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Der Drache

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Es war einmal und zu einer gewissen Zeit ein König, der ging eines Tages auf die Jagd. Als er so seines Wegs hinzog, gewahrte er von weitem einen Hirsch. Dem setzte er nach und lief so immer weiter und weiter. Da sprang der Hirsch in einen Wald. Auch der König sprang hinein, und indem er bald dahin bald dorthin eilte, kam er endlich in einen Garten. Hier im Garten verlor er den Hirsch aus den Augen, und nun wusste er selbst auch nicht, wo er den Ausgang finden sollte. Da er niemanden im Garten bemerkte, so öffnete er eine Thür, welche er vor sich sah, und trat durch sie in einen andern Garten ein, dessen Bäume waren von Gold und seine Kräuter von Diamanten. Da war auch eine Rose, und es kam ihm die Lust, sie abzuschneiden. Aber als er sie schnitt, sprang ein langer Faden heraus und wickelte sich so fest um den König, dass er sich nicht mehr bewegen konnte. Nun wusste der Unglückliche gar nicht, was er thun sollte, und fing an kläglich zu weinen. Da vernahm er auf einmal ein Getöse, davon die Erde zitterte, und plötzlich kam aus dichtem Gestrüpp ein gewaltiger Drache hervor. Der näherte sich dem König, beroch ihn und sprach zu ihm: ‚Du riechst nach königlichem Blut, und ich will dich nicht fressen, aber ich sage dir, dass du mir in einem Monat eine von deinen Töchtern bringen musst, die will ich mir zum Weibe nehmen.‘ Der arme König versprach das, und nachdem ihn der Drache von dem Faden befreit, ihm einen Weg gezeigt und nochmals ihn erinnert hatte, dass er seine Tochter nicht vergessen möge, ging er zitternd hinweg. Nach langer Wanderung kam er auf seinem Schlosse an und begrüsste seine Kinder, – er hatte nämlich drei Töchter und einen Sohn -, sagte aber weiter nichts zu ihnen, denn er war sehr traurig. Allein es rückte die Zeit heran, zu welcher er die Tochter dem Drachen bringen musste, und da ward er noch viel trauriger. Da sprachen seine Kinder zu ihm: ‚Warum, lieber Vater, bist du so niedergeschlagen?‘ Er weigerte sich anfangs, es ihnen zu gestehen, aber nachher erzählte er ihnen die Sache. Die eine von seinen Töchtern nun wollte unter keiner Bedingung zum Drachen gehen. Und mit der zweiten war’s ebenso. Die dritte dagegen sagte: ‚Für dich, lieber Vater, geb‘ ich selbst meinen Kopf dahin.‘ Als nun die Zeit gekommen war, machte sich der König mit dieser auf den Weg zum Drachen. Sobald sie dort angelangt waren, kam der Drache, in Gewänder von Gold, Málama und Silber gekleidet, mit seinem ganzen Gefolge auf sie zu, nahm das Mädchen in seinen Arm und führte es in einen stattlichen Palast. Der war auf folgende Weise eingerichtet. Jedes Zimmer war mit goldenen Tapeten und mit herrlichem Hausgeräth aus Gold, Silber und Brillanten versehen. Und das Schlafgemach war so prächtig, dass es in der Nacht von selber leuchtete; auch das Bett war von grösster Pracht, aber ganz mit Glocken behangen. Man hörte aber in diesem Schlosse immer ein dumpfes, von fern her kommendes Stöhnen. Es fand nun die Hochzeit statt, und der König zog darauf wieder heim, nachdem ihm der Drache vier Rosse mit Gold und acht mit Brillanten beladen und ihn gebeten hatte, recht oft zu kommen und seine Tochter zu besuchen. Der Drache nun verliess jeden Tag sein Schloss und übergab deshalb sämmtliche Schlüssel seiner Frau; dabei sagte er ihr, dass sie im ganzen Hause umhergehen dürfe, ein einziges Zimmer ausgenommen, das am Ende des Schlosses lag. Es verging lange Zeit, ohne dass die Königstochter jemals sich unterfangen hätte, das verbotene Zimmer zu öffnen. Eines Tages aber, da der Drache fortgegangen war, um drei Monate auszubleiben, trieb sie die Neugier, – denn sie hörte ein Stöhnen von dort herausdringen – das