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Der Aschenstocherer

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Es war einmal ein Mann, den nannte man den Aschenstocherer. Er war schrecklich faul und träge, tat nichts, saß den ganzen Tag am Herd, hielt ein Stöckchen in der Hand und stocherte in der Asche herum.

Eines Tages sagte seine junge Frau zu ihm: „Mann, steh auf und arbeite! Bringe etwas ins Haus und rühr dich, sonst kann ich nicht mehr bei dir bleiben!“ Aber auch das half nicht. Der Aschenstocherer blieb am Herde sitzen und tat keinen Schritt aus dem Haus.

Zu Ostern entschloß er sich endlich, in die Kirche zu gehen. Als er aber nach dem Kirchgang nach Hause kam, fand er die Türe fest verschlossen. Seine Frau hatte aus Ärger über ihn das Haus verbarrikadiert und ließ ihn nun nich tmehr herein. Da bat er sie um einen frischen Käse, um eine Ahle und um einen Schlauch voll Asche. Diese drei Dinge reichte sie ihm aus dem Fenster, er nahm sie und zog von dannen.

Ob er weit oder nicht weit gekommen war, wissen wir nicht, aber er kam jedenfalls an einen großen Fluß. Am anderen Ufer sah er einen riesigen Dew sitzen. Der Teufelsunhold trank gerade mit großer Gier aus dem Flusse. Dem Aschenstocherer wurde es angst und bange.

Was sollte er tun?

Es gab nur zwei Wege, entweder nach Hause zu seiner Frau zurückzukehren und um Einlaß zu bitten oder dem Riesen sich anzuschließen. Sicherlich würde ihn, so dachte er, der Unhold mit den Krallenhänden und Krallenfüßen zum Frühstück verspeisen.

Der Aschenstocherer dachte hin und dachte her und dachte schließlich einen guten Plan aus: Mit seiner Ahle stach er ein Loch in den Schlauch mit der Asche, schwang diesen Schlauch aus Ziegenhäuten in der Luft umher und machte damit einen fürchterlichen Staub.

Der Riese wunderte sich, diese Sache kam ihm nicht geheuer vor. Er wollte den Aschenstocherer auf die Probe stellen, zeigte ihm einen Stein und forderte ihn auf, Wasser aus einem Stein zu drücken. Der Aschenstocherer nahm schnell seinen Käse aus der Tasche, drückte ihn, so fest er konnte, bis das Wasser herauslief und rief dem Riesen zu: „Hör mal, du da drüben, komm mal her und laß mich auf deine Schultern steigen. Ich will über den Fluß, möchte mir aber die Füße nicht naßmachen!“

Der Riese gehorchte, kam über den Fluß, nahm ihn auf die Schulter und rief: „Oh, du bist so leicht wie ein Federwisch!“

„Das ist bloß“, sagte der Aschenstocherer, “ weil ich mich mit einer Hand am Himmel halte. Wenn ich loslasse, dann kannst du mich gar nicht tragen.“

„Laß doch einmal los!“ sagte der Riese.

Da stach der Aschenstocherer dem Riesen mit seiner Ahle in den Hals. Der Riese schrie fürchterlich und bat ihn, sich doch wieder am Himmel festzuhalten. Als sie den Fluß überquert hatten und am anderen Ufer angekommen waren, sagte der Riese: „Jetzt steige herunter, bald ist Mittagessen!“

Der Aschenstocherer erschrak. Dies half aber nichts, er mußte herunter. Bald kamen sie zum Hause des Riesen, daß dem Aschenstocherer gleich sehr gut gefiel. Im Backofen lag ein ungeheurer Laib Brot. Der Riese sagte, er müsse jetzt für das Mittagessen sorgen und trug auf, den Brotlaib rechtzeitig umzudrehen, damit er nicht verbrenne. Als der Aschenstocherer sah, daß eine Seite schon recht knusprig und braun geworden war, wollte er den Laib umdrehen. Mit beiden Armen wuchtete er den Laib hoch, er stemmte ihn mit seinen Schultern, aber er vermochte ihn nicht umzuwenden. Im Gegenteil, der Aschenstocherer rutschte aus und geriet unter dem Brotlaib im Backofen. Wie er sich auch anstrengte, er konnte sich von dem gewaltigen Gewicht nicht befreien und wäre bald selbst mitgebacken worden, wenn nicht die Riesen nach Hause gekommen wären.

