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Der dem Teufel versprochene Königssohn

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Ein König zog aus, um zu segeln, aber seine Frau ließ er daheim. Er segelte sieben Jahre. Da geschah es eines Tages, daß das Schiff mitten im Meere plötzlich festsaß. Sie tauchten auf den Grund, um zu sehen, was da wäre, da war es die Hütte des Teufels. Und sie gingen hinein und baten: »Laß das Schiff los.« Da sagte der Teufel zum König: »Versprich mir das, was du nicht kennst, so laß ich dein Schiff los!« – ‚Was ich nicht kenne‘, dachte der König, ‚ich kenne ja alles‘, und er versprach es ihm. »Gut, ich gebe es dir«, sagte er. Am dritten Tage, nachdem der König wieder zu Hause wäre, sollte er dem Teufel das ihm Versprochene zum Strande bringen, von da wollte er es sich holen. Der König kam nach Hause, aber er wußte nicht, daß ihm während der Zeit, wo er fort war, ein Söhnchen geboren war. Als er das erfuhr, erschrak er und war tief betrübt. Er wagte nicht, seiner Frau zu sagen, daß sie das eigene Kind opfern mußten. Erst wenn ein Tag verstrichen war, wollte er ihr sagen: »Der Teufel kommt und holt sich den Knaben.«
Wie er drei Tage zu Hause war, kam wirklich der Teufel, um den Knaben zu holen. Aber sie verließen das Haus mit dem Kinde, und der Teufel schlug alles entzwei, was er fand, alle Geräte und alle Habe. Den folgenden Tag kam er wieder, da waren sie wieder fortgegangen, damit er sie nicht finden sollte, denn sie wollten den Knaben nicht hergeben. Der Teufel schlug wieder alles in Stücke, was ihm in den Weg kam, aber am dritten Tag mußten sie den Knaben hergeben. Und die Mutter kleidete ihn gut und brachte ihn zum Strande.
Da kam der Teufel, sie gaben ihm den Knaben, und er nahm ihn mit ins Meer. Dort war aber schon ein kleines Mädchen, das der Teufel früher entführt hatte, und er selbst hatte auch zwei Mädchen, das entführte war das dritte. Von seinen Töchtern aber wollte er dem Knaben eine zur Frau geben, doch der mochte sie nicht, er wollte lieber das fremde Kind. Da sprach das entführte Mädchen zu dem Knaben: »Morgen werden wir alle drei in die Kirche geführt, und da sollst du dir unter uns eine Braut wählen. Eine Fliege fliegt umher, aus wessen Gesicht sie in dein Gesicht fliegt, die heißt er dich zur Frau nehmen. Die Fliege aber«, sagte das Mädchen, »wird mir zuerst auf die Backe fliegen. Wenn du die Fliege siehst, so sprich: ‚Fliege mir an die Backe‘, dann werde ich deine Braut.«
Die Mädchen waren alle drei einerlei gekleidet, so daß man sie nicht unterscheiden konnte. Sie wurden in die Kirche geführt und auf die Empore gestellt. Da flog die Fliege dem entführten Mädchen ins Gesicht, und der Knabe sah hin und sprach: »Fliege mir an die Backe.« Und sie flog dem Knaben an die Backe und stach ihn. Da sprach der Knabe: »Das Mädchen nehme ich, sag’s dem Teufel.« Aber der Teufel wurde sehr böse, daß er die Aufgabe gelöst hatte, und sprach: »Das hat ihm das entführte Mädchen verraten, das hat er nicht selbst gewußt!«
