen und bat sie, sie möchten seine Wunde bald heilen, sie sollten dafür reichliche Belohnung erhalten. Vowa Korolewitsch verneigte sich und sagte darauf, er wollte seine Wunde bald und leicht ausheilen: nur sollten sich alle Anwesenden entfernen und ihn allein mit ihm lassen. Dadon erfüllte sein Verlangen auf der Stelle, und als er allein mit ihm war, faßte ihn Vowa Korolewitsch beim Barte, zog sein scharfes Schwert unter den Kleidern hervor und sagte: »Hier, Dadon, du Bösewicht, nimm den Lohn nun, daß du dich durch die Schönheit der Königin Militrisa Kirbitowna hast verführen lassen, meinen Vater meuchlings zu ermorden.« Als er diese Worte gesprochen hatte, schlug er ihm den Kopf ab, legte ihn auf eine silberne Schüssel, bedeckte ihn mit einem weißen Tuche und ging zu seiner Mutter Militrisa Kirbitowna. Als er in ihre Gemächer trat, sprach er zu ihr: »Meine gnädige Frau Mutter, ich bin gekommen, dir zu melden, daß dein geliebter Gemahl Dadon von seiner Wunde vollkommen hergestellt ist, und zur Meldung dieser angenehmen Kunde hat er uns mit diesem Geschenk zu dir geschickt.« – Darauf gab er ihr die Schüssel mit dem Kopfe Dadon’s in die Hände. Militrisa Kirbitowna deckte das Tuch ab, und als sie das abgehauene Haupt Dadon’s erblickte, entsetzte sie sich so, daß sie einige Zeit lang nichts sagen konnte; aber endlich fing sie an, die Haare und Kleider zu zerreißen, und schwur, den Vowa Korolewitsch zu ermorden, weil er den Dadon getödtet und sich ihren Sohn genannt hatte.

Da verlangte Vowa Wasser, wusch sich mit dem weißen Pulver, und wurde jung und schön. Militrisa Kirbitowna erkannte ihn, fiel ihm zu Füßen und fing an, um Verzeihung zu bitten. Vowa Korolewitsch befahl dem Terwis, sie zu nehmen, in ein Faß einzuspunden und in’s Meer treiben zu lassen. Dann berief er die Fürsten und Bojaren zu sich und erklärte ihnen, daß er Bowa Korolewitsch, der rechtmäßige Thronfolger seines Vaters Guidon, sei und sich bis jezt in fremden Ländern herumgetrieben habe; aber da er jezt seinen Feind Dadon getödtet, und seine Mutter für ihren Verrath bestraft, wolle er in seinem Reiche herrschen, und deßwegen verlange er von ihnen den Eid der Treue. Sogleich begannen alle Fürsten, Bojaren und andere Menschen, ihm zu schwören und zum Antritt der Herrschaft Glück zu wünschen. Deßhalb befahl er alle Speisen und Getränke einen Monat lang unentgeltlich und auf seine Kosten zu vertheilen.

Nach dem Feste schickte Bowa einen Gesandten zu Saltan, um seine Tochter Miliheria zur Gemahlin für ihn zu erbitten, denn er glaubte, daß Druschnewna von den Löwen zerrissen sei. Mit dem Gesandten schickte er viele kostbare Geschenke dem Saltan selbst und seiner Tochter. Und als der Gesandte in der Stadt des Saltan Saltanowitsch anlangte, übergab er diesem die Urkunde, und Saltan Saltanowitsch las sie vor und ging alsdann zu seiner Tochter und sprach zu ihr: »Meine liebe Tochter, ich habe so eben ein Schreiben von dem Ritter bekommen, welchen du im Gefängnis gehalten hast und zu deinem Glauben belehren wolltest. Er ist ein Königssohn und herrscht jezt in seinem Reiche; er hat Geschenke an mich geschickt, und bewirbt sich um deine Hand. Ich bin zu dir gekommen, dir dieses zu melden und von dir zu erfahren, ob du deine Einwilligung dazu gibst.« Die schöne Miliheria freute sich sehr darüber und sagte, daß sie in Allem dem Willen ihres Vaters gehorchen wolle. Denselben Tag empfing er von dem Gesandten die Geschenke des Vova Korolewitsch und befahl darauf alles zur Reise Nöthige zuzubereiten.

