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Märchenbasar

Daumerling

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Es waren einmal ein Bauer und eine Bäuerin, die hatten keine Kinder. Und weil das Weib so sehr traurig darüber war, ging der Mann in den Wald und schnitzte einen Knaben aus Holz. Er brachte ihn nach Hause und sagte: »Leg ihn in die Wiege und spiel mit ihm.« Und sie schaukelte ihn beständig und war von Herzen glücklich. Da wurde der Knabe jedoch lebendig und sagte: »Mutter, bist du hier?« Die Mutter ward froh, als sie den Sohn sprechen hörte, und erzählte es ihrem Manne.
Und einstmals, als der Sohn mit Gottes Hilfe schon ganz ordentlich herangewachsen war, fuhr der Vater zum Ackern aufs Feld und sagte zu seiner Frau: »Wenn das Söhnchen eingeschlafen ist, dann bring du mir das Mittagessen.« Und sie richtete das Essen an, der Sohn aber erwachte und rief: »Mutter, ach Mutter! laß mich dem Vater das Essen bringen!« – »Du kannst es doch nicht hintragen!« erwiderte die Mutter. »Doch, ich kann’s!« Und er brachte einen Bastschuh herbei, setzte den Topf auf ihn drauf und die Pfannkuchen, setzte sich selbst auf und fuhr davon. So fuhr er und fuhr und schrie: »Vater, Vater, ich bringe dir das Mittagessen!« Er brachte es hin und gab es dem Vater. Der Bauer freute sich sehr, der Sohn aber sagte: »Vater, laß mich pflügen.« – »Ach nein, wie willst du denn pflügen?« Der Knabe nahm den Pflug, setzte sich darauf und fing an zu ackern. Da kam der Gutsherr gefahren und sagte: »Überlaß mir deinen Sohn.« – »Ach nein, Herr, ich habe nur diesen einen.« – »Nimm, was du willst, für ihn, nur gib ihn mir.« Das Söhnchen aber kam zum Vater gelaufen und flüsterte ihm ins Ohr: »Vater, gib mich her, doch verlang von ihm eine Mütze voll Gold.« Der Gutsherr schüttete ihm die Mütze voll Gold, nahm den Knaben und setzte ihn sich in die Tasche. Das Söhnchen aber schnitt die Tasche auf und kroch hinaus. Es lief auf der Landstraße, begegnete Räubern und hörte, wie sie untereinander sprachen: »Wo könnte man hier wohl einbrechen?« Da rief der Knabe ihnen zu: »Nehmt mich mit, ich werd es euch sagen! Laßt uns zum Popen gehen, der hat schöne Ochsen.« Und sie gingen hin und stahlen dem Popen einen Ochsen und wollten eben anfangen, ihn zu teilen, als der Knabe schrie: »Pope, Pope! man stiehlt deine Ochsen!« Die Räuber warfen ihren Schnappsack hin, aber das Fleisch nahmen sie mit sich. Das Söhnchen kroch in den Sack hinein und saß dort. Da kam ein Wolf des Weges gelaufen und fragte: »Wer ist dort?« – »Ich bin’s, Iwanjka.« – »Kriech heraus!« – »Nein, ich krieche nicht hinaus, trag mich auf meinen Hof.« Der Wolf brachte ihn dorthin. »Kriech heraus!« sagte der Wolf, aber der Knabe erwiderte: »Trag mich in den Flur!« Und der Wolf tat es, Iwanjka aber kroch hervor, sperrte den Flur ab und rief: »Vater, komm und schlag den Wolf tot!« Der Vater ergriff einen Knüppel und schlug ihn tot. Die Eltern nähten dem Söhnchen aus dem Wolfsfell einen Pelz, und sie leben noch heute glücklich und in Freuden.

[Weißrußland: August von Löwis of Menar: Russische Volksmärchen]

 

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