Zimmer zu öffnen, und sie trat ein. Da sah sie einen tiefen Abgrund vor sich, und auf seinem Grunde einen Jüngling, der wehklagte und jammerte. Kaum hatte sie ihn erblickt, als sie den Beschluss fasste ihn zu erretten. Sie fand ein langes Seil und warf das eine Ende dem Jüngling hinunter. Der band sich daran fest, und die Königstochter zog ihn herauf. Als sie ihn heraufgezogen hatte, was sah sie da? Einen Prinzen, der vom Drachen verwundet und in den Abgrund geworfen worden war. Die Königstochter ging nun sogleich daran, seine Wunde zu heilen, und sie heilte sie so gut, dass er in drei Wochen wieder hergestellt war. Da sprach sie zu ihm: ‚Geh jetzt fort von hier und thue, was ich dir sagen werde, um auch mich retten zu können. Lass einen goldnen Schrank machen, der sich von innen öffnet, bring‘ iha hierher und biet‘ ihn feil. Ich werde ihn kaufen und hineinsteigen, und so wird der Drache glauben, er habe mich verloren, und in seinem Zorn darüber den Schrank, ohne zu ahnen, dass ich darin stecke, sammt allem anderen, was ich angeschafft habe, verkaufen, um die Sachen nicht mehr vor Augen zu haben und an mich erinnert zu werden. Du aber, der du jetzt in deine Heimath zurückkehrst, erlaube deiner Mutter nicht dich zu küssen, denn so sie dich küsst, wirst du mich vergessen.‘ Der Jüngling schied betrübt von ihr und gelangte in seiner Heimath an. Am ersten Tage liess er durchaus nicht zu, dass seine Mutter ihn küsste, auch ging er gleich hin und bestellte den goldnen Schrank. Allein in der Nacht, während er schlief, schlich sich seine Mutter ganz leise in sein Zimmer und gab ihm einen Kuss. Am andern Morgen hatte der Prinz alles vergessen. Einige Tage darauf brachte ihm der Goldschmied den Schrank, er aber jagte ihn mit Gewalt aus dem Hause, indem er rief, das seien Lügen, er habe keinen Schrank bei ihm bestellt. Der Goldschmied, der ganz in Verzweiflung war, nahm den Schrank und machte sich, von vielen Leuten begleitet, auf den Weg, um ihn an einem andern Orte zu verkaufen. Wohin, wohin sollte er aber gehen? Der Zufall führte ihn an den Ort, wo der Drache wohnte. Und hier traf die Königstochter mit den Leuten zusammen und kaufte den Schrank. Zugleich befahl sie ihnen, in zwei Monaten an demselben Tage wiederzukommen, den Schrank zurückzukaufen, ihn in den Ort des Prinzen zu bringen, den sie gerettet hatte, und an diesen um jeden, auch den geringsten Preis zu verkaufen; sie werde ihnen das schon vergelten. Nachdem sie hierauf die Leute mit Gold und Silber reichlich beschenkt hatte, gingen diese fort. Als nun die Zeit heranrückte, da der Drache nach Hause zurückkehren musste, da schloss sich die Prinzessin, nachdem sie sich mit einigen Lebensmitteln versehen hatte, in den Schrank ein. Der Drache kam, stieg die Treppe hinauf und trat in sein Schloss ein, bemerkte aber nirgends seine Frau. Da sah er eilig zu, ob der Prinz noch in dem Abgrunde sich befände, und als er sich überzeugt hatte, dass er nicht mehr darin war, da lief er und durchsuchte das ganze Haus. Da er nun seine Gemahlin nirgends fand, so rief er seine Diener herbei und befahl ihnen, alle Sachen seiner Frau zu nehmen und sie so schnell als möglich loszuschlagen. Die Diener nahmen die Sachen, und als sie in der Nähe des Schlosses die Kaufleute gewahrten, welche die Königstochter dahin bestellt hatte, verkauften sie sie an diese. Die nahmen nun den Schrank und trugen ihn, nachdem sie die andern Sachen weggeworfen, zu dem Königssohne. Der hatte keine Lust ihn zu kaufen, aber sie peinigten ihn so sehr, dass er ihn doch für einen sehr geringen Preis nahm. Er stellte ihn in sein Zimmer. Da nun der Prinz ausserhalb des Hauses Unterricht hatte, so pflegte ihm seine Mutter eine Schüssel mit Essen auf sein Zimmer zu stellen. Da trat die Prinzessin in seiner Abwesenheit ganz leise aus dem Schranke heraus und verzehrte das Gericht. Und so blieb der Königssohn nüchtern. Den ersten und zweiten Tag ertrug er das, am dritten aber erzählte er die Sache seiner Mutter. Wie nun die Mutter hörte, dass ihr Sohn ohne Speise geblieben war, sprach sie zu ihm: ‚Bleib einen Tag zu Hause, mein Kind, um zu erfahren, wer dir dein Essen verzehrt.