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Der dankbare Tanuki

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Einst lebte in einem Dorf der Präfektur Hidatschi, die sich längs der östlichen Meeresküste im Norden von der Hauptstadt Tokio ausbreitet, ein frommer Priester, der mit Wohlwollen und steter Betätigung der Liebe zu seinen Mitmenschen still, aber vergnügt seine Tage verbrachte. Anspruchslos, wie er war, klagte er nie, dass die Götter ihm keine von den Priesterstellen gewährt hatten, welche irdische Schätze verleihen; er fühlte sich vollkommen zufrieden im Besitze des wenigen, was er hatte.
Sein Amt besorgte er mit seltener Treue, und wenn er nach getaner Arbeit abends in seinem friedvollen Stübchen saß, so blieb ihm nichts zu wünschen übrig. Seine Wohnung lag dicht neben dem Tempel in einem schönen Zedernhain, der im Sommer Kühlung gewährte; im Winter aber, wenn die Stürme vom Ozean daherwehten und in den hohen Wipfeln der Zedern rauschten, dann schob der fromme Priester seine Läden dicht zu und setzte sich neben dem Kohlentopf nieder. Wenn der recht in Glut war und eine behagliche Wärme verbreitete, dann fühlte er sich so glücklich, dass er mit keinem Fürsten hätte tauschen mögen.
Einstmals – es war ein bitter kalter Winterabend – saß er in seiner wohl durchwärmten Klause an einem Tischchen und las mit gedämpfter Stimme in seinen Gebetbüchern, als er plötzlich ein leises Pochen an den äußeren Läden, welche rings um das Haus liefen, zu vernehmen glaubte. Er horchte auf, und als sich das bescheidene Klopfen wiederholte, stand er auf, schob den Riegel an dem Türladen zurück und öffnete. Zu seiner großen Verwunderung stand ein Tanuki, eine Art Fuchs. vor der Tür und bat um Einlass.
Voller Mitleid, wie der Priester war, gewährte er dem armen Tiere, das vor Kälte und Hunger zitterte, gern seine Bitte; er hieß den Tanuki sich wärmen, und als er sein Abendbrot verzehrte, gab er ihm einige Fischabfälle und sättigte den Gast, so gut er es vermochte.
Als die Zeit kam, da sich der Priester zur Ruhe legte, war der Tanuki in seinem Winkel bereits vor Erschöpfung eingeschlafen; der Priester ließ ihn daher ungestört liegen. Am anderen Morgen war das Tier schon frühzeitig aufgestanden; es dankte seinem Wirte und verabschiedete sich.
Der Priester sah den seltsamen Besuch lächelnd ziehen und hatte ihn fast vergessen, als am Abend sich das gestrige Erlebnis wiederholte. Der Tanuki klopfte, ward eingelassen und gefüttert, und nachdem er die Nacht gut und ungestört geschlafen hatte, ging er am nächsten Morgen wieder fort.
Solange die Winterzeit dauerte, kam der Tanuki nun fast Abend für Abend, und der Priester gewöhnte sich so an seinen Gesellschafter, dass er ganz betrübt wurde, wenn der einmal ausblieb.
So verging der Winter, und als es Frühling wurde, da musste der Tanuki scheiden, denn seine Heimat war der Wald, und dort hatte er auch Angehörige, zu denen er zurückkehren musste. Er nahm also Abschied von seinem Freunde, dem Priester, und versprach, wiederzukommen, sobald die kalte Jahreszeit ins Land zöge. Der Priester war damit zufrieden und beurlaubte den Tanuki.
Als der Sommer vergangen war und der Schnee die Flur bedeckte; als nachts raue Stürme einher jagten und Kälte und Frost mit sich brachten: da stellte der Tanuki sich richtig wieder ein, und wieder verbrachte er die Abende in der warmen Stube des Priesters auf die behaglichste Weise.
Abermals war der Winter verstrichen, und der Frühling nahte. Da fragte eines Abends der Tanuki seinen Wirt, ob er denn gar keinen Wunsch habe.
Der Priester dachte ein Weilchen nach und erwiderte dann freundlich: „O ja, ich hätte wohl einen Wunsch, aber den kann ich mir nicht erfüllen. Sieh, ich möchte so gern mir eine Grabstätte an einem heiligen Orte kaufen und das Geld haben, das ich für einige Feierlichkeiten bei meinem Begräbnisse bestimmen könnte. Indessen gehören zu diesen Dingen drei Yen, und die vermag ich nicht aufzubringen; ein armer Priester wie ich muss froh sein, wenn er kümmerlich seinen Lebensunterhalt zu bestreiten vermag.“
