1
(2)
Es lebte einmal ein Mann, der hatte drei Söhne. Die beiden älteren waren recht klug, nur der jüngste war ein Dümmling. Die älteren Söhne standen beim Vater in hoher Gunst, aus dem jüngsten aber machte er sich nicht viel. Auch die beiden älteren Brüder sahen über den Dümmling hinweg und schimpften ihn stets nur Aschewicht.
Das Leben wurde dem Aschewicht zu Hause von Tag zu Tag unerträglicher, darum dachte er schließlich, fortzugehen und anderswo sein Glück zu versuchen. So überlegte er hin und her, und es fiel ihm nichts Besseres ein als die Königsstadt. Irgend etwas würde sich dort schon finden, womit er sich ernähren könnte.
So brach er auf in die Königsstadt.
Auf dem Wege zur Königsstadt hörte der Aschewicht, daß der König wegen der wilden Tiere in großer Sorge sei. Im Walde des Königs sollen ein riesiger Waldochse und ein furchterregendes Wildschwein hausen. Diese bösen Tiere sollen jeden, der sich in den Wald wagt, anfallen. Der König habe schon etliche mutige Männer ausgeschickt, die den wilden Tieren den Garaus machen sollten, aber keiner von ihnen hatte es bisher vollbracht. Schließlich soll der König versprochen haben, er vermähle mit seiner Tochter denjenigen, der den riesigen Waldochsen und das gewaltige Wildschwein besiegt. Viele tapfere Männer sind daraufhin ausgezogen, um ihr Glück zu versuchen, waren aber froh, wenn sie mit dem Leben davonkamen. Deshalb sei der König so in Sorgen.
Da dachte der Aschewicht bei sich: >Wenn’s weiter nichts ist, mit den bösen Tieren will ich schon fertig werden! Laßt uns nur sehen!< Er ging ins Königsschloß und verkündete, daß er dem Waldochsen und dem Wildschwein den Garaus machen werde. Die Diener des Königs lachten ihn aus: »Viele tapfere Männer haben es schon versucht, und doch alles umsonst. Da kommst du, der Dümmling, daher! Dich reißen die Tiere doch gleich in Stücke!« Am liebsten wollten die Diener des Königs den Aschewicht wieder nach Hause schicken, doch das durften sie nicht, denn der König hatte strengstens befohlen, wer das Wagnis wünscht, der soll es tun! Und der Aschewicht wollte es wagen, mit dem Ochsen zu kämpfen.
Der vereinbarte Tag rückte heran. Die ganze Stadt lief zusammen, um den Kampf des Aschewichts mit dem Ochsen zu sehen. Sogar der König war gekommen. Als Kampfplatz wählte der Aschewicht den Kirchhof aus, auf dem mehrere hundert Jahre alte Eichen wuchsen. Der Ochse wurde aus dem Wald gelockt. Sobald er den Aschewicht erblickte, stürmte er wutschnaubend auf ihn zu. Der Junge aber tat so, als würde er den Ochsen gar nicht beachten. Schon war der Ochse vor ihm und wollte ihn mit seinen riesigen Hörnern aufspießen. Flink wie ein Eichhörnchen sprang der Aschewicht beiseite. Mit mächtiger Wucht durchbohrten die Hörner des Waldochsen den Eichenstamm. Der Ochse rüttelte und rüttelte an ihm, es half alles nichts, er war gefangen. Da sprang der Aschewicht schnell herbei und schlug dem Ochsen den Kopf ab. Der Aschewicht hatte gesiegt. Alle Leute und sogar der König applaudierten ihm.
Die Diener des Königs spotteten nun wieder: »Den Ochsen hat der Junge zwar besiegt, aber mit dem Schwein wird er doch nicht fertig werden. Schweine bohren ihre Hauer nicht ins Gehölz!« — »Wir werden ja sehen, was sich tun läßt!« sagte der Aschewicht zu den Zweiflern.
Er ging in die Kirche hinein und schloß sorgfältig alle Türen und Fenster. Nur eine Tür ließ er offen. Dann sagte er, man solle das Wildschwein aus dem Wald locken. Er selbst blieb an der Kirchtür stehen, um auf das Schwein zu warten. Das Wildschwein kam bei der Kirche an und bemerkte den Aschewicht zuerst gar nicht. Es rannte um die Kirche herum, und nun gewahrte es den Gegner. Der Junge aber sprang schnell hinter die Tür, und das Schwein sauste an ihm vorbei, geradewegs in die Kirche hinein. Der Junge schlüpfte flink hervor und warf die Tür mit einem Knall zu. Das Wildschwein war in der Kirche gefangen!
Das Volk stand voller Verwunderung da, der König aber lobte: »Was für ein schlauer Bursche! Hat das Schwein in die Falle gelockt! Nicht schlecht, doch wie willst du das Schwein besiegen?« Der Aschewicht lächelte über die Zweifler. Dann begann er, das Schwein vor der Tür zu reizen. Das Schwein hörte ihn und wurde wütend. Es wollte über den Jungen herfallen, aber die Tür war ja zu. Das Schwein rannte in der Kirche umher, konnte jedoch nicht heraus.
Der Aschewicht hatte mit Absicht die Turmluke aufgelassen. Als das Wildschwein die offene Luke sah, lief es die Treppe hinauf in den Turm und schaute von dort herunter. Wie wunderte sich das Volk, als es das Schwein im Turm erblickte. Unten aber setzte der Junge sein Spiel fort. Da wollte das Schwein von oben auf den Jungen springen, doch jener hüpfte flink beiseite. Das Schwein fiel herunter und mit den Beinen so tief in den Erdboden, daß es sich nicht mehr bewegen konnte. Da ergriff der Aschewicht das Schwert und hieb dem Schwein den Kopf ab. Wieder hatte der Dümmling gesiegt. Das Volk umjubelte ihn, auch der König applaudierte ihm.