‘ Er blieb also zu Hause und versteckte sich in seinem Zimmer, und da sah er, wie das Mädchen aus dem Schranke herauskam und sein Essen verzehrte. Da eilte er aus seinem Versteck hervor und fasste das Mädchen, und in dem Augenblick, da er ihm ins Antlitz blickte, erinnerte er sich seiner auf einmal wieder und fiel ihm zu Füssen und bat es um Verzeihung, dass er es vergessen hätte. Darauf ersuchte er seine Mutter, ihm täglich eine doppelte Portion von der Suppe und den andern Gerichten zu schicken. Die Mutter that das, und so verging eine lange Zeit. Da musste der Prinz in ein anderes Land in den Krieg ziehen. Ehe er fortging, sagte er zu seiner Mutter, sie möchte fortfahren, eine Schüssel mit Essen in sein Zimmer zu stellen, und sich hüten, den Schrank von seiner Stelle zu rücken. Hierauf zog er betrübten Herzens fort.

Lassen wir jetzt den Königssohn und kommen wir auf seine Tante! Die hatte eine Tochter, die sie mit dem Prinzen zu verheirathen wünschte. Sie hatte aber bemerkt, dass er seit der Zeit, da er den Schrank bekommen, sie nicht mehr besuchte und auch um ihre Tochter sich nicht mehr kümmerte. Darum argwohnte sie, dass irgend etwas in dem Schranke stecken müsse. Sie veranstaltete also ein Gastmahl und bat des Prinzen Mutter, ihr den Schrank für diesen Tag zu leihen. Die Mutter des Prinzen gewährte ihre Bitte, da sie eng mit ihr befreundet war. Aber kaum hatte die Tante den Schrank erhalten, als sie den Befehl ertheilte, ihn ins Feuer zu werfen. Als das Mädchen im Schranke das hörte, öffnete sie ihn eilig, verwandelte sich auf einmal in einen Vogel und flog davon. Da nun die Tante sah, dass das Mädchen fort war, gab sie den Schrank der Mutter des Prinzen zurück, und die stellte ihn wieder an seine frühere Stelle. Als der Königssohn zurückkehrte und den Schrank offen sah, fragte er seine Mutter darüber: die antwortete ihm ängstlich, sie habe den Schrank nirgendhin gegeben. Nun verfiel der Prinz in grosse Schwermuth, und jeden Morgen sass er an seinem Fenster und weinte. Da vernahm er eines Tages ein grosses Geräusch, sein Zimmer erglänzte, und er sah einen Vogel hereinfliegen, der sich auf einmal in das Mädchen verwandelte, das im Schranke gewesen war. Des Prinzen Freude hierüber war gross. Er fragte nach diesem und nach jenem, und sie erzählte ihm das Geschehene. Da rief er sofort den Priester und den Brautführer herbei und liess sich heimlich mit dem Mädchen trauen. Hierauf sagte er zu seiner Tante, er werde ihre Tochter heirathen, und die Hochzeit solle in wenigen Tagen stattfinden. Es kam der Hochzeitstag heran, und am Abend sass die Braut, der Trauung gewärtig, neben ihrem Bräutigam. Aber auch des Prinzen Frau war anwesend. Als nun der Priester den Bräutigam aufforderte, seine Braut vor ihn zu führen, erhob er sich, aber anstatt die Tochter seiner Tante zu nehmen, führte er seine Gemahlin herbei, stellte sie allen als sein Weib vor, erzählte auch die übrige Geschichte und erklärte seiner Tante – denn auch sie war eine Königin – den Krieg. Er besiegte sie und schnitt ihr und den ihrigen die Köpfe ab. Sein Weib aber, die Königstochter, erhielt nach ihres Vaters Tode auch noch dessen Thron, da ihre Geschwister alle gestorben waren, und so lebten sie glücklich mit einander, wir aber hier noch glücklicher.

Quelle:
(Griechische Märchen, Sagen und Volkslieder)

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