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Der ängstliche Kürbis

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Endlich war es so weit, der schönste Kürbis sollte heute abend im Dorf preisgekrönt werden. Seit dem frühen Nachmittag waren die Straßen wie leer gefegt. Die Bauern hockten in ihren Küchen und beschäftigten sich mit ihren Kürbissen.
Auch Herr Thomas gab sich dieses Jahr besonders viel Mühe. Zuerst holte er das Fruchtfleisch aus dem Kürbis heraus und legte es für seine Frau in eine Schüssel. Sie sollte ihm am nächsten Tag ein leckeres Kompott zubereiten und einen schönen Kuchen backen. Mit einem kleinen scharfen Küchenmesser schnitzte er ein fröhliches Gesicht in den leeren Kürbiskopf. Als Herr Thomas fertig war betrachtete er zufrieden sein vollendetes Kunstwerk. Gemütlich lehnte er sich auf dem Küchenstuhl zurück und zündete sich sein Pfeifchen an. „So einen Prachtburschen wie dich hatte ich noch nie. Weißt du was, du bist mir so gut gelungen, ich werde dich Plutzer nennen. Ach, eine Kerze muss ich auch noch aus dem Keller holen, damit dein Kopf von innen beleuchtet wird.“
Herr Thomas stellte Plutzer vor die Haustür, damit alle Nachbarn ihn gut sehen konnten.
Von allen Seiten wurde Plutzer bewundert, es dauerte nicht lange und man war sich einig, dass Herr Thomas mit seinem lachenden Kürbis den ersten Preis gewonnen hatte.

Gegen Abend wurde es empfindlich kühl und die Görner Einwohner zog es in ihre warmen Stuben. Nach und nach erloschen die Lichter hinter den Fenstern und die Leute gingen zu Bett.
Es dauerte nicht lange und Plutzers Kerze brannte herunter. Plötzlich stand er im dunklen. Ihm verging das Grinsen, denn er bekam furchtbare Angst. Er rief ganz laut: „Herr Thomas, meine Kerze ist ausgegangen. Es ist bitterkalt hier draußen, ich friere so entsetzlich, bitte hole mich ins Haus.“

Fast war es mucksmäuschen still. Im Nachbarhof bellte ein Hund und das Schnarchen von Herrn Thomas drang aus dem geöffneten Schlafzimmerfenster. Plutzer fürchtete sich so sehr, dass er herzerweichend zu weinen begann.

Dicker grauer Nebel zog auf und er konnte nun gar nichts mehr sehen. Er lauschte in die Stille, neidisch tuschelten die anderen Kürbisse über ihn. „Plutzer wird sich noch wundern, seine Schönheit wird nicht von Dauer sein. Bald wird er verschrumpeln, glitschig und hässlich werden.“
Eine andere Stimme antwortete: „ Hi, hi, hi, wenn der Schimmel ihn befällt, dann ist es aus mit unserem Gewinner. Er wird neben uns auf dem Komposthaufen landen.“

Dicke Tränen kullerten über Plutzers orangefarbene Pausbacken, davon hatte ihm Herr Thomas nichts erzählt.
In der Dunkelheit entdeckte er einen kleinen hellen Punkt der immer größer wurde. Plutzer blinzelte, ein helles warmes Licht blendete ihn. Er erkannte zwei weiße Pferde die eine prächtige grüne Kürbis-Kutsche zogen und sie hielt genau vor seiner Tür. Eine wunderschöne Frau stieg aus und schwebte mit ihrem sternenbesetzten Gewand direkt auf ihn zu.

„Erschrecke dich nicht, Plutzer, ich bin die Kürbis-Fee, Malune. Ich habe dich weinen gehört und möchte dir helfen. Wenn du möchtest, dann darfst du mich auf mein Schloss begleiten. Neben meinem Thron wirst du einen Ehrenplatz erhalten. Ein nimmer endendes wärmendes Licht wird dich Tag und Nacht umgeben. Ich würde mich freuen, wenn du mir in meinem Reich Gesellschaft leistest. Hast du Lust mich zu begleiten?“
Plutzer war froh, dass er nicht mehr alleine war. In Malunes Gegenwart fühlte er sich sicher. Er überlegte einen Moment. Sollte er wirklich mit ihr gehen? Herr Thomas hatte sich so viel Mühe mit ihm gegeben. Wie glücklich und stolz er aussah, als ihm die Nachbarn zu seinem ersten Preis gratulierten und ihm ein rotes Band mit einem runden goldenen Taler um den Hals hängten.