Nun fragte der Aschewicht den König: »Gibst du mir jetzt deine Tochter zur Frau?« Der König entgegnete: »Was ich versprochen hab‘, will ich auch halten.«
Und so heiratete der Aschewicht die Königstochter. Alle tanzten, daß die Wände wackelten. Hundert Ochsen und tausend Schweine wurden zum Fest geschlachtet. Den Hochzeitstisch deckte man auf dem Hof des Königs, und essen durfte daran, wen es gelüstete. Erst als es zum zweiten Mal Vollmond wurde, machten sich die Gäste auf den Heimweg. Nun hatte es der Aschewicht gut! Er war der Schwiegersohn des Königs, und seine Frau, die Prinzessin, war lieb und schön, so daß er sich keine bessere hätte wünschen können. So lebte er glücklich und zufrieden in den Tag hinein.
Doch der König mochte es nicht, daß seine Schwiegersöhne faulenzten. Eines Tages sagte er zum Aschewicht: »Weißt du, in meinem Walde lebt ein sonderbarer weißer Vogel. Ich möchte ihn gern haben. Wer mir diesen Vogel fängt, bekommt einen reichlichen Lohn. Geh mit den anderen Schwiegersöhnen, und fangt mir den Vogel!« Gähnend erwiderte der Aschewicht: »Gut, ich werde schon gehen!« Den gleichen Wunsch teilte der König auch seinen anderen Schwiegersöhnen mit.
Am nächsten Morgen machten sich die anderen Schwiegersöhne in aller Frühe auf den Weg, um den weißen Vogel zu fangen. Der Aschewicht aber schlief noch fest, ein Bern übers andere geschlagen. Am Vormittag weckte ihn seine Gemahlin: »Steh doch endlich auf! Die anderen sind schon längst im Wald! Vielleicht haben sie den Vogel schon gefangen, und du schläfst immer noch!« Der Aschewicht erwiderte gähnend: »Ein jeder bekommt, was für ihn vorgesehen!«
Endlich stand er auf, frühstückte, nahm ein Stück Brot mit und schlenderte in den Wald, den Vogel zu suchen. Er ging im Walde hin und her, aber keine Spur von dem weißen Vogel. Plötzlich kam dem Aschewicht ein kleines, graues Männchen entgegen. Das graue Männchen sagte: »Sei ein guter Mann, und gib mir etwas zu essen! Ich habe schon den dritten Tag kein Krümelchen in den Mund bekommen!«
Dem Aschewicht war es recht. Er gab seinen Brotsack dem Mannchen und meinte: »Da, Väterchen, iß, bis du satt bist! Begnüge dich damit, was ich dir bieten kann!« Das graue Männchen aß mit großem Appetit. Während es aß, fragte es den Aschewicht: »Sag mal, wohin gehst du mit so einem großen Brotbeutel?« Der Aschewicht erwiderte: »Ich soll ebenfalls den weißen Vogel fangen den der König haben will. Die anderen Schwiegersohne des Königs haben sich schon frühmorgens aufgemacht, sie werden den Vogel wohl längst gefangen haben. Ich werde mich nur noch ein wenig im Walde umschauen!« Doch das Männchen tröstete ihn: »Es ist halb so schlimm! Ohne mich werden sie den Vogel nicht fangen. Sammle die heruntergefallenen Brotkrümel auf und streue sie auf die kleine Lichtung hier in der Nähe. Dort werden sich viele Vögel einfinden, um sie aufzupicken, darunter auch der weiße Vogel, nach dem sich der König so sehnt. Du brauchst ihn nur zu fangen. Und hab keine Angst, es wird ein leichtes sein, ihn zu fangen. Wenn du ein andermal meine Hilfe brauchst, komm nur hierher und rufe dreimal: »He, altes Männchen!« Ich werd’s schon hören und kommen.« Der Junge dankte dem Männchen für den guten Rat und tat, wie befohlen. Alsbald kamen viele Vögel herbeigeflogen. Der Aschewicht fing den weißen Vogel und lief bis zu dem Weg, den entlang die anderen kommen mußten. Er setzte sich nieder, öffnete seinen Brotbeutel und aß. Dann wartete er und wartete, doch niemand kam vorüber.
Erst am Abend erschienen die anderen Schwiegersöhne und sahen sehr traurig aus. Als sie den Aschewicht erblickten, sagten sie: »Sieh dir den Faulpelz an! Da schläft er, wir aber suchen den Vogel und fallen bald um vor Müdigkeit.« Der Aschewicht entgegnete: »Habt ihr den Vogel nicht gefangen? Sollte ich denn auch so mir nichts, dir nichts im Walde herumbummeln? Ich esse und schlafe, den Vogel aber habe ich längst schon gefangen!« — »Red keinen Unsinn!« — »Wenn ihr es nicht glauben wollt, schaut her!« sagte der Junge, zog den weißen Vogel aus dem Sack und zeigte ihn den anderen. »Wer hätte es geglaubt, daß ausgerechnet der Dümmling den Vogel fängt!« riefen die anderen voller Verwunderung.
