Es hatte ein Graf einen großen, großen Birnbaum, so groß, daß seine Zweige bis in den Himmel gewachsen waren und aus dem Himmel hinaus noch höher, hoch bis auf die andere Welt. Im Garten des Grafen sah man nur den Baumstamm. Jetzt, als der Herbst kam und die Birnen reif waren, konnte sie niemand abnehmen, und weil sie niemand erreichen konnte, schickte der Graf Briefe in alle Teile und Nachricht in alle Städte: Wer imstande sei, auf den Baum zu steigen und die Birnen herunterzubringen, bekäme einen Wagen voll Dukaten, davor vier Ochsen eingespannt. Gut. Als sich dieses Gerücht verbreitet, kamen die Jünglinge aus der ganzen Welt und versuchten, aber alle stiegen sie nur ein Stück auf den Stamm hinauf und fielen dann herunter, daß sie Staub und Brösel wurden. Es verging ein Tag um den andern, aber es wagte niemand mehr, auf den verzauberten Baum zu steigen, und der Graf erhielt seine Birnen nicht. Nur einmal ereignete es sich, daß Vasili der Schweinehirt, der immer im Wald bei den Schweinen wohnte, diese Mär vernommen, und da sagte er zu seinem Vater: »Du Vater, ich hüte die Schweine nicht mehr, auch ich gehe zum Grafen, daß ich ihm die Birnen herunterhole.« – »Du Knabe, bleib still und hüte die Schweine, wie du gelernt hast, und es ist gut.« – »Oh, ich gehe, sieh, wie zerrissen ich bin und fast nackt und habe nicht, für was mir Kleider zu kaufen und Schuhe für den Winter. Aber mit Gottes Hilfe denke ich hinaufzusteigen und die Birnen herunterzuholen, dann können wir alle zusammen gut leben.« – »Also dann, mein Sohn, mach, was du willst, wenn du mir nicht gehorchen willst.«
Vasili der Schweinehirt nahm sich seine gluga (wollene Kapuze, Regenkappe) und den Tornister und machte sich auf den Weg. Als er zum Grafen kam, sagte er: »Guten Tag, Herr Graf!« – »Ich danke, Vasili, Schweinehirt. Was bringt dich zu mir?« – »Ich bin ein wenig zu Euch gekommen, um zu sehen, was Ihr noch macht, seid Ihr gesund?« – »Wir leben noch, aber wir haben ein großes Ärgernis, sieh, dieser Birnbaum ist mit seinen Ästen bis in den Himmel gewachsen und aus dem Himmel hinaus, und wir können die Birnen nicht herunternehmen, obwohl ich einen Wagen voll Dukaten mit vier Ochsen bespannt versprochen habe.« – »Herr Graf, mit Gottes Hilfe will ich’s versuchen.« Gut. Vasili der Schweinehirt warf seine Gluga und den Tornister ab, zog die Schuhe von den Füßen, spuckte sich in die Hände und fing an hinaufzusteigen und stieg und stieg lange, lange Zeit, bis er im Himmel ankam. Im Himmel gelangte er an das Haus der heiligen Freitag. Die heilige Freitag war hinausgegangen um Wasser. Er versteckte sich hinter den Ofen. Nur einmal, als sie hereinkam, roch sie immer herum und sprach: »Es kommt mir ein Geruch in die Nase wie von einem irdischen Menschen. Wenn es ein guter Mensch ist, soll er herauskommen aus seinem Versteck, wenn nicht, so mache ich aus ihm Staub und Brösel.« Darauf kam Vasili der Schweinehirt unter dem Ofen hervor und gab der heiligen Freitag einen guten Tag und sagte ihr so und so und er könne die Äste vom Birnbaum nicht finden, um die Birnen herunterzunehmen. Nun, diese wußte es auch nicht und schickte ihn zum heiligen Sonnabend.