Die Königin Druschnewna war in der Zeit, wo der Gesandte des Vowa Korolewitsch bei Saltan Saltanowitsch anlangte, in derselben Stadt und wusch Kleider für Jedermann; damit ernährte sie sich und erzog ihre beiden Söhne, welche nicht nach Tagen wuchsen, sondern nach Stunden, und Alle durch ihre Schönheit übertrafen. Sie hatte nicht geglaubt, daß Vowa Korolewitsch noch lebe, aber da sie hörte, daß ein Gesandter von ihm gekommen sei, welcher bei Saltan Saltanowitsch um die Hand seiner Tochter anhalte, und daß dieser sie ihm auch geben wolle, nahm sie ihre beiden Söhne und begab sich in die Stadt Anton, wo er herrschte. Sie reiste mit großen Beschwerden und lange Zeit. Endlich langte sie an demselben Tage an, da Vowa mit Miliheria Saltanowna Hochzeit zu halten anfing. Sie wusch sich mit dem weißen Pulver und wurde schön, wie ehemals. Dann schickte sie ihre beiden Söhne in das Schloß, damit sie bis zu Vowa Korolewitsch vordrängen und von ihrem Stande und ihren Begebenheiten berichteten. Litscharda und Simbalda, so hießen ihre Söhne, stellten sich in den Gang, durch welchen Vowa Korolewitsch mit seinen Fürsten und Bojaren zur Tafel gegen mußte. Als er bei ihnen vorüber in sein Gemach ging, fiel plözlich sein Blick auf sie, und er fragte, was sie für Leute wären, und wen sie erwarteten. Da verneigte sich der älteste Sohn tief und sprach: »Wir sind, o Herrscher, die Kinder des berühmten Ritters und ersten Helden in der Welt, des Vowa Korolewitsch, und der schönen Prinzeß Druschnewna; unser lieber Vater hat uns sehr jung im freien Felde unter einem weißen Zelte mit unserer Mutter und dem Ritter Polkan zurückgelassen, welchen die Löwen getödtet haben. Wir aber sind mit unserer Mutter von diesem Orte entflohen und suchten bis jezt unsern Vater in allen Reichen.«

Hierauf umarmte sie Vowa Korolewitsch und rief dann aus: »Ach meine lieben Kinder, ich bin euer Vater und hoffte nicht, euch lebend zu sehen. Aber wo ist meine liebe Gemahlin, eure Mutter?«– Da zeigte Litscharda den Ort, wo sie die schöne Druschnewna gelassen hatten, und Vowa schickte sogleich seine nächsten Bojaren nach ihr. Als sie Vowa Korolewitsch wieder sah, war er sehr erfreut und befahl wegen solcher unerwarteten Freude, die Festlichkeiten zu verdoppeln, und zwei Monate den Unterthanen die Abgaben zu erlassen. Seinen treuen Wärter Simbalda belohnte er mit vielen Städten, und dessen Sohn Terwis heirathete die schöne Miliheria Saltanowna, und er schickte sie zu ihrem Vater und ließ ihm sagen, daß er seinen neuen Schwiegersohn lieben und ehren solle, und fügte hinzu, es sei ihm unmöglich gewesen, sie nach der Rückkehr seiner Gemahlin Druschnewna zu heirathen.

Den Bruder Simbalda’s, Dhen Ohen, schickte er nach dem Feste mit einem Heer in’s armenische Reich, um dasselbe dem Orlop wieder zu entreißen, und befahl, ihm nach dem Siege bösen Tod zu geben, weil er nach dem Tode des Sensiboi Andronowitsch dessen Reich beherrscht hatte, und bestätigte die Botmäßigkeit des armenischen Königreiches dem Dhen und seinen Nachfolgern. Er aber blieb in seiner Stadt Anton und herrschte glücklich.

Anton Gotthelf Dietrich (Russische Volksmärchen)

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