Der ältere Schwiegersohn sagte: »Was fängst du mit dem Vogel schon an? Verkaufe ihn lieber uns, wir wollen gut bezahlen!« Der Aschewicht entgegnete: »Warum nicht, wenn wir uns einig werden?« — »Was verlangst du für den Vogel?« — »Nicht mehr, als ein körnchengroßes Stück vom kleinen Finger.« — Der ältere Schwiegersohn überlegte, es wird wohl weh tun, ein Stückchen vom Finger abzuschneiden, aber ich werde es aushalten, und dann gehört mir der weiße Vogel und die große Belohnung des Königs. So schnitt er sich ein Stück vom Finger ab, der Aschewicht steckte es in die Hosentasche und gab ihm den weißen Vogel dafür. Dieser brachte den Vogel dem König und wurde reichlich belohnt.
Am nächsten Tag sagte der König zu seinen Schwiegersöhnen: »Ihr seid tapfere Männer, denn ihr habt den Vogel gefangen. Aber wirklich tapfere Männer seid ihr erst dann, wenn ihr mir aus dem Wald den wundersamen Hengst bringt. Hunderte vor euch haben ihn schon gejagt, aber keiner konnte ihn bisher fangen. Sollte es euch gelingen, will ich euch reichlich belohnen. Macht euch also auf den Weg!«
Am nächsten Morgen waren die Schwiegersöhne des Königs schon in aller Frühe im Wald, nur der Aschewicht schlief, als hätte er mit all dem gar nichts zu tun. Schließlich weckte ihn seine Gemahlin und sagte: »Steh auf und geh auch in den Wald! Die anderen haben gestern den Vogel gefangen, du aber gar nichts. Versuche es heute mit dem Hengst!« Der Aschewicht ließ sich Zeit. Schließlich machte er sich auf, und nahm sich einen dick gefüllten Brotbeutel mit. Im Walde ging er zur selben Stelle, wo er das kleine, graue Männchen getroffen hatte. Dort rief er: »He, altes Männchen!« Alsbald erschien das graue Männchen und fragte: »Na, mußt du heute wieder etwas suchen?« Der Aschewicht erwiderte: »Ja, der König möchte den wundersamen Hengst dieses Waldes haben. Hilf mir bitte, den Hengst zu fangen!« — »Das ist eine Kleinigkeit. Da, nimm das Zaumzeug! Geh ein Stückchen weiter, bis zum Waldesrand. Dort werden Pferde grasen. Wirf dem ersten das Zaumzeug über, und du wirst den gewünschten Hengst haben.« Der Aschewicht tat, wie ihm das Männchen geheißen. Er warf dem ersten Pferd das Zaumzeug über. Und welch Wunder, vor ihm stand ein wunderschöner Hengst mit goldenem Sattel. Der Aschewicht brauchte sich nur in den Sattel zu schwingen und zu der Stelle zu reiten, wo er am anderen Tag die anderen Schwiegersöhne getroffen hatte. Dort machte er halt, band das Pferd an einen Baum und begann zu essen. So aß er, bis die anderen aus dem Walde kamen.
Wie begannen die anderen da zu schimpfen: »Sieh dir den Vielfraß an! Da haut er sich den Bauch voll und denkt gar nicht ans Suchen. Ihm ist es einerlei, daß wir uns die Hacken abrennen. Es ist Zeit, daß wir uns auf den Heimweg machen!« Der Aschewicht erwiderte nur: »Ich werde schon kommen. Ich muß nur noch einmal in den Wald, da muß ich noch etwas erledigen.« Der Junge nahm seinen Brotbeutel, schritt in den Wald, schwang sich in den Sattel des wundersamen Hengstes und ritt nun zu den anderen. Voller Verwunderung fragten sie ihn: »Wo hast du denn dieses schöne Pferd her?« Der Aschewicht erwiderte: »Wer sucht, der findet!« Die anderen sagten wiederum: »Wir haben doch auch gesucht, habe aber nichts gefunden.« Da meinte der Junge: »Ihr werdet wohl nicht gut genug gesucht haben, wenn ihr nichts gefunden habt.« Da legten sich die anderen aufs Bitten: »Verkauf uns den Hengst!« »Warum nicht, wenn wir uns einig werden?« — »Was verlangst du?« — »Nichts weiter, als daß der Käufer mir seinen Siegelring gibt.« Der mittlere Schwiegersohn bot ihm viel Geld an, aber der Aschewicht ließ sich nicht erweichen, er wollte nur den Siegelring. Was blieb dem Käufer anderes übrig, als ihm den Ring zu geben. Nun gehörte der schöne Hengst dem mittleren Schwiegersohn, und er brachte ihn dem König. Der König lobte ihn und zahlte ihm eine reichliche Belohnung.