Und er stellte ihm eine zweite Aufgabe: »Wenn du mir in einer Nacht eine gläserne Brücke über das Meer baust«, sagte er, »so bekommst du das Mädchen.« Nun, der Knabe versprach es. Das Mädchen hatte ihm aber zuvor gesagt: »Bei allem, was er dir aufträgt, sag, daß du es tun willst!« Sie war die Klügste von allen, und sie baute selbst in einer Nacht eine gläserne Brücke über das Meer, mit Pfeilern, die sie auf beiden Seiten stützten. Und Vögel sangen auf der Brücke, allerlei Vögel. Als der Teufel kam, um nach der Brücke zu sehen, war sie schon fertig und noch besser, als er sie verlangt hatte.
Da hieß er ihn als dritte Aufgabe Bier brauen. Alle drei brauten sie Bier, wie zu einer Taufe beim Teufel. Sie kochten das Bier und ließen alle davon kosten. Wer trank, der wurde bezecht, wer daran nippte, der fiel zu Boden. Da betrank sich der Teufel, und das Mädchen und der Knabe entflohen.
Sie fuhren über das Meer, und der Teufel kam ihnen nach. Da verwandelte sich das Mädchen in einen Fisch, in einen Kaulbarsch, und es sprach zu dem Knaben: »Werde zur Schwimmblase in meinem Bauch.« Da wurde der Knabe zur Schwimmblase im Bauch des Fisches. Der Teufel kam ihnen nach und sagte zum Kaulbarsch: »Dreh dich um!« Der Barsch wollte ihn necken und sprach: »Greif mich am Schwanz.« Aber am Schwanz kriegte er ihn nicht, weil er so glatt war, er schlüpfte ihm aus der Hand. Sie schwammen eine weite Strecke, der Teufel immer hinterher, und sagte: »Dreh dich um!« Und der Barsch antwortete: »Faß mich am Schwanz!« So redete er immer dasselbe, um schließlich ans Ufer zu gelangen. Und der Fisch kam mit dem Knaben zum Ufer.
Da ließ das Mädchen den Knaben nach Hause gehn. Der Teufel war ihnen lange nachgejagt, ohne sie zu bekommen, und war schließlich umgekehrt. Dann sagte das Mädchen zu dem Knaben: »Vergiß mich nicht, wenn du nach Hause kommst! Allen gib die Hand, aber deiner älteren Schwester gib sie nicht, sonst wirst du mich vergessen.« Und der Knabe antwortete: »Ich vergesse dich gewiß nicht, ich nehme dich zur Frau.«
Er kam nach Hause und reichte allen die Hand, nur seiner älteren Schwester nicht. Da fing die Schwester an zu weinen: »Warum gibst du mir keine Hand? So viele Jahre haben wir uns nicht gesehen, und jetzt gibst du mir nicht einmal die Hand, bin ich denn schlechter als die andern alle?« Da gab er auch ihr die Hand und vergaß das Mädchen beim Brückensteg.
Hierauf verging eine lange Zeit, und es geschah, daß der Königssohn heiraten wollte, und sie bereiteten die Hochzeit. Da ging seine ältere Schwester zum Brückensteg, um Wasser zu schöpfen, und sie sah das Mädchen im Wasser und erschrak erst. Aber dann dachte die Königstochter, sie wäre selbst so hübsch wie eine Nixe im Wasser, als sie das Mädchen sah, das so schön war. Sie ließ ihren Eimer am Strand und lief nach Hause, um zu sehn, ob sie wirklich so schön war, wie sie da ausgesehen hatte. Sie guckte in den Spiegel, aber das war sie gar nicht. Dann lief sie wieder zurück, um Wasser zu holen. Sie kam ans Ufer und rief das Menschenkind aus dem Wasser heraus: »Bist du getauft, so komm aus dem Wasser, bist du es nicht, geh hin, woher du gekommen bist.« Und das Mädchen stieg aus dem Wasser, aber es war ganz nackt. Da brachte ihm die Königstochter Kleider, dann gingen sie zusammen zur Hochzeit. Der Königssohn aber sah das Mädchen und erinnerte sich seiner. Da vergaß er alles um sich her, er nahm das Mädchen zur Frau und ließ die andere sitzen.

[Finnland: August von Löwis of Menar: Finnische und estnische Märchen]

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