Als sie ihn unter dem Laib liegen sahen, wunderten sie sich sehr und fragten ihn, was er da treibe. Der Aschenstocherer gab zur Antwort: „Ich hatte Bauchweh bekommen. Da hilft bei mir immer ein warmer Brotlaib am besten. Ihr könnt aber den Laib jetzt schon herausnehmen, mir ist schon wieder besser!“ Dann brauchten die Riesen Wein zum Mittagessen. „Wenn du ein guter Gesell sein willst“, sagte einer der Riesen zu dem Aschenstocherer, „dann hol Wein für uns, draußen im Hof ist ein Weintonne.“ Und er stellte einen riesigen Krug vor den kleinen Gast hin. Als der Aschenstocherer den riesigen Krug sah, bekam er ordentlich Angst, aber er nahm ihn in beide Arme und ging doch mit ihm hinaus.

Die Riesen warteten lange auf seine Rückkehr. Schließlich wurde es ihnen doch zu lange und sie gingen selber hinaus, um zu sehen, wo er mit dem Kruge bleibe. Da sahen sie, daß der Aschenstocherer die große übermannshohe Weintonne ausgraben wollte und schon fest beim Schaufeln war. „Ja, was treibst du denn da?“ fragten ihn die Riesen.

Der Aschenstocherer gab zur Antwort: „Was soll ich denn immer mit dem kleinen Krug hin- und herlaufen? Ich glaube, es ist gescheiter, ich nehme die ganze Weintonne heraus!“ Die Riesen schauten sich betroffen an und dachten, wenn wir zu neunt kaum die leere Weintonne schleppen können, un der will sie voll hereintragen, dann ist die Sache nicht mehr geheuer. Also füllten sie den Krug selbst und setzten sich zum Essen hin.

Einer der Riesen mußte husten. Da war der Luftzug den Aschenstocherer an die Decke. Er hielt sich oben am Deckenbalken fest. Es sah aus, als sitze er oben an einem Tisch beim Würfelspiel. Alle schauten verwundert zur Decke und fragten ihn: „Was tust du denn da oben?“

„Ich ziehe den Stecken aus der Decke, um euch die Seiten ein wenig zu schmieren. Wie könnt ihr es wagen in meiner Gegenwart zu husten. Ich werde euch Anstand lehren!“

Da erschraken die Riesen zutiefst und sprachen zueinander: „Das nennt der einen Stecken und wir können zu neunt kaum so einen Deckenbalken schleppen!“ Der Schrecken war ihnen so in die Glieder gefahren, daß sie ihr Haus verließen und in alle Winde davonrannten. Da richtete sich der Aschenstocherer in dem verlassenen Hause der Riesen behaglich ein.

Auf der Flucht traf einer der Unholde einen Fuchs. „Wo läufst du denn hin, Dew, was ist mit dir los?“ fragte der Fuchs.

„Wohin soll ich laufen?“ antwortete der Unhold, „zu uns ist ein Mensch ins Haus gekommen, der hätte uns beinahe alle verschluckt!“

Der Fuchs hielt sich den Bauch vor Lachen, als der Riese ihm die Geschichte erzählte. „Aber nein, das ist ja zu lustig! Das ist ja der Aschenstocherer, den seine Frau aus dem Haus gejagt hat, weil er so faul war! Ich kenne die beiden ganz gut. Alle Hennen habe ich ihnen gestohlen. Und ihr habt euch vor diesem Faulpelz gefürchtet?“

„Das glaube ich dir nicht“, sagte der Riesenkerl. „Du kannst ja selber sehen! Komm nur! Hier, ich komme mit, binde mich mit diesem Strick an! Ich renne nicht davon!“ So sprach der Fuchs, band sich selbst den Strick um und schlang das andere Ende um den Laib des Riesen.

Beide kehrten nun zur Behausung der Riesen zurück. Der Aschenstocherer erschrak zuerst, als er die beiden kommen sah, überlegte aber und faßte sogleich wieder Mut. „Du wagst es, elender Kerl“, herrschte er den Fuchs an, „mir nur einen einzigen Riesen zu bringen, alle zwölfe sollst du doch fangen, na warte, du Bursche!“

Der Riese erschrak bei diesen Worten so fürchterlich, daß er einen großen Sprung machte, den Strick zerriß, der ihn mit dem Fuchs verband, und bis hinter alle Berge davonlief. Der Aschenstocherer aber ergriff Besitz von allem, was ihm Hause war, lud die ganze Habe der Dews auf Kamele und machte sich mit allen Gütern dieser Riesenunholde auf den Weg zu seiner Frau. Die ließ es gelten, und seit diesem Tage lebten sie in Lust und Freunde miteinander.

Und was lernen wir daraus: Wer den Mund am weitesten aufmacht, kommt weiter…

Quelle:
(Georgien)

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