Am nächsten Tag sagte der König wieder zu den Schwiegersöhnen: »Im Wald treibt sich ein ungeheuer großer Bär herum, der viel Schaden anrichtet. Wer den Bär fängt und ihn mir als Beute bringt, bekommt einen Sack voll Gold. Schwiegersöhne, zeigt, daß ihr tapfere Männer seid. Geht und fangt ihn mir!«
Am nächsten Morgen waren die Schwiegersöhne schon in aller Frühe im Wald. Der Aschewicht aber ließ sich Zeit. Er schlief bis in den späten Vormittag. Die Gemahlin aber ließ ihm keine Ruhe, und so machte er sich schließlich auf in den Wald, um den Bären zu fangen. Sobald er im Wald war, rief er wieder: »He, altes Männchen!« Im Handumdrehen war das graue Männchen zur Stelle. »Du willst heute also den Bären fangen?« fragte er den Aschewicht. Der Junge erwiderte: »Das will ich, wenn ich nur wüßte, wo ich ihn finde.« Da sagte das alte, graue Männchen: »Ich werde dir den Weg weisen. Es ist noch zu früh, du mußt ein wenig warten. Der Bär streicht im Wald umher, es ist schwer, ihn zu fangen. Um Mittag legt sich der Bär ins dichte Gebüsch zur Ruhe, das ist die beste Zeit, um ihn zu töten. Schleiche dich leise zum Gebüsch, schlag dem Bär mit einem Knüppel eins auf die Nase und spring selbst flink beiseite. Der Bär wird aus dem Gebüsch hervorspringen, du aber spring hinein! Ein zweites Mal brauchst du nicht zuzuschlagen, denn der Bär wird beim Gebüsch alle viere von sich strecken. Komm erst dann aus dem Gebüsch hervor, wenn der Bär tot daliegt. Zieh dem Bär das Fell ab und bring es dem König!«
Der Aschewicht tat, wie ihm das Männchen geheißen. Er machte den Bär ausfindig, tötete ihn und zog ihm das Fell ab. Dann warf er sich das Fell über die Schulter und ging zu dem Weg, wo er die anderen auch an den vorigen Tagen erwartet hatte, und begann zu essen.
Er mußte lange warten. Schließlich kamen auch die anderen. Spottend fragten sie den Aschewicht: »Na, Dümmling, hast den Bären wohl schon erlegt, daß du Mahlzeit hältst?« Der Aschewicht erwiderte: »Freilich hab ich ihn erlegt.« Die anderen wollten ihm keinen Glauben schenken, als sie aber das Bärenfell sahen, mußten sie es glauben. Wieder begannen sie zu verhandeln: »Verkauf uns das Fell!« — Aber gern.« — »Was verlangst du dafür?« — »Nichts weiter, als daß der Käufer sich ein Loch ins Ohrläppchen machen läßt.« Ärgerlich sprach der jüngere Schwiegersohn: »Laß doch endlich deine Dummheiten! Was hast du davon, wenn man mir ein Loch ins Ohrläppchen bohrt? Nimm lieber Geld, dann hast du was davon!« Der Aschewicht entgegnete: »Eure Ohren, mein Fell. Macht, was ihr wollt!« Der jüngere Schwiegersohn wollte das Fell aber unbedingt haben. Da half nichts anderes, als daß er sich ein Loch ins Ohr bohren ließ. Dann ging er mit dem Fell zum König und erhielt die versprochene Belohnung.
Bald danach veranstaltete der König ein großes Fest. Geladen waren alle Könige der nächsten Umgebung, geladen waren auch seine Schwiegersöhne, nur der Aschewicht nicht. Der König meinte: »Warum sollte ich ihn zum Fest laden? Was hat er schon Gutes getan? Die anderen haben mir die Tiere gefangen, er hat gar nichts gebracht.«
Traurig ging der Aschewicht am Festtagsmorgen in den Wald. Dort traf er das graue, alte Männchen wieder. Das Männchen fragte ihn: »Was fehlt dir, Söhnchen? Warum bist du so betrübt?« Der Junge entgegnete: »Ich bin traurig, daß ich so dumm gehandelt habe. Ich habe die Tiere zwar gefangen, hab sie aber den anderen Schwiegersöhnen verkauft. Der König meint nun, sie seien die Helden, ich wäre aber ein Nichtsnutz. Er hat mich nicht einmal zum Fest eingeladen. Hab ich nicht Grund genug, traurig zu sein? « Das Männchen tröstete ihn: »Das macht nichts! Du wirst schon am Fest teilnehmen! Da, nimm diese Erbse! Iß sie auf, und du kannst dich in jedes Tier verwandeln und hingehen, wohin du willst!« Der Aschewicht bedankte sich beim Männchen für den guten Rat, nahm die Erbse und ging zurück ins Schloß.
Zu Hause angelangt, aß er die Erbse auf und verwandelte sich in einen Floh. Nun konnte er unbemerkt in den Saal gelangen, in dem die Gäste sich versammelt hatten. Da hörte er, wie die anderen Schwiegersöhne sich vor den Gästen brüsteten. Er hörte, wie der eine den Bär erlegt hätte und der andere den Hengst gefangen habe, der dritte aber den Vogel gefunden hätte. Darauf ging der Aschewicht in sein Zimmer, zog sich prächtige Kleider an und begab sich zurück zu den Gästen.
Wie erschraken da die Lügner, als sie den ungebetenen Gast erblickten.
Der Aschewicht aber sagte vor allen Gästen zu den anderen Schwiegersöhnen: »Ich habe die Tiere zwar euch gegeben, da ihr damit aber falsche Ehre ernten wollt, muß ich jetzt die Wahrheit sagen. Ich war es, der die Tiere gefangen hat!« Die Schwiegersöhne des Königs wurden böse und riefen: »Er lügt, er lügt!« Dann riefen sie die Wächter, damit sie den Lügner festnehmen sollten.
Der Aschewicht aber nahm aus der Tasche das Stückchen Finger und den Siegelring und sagte: »Seht hier, was man mir für die Tiere gegeben hat. Das Stückchen Finger habe ich für den Vogel und diesen Siegelring habe ich für den Hengst bekommen. Der dritte Schwiegersohn aber ließ sich für das Bärenfell ein Loch ins Ohrläppchen machen!«
Nun traute sich keiner der Schwiegersöhne mehr zu widersprechen. Voller Scham verließen sie das Fest des Königs. Der Aschewicht aber wurde nun in allen Ehren gefeiert.