Er ging weiter, bis er den heiligen Sonnabend traf. Als er eintrat, war niemand zu Hause, aber er versteckte sich hinter den Ofen, bis der heilige Sonnabend mit Holz kam. »Tulai, wie es hier nach irdischem Menschen riecht! Wenn er ein guter Mensch ist, soll er hervorkommen, wenn nicht, hau ich ihn in lauter Stücke.« Darauf kam Vasili der Schweinehirt hinter dem Ofen hervor und wünschte dem heiligen Sonnabend einen guten Tag. »Kannst du mich nicht auf den Weg zur andern Welt weisen? Es ist ein Birnbaum mit seinen Zweigen auf die andere Welt gewachsen, jetzt hat mich der Graf um die Birnen geschickt, und ich kann sie nicht finden.« – »Wahrlich, ich kenne den Weg nicht, aber geh bis zur heiligen Sonntag, die ist die Schwester der Sonne, die weiß es ganz bestimmt.«
Vasili der Schweinehirt ging weiter bis zur heiligen Sonntag, wieder ging er ins Haus, aber die heilige Sonntag war in der Kirche. Er versteckte sich hinter den Ofen. Als sie aus der Kirche kam, roch sie gleich den irdischen Menschen. »Wer sollte hier sein? Ist er ein guter Mensch, soll er her zu mir kommen, sonst mache ich lauter Brocken aus ihm.« Nun, dieser kam hinter dem Ofen hervor und gab ihr einen guten Tag und fragte sie um den Weg zur andern Welt. »Du Knabe, geh du nur immer auf dem rechten Wege, dann wirst du zu einigen schönen Häusern kommen. Rings herum stehen die Wachen, welche den Hof der Iliane Costindane bewachen. Aber um 12 Uhr mittags schlafen alle eine Stunde, dann kannst du eintreten. Im Hof stehen die Zweige vom Birnbaum des Grafen. Aber beeile dich, daß du herauskommen kannst, bevor es 1 Uhr schlägt.« Gut.
Vasili der Schweinehirt dankte und ging. Und er ging immer auf dem rechten Wege, bis er die Häuser der Iliane Costindane erreichte. Er wartete, bis es 12 Uhr schlug, darauf schliefen alle Wachen, und er trat ein. Und als er eintrat, strahlte der ganze Hof von den goldenen Zweigen, und die Zweige waren voll von goldnen Birnen. Nun, wie freute sich Vasili der Schweinehirt! Er pflückte alle Birnen und steckte sie in den Busen. Wie er fertig war, sah er, daß die Türe ins Haus offen stand, und er dachte, er solle doch sehen, wie es drinnen aussehe, und trat ein. Nur einmal sah er inmitten des Zimmers Iliane Costindane schlafen in einer seidenen Wiege. Sie war so schön, wie du noch nie gesehen. Nun, er sah und sah, bis er nicht mehr konnte, und wie er nicht mehr konnte, ging er zur Wiege, bückte sich und küßte sie auf eine Wange, nur einmal wurde sie dort ganz schwarz. Er ging wieder bis zur Türe, kehrte aber wieder um und küßte sie auch auf die andere, daß sie auch dort schwarz wurde. Jetzt ging er hinaus, und wie er in den Hof kam, schlug es gerade 1 Uhr, und alle Wachen wachten auf, daß er nicht mehr hinaus konnte. Gut.
Er machte sich zu einer Ameise und versteckte sich in einen Erdklumpen. Nur einmal kam Iliane Costindane heraus, schreiend: »Tulai, tulai, mich hat ein irdischer Mensch geküßt, bringt mir ihn her, und wenn ihr ihn nicht findet, bringt alle Tiere, wenn auch nur eine Ameise.« Die Wachen suchten, fanden aber nichts, doch einer besah den Klumpen Erde, nahm ihn auf die Schulter und warf ihn ins Zimmer. Vasili der Schweinehirt, jetzt die Ameise, warf sich über den Kopf und wurde wieder ein Jüngling, aber jetzt nicht mehr ein so erbärmlicher, zerrissener, er war ein so schöner Jüngling geworden, wie du noch nie gesehen, und gefiel der Iliane so gut, daß sie sagte: »Du sollst mein Herr sein, ich will deine Herrin sein, du sollst hier bleiben, daß wir gut leben.« Jetzt machten sie Hochzeit, und es war ein großes Vergnügen.