Als er nun aber sah, dass der Tanuki darüber ganz betreten ward und sehr trübselig da saß, setzte der gutherzige Priester sogleich hinzu: „Was schadet denn das? Im Grunde sind meine Wünsche doch nur die Ausflüsse einer Eitelkeit, deren ich mich schämen sollte. Was macht es aus, wie man bestattet wird? Das beste Andenken verleihen gute Taten!“
Der Tanuki, in Gedanken verloren, entgegnete nichts und berührte den Gegenstand dieses Gesprächs nicht wieder.
Als dann die warme Frühlingssonne abermals vom Himmel hernieder strahlte und alles mit Blütenpracht überschüttete, da nahm das Tier von seinem Wirte Abschied und verschwand wie im Jahre vorher.
Der Sommer verging. Wie in jedem Jahre brachte er der Freuden viele, spendete seinen Reichtum an Früchten und ließ die Menschen fast vergessen, dass es einen Winter gäbe. Doch der böse Gesell kam unvermerkt dahinter her mit all seinen Unbilden. Flur und Straßen wurden menschenleer; die Vögelchen verkrochen sich in ihre Schlupfwinkel; der heisere Schrei des Fuchses tönte durch die kalte Nacht, und wer ein schadhaftes Haus hatte, der stopfte jede Spalte zu und trachtete, sich, so gut es ging, vor der Kälte zu schützen.
Schon manche Nacht hindurch hatte der Priester in seinem warmen Zimmer gesessen und den Tanuki erwartet; er kam nicht, und sooft auch der gute Priester vor die Tür eilte, wenn es wie ein leises Klopfen ertönte, so musste er sie doch stets unverrichteter Sache wieder schließen. Der Tanuki kam nicht; er war und blieb verschwunden.
Im nächsten Jahre wartete der Priester ebenso vergebens, und als der Tanuki auch im dritten Winter ausblieb, da gab ihn der Priester verloren und meinte, ein Jäger hätte das arme Tier erlegt, oder ein Bär oder ein Wolf hätte es zerrissen So verging die Zeit. Der Priester fühlte mehr und mehr, wie alt er wurde, und dachte oft an seinen Tod.
Der Sommer war abermals dahin und der Winter im Anzuge, als eines Abends wieder, ganz wie ehedem, ein leises, bescheidenes Klopfen an den Außenläden des Hauses ertönte. Neugierig sprang der Priester auf und öffnete, und – o Freude! – da stand unversehrt der Tanuki!
Der Priester ließ den alten Freund rasch eintreten, und als derselbe auf seinem alten Platze sich’s bequem gemacht hatte, da erzählte er auf die Frage des Priesters, wo er denn die drei letzten Winter gesteckt habe, folgendes: „Euer Wunsch, den Ihr gegen mich ausspracht, ging mir zu Herzen, und ich beschloss, alles mögliche dafür zu tun und zu wagen, dass ich Euch die drei Yen verschaffte, welche Ihr zu einem würdigen Begräbnis braucht. Als ich mich umhörte, wo ich wohl etwas verdienen könnte, da vernahm ich viel Rühmens von der Insel Sado, wo viele Goldwäschereien seien. Ich erbettelte mir daher das Geld für die Überfahrt und fing an, dort zu arbeiten. Aber das Gold ist rar, und meine Pfoten waren so ungeschickt, dass ich drei Jahre brauchte, um soviel Geld zu sammeln, dass es für Euch genügt. Hier sind nun die drei Yen in diesem Täschchen. Bitte nehmt es freundlich an!“
Der Priester war nicht nur aufs äußerste erstaunt, sondern auch tief gerührt. Er weigerte sich, das so sauer erworbene Geschenk des Tanuki anzunehmen; allein dieser bat ihn mit Tränen in den Augen darum und sagte: „Was würde mir das Geld nützen? Ich könnte es ja doch nicht brauchen.“
„Wenn ich so ohne weiteres das Geld annehme“, entgegnete der Priester, „so wird man sicherlich sagen, es sei nicht ehrlich verdient. Bestehst du also darauf, dass ich es annehme, so muss ich dich bitten, mit mir in den Tempel zu gehen und deine Erzählung vor aller Welt zu bestätigen, damit man mir glaubt und mich nicht für einen Betrüger hält.“
Der Tanuki war es zufrieden und erfüllte die Bitte des Priesters. Alle Menschen aber, welche seine Erzählung hörten, priesen den treuen, dankbaren Tanuki.

Quelle:
(Märchen aus Japan)

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