Von diesem Tag an erkannte auch der König den Aschewicht an, under ernannte ihn zu seinem Nachfolger. Und wenn der Aschewicht nicht gestorben ist, so regiert er noch heute das Königreich.
Das Leben wurde dem Aschewicht zu Hause von Tag zu Tag unerträglicher, darum dachte er schließlich, fortzugehen und anderswo sein Glück zu versuchen. So überlegte er hin und her, und es fiel ihm nichts Besseres ein als die Königsstadt. Irgend etwas würde sich dort schon finden, womit er sich ernähren könnte.
So brach er auf in die Königsstadt.
Auf dem Wege zur Königsstadt hörte der Aschewicht, daß der König wegen der wilden Tiere in großer Sorge sei. Im Walde des Königs sollen ein riesiger Waldochse und ein furchterregendes Wildschwein hausen. Diese bösen Tiere sollen jeden, der sich in den Wald wagt, anfallen. Der König habe schon etliche mutige Männer ausgeschickt, die den wilden Tieren den Garaus machen sollten, aber keiner von ihnen hatte es bisher vollbracht. Schließlich soll der König versprochen haben, er vermähle mit seiner Tochter denjenigen, der den riesigen Waldochsen und das gewaltige Wildschwein besiegt. Viele tapfere Männer sind daraufhin ausgezogen, um ihr Glück zu versuchen, waren aber froh, wenn sie mit dem Leben davonkamen. Deshalb sei der König so in Sorgen.
Da dachte der Aschewicht bei sich: >Wenn’s weiter nichts ist, mit den bösen Tieren will ich schon fertig werden! Laßt uns nur sehen!< Er ging ins Königsschloß und verkündete, daß er dem Waldochsen und dem Wildschwein den Garaus machen werde. Die Diener des Königs lachten ihn aus: »Viele tapfere Männer haben es schon versucht, und doch alles umsonst. Da kommst du, der Dümmling, daher! Dich reißen die Tiere doch gleich in Stücke!« Am liebsten wollten die Diener des Königs den Aschewicht wieder nach Hause schicken, doch das durften sie nicht, denn der König hatte strengstens befohlen, wer das Wagnis wünscht, der soll es tun! Und der Aschewicht wollte es wagen, mit dem Ochsen zu kämpfen.
Der vereinbarte Tag rückte heran. Die ganze Stadt lief zusammen, um den Kampf des Aschewichts mit dem Ochsen zu sehen. Sogar der König war gekommen. Als Kampfplatz wählte der Aschewicht den Kirchhof aus, auf dem mehrere hundert Jahre alte Eichen wuchsen. Der Ochse wurde aus dem Wald gelockt. Sobald er den Aschewicht erblickte, stürmte er wutschnaubend auf ihn zu. Der Junge aber tat so, als würde er den Ochsen gar nicht beachten. Schon war der Ochse vor ihm und wollte ihn mit seinen riesigen Hörnern aufspießen. Flink wie ein Eichhörnchen sprang der Aschewicht beiseite. Mit mächtiger Wucht durchbohrten die Hörner des Waldochsen den Eichenstamm. Der Ochse rüttelte und rüttelte an ihm, es half alles nichts, er war gefangen. Da sprang der Aschewicht schnell herbei und schlug dem Ochsen den Kopf ab. Der Aschewicht hatte gesiegt. Alle Leute und sogar der König applaudierten ihm.
Die Diener des Königs spotteten nun wieder: »Den Ochsen hat der Junge zwar besiegt, aber mit dem Schwein wird er doch nicht fertig werden. Schweine bohren ihre Hauer nicht ins Gehölz!« — »Wir werden ja sehen, was sich tun läßt!« sagte der Aschewicht zu den Zweiflern.
Er ging in die Kirche hinein und schloß sorgfältig alle Türen und Fenster. Nur eine Tür ließ er offen. Dann sagte er, man solle das Wildschwein aus dem Wald locken. Er selbst blieb an der Kirchtür stehen, um auf das Schwein zu warten. Das Wildschwein kam bei der Kirche an und bemerkte den Aschewicht zuerst gar nicht. Es rannte um die Kirche herum, und nun gewahrte es den Gegner. Der Junge aber sprang schnell hinter die Tür, und das Schwein sauste an ihm vorbei, geradewegs in die Kirche hinein. Der Junge schlüpfte flink hervor und warf die Tür mit einem Knall zu. Das Wildschwein war in der Kirche gefangen!
Das Volk stand voller Verwunderung da, der König aber lobte: »Was für ein schlauer Bursche! Hat das Schwein in die Falle gelockt! Nicht schlecht, doch wie willst du das Schwein besiegen?« Der Aschewicht lächelte über die Zweifler. Dann begann er, das Schwein vor der Tür zu reizen. Das Schwein hörte ihn und wurde wütend. Es wollte über den Jungen herfallen, aber die Tür war ja zu. Das Schwein rannte in der Kirche umher, konnte jedoch nicht heraus.
Der Aschewicht hatte mit Absicht die Turmluke aufgelassen. Als das Wildschwein die offene Luke sah, lief es die Treppe hinauf in den Turm und schaute von dort herunter. Wie wunderte sich das Volk, als es das Schwein im Turm erblickte. Unten aber setzte der Junge sein Spiel fort. Da wollte das Schwein von oben auf den Jungen springen, doch jener hüpfte flink beiseite. Das Schwein fiel herunter und mit den Beinen so tief in den Erdboden, daß es sich nicht mehr bewegen konnte. Da ergriff der Aschewicht das Schwert und hieb dem Schwein den Kopf ab. Wieder hatte der Dümmling gesiegt. Das Volk umjubelte ihn, auch der König applaudierte ihm.