Nachdenklich schaute Plutzer auf das Fenster, hinter dem Herr Thomas immer noch schlief. Er fragte sich, ob Herr Thomas ihn schon vergessen hatte? Warum ließ er ihn so ganz alleine hier draußen in der Kälte und Dunkelheit stehen? Wovon hatten vorhin die Kürbisse gesprochen? Vom Komposthaufen und vom verschrumpeln? Nein, so wollte er nicht enden.
Wieder begann er zu weinen. Malune tupfte ihm mit einem weichen Tuch die Tränen ab. „Hast du es dir überlegt, Plutzer, möchtest du mit mir gehen? Noch bevor die Kirchglocke zwölf Mal schlägt müssen wir zurück in meinem Schloss sein, sonst verliere ich meine Zauberkraft.“

Plutzer fragte etwas unsicher: „Versprichst du mir, dass ich nie wieder frieren oder im dunklen stehen muss?“
Malune lächelte ihm zu: „Du hast mein Ehrenwort und auf dem Komposthaufen wirst du auch nicht landen.“
„Dann will ich mit dir gehen“, flüsterte er etwas ängstlich.
Mit ihrem funkelnden Zauberstab tippte sie gegen seinen Kopf. Plutzer war begeistert, mit Leichtigkeit schwebte er an Malunes Seite zur Kutsche. Im Schutze dicker Nebelschwaden fuhren sie in das Kürbis-Feenland.

Schon am Schlosseingang kam Plutzer aus dem Staunen nicht mehr heraus. Große Trompetenbäume verkündeten Malunes Rückkehr. Als sie ausstiegen, schwebte Plutzer ganz langsam hinter Malune her. Neugierig drehte er sich immer wieder um. Kleine tanzende Glühwürmchen erhellten ihnen den Weg. Malune öffnete die große Doppeltür und Plutzer traute seinen Augen nicht. Im ganzen Saal standen kleine und große, schöne und nicht so hübsche Kürbisse. Sie alle strahlten ihn freundlich an. Sprachlos setzte sich Plutzer einen Augenblick auf den moosbewachsenen Boden und schaute sich um. Als er endlich seine Sprache wieder fand, fragte er: „Malune, was machen die ganzen Kürbisse hier? Wohnen die alle bei dir?“
„Hast du schon vergessen, du bist hier im Kürbis-Feenland! Jeder von ihnen hatte ein Problem, aber das ist eine lange Geschichte, die erzähle ich dir morgen.“
Plutzer gähnte, er war müde von der langen aufregenden Nacht. Malune schüttelte ein rotes Samtkissen auf, das neben ihrem Thron lag und setzte Plutzer darauf. Leise flüsterte sie allen Kürbissen zu: „Gute Nacht, meine Lieben und süße Träume. Bis morgen.“

Am nächsten Morgen starrte Herr Thomas auf den leeren Platz, an dem Plutzer
gestern Abend noch gestanden hatte. Wütend knallte er die Haustür hinter sich zu und schimpfte: „Es ist nicht zu fassen! Wer in aller Welt hat meinen schönen Kürbis gestohlen? Verflixt noch Mal! Das darf doch wohl nicht wahr sein!“
Auf dem Küchentisch lag noch das rote Band mit seiner schönen Goldmedaille. Traurig legte er seinen ersten Preis in die Schublade und sagte zum Abschied etwas wehleidig: „Es waren schöne Stunden mit dir, Plutzer. Wo immer du im Augenblick auch stecken magst, ich hoffe, es geht dir gut!“

Quelle: Marena Stumpf

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