Als die Hochzeit vorüber war, sagte Vasili der Schweinehirt zu seiner jungen Frau: »Du, jetzt muß ich auf die Erde gehen und dem Grafen diese Birnen tragen, meinen Lohn dafür meinen Eltern geben und Abschied von ihnen nehmen, denn wer weiß, ob ich sie nachher noch sehen kann.« – »Mein Lieber, nimm dir mein Pferd, das trägt dich wie der Gedanke nach Hause, aber du darfst nicht absteigen, niemals; wenn du dies tust, dann ist es nicht gut, dies sollst du mir versprechen.« Er versprach es und kam schnell wie der Gedanke zum Grafen. Als er die goldenen Birnen herausnahm, freute sich der Graf so, daß er gleich vier Ochsen ins Joch spannte und den Wagen mit Dukaten füllte und ihm ihn übergab. Aber Vasili der Schweinehirt stieg nicht vom Pferd herunter, wie viel ihn auch der Graf darum bat, und sprach, wenn er nicht den Knecht mit dem Wagen schicke, könne er ihn nicht nehmen. Darauf rief er dem Knecht und sandte ihn mit dem Wagen zu seinem Vater. Vasili der Schweinehirt ritt hinter dem Wagen. Na, diese Freude! Als ihn die Eltern sahen, kamen der Vater, die Mutter und die Schwester und baten ihn, ins Haus zu kommen, er aber sprach, er könne nicht vom Pferd herunter. Darauf sagte seine Schwester: »Aber Bruder, schwing dich herunter und laß uns das Pferd in den Stall führen, wir geben ihm gut zu fressen, komm du herein, wenn du fort bist, weiß ich, wir sehen dich nicht mehr.« Sie redete so viel, bis sie ihn überredete, daß er abstieg. Nicht einmal der Fuß war zur Erde gelangt, da zog sich das Pferd hinauf und stieg immer höher, immer höher bis in den Himmel. Jetzt stand Vasili der Schweinehirt und sah dem Pferde nach, bis er es nicht mehr sehen konnte.
Dann brach auch er auf, zu Fuß den Weg zu suchen in den Himmel und aus dem Himmel hinaus zur Iliane. Er ging drei Jahre lang und gelangte in einen Wald. Als er in den Wald trat, sah er eine Pfütze, in der Pfütze steckte ein Pferd bis an den Hals im Schlamm und konnte nicht heraus. Er bedauerte es und bemühte sich es herauszugewinnen, er zog es bis zur Hälfte beraus. Er war aber so müde geworden, daß er dachte: »Ach, daß dich die Hunde fressen sollen, ich kann nicht mehr«, und stieß es wieder zurück und ging fort. Und wie er ging, bedauerte er es wieder und kehrte um und zog es bis an die Knie heraus. Er hatte sich aber wieder so müde gemacht, daß er zornig wurde und es wieder zurück in die Pfütze stieß und weiter ging. Nur einmal dachte er: »Ach, das arme Pferd, ich darf es ja doch nicht da lassen«, kehrte wieder um, griff es an und zog es ganz heraus. Und als er es herausgezogen, fiel das Pferd auf einen Strohschober und ruhte ein wenig aus. Dann warf ihm Vasili der Schweinehirt den Zaum über den Kopf, nur einmal stand ein schönes Pferd neben ihm. Er stieg auf, es ging gut, als er ein Stück geritten, warf ihn das Pferd in die Höhe, daß er erschrak. »Du, Vasili Schweinehirt, gefällt es dir? Dies ist dafür, weil du mich in die Pfütze zurückgestoßen.« Sie ritten weiter, da warf es ihn noch einmal hinauf: »Du, Vasili Schweinehirt, gefällt es dir? Dies ist für das zweite in den Schlamm Zurückstoßen.« Er ritt weiter, da warf es ihn zum dritten Male in die Höhe, daß er erschrak. »Du, Vasili, hat dir dies gefallen? Dies ist für das dritte Mal.« Nun trug es ihn friedlich, schnell, wie der Gedanke in den Himmel und zum Himmel hinaus zur Iliane. Aber diese Freude, als sie ihn sah! »Mein lieber Herr, warum hast du mir nicht gehorcht? Hat es dir nun gefallen, daß du drei Jahre auf der Straße herumgewandelt? Hättest du mir gefolgt, wärst du wie der Gedanke bei mir gewesen. Jetzt ist es ja vergangen und ist Friede.« Sie lebten zusammen wie im Paradiese und noch besser, und jetzt ist diese Mär fertig.
Mariuza Triff
[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]