Nun fragte der Aschewicht den König: »Gibst du mir jetzt deine Tochter zur Frau?« Der König entgegnete: »Was ich versprochen hab‘, will ich auch halten.«
Und so heiratete der Aschewicht die Königstochter. Alle tanzten, daß die Wände wackelten. Hundert Ochsen und tausend Schweine wurden zum Fest geschlachtet. Den Hochzeitstisch deckte man auf dem Hof des Königs, und essen durfte daran, wen es gelüstete. Erst als es zum zweiten Mal Vollmond wurde, machten sich die Gäste auf den Heimweg. Nun hatte es der Aschewicht gut! Er war der Schwiegersohn des Königs, und seine Frau, die Prinzessin, war lieb und schön, so daß er sich keine bessere hätte wünschen können. So lebte er glücklich und zufrieden in den Tag hinein.
Doch der König mochte es nicht, daß seine Schwiegersöhne faulenzten. Eines Tages sagte er zum Aschewicht: »Weißt du, in meinem Walde lebt ein sonderbarer weißer Vogel. Ich möchte ihn gern haben. Wer mir diesen Vogel fängt, bekommt einen reichlichen Lohn. Geh mit den anderen Schwiegersöhnen, und fangt mir den Vogel!« Gähnend erwiderte der Aschewicht: »Gut, ich werde schon gehen!« Den gleichen Wunsch teilte der König auch seinen anderen Schwiegersöhnen mit.
Am nächsten Morgen machten sich die anderen Schwiegersöhne in aller Frühe auf den Weg, um den weißen Vogel zu fangen. Der Aschewicht aber schlief noch fest, ein Bern übers andere geschlagen. Am Vormittag weckte ihn seine Gemahlin: »Steh doch endlich auf! Die anderen sind schon längst im Wald! Vielleicht haben sie den Vogel schon gefangen, und du schläfst immer noch!« Der Aschewicht erwiderte gähnend: »Ein jeder bekommt, was für ihn vorgesehen!«
Endlich stand er auf, frühstückte, nahm ein Stück Brot mit und schlenderte in den Wald, den Vogel zu suchen. Er ging im Walde hin und her, aber keine Spur von dem weißen Vogel. Plötzlich kam dem Aschewicht ein kleines, graues Männchen entgegen. Das graue Männchen sagte: »Sei ein guter Mann, und gib mir etwas zu essen! Ich habe schon den dritten Tag kein Krümelchen in den Mund bekommen!«
Dem Aschewicht war es recht. Er gab seinen Brotsack dem Mannchen und meinte: »Da, Väterchen, iß, bis du satt bist! Begnüge dich damit, was ich dir bieten kann!« Das graue Männchen aß mit großem Appetit. Während es aß, fragte es den Aschewicht: »Sag mal, wohin gehst du mit so einem großen Brotbeutel?« Der Aschewicht erwiderte: »Ich soll ebenfalls den weißen Vogel fangen den der König haben will. Die anderen Schwiegersohne des Königs haben sich schon frühmorgens aufgemacht, sie werden den Vogel wohl längst gefangen haben. Ich werde mich nur noch ein wenig im Walde umschauen!« Doch das Männchen tröstete ihn: »Es ist halb so schlimm! Ohne mich werden sie den Vogel nicht fangen. Sammle die heruntergefallenen Brotkrümel auf und streue sie auf die kleine Lichtung hier in der Nähe. Dort werden sich viele Vögel einfinden, um sie aufzupicken, darunter auch der weiße Vogel, nach dem sich der König so sehnt. Du brauchst ihn nur zu fangen. Und hab keine Angst, es wird ein leichtes sein, ihn zu fangen. Wenn du ein andermal meine Hilfe brauchst, komm nur hierher und rufe dreimal: »He, altes Männchen!« Ich werd’s schon hören und kommen.« Der Junge dankte dem Männchen für den guten Rat und tat, wie befohlen. Alsbald kamen viele Vögel herbeigeflogen. Der Aschewicht fing den weißen Vogel und lief bis zu dem Weg, den entlang die anderen kommen mußten. Er setzte sich nieder, öffnete seinen Brotbeutel und aß. Dann wartete er und wartete, doch niemand kam vorüber.
Erst am Abend erschienen die anderen Schwiegersöhne und sahen sehr traurig aus. Als sie den Aschewicht erblickten, sagten sie: »Sieh dir den Faulpelz an! Da schläft er, wir aber suchen den Vogel und fallen bald um vor Müdigkeit.« Der Aschewicht entgegnete: »Habt ihr den Vogel nicht gefangen? Sollte ich denn auch so mir nichts, dir nichts im Walde herumbummeln? Ich esse und schlafe, den Vogel aber habe ich längst schon gefangen!« — »Red keinen Unsinn!« — »Wenn ihr es nicht glauben wollt, schaut her!« sagte der Junge, zog den weißen Vogel aus dem Sack und zeigte ihn den anderen. »Wer hätte es geglaubt, daß ausgerechnet der Dümmling den Vogel fängt!« riefen die anderen voller Verwunderung.
