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Der Berggeister Geschenke

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Ein Schneider und ein Goldschmied wanderten mit einander, und als es Abend wurde, hörten sie eine wunderliebliche Musik. Die Musik war so schön, daß sie alle Müdigkeit vergaßen und immer größere Schritte machten um zu sehen wer die Musikanten seien. Bald war es, wenn sie aufhorchten, als rauschte nur der Wind so sanft in den Linden am Wege, bald als klängen die Glockenblumen auf der Wiese, wenn sie im Winde sich neigten. Und der Schneider dachte an seine liebe Braut, die er daheim gelassen hatte, und seufzte, daß er so arm sei und die Spielleute wohl noch lange nicht zu ihrem Hochzeitstanze aufspielen würden. Wie sie nun fortgingen, tönte die Musik immer näher und näher, und zuletzt sahen sie auf einem Hügel viele kleine Gestalten, Männchen und Weibchen, die sich bei den Händen gefaßt hielten und im Kreise um einen alten Mann tanzten, gar lieblich sangen (das war die Musik) und sich immer wechselsweis vor dem Alten verneigten. Der Alte war etwas größer als die übrigen, hatte einen langen, eisgrauen Bart, der tief über die Brust hinab ging, war von majestätischem Aussehen und prachtvoll gekleidet. Der Schneider und der Goldschmied blieben verwundert stehen und konnten sich nicht satt sehen. Da winkte ihnen der Alte; die Tänzer und Tänzerinnen öffneten ihren Kreis, und der Goldschmied, der ein verwegner, kleiner bucklichter Kerl war, trat in denselben. Der Schneider blieb furchtsam zurück; doch als er sah wie die kleinen Männchen und Weibchen seinen Gefährten so lieblich begrüßten, faßte er sich ein Herz und folgte ihm in den Kreis. Nun schloß sich der Reigen wieder, und die Kleinen tanzten und sangen fort. Der Alte aber nahm ein langes, breites Messer, wetzte es, daß es hell funkelte, und nun barbierte er den beiden alle Kopfhaare und den ganzen Bart weg. Sie zitterten vor Angst, daß es nun an den Kopf gehen würde; doch klopfte ihnen der Alte freundlich auf die Schulter, als wollte er sagen, es sei hübsch von ihnen daß sie sich nicht gesträubt hätten. Darauf wies er nach einem Haufen Kohlen, der zur Seite lag, und deutete ihnen durch Gebärden an daß sie sich davon die Taschen füllen sollten. Der Goldschmied, der habgieriger Natur war, griff nach seiner Gewohnheit auch hier besser zu als der Schneider, obwohl die Kohlen keinen Werth hatten. Nun gingen die beiden den Hügel hinab ein Nachtlager zu suchen, und sie sahen sich noch oft nach den kleinen, niedlichen Tänzern um: die Musik tönte immer ferner und leiser; da schlug die Klosterglocke im Thale zwölf, und plötzlich war der Hügel leer, und Alles war verschwunden.

Unten in der Herberge deckten sich die beiden Wandersleute mit den Röcken zu, und da sie sehr müde waren, vergaßen sie die Kohlen aus den Taschen zu nehmen. Doch wachten sie früher als gewöhnlich auf, weil sie die Röcke wie Blei drückten. Sie griffen in die Taschen und wollten ihren Augen nicht trauen, als sie sahen daß sie nicht Kohlen, sondern eitles Gold darin hatten. Der Goldschmied schätzte das seine auf dreißig tausend Thaler und das des Schneiders auf fünfzehn tausend. Auch Haare und Bart hatten sie vollständig wieder. Da priesen sie den Alten auf dem Berge, und der Goldschmied sprach »Weißt du was? heute Abend gehen wir wieder hin, und da wollen wir uns die Taschen erst recht füllen.« Der Schneider aber wollte nicht so. »Ich habe genug« sagte er »und bin zufrieden: ich werde nun Meister, heirate meine Margaret, und da wollen wir fröhlich Wirthschaft führen.« Da der Goldschmied aber nicht weiter wollte und sie schon lange mit einander gewandert waren, blieb der Schneider ihm zu Liebe den Tag in der Herberge liegen. Und als es Abend wurde, hängte sich der Goldschmied noch mehrere Taschen um und ging wieder zu dem Hügel. Er hörte die Musik wie am vorigen Tage und sah die kleinen Tänzer und Tänzerinnen und den Alten in ihrer Mitte. Und der Alte winkte ihm wieder, barbierte ihn und hieß ihn von den Kohlen nehmen. Da raffte er so viel zusammen, als er fortbringen konnte, eilte in die Dorfschenke zurück, deckte sich mit dem Rocke und konnte nicht einschlafen vor Erwartung, wenn nun die Taschen, die von den Kohlen angefüllt so leicht waren, immer schwerer und schwerer werden würden. Aber es geht nicht Alles auf Erden wie die thörichten Menschen meinen: die Taschen blieben leicht. Kaum begann es zu dämmern, so ging er ans Fenster und besah alle Stücke Kohlen einzeln; doch es waren gewöhnliche Kohlen und machten ihm die Finger schwarz. Erschrocken holte er sein Gold vom vorigen Tage herbei; doch auch das glänzte nicht mehr röthlich: es war Alles wieder zu Kohle geworden. Da weckte er den Schneider um ihm sein Leid zu klagen; doch wie der ihn ansah, erschrak er, und nun erfuhr der Goldschmied erst sein ganzes Unglück. Haare und Bart waren ihm glatt abgeschoren, und sie wuchsen auch nie wieder: was aber das Schlimmste war, er hatte einen Höker auf dem Rücken gehabt, und nun hatte er einen zweiten, eben so großen vorn auf der Brust und war von nun an zu seiner Arbeit untüchtig. Da erkannte er wohl daß dies die Strafe für seine Ungenügsamkeit war und fing bitterlich zu weinen an. Der Schneider aber tröstete ihn und sprach »Da wir so lange auf der Wanderschaft gute Gesellen gewesen sind und den Schatz zusammen gefunden haben, so sollst du hinfort auch bei mir leben und mit von meinem Schatze zehren.« Und der Schneider wurde bald Meister und nahm seine Margaret zur ehlichen Hausfrau: er hat fromme Kinder und immer viel Arbeit, und den Goldschmied mit den beiden Hökern und ohne Haare pflegt er noch.

Emil Friedrich Julius Sommer (1819–1846)
[Sagen Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen. Deutsche Märchen und Sagen]

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