Der ältere Schwiegersohn sagte: »Was fängst du mit dem Vogel schon an? Verkaufe ihn lieber uns, wir wollen gut bezahlen!« Der Aschewicht entgegnete: »Warum nicht, wenn wir uns einig werden?« — »Was verlangst du für den Vogel?« — »Nicht mehr, als ein körnchengroßes Stück vom kleinen Finger.« — Der ältere Schwiegersohn überlegte, es wird wohl weh tun, ein Stückchen vom Finger abzuschneiden, aber ich werde es aushalten, und dann gehört mir der weiße Vogel und die große Belohnung des Königs. So schnitt er sich ein Stück vom Finger ab, der Aschewicht steckte es in die Hosentasche und gab ihm den weißen Vogel dafür. Dieser brachte den Vogel dem König und wurde reichlich belohnt.
Am nächsten Tag sagte der König zu seinen Schwiegersöhnen: »Ihr seid tapfere Männer, denn ihr habt den Vogel gefangen. Aber wirklich tapfere Männer seid ihr erst dann, wenn ihr mir aus dem Wald den wundersamen Hengst bringt. Hunderte vor euch haben ihn schon gejagt, aber keiner konnte ihn bisher fangen. Sollte es euch gelingen, will ich euch reichlich belohnen. Macht euch also auf den Weg!«
Am nächsten Morgen waren die Schwiegersöhne des Königs schon in aller Frühe im Wald, nur der Aschewicht schlief, als hätte er mit all dem gar nichts zu tun. Schließlich weckte ihn seine Gemahlin und sagte: »Steh auf und geh auch in den Wald! Die anderen haben gestern den Vogel gefangen, du aber gar nichts. Versuche es heute mit dem Hengst!« Der Aschewicht ließ sich Zeit. Schließlich machte er sich auf, und nahm sich einen dick gefüllten Brotbeutel mit. Im Walde ging er zur selben Stelle, wo er das kleine, graue Männchen getroffen hatte. Dort rief er: »He, altes Männchen!« Alsbald erschien das graue Männchen und fragte: »Na, mußt du heute wieder etwas suchen?« Der Aschewicht erwiderte: »Ja, der König möchte den wundersamen Hengst dieses Waldes haben. Hilf mir bitte, den Hengst zu fangen!« — »Das ist eine Kleinigkeit. Da, nimm das Zaumzeug! Geh ein Stückchen weiter, bis zum Waldesrand. Dort werden Pferde grasen. Wirf dem ersten das Zaumzeug über, und du wirst den gewünschten Hengst haben.« Der Aschewicht tat, wie ihm das Männchen geheißen. Er warf dem ersten Pferd das Zaumzeug über. Und welch Wunder, vor ihm stand ein wunderschöner Hengst mit goldenem Sattel. Der Aschewicht brauchte sich nur in den Sattel zu schwingen und zu der Stelle zu reiten, wo er am anderen Tag die anderen Schwiegersöhne getroffen hatte. Dort machte er halt, band das Pferd an einen Baum und begann zu essen. So aß er, bis die anderen aus dem Walde kamen.
Wie begannen die anderen da zu schimpfen: »Sieh dir den Vielfraß an! Da haut er sich den Bauch voll und denkt gar nicht ans Suchen. Ihm ist es einerlei, daß wir uns die Hacken abrennen. Es ist Zeit, daß wir uns auf den Heimweg machen!« Der Aschewicht erwiderte nur: »Ich werde schon kommen. Ich muß nur noch einmal in den Wald, da muß ich noch etwas erledigen.« Der Junge nahm seinen Brotbeutel, schritt in den Wald, schwang sich in den Sattel des wundersamen Hengstes und ritt nun zu den anderen. Voller Verwunderung fragten sie ihn: »Wo hast du denn dieses schöne Pferd her?« Der Aschewicht erwiderte: »Wer sucht, der findet!« Die anderen sagten wiederum: »Wir haben doch auch gesucht, habe aber nichts gefunden.« Da meinte der Junge: »Ihr werdet wohl nicht gut genug gesucht haben, wenn ihr nichts gefunden habt.« Da legten sich die anderen aufs Bitten: »Verkauf uns den Hengst!« »Warum nicht, wenn wir uns einig werden?« — »Was verlangst du?« — »Nichts weiter, als daß der Käufer mir seinen Siegelring gibt.« Der mittlere Schwiegersohn bot ihm viel Geld an, aber der Aschewicht ließ sich nicht erweichen, er wollte nur den Siegelring. Was blieb dem Käufer anderes übrig, als ihm den Ring zu geben. Nun gehörte der schöne Hengst dem mittleren Schwiegersohn, und er brachte ihn dem König. Der König lobte ihn und zahlte ihm eine reichliche Belohnung.
Am nächsten Tag sagte der König wieder zu den Schwiegersöhnen: »Im Wald treibt sich ein ungeheuer großer Bär herum, der viel Schaden anrichtet. Wer den Bär fängt und ihn mir als Beute bringt, bekommt einen Sack voll Gold. Schwiegersöhne, zeigt, daß ihr tapfere Männer seid. Geht und fangt ihn mir!«
Am nächsten Morgen waren die Schwiegersöhne schon in aller Frühe im Wald. Der Aschewicht aber ließ sich Zeit. Er schlief bis in den späten Vormittag. Die Gemahlin aber ließ ihm keine Ruhe, und so machte er sich schließlich auf in den Wald, um den Bären zu fangen. Sobald er im Wald war, rief er wieder: »He, altes Männchen!« Im Handumdrehen war das graue Männchen zur Stelle. »Du willst heute also den Bären fangen?« fragte er den Aschewicht. Der Junge erwiderte: »Das will ich, wenn ich nur wüßte, wo ich ihn finde.« Da sagte das alte, graue Männchen: »Ich werde dir den Weg weisen. Es ist noch zu früh, du mußt ein wenig warten. Der Bär streicht im Wald umher, es ist schwer, ihn zu fangen. Um Mittag legt sich der Bär ins dichte Gebüsch zur Ruhe, das ist die beste Zeit, um ihn zu töten. Schleiche dich leise zum Gebüsch, schlag dem Bär mit einem Knüppel eins auf die Nase und spring selbst flink beiseite. Der Bär wird aus dem Gebüsch hervorspringen, du aber spring hinein! Ein zweites Mal brauchst du nicht zuzuschlagen, denn der Bär wird beim Gebüsch alle viere von sich strecken. Komm erst dann aus dem Gebüsch hervor, wenn der Bär tot daliegt. Zieh dem Bär das Fell ab und bring es dem König!«
Der Aschewicht tat, wie ihm das Männchen geheißen. Er machte den Bär ausfindig, tötete ihn und zog ihm das Fell ab. Dann warf er sich das Fell über die Schulter und ging zu dem Weg, wo er die anderen auch an den vorigen Tagen erwartet hatte, und begann zu essen.
Er mußte lange warten. Schließlich kamen auch die anderen. Spottend fragten sie den Aschewicht: »Na, Dümmling, hast den Bären wohl schon erlegt, daß du Mahlzeit hältst?« Der Aschewicht erwiderte: »Freilich hab ich ihn erlegt.« Die anderen wollten ihm keinen Glauben schenken, als sie aber das Bärenfell sahen, mußten sie es glauben. Wieder begannen sie zu verhandeln: »Verkauf uns das Fell!« — Aber gern.« — »Was verlangst du dafür?« — »Nichts weiter, als daß der Käufer sich ein Loch ins Ohrläppchen machen läßt.« Ärgerlich sprach der jüngere Schwiegersohn: »Laß doch endlich deine Dummheiten! Was hast du davon, wenn man mir ein Loch ins Ohrläppchen bohrt? Nimm lieber Geld, dann hast du was davon!« Der Aschewicht entgegnete: »Eure Ohren, mein Fell. Macht, was ihr wollt!« Der jüngere Schwiegersohn wollte das Fell aber unbedingt haben. Da half nichts anderes, als daß er sich ein Loch ins Ohr bohren ließ. Dann ging er mit dem Fell zum König und erhielt die versprochene Belohnung.
Bald danach veranstaltete der König ein großes Fest. Geladen waren alle Könige der nächsten Umgebung, geladen waren auch seine Schwiegersöhne, nur der Aschewicht nicht. Der König meinte: »Warum sollte ich ihn zum Fest laden? Was hat er schon Gutes getan? Die anderen haben mir die Tiere gefangen, er hat gar nichts gebracht.«
Traurig ging der Aschewicht am Festtagsmorgen in den Wald. Dort traf er das graue, alte Männchen wieder. Das Männchen fragte ihn: »Was fehlt dir, Söhnchen? Warum bist du so betrübt?« Der Junge entgegnete: »Ich bin traurig, daß ich so dumm gehandelt habe. Ich habe die Tiere zwar gefangen, hab sie aber den anderen Schwiegersöhnen verkauft. Der König meint nun, sie seien die Helden, ich wäre aber ein Nichtsnutz. Er hat mich nicht einmal zum Fest eingeladen. Hab ich nicht Grund genug, traurig zu sein? « Das Männchen tröstete ihn: »Das macht nichts! Du wirst schon am Fest teilnehmen! Da, nimm diese Erbse! Iß sie auf, und du kannst dich in jedes Tier verwandeln und hingehen, wohin du willst!« Der Aschewicht bedankte sich beim Männchen für den guten Rat, nahm die Erbse und ging zurück ins Schloß.
Zu Hause angelangt, aß er die Erbse auf und verwandelte sich in einen Floh. Nun konnte er unbemerkt in den Saal gelangen, in dem die Gäste sich versammelt hatten. Da hörte er, wie die anderen Schwiegersöhne sich vor den Gästen brüsteten. Er hörte, wie der eine den Bär erlegt hätte und der andere den Hengst gefangen habe, der dritte aber den Vogel gefunden hätte. Darauf ging der Aschewicht in sein Zimmer, zog sich prächtige Kleider an und begab sich zurück zu den Gästen.
Wie erschraken da die Lügner, als sie den ungebetenen Gast erblickten.
Der Aschewicht aber sagte vor allen Gästen zu den anderen Schwiegersöhnen: »Ich habe die Tiere zwar euch gegeben, da ihr damit aber falsche Ehre ernten wollt, muß ich jetzt die Wahrheit sagen. Ich war es, der die Tiere gefangen hat!« Die Schwiegersöhne des Königs wurden böse und riefen: »Er lügt, er lügt!« Dann riefen sie die Wächter, damit sie den Lügner festnehmen sollten.
Der Aschewicht aber nahm aus der Tasche das Stückchen Finger und den Siegelring und sagte: »Seht hier, was man mir für die Tiere gegeben hat. Das Stückchen Finger habe ich für den Vogel und diesen Siegelring habe ich für den Hengst bekommen. Der dritte Schwiegersohn aber ließ sich für das Bärenfell ein Loch ins Ohrläppchen machen!«
Nun traute sich keiner der Schwiegersöhne mehr zu widersprechen. Voller Scham verließen sie das Fest des Königs. Der Aschewicht aber wurde nun in allen Ehren gefeiert.
Von diesem Tag an erkannte auch der König den Aschewicht an, under ernannte ihn zu seinem Nachfolger. Und wenn der Aschewicht nicht gestorben ist, so regiert er noch heute das Königreich.
Quelle:
(Estland)